Chancen-Aufenthaltsrecht: Begriff, Zweck und Einordnung
Das Chancen-Aufenthaltsrecht ist eine befristete Aufenthaltserlaubnis für langjährig in Deutschland lebende Personen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. Es dient als Übergangsinstrument, um innerhalb eines festgelegten Zeitraums die Voraussetzungen für einen dauerhaften, rechtssicheren Aufenthalt zu erfüllen. Der Ansatz verbindet Anerkennung gewachsener Bindungen in Deutschland mit klaren Anforderungen an Integration, Identitätsklärung und eigenständige Lebensunterhaltssicherung.
Rechtspolitisch ist das Chancen-Aufenthaltsrecht Teil einer Neuausrichtung des deutschen Aufenthaltsrechts: Weg von langjähriger Kettenduldung hin zu überprüfbaren Perspektiven für Personen, die sich über Jahre in Deutschland aufgehalten haben und hier soziale, schulische oder berufliche Bindungen aufgebaut haben.
Entstehung und Systematik
Das Chancen-Aufenthaltsrecht wurde zum Jahreswechsel 2022/2023 eingeführt. Es ist als einmaliges, zeitlich befristetes Übergangsrecht ausgestaltet und steht innerhalb eines begrenzten Zeitfensters zur Verfügung. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, gewachsene Integration sichtbar zu machen und gleichzeitig klare Leitplanken für einen geordneten Übergang in reguläre Aufenthaltstitel zu setzen.
Zugangsvoraussetzungen
Mindestaufenthalt und Stichtag
Voraussetzung ist ein mehrjähriger, ununterbrochener Aufenthalt in Deutschland bis zu einem festgelegten Stichtag im Herbst 2022. Der Zeitraum umfasst in der Regel Zeiten mit Duldung, Aufenthaltsgestattung oder Aufenthaltserlaubnis. Mit dieser Stichtagsregelung wird der Kreis der Begünstigten eindeutig abgegrenzt.
Persönliche Eignung und Ausschlussgründe
Der Zugang setzt persönliche Zuverlässigkeit voraus. Schwerwiegende Straftaten, sicherheitsrelevante Erkenntnisse oder wiederholte, erhebliche Täuschungen können den Erhalt ausschließen. Geringfügige Verfehlungen können im Einzelfall unschädlich sein. Insgesamt soll der Titel Personen zugutekommen, die sich überwiegend rechtskonform verhalten und eine Integrationsperspektive erkennen lassen.
Identitätsklärung und Mitwirkung
Ein Kernelement ist die Klärung der Identität. Während der Laufzeit des Chancen-Aufenthaltsrechts besteht die Pflicht, aktiv bei der Beschaffung von Identitäts- und Reisedokumenten mitzuwirken. Die Behörden prüfen insbesondere, ob die Person zumutbare Schritte zur Identitätsklärung unternimmt und keine Hinderungsgründe selbst verursacht.
Rechtsstellung während des Chancen-Aufenthalts
Dauer und Verlängerung
Das Chancen-Aufenthaltsrecht wird in der Regel einmalig für einen Zeitraum von bis zu 18 Monaten erteilt. Es ist als Übergangstitel konzipiert und wird nicht dauerhaft verlängert. Innerhalb dieser Zeit soll der Wechsel in einen gesicherten Aufenthaltstitel gelingen. Neue Erteilungen sind nur innerhalb eines befristeten Gesamtzeitraums möglich; danach läuft die Übergangsregelung aus.
Erwerbstätigkeit und Ausbildung
Erwerbstätigkeit ist regelmäßig erlaubt. Das umfasst in der Praxis abhängige Beschäftigung und in vielen Fällen auch betriebliche Ausbildung. Damit schafft der Titel einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt und eröffnet Wege zur beruflichen Qualifizierung, die später für einen Anschlussaufenthalt relevant sein können.
Integrationsangebote und soziale Absicherung
Inhaberinnen und Inhaber erhalten Zugang zu zentralen Integrationsangeboten, etwa zu Sprach- und Integrationskursen sowie arbeitsmarktbezogenen Förderinstrumenten, soweit allgemeine Voraussetzungen vorliegen. Die soziale Absicherung richtet sich nach den jeweils einschlägigen Regelungen; maßgeblich ist dabei insbesondere, ob der Lebensunterhalt eigenständig gesichert wird.
Reisen und Wohnsitzauflagen
Mit einer Aufenthaltserlaubnis sind grundsätzlich titelspezifische Reiserechte verbunden. Praktische Grenzen können sich aus der Verfügbarkeit gültiger Reisedokumente ergeben. Darüber hinaus können Nebenbestimmungen wie Wohnsitzauflagen erteilt werden, etwa um Zuständigkeiten der Behörden oder integrationsbezogene Ziele zu sichern.
Pflichten während der Geltung
Neben der allgemeinen Pflicht zur Mitwirkung an der Identitätsklärung gehören dazu die Einhaltung von Nebenbestimmungen, die Beachtung aufenthaltsrechtlicher Melde- und Mitteilungspflichten sowie – bei entsprechender Verpflichtung – die Teilnahme an Integrationsmaßnahmen. Zuwiderhandlungen können Auswirkungen auf die Fortführung oder den Wechsel in einen Anschlussaufenthalt haben.
