Chancenkarte: Begriff, Zweck und rechtliche Einordnung
Die Chancenkarte ist ein befristeter Aufenthaltstitel des deutschen Aufenthaltsrechts, der Personen aus Staaten außerhalb der Europäischen Union den Aufenthalt in Deutschland zur aktiven Arbeits- und Ausbildungsplatzsuche ermöglicht. Sie ergänzt die bestehenden Einwanderungsmöglichkeiten für qualifizierte Arbeitskräfte um ein punktbasiertes Zugangsmodell und dient dazu, Potenziale frühzeitig nach Deutschland zu lenken, ohne dass bereits ein konkreter Arbeitsvertrag vorliegt.
Rechtsnatur und Funktion
Die Chancenkarte ist zweckgebunden: Sie gestattet den Aufenthalt zur Suche nach qualifizierter Beschäftigung oder betrieblicher Ausbildung und räumt hierfür begrenzte Erwerbsmöglichkeiten ein. Sie ist zeitlich befristet und setzt die Sicherung des Lebensunterhalts voraus. Die Erteilung erfolgt nach individueller Prüfung durch die zuständigen Behörden.
Abgrenzung zu anderen Aufenthaltstiteln
Im Unterschied zu Titeln zur Beschäftigung oder Ausbildung ist bei der Chancenkarte kein vorliegender Arbeits- bzw. Ausbildungsvertrag erforderlich. Sie unterscheidet sich auch vom allgemeinen Visum zur Arbeitssuche durch ein strukturiertes Punktesystem, welches die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Integration in den Arbeitsmarkt bewertet.
Zugangsvoraussetzungen
Grundvoraussetzungen
Die Chancenkarte richtet sich an Drittstaatsangehörige mit abgeschlossener beruflicher Qualifikation oder Hochschulabschluss. Grundlegend sind ein anerkannter oder in der Ausbildungslaufbahn des Herkunftsstaates regulärer Abschluss (in der Regel mindestens zweijährig), die Sicherung des Lebensunterhalts für die Dauer des Aufenthalts sowie gültiger Krankenversicherungsschutz. Weitere Mindestanforderungen betreffen Sprachkenntnisse.
Wege zur Chancenkarte
Anerkannte Fachkraft
Liegt eine in Deutschland anerkannte Qualifikation oder Gleichwertigkeit vor, kann die Chancenkarte auch ohne Punktesystem erteilt werden. In diesem Fall steht die Qualifikation als tragende Zugangsvoraussetzung im Vordergrund.
Chancenkarte nach Punktesystem
Alternativ kann die Erteilung über ein Punktesystem erfolgen. Erforderlich ist eine Mindestpunktzahl, die sich aus definierten Kriterien zusammensetzt. Zusätzlich gilt eine sprachliche Mindestanforderung (in der Regel Deutsch auf A1 oder Englisch auf B2 als Einstiegsvoraussetzung).
Punktesystem in Grundzügen
Qualifikation und Berufserfahrung
Punkte werden für formale Qualifikationen und einschlägige Berufserfahrung vergeben. Je höher das Qualifikationsniveau und je aktueller und umfangreicher die Berufspraxis, desto stärker fällt die Bewertung aus. Besondere Bedarfsfelder können zusätzlich gewichtet sein.
Sprachkenntnisse
Deutsch- und Englischkenntnisse sind zentrale Kriterien. Über das Mindestniveau hinaus erhöhen höhere Sprachniveaus die Punktzahl, wobei Deutschkenntnisse in der Regel besonders positiv berücksichtigt werden.
Alter, Deutschlandbezug und weitere Bindungsfaktoren
Vorteilhaft sind ein jüngeres Alter, nachweisbare Deutschlandbezüge (z. B. frühere rechtmäßige Aufenthalte) sowie die Mitwirkung einer qualifizierten Partnerin oder eines qualifizierten Partners. Diese Faktoren sollen eine zügige Eingliederung in Arbeit und Alltag begünstigen.
