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COTIF

Was ist COTIF?

COTIF ist die Abkürzung für das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr. Es handelt sich um einen multilateralen Staatsvertrag, der die rechtlichen Grundlagen für grenzüberschreitende Transporte auf der Schiene einheitlich regelt. Ziel ist es, den internationalen Personen- und Güterverkehr, die Nutzung von Schienenfahrzeugen und -infrastruktur sowie technische und sicherheitsrelevante Anforderungen harmonisiert und vorhersehbar zu gestalten.

Gegenstand und Zweck

COTIF schafft einheitliche Regeln für Verträge im internationalen Bahnverkehr, legt Haftungsgrundsätze fest, standardisiert Beförderungsdokumente und ermöglicht die gegenseitige Anerkennung technischer Zulassungen. Dadurch sollen rechtliche Hindernisse an Grenzen abgebaut, Abläufe vereinfacht und die Sicherheit und Interoperabilität des Bahnverkehrs gestärkt werden.

Entstehung und Geltungsbereich

Das Übereinkommen wurde in seiner heutigen Systematik umfassend modernisiert und wird fortlaufend angepasst. Mitgliedstaaten sind vornehmlich Länder Europas, des Nahen Ostens, Nordafrikas und Zentralasiens. Es gilt typischerweise für internationale Beförderungen, bei denen Ausgangs- und Bestimmungsort in unterschiedlichen Vertragsstaaten liegen; in bestimmten Konstellationen kann es auch bei Transit und Teilstrecken anwendbar sein. Neben Staaten kann auch eine regionale Organisation wirtschaftlicher Integration Mitglied sein.

Institutioneller Rahmen

OTIF als Organisation

Zur Durchführung von COTIF besteht die Zwischenstaatliche Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehr (OTIF) mit Sitz in Bern. Sie unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Anwendung und Weiterentwicklung des Übereinkommens, führt Sekretariatsaufgaben aus und koordiniert die technische und rechtliche Harmonisierung.

Organe

Die Organisation verfügt über entscheidungs- und verwaltungsbefugte Gremien. Zu den wesentlichen Organen zählen die Versammlung der Mitgliedstaaten, ein Verwaltungsgremium, Fachausschüsse zur Revision und Auslegung der Anhänge sowie das Generalsekretariat. Für Streitigkeiten sieht das System die Möglichkeit einer schiedsgerichtlichen Beilegung vor.

Aufbau des Übereinkommens

Grundstruktur

COTIF besteht aus einem allgemeinen Teil mit Grundprinzipien (Begriffe, Anwendungsbereich, Organisation, Verfahren) und mehreren Anhängen mit Einheitlichen Rechtsvorschriften (UR), die konkrete Sachbereiche regeln. Diese Anhänge sind integraler Bestandteil und werden je nach Transportart oder Sachverhalt angewendet.

Einheitliche Rechtsvorschriften (Auswahl)

CIV – Personenbeförderung

Regelt den internationalen Vertrag über die Beförderung von Reisenden. Erfasst werden u. a. Rechte aus dem Beförderungsvertrag, Haftung bei Personen- und Gepäckschäden, Verzögerungen, Entschädigungsmechanismen und die Verwendung von Fahrausweisen als Nachweis des Vertrags.

CIM – Güterbeförderung

Regelt den internationalen Vertrag über die Beförderung von Gütern auf der Schiene. Kernthemen sind der Frachtbrief, Obhut und Ablieferung, Haftung für Verlust, Beschädigung und Überschreitung der Lieferfrist, Entschädigungsgrenzen sowie die Abwicklung von Ansprüchen.

CUV – Nutzung von Fahrzeugen

Regelt Verträge über die Nutzung von Schienenfahrzeugen (z. B. Wagen) im internationalen Verkehr. Im Mittelpunkt stehen Rechte und Pflichten von Haltern und Verwendern, Verantwortlichkeit für Instandhaltung und die Zuweisung von Risiken im Betriebsablauf.

CUI – Nutzung der Infrastruktur

Legt Rahmenbedingungen für Verträge zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen und Infrastrukturbetreibern fest. Gegenstand sind Zugangsrechte, Verfügbarkeit, Haftung für Schäden im Zusammenhang mit der Infrastrukturnutzung und Fragen der Betriebskoordination.

APTU – Technische Vorschriften

Schafft ein System harmonisierter technischer Normen und Verfahren für Teilsysteme und Interoperabilitätskomponenten. Ziel ist die Vergleichbarkeit von Anforderungen und die Konsistenz der technischen Regeln über Grenzen hinweg.

