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corpus delicti


Begriff und Definition von Corpus Delicti

Der Ausdruck corpus delicti stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich übersetzt „Körper des Verbrechens“. Im rechtlichen Kontext bezieht sich der Begriff primär auf das materielle Beweisstück oder das unmittelbare Objekt einer Straftat. In der Strafrechtsterminologie steht corpus delicti für alle Gegenstände, auf welche sich der deliktische Eingriff bezieht, oder die das Verbrechen kennzeichnen, dokumentieren oder belegen. Der Begriff ist in vielen Rechtssystemen, darunter dem deutschen Strafrecht ebenso wie in Common Law-Ländern, ein zentrales Element der Beweisführung.

Geschichtliche Entwicklung des Begriffs

Historischer Ursprung

Der Begriff corpus delicti wurde ursprünglich im römischen Recht verwendet und diente dazu, das tatsächliche Vorhandensein einer Straftat durch ein physisches Beweisstück darzustellen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde dieser Begriff in den modernen Strafrechtswissenschaften weiterentwickelt und präzisiert.

Entwicklung im deutschen Recht

Im deutschsprachigen Raum ist corpus delicti zwar kein gesetzlich definierter Begriff, findet jedoch sowohl in der Strafrechtslehre als auch in der Rechtsprechung Anwendung. Er beschreibt vorrangig die Sache, auf die sich eine strafbare Handlung unmittelbar bezieht oder durch welche deren Durchführung belegbar wird.

Bedeutung und Funktion im Strafverfahren

Nachweis einer Straftat

Im Strafverfahren spielt das corpus delicti eine maßgebliche Rolle bei der Erfüllung des Straftatbestandes. Das Vorhandensein eines corpus delicti dient der Staatsanwaltschaft und dem Gericht als zentrales Element für den Beweis, dass tatsächlich eine strafbare Handlung begangen wurde.

Beweisführung und Beweismittel

Das corpus delicti kann verschiedene Erscheinungsformen annehmen:

  • Sachen, auf die sich ein Delikt bezieht: z.B. das gestohlene Gut bei Diebstahl.
  • Subjektiver Tatbestand: in Form eines Opfers, beispielsweise bei Körperverletzung.
  • Gegenstände, die als Tatmittel verwendet werden: etwa Werkzeuge bei einem Einbruch.

Die Sicherstellung des corpus delicti ermöglicht den Ermittlungsbehörden eine sichere Einordnung der Tat nach objektiven Kriterien, was im Hinblick auf die Anforderungen an die Beweisführung von besonderer Bedeutung ist.

Abgrenzung zu anderen Beweisformen

Zu unterscheiden ist das corpus delicti von anderen Arten von Beweisen wie Zeugenaussagen, Urkunden oder Indizien. Während letztere lediglich mittelbar Rückschlüsse auf einen Sachverhalt zulassen, handelt es sich beim corpus delicti um einen unmittelbaren Gegenstand oder ein unmittelbar mit der Tat in Verbindung stehendes Beweisstück.

Arten und Erscheinungsformen des Corpus Delicti

Körperlicher Gegenstand

Das klassischste Beispiel für ein corpus delicti ist der körperliche Gegenstand, der aus einer strafbaren Handlung stammt, etwa die Beute eines Diebstahls oder das gefälschte Dokument beim Urkundendelikt.

Nichtkörperliche Erscheinungsformen

Auch immaterielle Dinge können als corpus delicti betrachtet werden, sofern sie unmittelbar mit der Straftat in Zusammenhang stehen, z.B. digitale Daten im Rahmen von Cyberkriminalität.

Menschlicher Körper als Corpus Delicti

In Fällen von Körperverletzung, Tötungsdelikten oder sexuellen Übergriffen stellt der menschliche Körper selbst das corpus delicti dar, da die rechtswidrige Handlung an diesem ausgeübt wurde.

Rechtliche Bedeutung im internationalen Vergleich

Deutsche Rechtsprechung

Im deutschen Strafrecht ist das corpus delicti nicht explizit legaldefiniert, jedoch anerkannt und von der Rechtsprechung vielfach berücksichtigt. Die Beweiserhebung und Beweissicherung sind durch die Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) geregelt, wobei das corpus delicti regelmäßig als zentrales Tatobjekt zum Einsatz kommt.

Common Law-Rechtssysteme

Im anglo-amerikanischen Rechtskreis kommt dem corpus delicti eine noch größere, explizit definierte Bedeutung zu. Hier dient es als zentrale Voraussetzung für jede Verurteilung, dass zunächst unabhängig von einem Geständnis bewiesen wird, dass tatsächlich eine Straftat begangen wurde.

