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carry back, carry forward


Begriffserklärung: Carry Back und Carry Forward im Steuerrecht

Einleitung

Die Begriffe Carry Back und Carry Forward bezeichnen steuerrechtliche Instrumente zur zeitlichen Verlagerung von Verlusten oder anderen steuerlichen Größen. Kernidee dieser Regelungen ist, steuerliche Belastungen gerechter zu verteilen und wirtschaftliche Schwankungen im Rahmen der Steuerlast zu berücksichtigen. Besonders relevant sind diese Mechanismen im Kontext der Unternehmensbesteuerung, aber auch im Einkommensteuerrecht sowie im Bereich grenzüberschreitender Steuerfragen.


Grundlagen: Definition und Abgrenzung

Carry Back

Unter Carry Back (Verlustrücktrag) wird im Steuerrecht die Möglichkeit verstanden, einen erlittenen steuerlichen Verlust in einem Steuerjahr auf das unmittelbar vorangegangene Jahr rückzubeziehen. Dies ermöglicht es, die im Vorjahr gezahlten Steuern durch Berücksichtigung des späteren Verlustes rückwirkend zu mindern und gegebenenfalls bereits gezahlte Steuerbeträge zurückzuerhalten.

Carry Forward

Carry Forward (Verlustvortrag) bezeichnet dagegen das Recht, einen steuerlichen Verlust, der in einem Geschäftsjahr nicht mit positiven Einkünften verrechnet werden konnte, auf zukünftige Jahre vorzutragen. Der Verlust wird dann in den Folgejahren mit künftigen Gewinnen verrechnet, was eine spätere steuerliche Entlastung ermöglicht.


Rechtsgrundlagen in Deutschland

Gesetzliche Verankerung

Im deutschen Steuerrecht sind diese Mechanismen insbesondere in §§ 10d EStG (Einkommensteuergesetz) geregelt. Sie betreffen sowohl natürliche Personen als auch körperschaftsteuerpflichtige Unternehmen.

Verlustrücktrag (§ 10d Abs. 1 EStG)

Ein im abgelaufenen Veranlagungszeitraum entstandener Verlust kann bis zu einer bestimmten Höhe in das unmittelbar vorangegangene Jahr rückgetragen werden. Dabei sind gesetzliche Höchstbeträge sowie bestimmte Wahlrechte zu beachten. Ziel ist die steuerliche Entlastung in Jahren, in denen zuvor hohe Gewinne und entsprechend hohe Steuerzahlungen angefallen sind.

Verlustvortrag (§ 10d Abs. 2 EStG)

Nicht verrechnete Verluste können zeitlich unbegrenzt in zukünftige Veranlagungszeiträume vorgetragen werden. Über die sogenannte Mindestbesteuerung wird jedoch geregelt, dass ab einer bestimmten Höhe der Gewinne nur ein Teil (Grundfreibetrag plus 60 % des übersteigenden Einkommens) tatsächlich mit Verlusten verrechnet werden kann.


Funktionsweise und Ablauf

Anwendung des Carry Back

  • Es wird ein entsprechender Antrag im Rahmen der Steuererklärung gestellt.
  • Die Veranlagung des Vorjahres wird nachträglich geändert („geänderte Festsetzung“).
  • Überzahlte Steuerbeträge werden erstattet, Zinsregelungen können zum Tragen kommen.

Anwendung des Carry Forward

  • Verluste, die im Entstehungsjahr nicht genutzt werden konnten, werden automatisch oder auf Antrag in den folgenden Veranlagungszeiträumen vorgetragen.
  • In künftigen Jahren können diese Verluste mit positiven steuerlichen Ergebnissen verrechnet werden, bis der Verlustvortrag aufgebraucht ist.

Besonderheiten und Einschränkungen

Begrenzung der Höhe

Die Rücktragsmöglichkeit ist häufig betragsmäßig limitiert (z.B. bis zu 1 Mio. € bei Einzelveranlagung), während der Vortrag grundsätzlich unbegrenzt fortgeführt werden kann, jedoch unter Berücksichtigung der Mindestbesteuerung.

