Begriff und Rechtsnatur von „Contempt of Court“
Contempt of Court (dt.: „Missachtung des Gerichts“) ist ein Terminus aus dem angloamerikanischen Rechtskreis und bezeichnet eine straf-, zivil- oder ordnungsrechtliche Sanktionierung für tatsächliche oder mutmaßliche Respektlosigkeit, Missachtung oder Störung eines Gerichts und dessen Verfahren. Der Begriff umfasst alle Handlungen oder Unterlassungen, die geeignet sind, das Ansehen oder die Autorität des Gerichts zu beeinträchtigen, die ordnungsgemäße Rechtspflege zu behindern oder gerichtliche Anordnungen zu missachten.
Dieses Rechtsinstitut ist insbesondere im Common Law von zentraler Bedeutung und dient der Sicherung der Funktionsfähigkeit und Autorität der Justiz. Die Regelungen zum contempt of court unterscheiden sich teils erheblich von denen kontinentaleuropäischer Rechtsordnungen, in denen vergleichbare Sachverhalte als „Ungehorsam gegen gerichtliche Anordnungen“ oder „Störung der Rechtspflege“ behandelt werden.
Arten und Tatbestände des Contempt of Court
Contempt of court lässt sich in verschiedene Hauptkategorien unterteilen, die teils überschneidende Merkmale aufweisen.
Criminal Contempt
Criminal contempt bezeichnet Handlungen, die das Gericht oder dessen Autorität nachhaltig schädigen und die als strafrechtlich relevant eingestuft werden. Hierzu zählen beispielsweise:
- Störungen der Gerichtsverhandlung durch beleidigende Äußerungen oder gewalttätiges Verhalten
- Veröffentlichung oder Verbreitung von Informationen, die den Prozessverlauf unzulässig beeinflussen
- Aberkennung der Gerichtsbeschlüsse mit öffentlicher Wirkung
Die Sanktionen im Rahmen von criminal contempt können Geldstrafen, Freiheitsentzug oder andere Zwangsmaßnahmen sein.
Beispiele für Criminal Contempt:
- Ein Zuschauer beleidigt einen Richter während einer Anhörung
- Ein Angeklagter verweigert trotz richterlicher Anordnung beharrlich die Aussage
Civil Contempt
Civil contempt dient vorwiegend der Durchsetzung gerichtlicher Anordnungen zugunsten der Parteien eines Verfahrens. Dieser Tatbestand liegt vor, wenn jemand einer gerichtlichen Verfügung, insbesondere einer Unterlassungs- oder Leistungsverfügung, nicht nachkommt.
Ziel ist nicht die Bestrafung der Missachtung, sondern die Erzwingung der Befolgung gerichtlicher Anordnungen, etwa durch Zwangsgelder oder Beugehaft.
Beispiele für Civil Contempt:
- Eine Partei weigert sich, im Rahmen eines Sorgerechtsstreits das Kind wie gerichtlich angeordnet herauszugeben.
- Der Verstoß gegen eine einstweilige Verfügung, beispielsweise im Wettbewerbsrecht.
Direct und Indirect Contempt
Eine weitere Systematisierung erfolgt nach dem Ort des Fehlverhaltens:
- Direct Contempt: Die Missachtung geschieht im unmittelbaren Beisein des Gerichts, etwa in öffentlicher Gerichtsverhandlung.
- Indirect Contempt (auch „Constructive Contempt“): Die Missachtung findet außerhalb des Sichtfelds des Gerichts statt, etwa durch Schriftverkehr oder Handlungen außerhalb des Sitzungssaals.
Die Unterscheidung hat praktische Bedeutung für die Verfahren und Sanktionskompetenzen.
Verfahren und Sanktionen
Verfahrensweise bei Contempt of Court
Das Vorgehen bei der Ahndung eines contempt of court unterscheidet sich je nach Kategorie. Während direct contempt in der Regel summarisch, also ohne allzu umfassendes Verfahren, und unmittelbar durch das Gericht geahndet werden kann, ist bei indirect contempt oftmals ein förmliches Verfahren mit Anhörung des Betroffenen vorgesehen.
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs sowie das Prinzip des fairen Verfahrens sind auch im Zusammenhang mit contempt of court zu beachten. Im Falle einer Sanktion nach criminal contempt muss regelmäßig ein ordnungsgemäßes Verfahren unter Wahrung der Verteidigungsrechte erfolgen.
Rechtsfolgen und Sanktionen
Mögliche Sanktionen reichen von Ordnungsgeldern, Zwangsmaßnahmen (z.B. Beugehaft), über öffentliche Rügen bis hin zu Freiheitsstrafen. Die konkreten Maßnahmen richten sich nach Schwere und Art der Missachtung sowie nach den gesetzlichen Vorgaben des jeweiligen nationalen Rechts.