Rechte und Beschränkungen während des Aufenthalts
Dauer und räumlicher Geltungsbereich
Die Chancenkarte wird grundsätzlich bis zu einem Jahr erteilt. Sie gilt für das Bundesgebiet und berechtigt nicht zur Arbeitsaufnahme in anderen Staaten. Kurzfristige Reisen innerhalb des Schengen-Raums sind im Rahmen der allgemeinen Regeln möglich; der Lebensmittelpunkt muss jedoch in Deutschland liegen.
Erwerbstätigkeit während der Jobsuche
Die Chancenkarte erlaubt eine begrenzte Erwerbstätigkeit, typischerweise bis zu 20 Wochenstunden neben der Arbeitssuche. Zusätzlich sind zeitlich begrenzte Probebeschäftigungen zulässig, um Eignung und Passung unmittelbar zu erproben. Eine Vollzeitbeschäftigung ist erst nach Wechsel in einen entsprechenden Folgetitel möglich.
Lebensunterhalt, Unterkunft und Krankenversicherung
Der Lebensunterhalt muss für die gesamte Aufenthaltsdauer gesichert sein, etwa durch eigene Mittel, vertragliche Sicherheiten oder Einkommen aus der zulässigen Teilzeitbeschäftigung. Ein in Deutschland anerkannter Krankenversicherungsschutz und eine melderechtlich erfasste Unterkunft sind erforderlich. Ein Anspruch auf bedarfsabhängige Sozialleistungen besteht in der Regel nicht.
Familiennachzug
Der Nachzug von Familienangehörigen während eines reinen Aufenthalts zur Arbeitssuche ist grundsätzlich nicht angelegt. Familienzusammenführung kommt typischerweise erst nach erfolgreichem Wechsel in einen Beschäftigungstitel in Betracht und setzt die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts der Familie voraus.
Verfahren und Nachweisanforderungen
Zuständige Stellen und Ablauf
Die Beantragung erfolgt in der Regel über die deutschen Auslandsvertretungen. Nach Einreise sind die melderechtliche Registrierung und die Erteilung bzw. Aushändigung des Aufenthaltstitels im Inland maßgeblich. Zuständig sind die jeweils örtlichen Ausländerbehörden.
Nachweise und Sicherheiten
Erforderlich sind insbesondere Identitätsdokumente, Qualifikationsnachweise, Belege zu Sprachkenntnissen, Nachweise zur Sicherung des Lebensunterhalts und zu Krankenversicherung sowie ggf. Unterlagen zu Beschäftigungsabsichten oder Probebeschäftigungen. Die Behörden prüfen Echtheit, Plausibilität und Passgenauigkeit der Angaben.
Gebühren und Bearbeitungszeiten
Für die Bearbeitung fallen behördliche Gebühren an. Die Bearbeitungsdauer hängt von Auslastung, Vollständigkeit der Unterlagen und ggf. erforderlichen Echtheitsprüfungen ab. Eine zeitliche Disposition durch die entscheidende Behörde ist üblich.
Wechsel und Beendigung des Titels
Wechsel in eine Beschäftigung
Wird im Rahmen der Chancenkarte eine qualifizierte Beschäftigung gefunden, ist der Wechsel in einen entsprechenden Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit möglich. Maßgeblich sind dann die Voraussetzungen des Folgetitels, etwa zur Qualifikationsentsprechung, Arbeitsvertragsgestaltung und Gehaltsniveau.
Verlängerung, Widerruf und Erlöschen
Die Chancenkarte ist befristet. Eine Verlängerung kann in eng umrissenen Konstellationen geprüft werden, wenn die Zweckbindung fortbesteht und die Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind. Ein Widerruf kommt in Betracht, wenn Voraussetzungen entfallen, falsche Angaben maßgeblich waren oder Auflagen verletzt werden. Der Titel erlischt insbesondere mit Ablauf der Geltungsdauer oder bei Wechsel in einen anderen Titel.