Bindung an Steuerbescheide

Die Anpassung früherer Steuerbescheide durch den Carry Back erfordert die Änderbarkeit dieser Bescheide. Nach Bestandskraft ist eine Änderung meist nur in engen Grenzen möglich, z.B. wenn nachträglich neue Tatsachen bekannt werden.

Verlustnutzungsbeschränkungen

Im Körperschaftsteuerrecht werden Verluste bei Anteilseignerwechseln (§ 8c KStG) oder bei Umstrukturierungen beschränkt nutzbar, um Missbrauch zu verhindern.


Internationale Perspektive

Bedeutung im internationalen Steuerrecht

Carry Back und Carry Forward sind keine ausschließlich im deutschen Recht bekannte Regelung. Viele Staaten, darunter die USA, Großbritannien und Frankreich, kennen vergleichbare Mechanismen, dort mit teils anderen Höchstdauern und Verlustbegrenzungen.

Doppelbesteuerungsabkommen

Im Rahmen grenzüberschreitender Sachverhalte kann es zu komplexen Wechselwirkungen mit bilateralen Abkommen kommen. Verluste, die im Ausland erwirtschaftet wurden, sind in der Regel nur eingeschränkt inländisch nutzbar.


Praktische und steuerpolitische Bedeutung

Liquidität und Planungssicherheit

Durch die zeitliche Verschiebung der Verlustverrechnung bieten die Instrumente Unternehmen und auch Privatpersonen mehr Flexibilität und Sicherheit in ihrer Steuerplanung. Sie tragen dazu bei, die Steuerlast gleichmäßiger über wirtschaftlich schwankende Jahre zu verteilen.

Steuerliche Gerechtigkeit

Sie gelten als wesentliches Instrument zur Entlastung insbesondere in Krisenzeiten, indem Steuerlasten an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angeglichen werden.


Zusammenfassung

Carry Back und Carry Forward sind zentral im modernen Steuerrecht und dienen der Verlustverrechnung über verschiedene Veranlagungszeiträume hinweg. Die jeweiligen nationalen Ausgestaltungen zu Fristen, Betragsgrenzen und weiteren Rechtsfolgen unterscheiden sich und sind für die steuerliche Planung von erheblicher Bedeutung. Die Regelungen bieten sowohl wirtschaftliche Entlastung als auch Herausforderungen in der Anwendung und Kontrolle, besitzen aber einen bedeutenden Stellenwert für die steuerpolitische Ordnung und Unternehmensfinanzierung.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Inanspruchnahme des Verlustrücktrags (Carry Back) erfüllt sein?

Für die Inanspruchnahme des Verlustrücktrags (§ 10d Abs. 1 EStG) gelten in Deutschland spezifische rechtliche Voraussetzungen, die zwingend eingehalten werden müssen. Zunächst muss im maßgeblichen Veranlagungszeitraum ein steuerlicher Verlust entstanden sein, wobei bei zusammenveranlagten Ehegatten der Gesamtbetrag der Einkünfte maßgeblich ist. Der Verlustrücktrag ist grundsätzlich bis zu einer Höhe von 1.000.000 Euro (2.000.000 Euro bei zusammenveranlagten Ehegatten) möglich. Es handelt sich beim Verlustrücktrag um ein obligatorisches Verfahren, das automatisch vom Finanzamt berücksichtigt wird, sofern der Steuerpflichtige keinen Antrag auf Ausschluss des Verlustrücktrags stellt. Die konkrete Geltendmachung erfordert, dass der Verlust im Einkommensteuerbescheid ausgewiesen und im Vorjahr nicht bereits durch einen Vortragsverlust gemindert worden ist. Weiterhin ist ein Verlustrücktrag nur in das unmittelbar vorangegangene Jahr zulässig. Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, ausländischen Einkünften und steuerfreien Einnahmen sind vom Rücktrag ausgeschlossen. Maßgeblich ist stets die zutreffende, vollständige und rechtzeitige Abgabe der Steuererklärungen einschließlich entsprechender Anlagen zur Verlustfeststellung, um die Rechtsfolgen nach § 10d EStG auslösen zu können. Besondere Vorsicht ist geboten bei Gesellschaften oder Körperschaften, da hier zusätzliche Vorschriften wie § 8c KStG (Mindestbesteuerung, Mantelkauf) zu beachten sind.

