Begriff und Grundverständnis von Creeping
Der Begriff „Creeping“ beschreibt im allgemeinen Sprachgebrauch das unauffällige, wiederholte Beobachten von Personen, Profilen oder Aktivitäten, meist im Internet und in sozialen Netzwerken, ohne direkte Interaktion. Rechtlich betrachtet ist „Creeping“ kein feststehender Terminus, erfasst aber je nach Kontext unterschiedliche Konstellationen: vom stillen Verfolgen öffentlich zugänglicher Inhalte, über systematische Informationssammlung zu Wettbewerbszwecken, bis hin zum schleichenden Erwerb von Unternehmensbeteiligungen („Creeping Acquisition“). Die rechtliche Bewertung hängt stark vom konkreten Verhalten, den betroffenen Interessen und den anwendbaren Regelungen ab.
Sprachgebrauch und Kontexte
„Creeping“ tritt vor allem in drei Bereichen hervor: im digitalen Alltag von Plattformen und sozialen Medien, im Arbeitsleben (Beobachtung von Beschäftigten oder Bewerbenden) und in Märkten bzw. am Kapitalmarkt (schleichende Beteiligungsaufstockung). Daneben berührt der Begriff technische und rechtliche Fragen rund um Datenerhebung, Scraping, Nutzungsbedingungen und Schutz von Persönlichkeitsrechten.
Abgrenzungen
„Creeping“ ist abzugrenzen von offener Kommunikation, zulässiger Recherche, automatisiertem „Scraping“ großer Datenmengen und von rechtswidriger Nachstellung. Entscheidend sind Intensität, Zweck, Mittel, Transparenz und die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Betroffenen.
Creeping im digitalen Alltag
Datenschutzrechtliche Einordnung
Das bloße Betrachten frei zugänglicher Inhalte einer Person ist in vielen Situationen rechtlich unproblematisch. Sobald jedoch personenbezogene Daten systematisch gesammelt, zusammengeführt oder zu Profilen verdichtet werden, rücken datenschutzrechtliche Anforderungen in den Vordergrund. Maßgeblich sind unter anderem die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung, Transparenz, Datenminimierung und Zweckbindung. Die Nutzung von Tracking- oder Analysewerkzeugen, die ohne Kenntnis der Betroffenen Profile bilden, kann besonderen Hürden unterliegen. Bei besonders sensiblen Daten gelten erhöhte Schutzstandards.
Persönlichkeits- und Deliktsrecht
Das heimliche, aufdringliche oder entwürdigende Beobachten kann Persönlichkeitsrechte beeinträchtigen. Eine rechtliche Grenze kann erreicht sein, wenn durch Art und Umfang des Beobachtens das soziale oder berufliche Umfeld einer Person gezielt beeinflusst wird, wenn Einschüchterungseffekte entstehen oder wenn private Bereiche ausspioniert werden. Eine fortgesetzte, unzumutbare Verfolgung kann in den Bereich unzulässiger Nachstellung fallen. Die Beurteilung richtet sich nach Intensität, Wiederholungsdichte, eingesetzten Mitteln und der erkennbaren Wirkung auf die betroffene Person.
Plattform- und Hausrecht
Digitale Plattformen regeln in ihren Nutzungsbedingungen, in welchem Umfang Profile angesehen, Inhalte gespeichert oder weiterverarbeitet werden dürfen. „Creeping“-Verhalten kann gegen diese Regeln verstoßen, etwa bei automatisiertem Auslesen, bei Umgehung technischer Schutzmaßnahmen oder bei massenhaftem Abruf. Verstöße können Sperren, Löschungen oder vertragliche Maßnahmen nach sich ziehen.
Creeping im Arbeitsverhältnis
Monitoring von Beschäftigten
Die Beobachtung von Mitarbeitenden in beruflichen Systemen unterliegt strengen Voraussetzungen. Selbst die Sichtung öffentlich zugänglicher Informationen kann Grenzen haben, wenn sie systematisch, verdeckt oder zweckfremd erfolgt. Es gelten Grundsätze der Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit und Transparenz; die private Sphäre der Beschäftigten ist besonders zu beachten. Technische Überwachungsmaßnahmen sind an enge rechtliche Rahmen gebunden.
Bewerbungsverfahren und Social-Media-Screening
Arbeitgebende recherchieren mitunter die Online-Präsenz von Bewerbenden. Dabei stellen sich Fragen nach Relevanz, Diskriminierungsrisiken und Datenminimierung. Informationen, die nicht in Bezug zur angestrebten Tätigkeit stehen oder aus besonders geschützten Sphären stammen, sind rechtlich heikel. Die Verwendung sensibler Merkmale im Auswahlprozess kann unzulässig sein.
Creeping im Wettbewerbs- und Marktumfeld
Creeping Acquisition (schleichende Beteiligungsaufstockung)
Unter „Creeping Acquisition“ versteht man das schrittweise Erhöhen einer Beteiligung an einem Unternehmen, ohne ein formelles Übernahmeangebot abzugeben. Ab bestimmten Schwellen können Anzeigepflichten, Mitteilungspflichten oder sonstige kapitalmarktrechtliche Anforderungen bestehen. Zudem sind Gleichbehandlungserwägungen, Markttransparenz und Anlegerschutz zu berücksichtigen. Die rechtliche Bewertung richtet sich nach der Größe der Beteiligung, der Marktstellung, dem Vorgehen und dem Schutzbedürfnis anderer Marktteilnehmender.