ATMF – Zulassung des Eisenbahnmaterials

Regelt Verfahren zur Inbetriebnahme und Zulassung von Fahrzeugen sowie die gegenseitige Anerkennung technischer Bescheinigungen. Dies fördert die grenzüberschreitende Einsetzbarkeit ohne Mehrfachzulassungen.

RID – Gefahrgut

Behandelt die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Schiene. Es umfasst Einstufung, Verpackung, Tanks, Kennzeichnung, Dokumentation und Sicherheitsmaßnahmen und orientiert sich an global abgestimmten Mustervorschriften.

Rechtliche Wirkungen und Einbindung in das nationale Recht

Unmittelbare Anwendbarkeit

Die Einheitlichen Rechtsvorschriften sind darauf ausgerichtet, direkt in Vertragsbeziehungen zu wirken. Sie gelten zwischen den Parteien eines grenzüberschreitenden Bahnvertrags, soweit die Voraussetzungen der Anwendbarkeit erfüllt sind. Nationale Gerichte berücksichtigen diese Regeln bei der Entscheidung einschlägiger Streitigkeiten.

Verhältnis zu nationalem Recht und anderen Abkommen

COTIF bildet ein spezielles Regelwerk für den internationalen Schienenverkehr. Es geht in seinem Anwendungsbereich regelmäßig allgemeinen nationalen Bestimmungen vor, lässt jedoch ergänzende Normen zu, soweit die Einheitlichkeit nicht beeinträchtigt wird. In Bereichen mit überlagernden Regimen (etwa im europäischen Binnenmarkt) wird das Zusammenspiel durch Koordinierungsmechanismen und Zuständigkeitsabgrenzungen gesichert.

Rolle der Unternehmen und Betreiber

Betroffen sind Eisenbahnverkehrsunternehmen, Infrastrukturbetreiber, Wagenhalter, aber auch Absender, Empfänger und Reisende. Verträge, Beförderungsdokumente und technische Nachweise sind auf die einheitlichen Regeln abgestimmt, um ein konsistentes, grenzüberschreitendes System zu gewährleisten.

Haftung und Rechtsdurchsetzung

Haftungsprinzipien in CIV und CIM

Im Personenverkehr (CIV) ist die Verantwortung des Beförderers u. a. auf die sichere Beförderung von Reisenden und Gepäck ausgerichtet. Im Güterverkehr (CIM) haftet der Beförderer im Grundsatz für Verlust, Beschädigung und Lieferfristüberschreitung während der Obhutszeit. Beide Regime sehen geregelte Entlastungsgründe und standardisierte Haftungsbegrenzungen vor, die typischerweise in Sonderziehungsrechten ausgedrückt werden.

Ansprüche, Fristen und Begrenzungen

Ansprüche werden auf Basis der einheitlichen Regeln erhoben. Vorgesehen sind formalisierte Abläufe, Fristen für die Geltendmachung und Verjährungsregelungen. Entschädigungen richten sich nach festgelegten Berechnungsmaßstäben; die Haftung ist in der Regel betragsmäßig begrenzt, wobei die Grenzen systematisch zwischen Personen-, Gepäck- und Güterschäden differenziert sind.

Zuständigkeit und Streitbeilegung

Die Zuständigkeit kann sich aus den einheitlichen Regeln und ergänzend aus nationalen Vorschriften ergeben. Das System eröffnet die Möglichkeit der schiedsgerichtlichen Streitbeilegung. Daneben entscheiden nationale Gerichte über vertragliche und deliktische Ansprüche, sofern deren Zuständigkeit gegeben ist.

Technische Harmonisierung und Sicherheit

Interoperabilität und Anerkennung

Technische Vorschriften und Zulassungsverfahren dienen der Interoperabilität. Bescheinigungen und Genehmigungen sollen grenzüberschreitend anerkannt werden, wenn sie den harmonisierten Anforderungen entsprechen. Dadurch werden Doppelprüfungen vermindert und der Einsatz von Fahrzeugen über Staatsgrenzen hinweg erleichtert.

Gefahrgutrecht (RID)

Das RID setzt ein konsistentes Sicherheitsniveau für Gefahrguttransporte fest. Es regelt Stoffeinstufung, Verpackung, Tankanforderungen, Kennzeichnung, Dokumentation, Schulungskonzepte und Notfallvorsorge. Die Überwachung erfolgt durch zuständige Behörden der Mitgliedstaaten, wobei technische Aktualisierungen regelmäßig nachvollzogen werden.

Änderungen, Beitritt und Kündigung

Beitritt und Geltungsbereich

Der Beitritt steht Staaten sowie bestimmten regionalen Integrationsorganisationen offen. Bei Beitritt wird festgelegt, für welche Teile des Übereinkommens (Anhänge) die Bindung bestehen soll. Der räumliche Geltungsbereich richtet sich nach den Erklärungen der Vertragsparteien.