Welche Fristen sind beim Verlustrücktrag und Verlustvortrag zu beachten?

Die Fristen spielen eine zentrale Rolle bei der rechtlichen Durchsetzung von Rück- und Vortrag. Für den Verlustrücktrag ist die Abgabe der Steuererklärung für das Verlustentstehungsjahr maßgeblich; der Rücktrag kann grundsätzlich so lange vorgenommen werden, wie der Steuerbescheid des Vorjahres noch änderbar ist (Festsetzungsverjährung gem. §§ 169 ff. AO). Ein Verlustrücktrag ist nur in das unmittelbar vorangegangene Kalenderjahr möglich, d.h. ein Verlust aus 2023 kann nur in das Jahr 2022 zurückgetragen werden. Im Kontext des Verlustvortrags (Carry Forward) erfolgt die Feststellung mit bindender Wirkung für die Folgejahre, solange bis der Vortrag verbraucht ist oder bis zum Eintritt der Feststellungsverjährung. Änderungen am bescheinigten Verlustbetrag oder eine erstmalige Feststellung müssen binnen der gesetzlichen Festsetzungsfristen erfolgen; etwaige Änderungsanträge unterliegen den Einschränkungen der Antrags- und Änderungsfristen (§§ 171, 181, 351 AO). Versäumt ein Steuerpflichtiger diese Fristen, sind Verluste rechtlich endgültig nicht mehr rück- oder vortragsfähig.

Welche Einschränkungen bestehen beim Verlustabzug in Bezug auf Körperschaften und Anteilseignerwechsel?

Bei Körperschaften treten insbesondere durch § 8c KStG erhebliche Einschränkungen auf. Der Verlustabzug (sowohl rück- als auch vortragsfähig) ist teilweise oder vollständig ausgeschlossen, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 25% beziehungsweise mehr als 50% der Anteile unmittelbar oder mittelbar auf einen Erwerber übergehen. Bei einem Anteilseignerwechsel von über 50% gehen nicht genutzte Verluste endgültig verloren. Ausnahmefälle wie die Stille-Reserven-Klausel (§ 8d KStG) können unter engen Voraussetzungen greifen, etwa wenn der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft unverändert fortgeführt wird. Auch die Mindestbesteuerung (§ 10d Abs. 2 EStG) limitiert jährlich die Nutzung alter Verlustvorträge auf 1 Mio. Euro unbeschränkt sowie 60% des darüber hinausgehenden Gesamtbetrags der Einkünfte im Folgejahr („Sockelbetrag und 60%-Regel“). Bei Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen können § 12 KStG, § 15 UmwStG und weitere Spezialvorschriften den Verlustabzug beschränken oder ausschließen.

Wie wirkt sich der Verlustabzug auf die Steuerveranlagung und Steuerbescheide aus?

Der Verlustabzug im Rahmen von Carry Back und Carry Forward beeinflusst direkt die Steuerfestsetzung. Im Falle eines Verlustrücktrags wird der Verlust im Verlustjahr festgestellt und im Steuerbescheid des Vorjahres rückwirkend berücksichtigt, was häufig zu einer Erstattung oder Minderung der festgesetzten Steuer führt. Eine Änderung des bereits bestandskräftigen Bescheids erfolgt dann entweder durch einen Vorläufigkeitsvermerk (§ 165 AO) oder auf Antrag per § 10d Abs. 1 EStG. Verlustvorträge werden in einem gesonderten Bescheid zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags nach § 10d Abs. 4 EStG ausgewiesen, dieser Bescheid entfaltet Bindungswirkung für folgende Steuerjahre. Eine Anrechnung erfolgt dann erst, wenn im künftigen Jahr zu verrechnende positive Einkünfte erzielt werden, was zur Minderung der Steuerlast führt. Im Rahmen der elektronischen Datenübermittlung (ELSTER, Authentifizierung) ergeben sich bei korrekter Deklaration automatische Rechtsfolgen, die ggf. durch die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid überprüft und gegebenenfalls angefochten werden können.