Wettbewerbs- und Geheimnisschutz
Das systematische Auswerten öffentlich erreichbarer Informationen von Mitbewerbenden ist in Grenzen zulässig. Unzulässig wird es, wenn fremde Geschäftsgeheimnisse ausgeforscht, technische Zugangsschranken umgangen oder irreführende Vorgehensweisen eingesetzt werden. Auch aggressive Marktbeobachtung kann wegen unlauterer Behinderung relevant werden, wenn sie auf die Störung fremder Marktteilnahme gerichtet ist.
Datenzugang, Scraping und technische Aspekte
Abgrenzung zu Web Scraping
„Creeping“ als stilles Beobachten unterscheidet sich vom automatisierten „Scraping“, bei dem große Datenmengen maschinell ausgelesen werden. Scraping kann gegen Nutzungsbedingungen verstoßen, Schutzrechte an Datenbanken oder Werken berühren und technische Schutzmaßnahmen unterlaufen. Die rechtliche Bewertung hängt von Zugangsart, Umfang, Zweck, Schutzmechanismen und der Art der Daten ab.
IT-Sicherheit und strafrechtliche Bezüge
Das Ausspähen nicht frei zugänglicher Informationen, das Umgehen von Zugangssperren oder das Eindringen in Konten ist unzulässig und kann strafbar sein. Auch das Erlangen personenbezogener Daten aus geschützten Bereichen kann rechtlich gravierende Folgen haben. Technische Maßnahmen zum Schutz von Accounts und Systemen werden rechtlich unterstützt.
Internationale Perspektiven
Die Einordnung von „Creeping“ variiert zwischen Rechtsordnungen. Unterschiede bestehen insbesondere bei Datenschutzstandards, Persönlichkeitsrecht, Plattformregulierung und Kapitalmarktrecht. Während in manchen Ländern der Schutz der Privatsphäre stark betont wird, legen andere Systeme stärkere Schwerpunkte auf Vertragsfreiheit oder Markttransparenz. Für grenzüberschreitende Sachverhalte können mehrere Regelwerke gleichzeitig Bedeutung erlangen.
Typische Rechtsfolgen und Rechtsdurchsetzung
Ansprüche Betroffener
Bei Rechtsverletzungen kommen Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung, Berichtigung, Auskunft, Löschung und Ersatz materieller wie immaterieller Schäden in Betracht. Plattforminterne Maßnahmen und außergerichtliche Verfahren können eine Rolle spielen. In gravierenden Fällen sind behördliche Verfahren oder Sanktionen möglich.
Beweisfragen
Für die rechtliche Einordnung sind Dokumentation, Nachweisbarkeit von Zugriffen und die Darstellung der Intensität des Beobachtens bedeutsam. Digitale Spuren, Protokolle und Kommunikationsverläufe können eine Rolle spielen. Gleichzeitig sind Datenschutz und Vertraulichkeit bei der Beweiserhebung zu beachten.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „Creeping“ im rechtlichen Kontext?
Es bezeichnet das unauffällige, oft wiederholte Beobachten von Personen, Profilen oder Aktivitäten, überwiegend online. Rechtlich ist der Begriff unscharf und umfasst je nach Fall alltägliches Profilansehen, systematische Datensammlung bis hin zur schleichenden Beteiligungserhöhung an Unternehmen.
Ist das Ansehen öffentlich zugänglicher Profile grundsätzlich zulässig?
Das reine Betrachten öffentlich erreichbarer Inhalte ist in der Regel nicht problematisch. Grenzen können überschritten sein, wenn Informationen systematisch gesammelt, zu Profilen verdichtet oder für Zwecke genutzt werden, die Persönlichkeitsrechte beeinträchtigen oder datenschutzrechtliche Anforderungen verfehlen.
Wo verläuft die Grenze zwischen zulässigem Beobachten und unzulässiger Nachstellung?
Maßgeblich sind Intensität, Häufigkeit, Zweck, eingesetzte Mittel und die Wirkung auf die betroffene Person. Eine Grenze ist erreicht, wenn Verfolgungseffekte, Einschüchterung oder Eingriffe in den privaten Bereich entstehen oder wenn das Verhalten insgesamt unzumutbar wird.
Dürfen Arbeitgeber die Social-Media-Auftritte von Beschäftigten oder Bewerbenden beobachten?
Die Sichtung frei zugänglicher Informationen ist nicht per se unzulässig, unterliegt jedoch Grenzen. Entscheidend sind Erforderlichkeit, Zweckbindung, Verhältnismäßigkeit und der Schutz privater Sphären. Die Nutzung sensibler Informationen oder eine verdeckte, systematische Auswertung kann rechtlich problematisch sein.
Welche Rolle spielen Plattformregeln beim „Creeping“?
Nutzungsbedingungen bestimmen, ob und wie Inhalte angesehen, gespeichert oder weiterverwendet werden dürfen. Automatisiertes Auslesen, Umgehung technischer Beschränkungen oder massenhafte Abrufe können gegen diese Regeln verstoßen und zu Sanktionen führen.
Ist „Creeping Acquisition“ rechtlich erfasst?
Das schrittweise Erhöhen einer Unternehmensbeteiligung kann ab bestimmten Beteiligungshöhen oder Einflussstufen Melde-, Mitteilungs- oder sonstige kapitalmarktrechtliche Pflichten auslösen. Zudem sind Transparenz, Gleichbehandlung und Anlegerschutz bedeutsam.
Kann systematisches Scraping als „Creeping“ gelten und ist es zulässig?
Scraping unterscheidet sich technisch vom stillen Beobachten, wird aber umgangssprachlich teils miterfasst. Rechtlich kommt es auf Zugangswege, Umfang, Zweck, technische Schutzmaßnahmen, Nutzungsbedingungen und etwaige Schutzrechte an Daten oder Datenbanken an.