Begriff und Grundlagen der Bundesversammlung
Die Bundesversammlung ist ein zentrales, in der deutschen Verfassung (Grundgesetz) verankertes Verfassungsorgan. Sie stellt ein nicht ständig tagendes Verfassungsorgan dar, dessen einzige Aufgabe in der Wahl des Bundespräsidenten liegt. Die Bundesversammlung ist das größte Parlament Deutschlands, das ausschließlich für diesen Zweck gebildet wird. Das Gremium vereint Mitglieder des Deutschen Bundestages und eine gleiche Anzahl von Mitgliedern, die von den Landesparlamenten der Bundesländer entsandt werden.
Zusammensetzung und Bildung der Bundesversammlung
Mitglieder gemäß Grundgesetz
Gemäß Artikel 54 Absatz 3 Grundgesetz (GG) besteht die Bundesversammlung aus allen Mitgliedern des Deutschen Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder gewählt werden. Die Zusammensetzung der Mitglieder aus den Ländern erfolgt nach den Grundsätzen der Verhältniswahl entsprechend der jeweiligen Stärke der Parteien in den Landesparlamenten. Die Mitglieder der Bundesversammlung sind also zu gleichen Teilen Bundesparlamentarier und durch die Parlamente der Länder bestimmte Delegierte.
Auswahl und Mandat der Delegierten
Die Landesparlamente wählen die Delegierten für die Bundesversammlung. Häufig werden neben Mitgliedern der Landesparlamente auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wie etwa Schauspieler oder Wissenschaftler, benannt. Hierbei bestehen keine rechtlichen Beschränkungen hinsichtlich der wählbaren Personen.
Aufgaben und Kompetenzen der Bundesversammlung
Wahl des Bundespräsidenten
Die einzige und ausschließliche Aufgabe der Bundesversammlung besteht in der Wahl des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesversammlung tritt ausschließlich zu diesem Zweck zusammen (Art. 54 Abs. 1, 4 GG). Eine Einberufung zu anderen Zwecken ist verfassungsrechtlich ausgeschlossen.
Verfahren und Ablauf der Wahl
- Einberufung: Der Präsident des Deutschen Bundestages beruft die Bundesversammlung spätestens 30 Tage vor Ablauf der Amtszeit des amtierenden Bundespräsidenten oder im Falle einer vorzeitigen Beendigung von dessen Amtszeit innerhalb von 30 Tagen ein (Art. 54 Abs. 4 GG).
- Leitung: Der Präsident des Deutschen Bundestages leitet die Bundesversammlung.
- Geheimer Wahlgang: Der Bundespräsident wird in geheimer Wahl ohne Aussprache gewählt.
- Mehrheitserfordernisse: Im ersten und zweiten Wahlgang ist die Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung erforderlich. Kommt diese Mehrheit nicht zustande, genügt im dritten Wahlgang die relative Mehrheit der abgegebenen Stimmen (Art. 54 Abs. 6 GG).
- Unmittelbare Wirksamkeit: Mit der Annahme der Wahl durch den Gewählten endet die Versammlung.
Rechtliche Grundlagen der Bundesversammlung
Verfassungsrechtliche Verankerung
Die Bundesversammlung ist in den Artikeln 54 und 55 Grundgesetz geregelt. Des Weiteren sind im Gesetz über die Wahl des Bundespräsidenten (BPräsWahlG) und in der Geschäftsordnung der Bundesversammlung weitere Einzelheiten festgelegt. Die Bundesversammlung ist kein Organ der Gesetzgebung oder Exekutive und besitzt keine weiteren Kompetenzen außer der Wahl des Bundespräsidenten.
Geschäftsordnung
Die Bundesversammlung gibt sich für alle durchzuführenden Wahlen eine eigene Geschäftsordnung. Soweit Regelungslücken bestehen, finden die Vorschriften der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages entsprechende Anwendung.
Rechtscharakter und Status
Die Bundesversammlung ist ein Verfassungsorgan sui generis. Sie ist nicht Teil eines Parlamentes oder einer anderen Institution und hat eine strikt begrenzte Funktionsperiode. Ihre Existenz endet stets mit Abschluss des Wahlakts.
Organisatorische Besonderheiten
Sitz und Durchführung
Die Bundesversammlung tagt traditionell im Reichstagsgebäude in Berlin, kann aber aus begründeten Anlässen an einem anderen Ort zusammentreten. Im Zuge besonderer Lagen (wie Pandemien) können Durchführungsmodalitäten angepasst werden.
Immunität und Indemnität
Mitglieder der Bundesversammlung, die nicht Mitglieder des Bundestages sind, genießen für die Dauer ihrer Tätigkeit Sonderrechte. Sie besitzen Immunität und Indemnität, analog geregelt wie für Abgeordnete des Bundestages gemäß Artikel 46 GG.
Rechtswirkungen und Bedeutung
Bindung und Anfechtung
Die Wahlhandlungen der Bundesversammlung sind verfassungsrechtlich bindend. Nach erfolgter Wahl ist eine Anfechtung nur in engen verfahrensrechtlichen Grenzen möglich; es bestehen strenge Voraussetzungen für eine nachträgliche Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht, etwa bei schwerwiegenden Verletzungen der Verfassung.