Revision und Anpassung

COTIF sieht geregelte Verfahren zur Änderung des Grundtexts und der Anhänge vor. Fachgremien bereiten Anpassungen vor, die der technischen Entwicklung, Sicherheitsanforderungen und Marktpraxis Rechnung tragen. So bleibt das Regelwerk aktuell und anschlussfähig an internationale Standards.

Kündigung und Suspension

Vertragsparteien können ihre Bindung beenden oder ruhen lassen. Übergangsregelungen sorgen dafür, dass laufende Beförderungen und bestehende Rechte und Pflichten geordnet abgewickelt werden.

Bedeutung in der Praxis

Grenzüberschreitende Personenbeförderung

Rechte und Pflichten von Reisenden und Beförderern sind einheitlich ausgestaltet. Das erleichtert die Planung internationaler Verbindungen, die Behandlung von Gepäck und die Abwicklung von Ansprüchen aufgrund von Unfällen, Verspätungen oder Ausfällen.

Güterverkehr und Logistik

Der Frachtbrief als zentrales Dokument, standardisierte Haftungsregeln und klar definierte Abläufe schaffen Verlässlichkeit für Verlader, Spediteure und Eisenbahnunternehmen. Dies erleichtert multimodale Lieferketten, in denen die Schiene grenzüberschreitend eingebunden ist.

Schnittstellen zu anderen Regimen

COTIF koordiniert mit internationalen Normen, insbesondere im Gefahrgutrecht und bei technischen Standards. In regional integrierten Märkten bestehen ergänzende Vorschriften, die mit den einheitlichen Regeln abgestimmt sind, um Kohärenz zu sichern.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet COTIF und welcher Zweck wird verfolgt?

COTIF ist das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr. Es vereinheitlicht die rechtlichen Grundlagen für grenzüberschreitende Bahntransporte, einschließlich Verträgen, Haftung, technischen Anforderungen und Sicherheit.

Wer ist an COTIF gebunden?

Gebunden sind die beigetretenen Staaten sowie bestimmte regionale Integrationsorganisationen. Innerhalb dieser Rechtsräume wirken die Regelungen auf die Vertragsbeziehungen von Verkehrsunternehmen, Infrastrukturbetreibern, Wagenhaltern und den Vertragsparteien von Beförderungen.

Welche Bereiche decken die Anhänge von COTIF ab?

Die Anhänge regeln u. a. die Personenbeförderung (CIV), die Güterbeförderung (CIM), die Fahrzeugnutzung (CUV), die Infrastrukturnutzung (CUI), technische Vorschriften (APTU), die Zulassung von Fahrzeugen (ATMF) und das Gefahrgutrecht (RID).

Wie wirkt COTIF im Verhältnis zum nationalen Recht?

In seinem Anwendungsbereich stellt COTIF ein spezielles, vorrangiges Regelwerk dar. Nationale Normen gelten ergänzend, soweit sie die einheitliche Anwendung nicht beeinträchtigen. Zuständigkeiten und Verfahrensfragen werden durch die einheitlichen Regeln und das jeweilige nationale Prozessrecht bestimmt.

Welche Haftungsgrundsätze gelten im Personen- und Güterverkehr?

Im Personenverkehr sind insbesondere Schäden an Reisenden und Gepäck erfasst; im Güterverkehr der Verlust, die Beschädigung und die Lieferfristüberschreitung. Es bestehen standardisierte Entlastungsgründe und betragsmäßige Haftungsbegrenzungen, häufig ausgedrückt in Sonderziehungsrechten.

Wie werden Streitigkeiten nach COTIF beigelegt?

Streitigkeiten können vor nationalen Gerichten ausgetragen werden, sofern deren Zuständigkeit gegeben ist. Ergänzend sieht das System eine schiedsgerichtliche Streitbeilegung vor, die speziell auf Fragen aus dem Anwendungsbereich des Übereinkommens zugeschnitten ist.

Gilt COTIF auch für Gefahrguttransporte auf der Schiene?

Ja. Der Anhang RID regelt die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Schiene, einschließlich Einstufung, Verpackung, Kennzeichnung, Dokumentation und Sicherheitsanforderungen.

Wie verhält sich COTIF zu Regelungen in regional integrierten Märkten?

Es bestehen Koordinierungsmechanismen, um Überschneidungen zu vermeiden und Kohärenz sicherzustellen. Technische und haftungsrechtliche Vorgaben sind aufeinander abgestimmt, damit grenzüberschreitende Eisenbahnverkehre einheitlich abgewickelt werden können.