Corpus Delicti im Zusammenhang mit der Beweisführung

Rolle im Ermittlungsverfahren

Bereits zu Beginn eines Ermittlungsverfahrens wird versucht, das corpus delicti sicherzustellen. Die Sicherung und forensische Untersuchung dienen der Feststellung von Tatumständen, Täterschaft und Tatbeteiligung.

Bedeutung in der Hauptverhandlung

In der Strafverhandlung wird das corpus delicti als Beweisstück vorgelegt und dient der richterlichen Überzeugungsbildung. Es ist entscheidend für den Nachweis des objektiven Tatbestandes.

Entsorgung und Rückgabe des Corpus Delicti

Nach Abschluss des Strafverfahrens regelt die Strafprozessordnung, was mit dem corpus delicti zu geschehen hat, etwa die Rückgabe an Berechtigte, die Einziehung oder Vernichtung.

Abgrenzung zu verwandten Begriffen

  • Tatmittel: Werkzeug oder Gegenstand, der zur Begehung einer Straftat verwendet wurde, aber nicht zwingend das corpus delicti sein muss.
  • Tatobjekt: Der Gegenstand, auf den sich die Straftat richtet; oft dem corpus delicti gleichzusetzen, aber nicht stets deckungsgleich.
  • Beweisstück: Überbegriff, unter dem das corpus delicti eine Teilmenge darstellt.

Rechtsfolgen und prozessuale Behandlung

Das Auffinden und Sichern des corpus delicti hat unmittelbare Konsequenzen für den Fortgang des Strafverfahrens. Es bildet eine Grundlage für Sicherstellungs- und Beschlagnahmeanordnungen und kann zum Zweck der Einziehung oder Vernichtung (zum Beispiel bei Falschgeld oder Betäubungsmitteln) herangezogen werden.

Zusammenfassung

Das corpus delicti ist ein zentraler Begriff im Strafverfahrensrecht und ein unverzichtbares Element der Beweisführung. Es umfasst das materielle Beweisstück oder das unmittelbare Objekt einer Straftat und spielt eine wesentliche Rolle in der strafrechtlichen Aufarbeitung und gerichtlichen Entscheidungsfindung. Die präzise Sicherstellung und rechtliche Behandlung des corpus delicti sind für die ordnungsgemäße Durchführung eines Strafverfahrens unerlässlich.


Diese detaillierte Darstellung bietet einen umfassenden Überblick über den Begriff corpus delicti, seine Funktion im Rechtssystem sowie seine praktische Bedeutung im Rahmen von Ermittlungs- und Strafverfahren.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist berechtigt, das corpus delicti zu sichern und zu untersuchen?

Das Sicherstellen und Untersuchen des corpus delicti fällt in Deutschland grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der Strafverfolgungsbehörden, insbesondere der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Die Polizei trägt im Rahmen der Gefahrenabwehr sowie der Strafverfolgung die Verantwortung, alle für ein Strafverfahren relevanten Beweismittel – inklusive des corpus delicti – aufzufinden, zu sichern und zu dokumentieren. Nach § 94 StPO (Strafprozessordnung) sind sie sogar verpflichtet, Gegenstände, die als Beweismittel in Betracht kommen, sicherzustellen und bei Bedarf zu beschlagnahmen. Auch die Staatsanwaltschaft kann entsprechende Anordnungen treffen und bei Gefahr im Verzug die notwendigen Maßnahmen selbst ergreifen. Das sachverständige Untersuchen des corpus delicti obliegt in der Regel forensischen oder kriminaltechnischen Gutachtern, welche von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht hinzugezogen werden. Privatpersonen ist es regelmäßig nicht gestattet, das corpus delicti eigenständig zu sichern, da durch Manipulation oder unsachgemäße Behandlung Beweismittel gefährdet oder Beweisverwertungsverbote begründet werden könnten.

Welche Rolle spielt das corpus delicti in einem Strafverfahren?

Das corpus delicti besitzt im Strafverfahren eine zentrale Bedeutung, da es oft als zentrales materielles Beweismittel dient, welches den Zusammenhang zwischen einer Straftat und einem Verdächtigen herstellen kann. In vielen Verfahren ist der Nachweis der Täterschaft oder auch die Konkretisierung des Tatablaufs ohne das corpus delicti erschwert oder unmöglich. Das corpus delicti kann sowohl als unmittelbares Beweismittel (Tatmittel, Tatobjekt) als auch als mittelbares Beweismittel (z. B. Spuren, DNA-Spuren am corpus delicti) eine Rolle spielen. Seine forensische Untersuchung kann entscheidende Erkenntnisse zur Rekonstruktion des Tathergangs, zur Identifizierung des Täters oder zur Klärung der Täter-Opfer-Beziehung liefern. Im Instanzenzug bleibt das corpus delicti meist weiter als potenzielles Beweisstück erhalten und wird ggf. erneut mittels Sachverständigenbegutachtung bewertet.