Contempt of Court im internationalen Vergleich
Obwohl contempt of court ein zentrales Institut im Common Law, insbesondere in England und den USA, darstellt, existieren vergleichbare Schutzmechanismen der Gerichtsbarkeit auch in anderen Rechtsordnungen.
England und Wales
Hier bildet das „Contempt of Court Act 1981″ die zentrale Grundlage, das insbesondere auch im Hinblick auf Medienberichterstattung und Konflikte zwischen Pressefreiheit und Rechtspflege detaillierte Vorschriften enthält.
Vereinigte Staaten von Amerika
In den USA sind die Ausprägungen sehr vielfältig und können je nach Bundesstaat erheblich variieren. Die Rechtsprechung des Supreme Court hat Leitlinien zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Maßnahmen und deren Verhältnis zur Meinungs- und Pressefreiheit entwickelt.
Kontinentaleuropa
Im deutschen und österreichischen Recht finden sich im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht vergleichbare Tatbestände, beispielsweise die „Missachtung gerichtlicher Anordnungen“, Beleidigung oder Verleumdung eines Gerichts sowie bestimmte Straf- und Disziplinarmaßnahmen.
Schutz von Grundrechten und Konflikte mit der Meinungsfreiheit
Contempt of court kann in einem Spannungsverhältnis zur Meinungs-, Presse- und Berichterstattungsfreiheit stehen. Besonders kritisch wird der Begriff in Fällen betrachtet, in denen die justizielle Unabhängigkeit gegen das öffentliche Interesse an Information oder an der Kritik staatlicher Organe abgewogen werden muss.
In internationalen Abkommen, beispielsweise der Europäischen Menschenrechtskonvention, wird diesem Spannungsverhältnis durch eine Güterabwägung und zwingende Begründungsanforderungen an Eingriffe in Grundrechte Rechnung getragen.
Abgrenzung zu verwandten Begriffen
Contempt of court ist von anderen Rechtsinstituten, etwa Störung der öffentlichen Ordnung, Verleumdung oder falscher Verdächtigung, abzugrenzen. Während diese Straftatbestände gezielt gegen Einzelpersonen oder das öffentliche Interesse gerichtet sind, dient contempt of court ausschließlich dem Schutz der Funktion und Autorität gerichtlicher Verfahren und Institutionen.
Literatur und Weiterführende Quellen
Zur weiterführenden Recherche sind die folgenden Quellen zu empfehlen:
- Contempt of Court Act 1981 (UK)
- Federal Rules of Criminal Procedure (USA)
- Textsammlung „The Law of Contempt“ von Nigel Lowe und Benet H. Myers
- Entsprechende Passagen in Lehrwerken zum angloamerikanischen Zivilprozess- und Verfahrensrecht
Fazit
Contempt of court stellt ein umfassendes Schutzinstrument für die Integrität der Rechtspflege dar. Der Begriff umfasst ein breites Spektrum an missbräuchlichen, respektlosen oder gerichtsbehindernden Handlungen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen. Die Ausgestaltung und Durchsetzung dieses Instituts sind komplex und variieren je nach nationalem Rechtssystem und Rechtskultur. Das rechtsstaatliche Gleichgewicht zwischen gerichtlichem Schutzinteresse und individuell geschützten Grundrechten ist dabei stets zu wahren.
Häufig gestellte Fragen
Welche Verhaltensweisen können als contempt of court gewertet werden?
Contempt of court umfasst unterschiedlichste Verhaltensweisen, die geeignet sind, die Autorität, Integrität oder Funktionsfähigkeit eines Gerichts zu beeinträchtigen. Hierzu zählt beispielsweise das Stören der Gerichtsverhandlung, respektloses Verhalten gegenüber Richter:innen, Prozessparteien oder Zeug:innen, die Nichtbefolgung gerichtlicher Anordnungen oder Ladungen sowie die Veröffentlichung oder Weitergabe vertraulicher Informationen aus einem laufenden Verfahren entgegen gerichtlicher Auflagen. Auch die unzulässige Beeinflussung von Zeug:innen oder Geschworenen, zum Beispiel durch Einschüchterung, fällt darunter. Sogar öffentliche Äußerungen, die geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz zu unterminieren, können als contempt of court beurteilt werden. Die genaue Ausgestaltung kann je nach Rechtsordnung variieren, die gemeinsame Klammer ist jedoch stets die Sicherung des ungestörten und fairen Ablaufs gerichtlicher Verfahren.