Auswirkungen auf spätere Aufenthaltstitel
Zeiten mit Chancenkarte sind zweckgebunden und werden auf Daueraufenthaltstitel nur eingeschränkt angerechnet. Nach erfolgreichem Wechsel in Beschäftigung greifen die jeweiligen Regelungen des Beschäftigungstitels, die für spätere Verfestigungen maßgeblich sind.
Rechtlicher Schutz und Aufsicht
Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen
Gegen belastende Entscheidungen im Erteilungs- oder Verlängerungsverfahren stehen formelle Rechtsmittel zur Verfügung. Fristen und Formvorschriften sind zu beachten; maßgeblich sind die behördlichen und gerichtlichen Verfahren des Aufenthalts- und Verwaltungsrechts.
Auflagen, Mitwirkungspflichten und Kontrollen
Inhaberinnen und Inhaber der Chancenkarte unterliegen Mitwirkungspflichten, insbesondere zur Vorlage aktueller Nachweise bei Änderungen der Umstände. Die Einhaltung von Auflagen, etwa zum Umfang der Erwerbstätigkeit, kann behördlich kontrolliert werden. Verstöße können aufenthaltsrechtliche Folgen nach sich ziehen.
Häufig gestellte Fragen
Was ist die Chancenkarte und wofür dient sie?
Die Chancenkarte ist ein befristeter Aufenthaltstitel zur aktiven Suche nach qualifizierter Beschäftigung oder betrieblicher Ausbildung in Deutschland. Sie ermöglicht den Aufenthalt ohne bereits vorliegenden Arbeitsvertrag und enthält begrenzte Rechte zur Teilzeit- und Probebeschäftigung.
Wer kann die Chancenkarte erhalten?
Zielgruppe sind Drittstaatsangehörige mit abgeschlossener beruflicher Qualifikation oder Hochschulabschluss, ausreichender finanzieller Absicherung und Krankenversicherung. Der Zugang erfolgt entweder als anerkannte Fachkraft oder über ein Punktesystem mit Mindestpunktzahl.
Wie funktioniert das Punktesystem der Chancenkarte?
Das Punktesystem bewertet Qualifikation, Berufserfahrung, Sprachkenntnisse, Alter, Deutschlandbezug und ähnliche Faktoren. Für die Erteilung ist eine Mindestpunktzahl erforderlich; sprachlich wird in der Regel mindestens A1 Deutsch oder B2 Englisch vorausgesetzt. Höhere Niveaus und einschlägige Berufspraxis erhöhen die Punktzahl.
Welche Arbeit ist mit der Chancenkarte erlaubt?
Erlaubt sind in der Regel bis zu 20 Wochenstunden Teilzeitbeschäftigung neben der Arbeitssuche sowie zeitlich begrenzte Probebeschäftigungen. Eine volle, dauerhafte Beschäftigung setzt den Wechsel in einen geeigneten Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit voraus.
Wie lange gilt die Chancenkarte und ist eine Verlängerung möglich?
Die Chancenkarte gilt grundsätzlich bis zu einem Jahr. Eine Verlängerung ist nur in engen, gesetzlich vorgegebenen Fällen möglich und setzt das Fortbestehen der Voraussetzungen und der Zweckbindung voraus.
Können Familienangehörige mit einreisen?
Während eines Aufenthalts, der ausschließlich der Arbeitssuche dient, ist der Familiennachzug grundsätzlich nicht vorgesehen. Familienzusammenführung wird regelmäßig erst nach erfolgreichem Wechsel in einen Beschäftigungstitel relevant und setzt die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts voraus.
Berechtigt die Chancenkarte zur Arbeit oder zum Aufenthalt in anderen EU-Staaten?
Nein. Die Chancenkarte gilt für Deutschland. Sie verleiht keine Arbeitsrechte in anderen Staaten und ersetzt keine dortigen Aufenthaltstitel. Kurzaufenthalte im Schengen-Raum sind nur im Rahmen der allgemeinen Regeln zulässig.