Übergang in einen gesicherten Aufenthalt
Mögliche Anschlusswege
Das Chancen-Aufenthaltsrecht ist kein Endstatus. Ziel ist der Wechsel in eine reguläre Aufenthaltserlaubnis. Typische Anschlusswege sind:
- Aufenthaltserlaubnisse im Kontext von Beschäftigung oder qualifizierter Berufsausübung
- Aufenthaltserlaubnisse im Zusammenhang mit Ausbildung, Studium oder qualifizierter Berufsausbildung
- Aufenthaltserlaubnisse zur Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft
- Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen bei nachgewiesener gelungener Integration
Typische Anforderungen der Anschlusswege
Für den Wechsel in einen gesicherten Titel sind regelmäßig erforderlich: gesicherter Lebensunterhalt, geklärte Identität, ausreichende Deutschkenntnisse, Nachweise zu Beschäftigung, Ausbildung oder familiären Bindungen sowie die fortgesetzte Einhaltung der Rechtsordnung. Welche Anforderungen konkret gelten, hängt vom jeweiligen Anschlussweg ab.
Abgrenzung zu verwandten Status
Unterschied zur Duldung
Die Duldung ist kein Aufenthaltstitel, sondern eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung. Sie vermittelt nur eingeschränkte Rechte und eröffnet in der Regel keinen direkten Weg in einen dauerhaften Aufenthalt. Das Chancen-Aufenthaltsrecht ist hingegen eine Aufenthaltserlaubnis mit weitergehenden Rechten und der ausdrücklichen Zielrichtung, einen gesicherten Anschlussstatus zu ermöglichen.
Unterschied zu anderen humanitären Aufenthaltserlaubnissen
Andere humanitäre Aufenthaltserlaubnisse setzen meist bereits erfüllte Integrationsnachweise, besondere Schutzbedürftigkeit oder familiäre Bindungen voraus. Das Chancen-Aufenthaltsrecht grenzt sich davon ab, indem es vor allem die langjährige Anwesenheit bis zum Stichtag und die Perspektive einer kurzfristig erreichbaren Integration in einen regulären Aufenthaltstitel in den Vordergrund stellt.
Zeitliche Befristung und Geltungsbereich
Das Chancen-Aufenthaltsrecht ist als einmalige, zeitlich begrenzte Übergangsregel konzipiert. Anspruchsberechtigte, die die Stichtagsvoraussetzungen erfüllen, können es innerhalb eines befristeten Gesamtzeitraums beantragen; nach Ablauf dieses Zeitfensters sind keine neuen Erteilungen mehr vorgesehen. Die individuelle Geltungsdauer beträgt regelmäßig bis zu 18 Monate ab Erteilung. Innerhalb dieses Rahmens entscheidet die zuständige Ausländerbehörde des gewöhnlichen Aufenthaltsorts über Erteilung und Nebenbestimmungen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wer kommt für das Chancen-Aufenthaltsrecht grundsätzlich in Betracht?
Begünstigt sind Personen, die sich seit mehreren Jahren ununterbrochen in Deutschland aufhalten und bis zu einem Stichtag im Herbst 2022 hier gelebt haben. Zeiten mit Duldung, Aufenthaltsgestattung oder Aufenthaltserlaubnis werden dabei typischerweise berücksichtigt. Zusätzlich müssen persönliche Eignungskriterien erfüllt sein.
Wie lange gilt das Chancen-Aufenthaltsrecht und kann es verlängert werden?
Es wird im Regelfall einmalig für bis zu 18 Monate erteilt. Eine dauerhafte Verlängerung ist nicht vorgesehen. Ziel ist der Wechsel in einen gesicherten Aufenthaltstitel innerhalb dieses Zeitraums; neue Erteilungen sind nur innerhalb des gesetzlich festgelegten Gesamtzeitfensters möglich.
Erlaubt der Titel Arbeiten und Ausbildung?
Ja. Erwerbstätigkeit ist regelmäßig gestattet. Auch der Beginn oder die Fortführung einer Ausbildung ist in der Regel möglich. Diese arbeits- und ausbildungsbezogenen Rechte sind zentraler Bestandteil des Übergangskonzepts.
Muss die Identität bereits bei Erteilung geklärt sein?
Nicht zwingend. Ein wichtiges Ziel der Übergangszeit ist gerade die Klärung der Identität. Es besteht jedoch eine aktive Mitwirkungspflicht, insbesondere bei der Beschaffung von Identitäts- und Reisedokumenten. Fehlende Mitwirkung kann den Übergang in einen Anschlussstatus gefährden.
Führt das Chancen-Aufenthaltsrecht automatisch zu einem dauerhaften Aufenthalt?
Nein. Es handelt sich um einen Übergangstitel. Ein dauerhafter oder gesicherter Aufenthalt setzt die Erfüllung der jeweiligen Anforderungen eines Anschlussaufenthaltstitels voraus, etwa gesicherter Lebensunterhalt, Sprachkenntnisse, Identitätsklärung und weitere Nachweise.
Was passiert, wenn die Voraussetzungen für einen Anschlussaufenthalt nicht rechtzeitig erfüllt werden?
Wird innerhalb der Geltungsdauer kein geeigneter Anschlussaufenthalt erreicht, endet die Übergangsregelung. In diesem Fall kann die Person in einen zuvor bestehenden Status zurückfallen, etwa eine Duldung, sofern die allgemeinen Voraussetzungen vorliegen.
Gilt das Chancen-Aufenthaltsrecht auch für Familienangehörige?
Es handelt sich nicht um einen eigenständigen Familiennachzugstitel. Familienangehörige können das Chancen-Aufenthaltsrecht erhalten, wenn sie die jeweiligen Voraussetzungen – insbesondere den langjährigen Aufenthalt bis zum Stichtag – selbst erfüllen. Ein Nachzugsanspruch für im Ausland lebende Angehörige folgt daraus nicht.