Welche rechtlichen Folgen drohen bei einem Verstoß gegen die Contempt of Court-Regeln?
Die Sanktionen bei contempt of court können unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wie schwerwiegend der Verstoß ist und in welcher Rechtsordnung er stattfindet. Typischerweise umfasst das Sanktionsspektrum Geldstrafen, Ordnungshaft oder sogar Freiheitsstrafen. In Zivilverfahren kann eine Person beispielsweise zur Zahlung eines Zwangsgeldes verurteilt werden oder eine zwangsweise Durchsetzung gerichtlicher Maßnahmen hinnehmen müssen. In schwereren Fällen ist auch eine unmittelbare Inhaftierung denkbar, ohne dass ein separates Strafverfahren eröffnet werden muss. Zusätzlich kann das Gericht weitere Maßnahmen anordnen, um den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens sicherzustellen, etwa den Ausschluss von Personen aus dem Gerichtssaal oder die Anordnung von Kommunikationsverboten.
Wie unterscheiden sich civil contempt und criminal contempt?
Civil contempt und criminal contempt unterscheiden sich primär hinsichtlich ihres Zwecks und der jeweiligen Rechtsfolgen. Civil contempt dient dazu, die Durchsetzung gerichtlicher Anordnungen zu sichern, insbesondere zur Erzwingung eines bestimmten Verhaltens. Ein klassisches Beispiel ist die Missachtung einer Unterlassungsverfügung, die dazu führen kann, dass die betreffende Person zur Vornahme oder Unterlassung einer Handlung gezwungen wird – häufig durch Zwangsgeld oder Zwangshaft. Bei criminal contempt steht hingegen die Bestrafung eines in der Vergangenheit begangenen Verstöße im Fokus, also die Ahndung eines Angriffs auf die gerichtliche Autorität – wie zum Beispiel Beleidigungen des Gerichts oder Störungen des Prozesses. Hier kann eine strafrechtliche Verfolgung mit empfindlichen Strafen folgen, die primär eine generalpräventive Wirkung erzielen sollen.
Welche Verfahrensrechte stehen Beschuldigten im contempt of court-Verfahren zu?
Auch bei Verfahren wegen contempt of court stehen den Betroffenen grundlegende Verfahrensgarantien zu. Hierzu gehört das Recht auf rechtliches Gehör, das heißt die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern und Beweise vorzubringen. In vielen Rechtssystemen besteht ein Anspruch auf anwaltliche Vertretung, insbesondere, wenn eine Haftstrafe droht. Weiterhin sind das Recht auf ein faires und unparteiisches Verfahren, die Unschuldsvermutung und gegebenenfalls das Recht auf Rechtsmittel, wie Berufung oder Beschwerde, zu beachten. Je nach Schwere der Vorwürfe und den gesetzlichen Rahmenbedingungen können diese Rechte im Einzelnen unterschiedlich ausgeprägt sein, doch der Schutz vor willkürlicher Verfolgung bleibt stets gewahrt.
Gelten die Regeln zu contempt of court auch für Medien und Journalisten?
Ja, Medien und Journalisten unterliegen ebenfalls den Regeln zu contempt of court. Besonders relevant ist dies im Zusammenhang mit der Berichterstattung über laufende Gerichtsverfahren. Unzulässige Veröffentlichungen, die geeignet sind, die Unparteilichkeit des Gerichts zu beeinträchtigen, das Persönlichkeitsrecht der Beteiligten zu verletzen oder den Ausgang eines Verfahrens zu beeinflussen, können als contempt of court gewertet werden. Dazu zählen z. B. das Vorwegnehmen von Beweisergebnissen, Vorverurteilungen oder das Zugänglichmachen gesperrter oder vertraulicher Informationen. Viele Rechtsordnungen sehen daher strenge Regelungen für die zulässige Presseberichterstattung aus den Gerichten vor. Verstöße können nicht nur gegen die Medienunternehmen, sondern auch gegen einzelne Journalist:innen geahndet werden.
Können auch Unternehmen oder juristische Personen wegen contempt of court belangt werden?
Grundsätzlich können nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen – also Unternehmen, Verbände oder Organisationen – wegen contempt of court zur Verantwortung gezogen werden. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn etwa Unternehmen gerichtlichen Auflagen oder einstweiligen Verfügungen nicht nachkommen oder als Arbeitgeber bestimmte Verhaltensweisen ihrer Angestellten begünstigen oder dulden. In derartigen Fällen können Geldstrafen oder andere Zwangsmaßnahmen gegen die juristische Person verhängt werden. Die Verantwortlichkeit für Einzelpersonen innerhalb der Organisation – wie Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder – ist davon nicht ausgeschlossen und richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.