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COVID-19-Folgenabmilderungsgesetz


Begriff und Zielsetzung des COVID-19-Folgenabmilderungsgesetzes

Das COVID-19-Folgenabmilderungsgesetz (Abkürzung: C19-FolgenAbmildG) bezeichnet ein im März 2020 vom Deutschen Bundestag und Bundesrat beschlossenes Gesetzespaket. Ziel war die rasche und umfassende Abmilderung rechtlicher, wirtschaftlicher und sozialer Folgen der COVID-19-Pandemie für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Vereine und die öffentliche Hand. Das Gesetz ist Teil der beispiellosen legislativen Maßnahmen zur Bekämpfung der durch das Virus ausgelösten Krisensituation.

Gesetzgebungshintergrund

Entstehung und Gesetzgebungsverfahren

Das COVID-19-Folgenabmilderungsgesetz wurde angesichts der extremen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen innerhalb weniger Tage entworfen, beraten und verabschiedet. Es trat am 1. April 2020 in Kraft und wirkte in zahlreichen Regelungsbereichen unmittelbar und befristet – mit Schwerpunkt auf mietrechtlichen, insolvenzrechtlichen sowie gesellschafts-, zivil- und strafverfahrensrechtlichen Vorschriften.

Gesetzliche Grundlage

Gesetzesgrundlage bildet das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (BGBl. I 2020, S. 569 ff.). Es enthält umfangreiche Änderungen und Sonderregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), in der Insolvenzordnung (InsO), im Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung (EGZPO) sowie im Gesellschaftsrecht und weiteren Rechtsbereichen.

Inhaltliche Schwerpunkte des COVID-19-Folgenabmilderungsgesetzes

1. Zivilrechtliche Bestimmungen

a) Leistungsverweigerungsrechte (Moratorium)

Privatpersonen und Kleinstunternehmen wurde im Bereich wesentlicher Dauerschuldverhältnisse (z.B. Strom, Gas, Telekommunikation, Wasser, Pflichtversicherungen) ein befristetes gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht eingeräumt. Voraussetzung war, dass infolge der Pandemie die Erbringung der Leistung nicht zumutbar war. Die Regelung galt zunächst bis 30. Juni 2020.

b) Miet- und Pachtverhältnisse

Das Gesetz untersagte dem Vermieter die Kündigung von Wohn- oder Gewerberaummietverträgen wegen pandemiebedingter Zahlungsrückstände aus dem Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020. Die Pflicht zur Mietzahlung blieb bestehen, jedoch konnte der Mieter Nachzahlungen innerhalb von 24 Monaten nachholen.

2. Insolvenzrechtliche Bestimmungen

a) Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Die Pflicht von Unternehmen zur Stellung eines Insolvenzantrags wurde rückwirkend ab dem 1. März 2020 bis zum 30. September 2020 ausgesetzt, sofern die Insolvenz auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen war und eine Aussicht auf Überwindung der Zahlungsunfähigkeit bestand. Diese Aussetzung wurde mehrfach verlängert und durch weitere Rechtsverordnungen und Gesetze flankiert.

b) Folgeänderungen im Insolvenzrecht

Zahlungsverbote und Haftungsregelungen im Zusammenhang mit der Insolvenzreife wurden gelockert, um Sanierungsbemühungen und Überbrückungshilfen nicht zu gefährden.

3. Gesellschaftsrechtliche Bestimmungen

Zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit von Unternehmen, Vereinen und Stiftungen wurden diverse gesellschaftsrechtliche Vorschriften flexibilisiert:

  • Virtuelle Hauptversammlungen: Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, SE und Genossenschaften konnten auch ohne ausdrückliche Satzungsermächtigung virtuelle Hauptversammlungen durchführen.
  • Beschlussfassungen ohne Versammlungen: Beschlüsse konnten im Umlaufverfahren gefasst werden, auch wenn die Satzung dies nicht vorsah.

4. Strafverfahrensrechtliche Anpassungen

Zur Sicherstellung der Durchführung von Strafverfahren trotz pandemiebedingter Einschränkungen wurde u.a. die Höchstdauer für Unterbrechungen von Hauptverhandlungen verlängert.

Befristung und Auslaufen der Regelungen

Das COVID-19-Folgenabmilderungsgesetz war größtenteils von vornherein befristet. Einzelne Regelungen, etwa im Miet- und Insolvenzrecht, galten für die Dauer des Ausnahmezustands oder wurden aufgrund der weiterhin angespannten Lage verlängert. Seit Beendigung des Ausnahmezustands wurden entsprechende Sonderregelungen sukzessive aufgehoben oder flossen in spätere Gesetzgebungsinitiativen ein.

Bedeutung und Auswirkungen

Das Gesetz war ein zentrales Instrument zur Abfederung unmittelbarer Pandemiefolgen und stellte sicher, dass pandemiebedingte Leistungsstörungen, wirtschaftliche Krisen und Versammlungsverbote nicht automatisch zu Vertragskündigungen, Insolvenzen oder anderen schwerwiegenden Rechtsfolgen führten. Insbesondere Kleinstunternehmen, Mieterinnen und Mieter sowie wirtschaftlich schwache Akteure profitierten von den gesetzlichen Sonderregelungen. Die Flexibilisierung des Gesellschaftsrechts erleichterte die Handlungsfähigkeit vieler Organisationen erheblich.

Literatur und Quellen

  • Bundesgesetzblatt Jahrgang 2020 Teil I Nr. 14, S. 569.
  • Deutscher Bundestag, Drucksache 19/18110.
  • Offizielle Informationsportale der Bundesregierung und des Bundesministeriums der Justiz.

Tipp: Aktuelle Hinweise, Fristen und etwaige Folgegesetzgebungen sollten weiterhin beachtet werden, da pandemiebedingte Sonderregelungen im Nachgang teils modifiziert oder verlängert wurden.