Was geschieht mit dem corpus delicti nach Abschluss des Strafverfahrens?

Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens, d. h. nach Eintritt der Rechtskraft eines Urteils oder einer Verfahrenseinstellung, wird über die weitere Verwendung des corpus delicti gemäß §§ 109 ff. StPO entschieden. Grundsätzlich erfolgt eine Rückgabe an den Eigentümer oder rechtmäßigen Besitzer, sofern keine Gründe einer Einziehung, Vernichtung oder Verwertung entgegenstehen. Ist das corpus delicti nach § 74 StGB einzuziehen (z.B. bei verbotenen Gegenständen oder Tatwerkzeugen), so wird es entweder vernichtet, dem Staat zugeführt oder anderweitig gesetzeskonform verwertet. Bestehen Unsicherheiten hinsichtlich des Eigentums, etwa bei gestohlenen Objekten mit ungeklärten Besitzansprüchen, kann das Gericht auf Antrag einen Verteilungsbeschluss fassen beziehungsweise das corpus delicti einstweilen verwahren lassen.

Wie wird die Echtheit und Unverfälschtheit des corpus delicti sichergestellt?

Die Sicherstellung der Echtheit und Unverfälschtheit des corpus delicti ist im deutschen Strafverfahren für die Beweissicherheit unerlässlich. Zu diesem Zweck sind genaue Protokollierungen, eine lückenlose Dokumentationskette (chain of custody) sowie sachgerechte Verpackung und Lagerung zwingend. Bereits bei der Sicherstellung werden alle Beteiligten, Fundumstände, Lagebeschreibung und der Zustand des corpus delicti protokolliert und fotografisch dokumentiert. In der weiteren Verwahrung unterliegt das corpus delicti strengen Zugriffs- und Lagerungsregelungen, um Kontamination oder Manipulation auszuschließen. Vor Gericht besteht stets die Möglichkeit, Sachverständige zur Begutachtung beizuziehen, um etwaige Veränderungen, Fälschungen oder Kontaminierungen offenzulegen. Werden Verstöße gegen diese Standards festgestellt, kann die Beweiskraft des corpus delicti erheblich gemindert sein bis hin zu einem Beweisverwertungsverbot.

Kann das corpus delicti Gegenstand eines Beweisverwertungsverbots werden?

Ja, das corpus delicti kann unter gewissen Voraussetzungen einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Insbesondere Verstöße gegen wesentliche Verfahrensvorschriften, wie etwa das Verbot der Selbstbelastung, die Verletzung von Beschuldigtenrechten, das Unterlassen richterlicher Anordnungen bei erforderlichen Sicherungsmaßnahmen oder eine mangelhafte Dokumentation, können dazu führen, dass das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung das corpus delicti nicht oder nur eingeschränkt berücksichtigt. Nach gefestigter Rechtsprechung ist aber stets eine Abwägung zwischen dem Öffentlichkeitsinteresse an einer effektiven Strafverfolgung und den Individualgrundrechten des Beschuldigten vorzunehmen (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). Ein genereller Ausschluss der Verwertung erfolgt jedoch nur in besonderen Ausnahmefällen, etwa bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen.

Gibt es Unterschiede zwischen dem corpus delicti im Zivilrecht und dem im Strafrecht?

Der Begriff corpus delicti hat im Zivilrecht keine vergleichbare Bedeutung wie im Strafrecht, da er hauptsächlich den strafprozessualen Sachbeweis betrifft. Im Zivilverfahren sind materielle Beweisgegenstände grundsätzlich als Augenscheinsobjekte relevant und unterliegen den zivilprozessualen Beweisregeln nach der Zivilprozessordnung (ZPO). Anders als im Strafprozess, wo das corpus delicti oft den Ausgangspunkt einer Ermittlung bildet, ist im Zivilrecht die Beweisführung in streitigen Tatsachen meist durch Urkunden, Zeugen oder Sachverständigengutachten geprägt. Der Stellenwert und die prozessuale Behandlung eines corpus delicti als eigenständiges Beweismittel mit kriminalistischer Bedeutung ist im Zivilrecht daher wesentlich geringer.