Welche Formvorschriften sind beim Antrag auf Verlustrücktrag oder -vortrag zu beachten?

Formell ist beim Verlustrücktrag kein besonderer Antrag erforderlich, da dieser grundsätzlich von Amts wegen erfolgt. Allerdings kann der Steuerpflichtige formlos oder im Rahmen der Steuererklärung beantragen, dass ein Verlust nicht zurückgetragen, sondern vollständig vorgetragen werden soll (§ 10d Abs. 1 S. 5 EStG, sog. „Opitionsrecht“). Beim Verlustvortrag ist für jede Feststellung ein gesonderter Feststellungsbescheid nach amtlichem Vordruck notwendig (§ 10d Abs. 4 EStG). Die vollständige und wahrheitsgemäße Angabe der Verluste, Nutzung der korrekten Anlagen (insb. Anlage „Sonstiges“ bzw. „Verlustvortrag“), sowie Einhaltung amtlicher Muster und Authentifizierungen im Rahmen der elektronischen Übermittlung sind zwingend erforderlich. Fehlerhafte oder unterlassene Angaben können zur Versagung des Verlustabzugs oder zu Nachteilen im Rechtsbehelfsverfahren führen.

Können Verluste aus unterschiedlichen Einkunftsarten aggregiert im Rahmen des Carry Forward oder Carry Back berücksichtigt werden?

Steuerlich relevant ist, dass ein Verlustrücktrag und Verlustvortrag nur mit bestimmten Einkunftsarten möglich ist, wobei eine Aggregation grundsätzlich zulässig ist, sofern es sich um negative Einkünfte aus den sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG handelt, mit Ausnahme der durch Sonderregelungen ausgeschlossenen Einkunftsarten (z. B. Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, beschränkte Verlustverrechnung nach § 15b EStG für Steuerstundungsmodelle, Verlustverrechnungsbeschränkung bei bestimmten Kapitalerträgen). Werden negative Gesamteinkünfte festgestellt, werden diese nach Abzug der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen festgestellt und können im Rahmen des Gesamtbetrags der Einkünfte verrechnet werden. Bei der Feststellung und Verrechnung sind die Grundsätze der horizontalen und vertikalen Verlustverrechnung zu beachten. Spezielle Sperrfristen oder Tarifermäßigungen (z.B. bei ausländischen Einkünften oder tarifbegünstigten Einkünften nach § 34 EStG) können die aggregierte Verlustnutzung einschränken.

Welche Rechtsmittel stehen bei der Versagung oder dem teilweisen Ausschluss des Verlustabzugs zur Verfügung?

Wird der Verlustabzug ganz oder teilweise vom Finanzamt abgelehnt, stehen dem Steuerpflichtigen die regulären Rechtsmittel des Steuerrechts offen. Zu unterscheiden ist zwischen dem Einspruch gegen einen Steuerbescheid oder einen gesonderten Verlustfeststellungsbescheid (§ 10d Abs. 4 EStG), der binnen eines Monats nach Bekanntgabe einzulegen ist (§§ 347, 355 AO). Ein Einspruch ist insbesondere dann Erfolg versprechend, wenn die Voraussetzungen des Verlustabzugs aus Sicht des Steuerpflichtigen vorliegen, jedoch vom Finanzamt anders gewürdigt werden (z. B. bei Unklarheiten hinsichtlich der Höhe, der Antragsfristen oder bei Auslegung strittiger Beteiligungen). Ggf. kann nach erfolglosem Einspruch Klage binnen eines Monats beim Finanzgericht erhoben werden (§ 40 FGO). Darüber hinaus stehen in Ausnahmefällen die außerordentlichen Rechtsbehelfe wie der Antrag auf schlichte Änderung (§ 172 AO) oder die Wideraufnahme des Verfahrens (§ 173 AO, neue Tatsachen) zur Verfügung. Es ist ratsam, bei komplexen Sachverhalten (z.B. Umstrukturierungen, grenzüberschreitende Sachverhalte) frühzeitig steuerlichen oder anwaltlichen Rat einzuholen.