Häufig gestellte Fragen

Inwieweit gewährt das COVID-19-Folgenabmilderungsgesetz Mietern einen besonderen Kündigungsschutz?

Das COVID-19-Folgenabmilderungsgesetz schützt Mieter vor einer Kündigung ihres Wohn- oder Gewerberaummietvertrags durch den Vermieter, sofern diese auf Zahlungsrückständen beruht, die im Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie entstanden sind. Der Mieter muss glaubhaft machen, dass die Nichtleistung auf den Auswirkungen der Pandemie beruht. Hierzu können Nachweise wie etwa ein Nachweis über den Antrag auf staatliche Hilfe, eine Bescheinigung des Arbeitgebers über Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit oder andere geeignete Dokumente dienen. Der Kündigungsschutz gilt jedoch nicht für langfristig rückständige Mieten; der Rückstand muss bis spätestens Juni 2022 ausgeglichen werden, um eine Kündigung zu verhindern. Der Vermieter kann wegen anderer Gründe weiterhin kündigen. Der Gesetzgeber sieht darüber hinaus keine generelle Stundung der Mietzahlungspflicht oder einen Rechtsanspruch auf Mietminderung aufgrund der Pandemie vor.

Können Verbraucher nach dem COVID-19-Folgenabmilderungsgesetz Verpflichtungen aus Dauerschuldverhältnissen zeitweise aussetzen?

Ja, nach § 1 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht können Verbraucher und Kleinstunternehmen ihre Leistungspflichten aus wesentlichen Dauerschuldverhältnissen vorübergehend bis zum 30. Juni 2020 verweigern, sofern sie infolge der Pandemie die geschuldete Leistung nicht ohne Gefährdung ihres angemessenen Lebensunterhalts (bzw. für Unternehmen den Geschäftsunterhalt) erbringen können. Darunter fallen insbesondere Verträge über die Lieferung von Strom, Gas, Telekommunikationsdienste und Wasser. Wesentlich ist allerdings, dass diese Leistungsverweigerung nur solche Verträge betrifft, die zur angemessenen Daseinsvorsorge notwendig sind. Ausgenommen sind hier Verträge aus dem Miet- sowie Arbeitsrecht.

Welche Besonderheiten gibt es im Hinblick auf Darlehensverträge nach dem COVID-19-Folgenabmilderungsgesetz?

Für Verbraucherdarlehensverträge, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden, ist im Zeitraum April bis Juni 2020 eine gesetzliche Stundung der Rückzahlungs-, Zins- und Tilgungsansprüche vorgesehen, wenn dem Verbraucher aufgrund der Folgen der COVID-19-Pandemie die Leistung nicht zumutbar ist. Die Fälligkeit dieser Ansprüche wird für die Dauer von drei Monaten ausgesetzt. Während der Stundungsphase dürfen Darlehensgeber weder kündigen noch den Kreditvertrag wegen Zahlungsverzuges beenden. Die Zahlungspflicht lebt allerdings nach Ablauf der drei Monate wieder auf und verlängert entsprechend die Vertragslaufzeit, sofern keine anderweitige einvernehmliche Regelung getroffen wird.

Wie beeinflusst das Gesetz das Insolvenzrecht für Unternehmen?

Das Gesetz hat die Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO für juristische Personen und Gesellschaften für den Zeitraum vom 1. März bis zum 30. September 2020 ausgesetzt, sofern die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten auf Beseitigung der Insolvenzlage bestehen. Dies soll Unternehmen davor bewahren, allein wegen pandemiebedingter Liquiditätsengpässe Insolvenz anmelden zu müssen. Die Geschäftsleiter müssen jedoch nachweisen können, dass der Insolvenzgrund auf der Pandemie basiert und darf nicht bereits vor dem 1. März 2020 bestanden haben.

Welche Auswirkungen hat das Gesetz auf Gerichtsverfahren?

Im Bereich des Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrechts sieht das Gesetz prozessuale Erleichterungen vor. Unter anderem werden Fristen verlängert, es kann von der Durchführung mündlicher Verhandlungen abgesehen oder diese per Videokonferenz durchgeführt werden. In Strafsachen kann die Höchstdauer der Unterbrechung der Hauptverhandlung auf bis zu drei Monate und zehn Tage gestreckt werden, um kurzfristige Unterbrechungen infolge der Pandemie abzufedern.

Gibt es für Kleinstunternehmen weitere spezifische Regelungen, die im Gesetz berücksichtigt wurden?

Kleinstunternehmen, also Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens zwei Millionen Euro, erhalten nach dem Gesetz ein temporäres Leistungsverweigerungsrecht bei wesentlichen Dauerschuldverhältnissen, analog zu Verbrauchern. Das Ziel ist, die Existenzgrundlage dieser Unternehmen während der Pandemie zu sichern, indem ggf. unvermeidbare Zahlungsausfälle nicht sofort zu Vertragsbeendigungen oder Leistungseinstellungen führen. Voraussetzung ist eine unmittelbare pandemiebedingte wirtschaftliche Betroffenheit.

Wie wirkt sich das Gesetz auf das Pachtrecht aus?

Das Gesetz enthält für Pächter vergleichbare Schutzvorschriften wie für Mieter: Im Fall von pandemiebedingten Zahlungsrückständen im definierten Zeitraum darf der Verpächter den Pachtvertrag nicht allein aus diesem Grund kündigen. Der Pächter muss wie beim Mietrecht glaubhaft belegen, dass die Zahlungsrückstände auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind. Auch hier gilt die Regelung, dass der Zahlungsausfall bis spätestens Juni 2022 ausgeglichen werden muss, um eine Kündigung zu vermeiden.