Historische Entwicklung
Die Bundesversammlung wurde erstmals 1949 einberufen und ist ein aus der Weimarer Republik übernommenes Organprinzip. Ihre Zusammensetzung und Funktionsweise folgen demokratischen Grundsätzen der föderalen Staatsorganisation Deutschlands.
Sonstige rechtliche Aspekte
Transparenz und Öffentlichkeit
Die Sitzungen der Bundesversammlung sind grundsätzlich öffentlich. Die mediale Berichterstattung unterliegt den Regularien der Geschäftsordnung, um sowohl Transparenz als auch einen ordnungsgemäßen Ablauf zu sichern.
Ausschluss anderer Kompetenzen
Die Bundesversammlung besitzt keine legislativen oder exekutiven Befugnisse. Sie kann kein Misstrauensvotum aussprechen, keine Gesetze verabschieden und keine Regierung bilden.
Zusammenfassung
Die Bundesversammlung ist ein verfassungsrechtlich verankertes, ausschließlich für die Bundespräsidentenwahl geschaffenes Verfassungsorgan der Bundesrepublik Deutschland. Ihre rechtliche Ausgestaltung, Zusammensetzung, Organisation und Aufgabenstellung sind klar und abschließend durch das Grundgesetz sowie ergänzende Rechtsvorschriften geregelt. Die Bundesversammlung dient damit der Sicherstellung eines demokratisch legitimierten und föderalen Wahlverfahrens für das Staatsoberhaupt und symbolisiert die föderale Struktur des deutschen Staatswesens.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist berechtigt, an der Bundesversammlung teilzunehmen, und wie ist die Zusammensetzung im rechtlichen Sinne geregelt?
Die rechtliche Grundlage für die Zusammensetzung der Bundesversammlung findet sich in Artikel 54 des Grundgesetzes (GG). Die Bundesversammlung besteht aus allen Mitgliedern des Deutschen Bundestages sowie einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder gewählt werden. Die jeweiligen Landesparlamente bestimmen diese Delegierten nach den Grundsätzen der Verhältniswahl. Es ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, dass die Landesvertreter Mitglied des jeweiligen Landtags sein müssen; somit können auch Nicht-Abgeordnete, etwa Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, entsandt werden, sofern sie das passive Wahlrecht zum Bundestag besitzen. Die Gesamtzahl der Mitglieder der Bundesversammlung ist variabel und hängt von der aktuellen Stärke des Bundestages ab. Die mehrfache Entsendung von Personen, also die gleichzeitige Mitgliedschaft als Bundestags- und Ländervertreter, ist unzulässig. Die Wahlen der Landesdelegierten sind für jedes Zusammentreffen der Bundesversammlung neu vorzunehmen.
Unter welchem rechtlichen Rahmen erfolgt die Einberufung der Bundesversammlung?
Die Einberufung der Bundesversammlung ist in Artikel 54 Absatz 3 GG geregelt. Sie erfolgt durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages. Spätestens 30 Tage vor Ablauf der Amtszeit des amtierenden Bundespräsidenten muss die Bundesversammlung zusammentreten. Im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Amtes des Bundespräsidenten (etwa durch Rücktritt, Tod oder durch eine andere rechtliche Beendigungstatbestände) hat die Einberufung innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntwerden zu erfolgen. Die Einladung an die Mitglieder muss so rechtzeitig verschickt werden, dass eine angemessene Vorbereitung und Anreise möglich ist, wobei die Effektivität und Rechtmäßigkeit der Einberufung durch strenge formale Anforderungen gesichert ist.
Welche rechtlichen Bestimmungen sind für den Ablauf der Bundesversammlung einschlägig?
Der Ablauf der Bundesversammlung ist in verschiedenen Gesetzen und Geschäftsordnungen geregelt. Rechtsgrundlage ist insbesondere das Bundeswahlgesetz (BWahlG) in Verbindung mit dem Grundgesetz sowie die von der Bundesversammlung zu Beginn ihrer Sitzung angenommene Geschäftsordnung, die sich meist an der Geschäftsordnung des Bundestages orientiert, aber spezielle Regelungen, etwa zum Wahlverfahren, trifft. Die Wahl des Bundespräsidenten erfolgt geheim und ohne Aussprache, wobei die Geschäftsordnung Details zum Stimmenauszählungsverfahren und zu Ordnungsmaßnahmen vorsieht. Im Falle von Störungen, insbesondere solcher, die den ordentlichen Ablauf oder die Rechtmäßigkeit der Wahl gefährden, hat der Präsident der Bundesversammlung weitreichende Ordnungsbefugnisse. Eine gerichtliche Überprüfung von Ordnungsmaßnahmen ist allerdings rechtlich eingeschränkt.
Welche rechtliche Bedeutung hat die Wahl des Bundespräsidenten im Rahmen der Bundesversammlung?
Die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung ist ein verfassungsrechtlich bindender Akt. Sie ist ausschließlich der Bundesversammlung vorbehalten und nach Artikel 54 GG geheim durchzuführen. Ein Wahlergebnis ist gültig, wenn ein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen der Mitglieder der Bundesversammlung auf sich vereint; gelingt dies nicht im ersten und zweiten Wahlgang, genügt im dritten Wahlgang die relative Mehrheit. Die Bundesversammlung ist in ihrer Entscheidung und Abstimmung keiner Weisung unterworfen und tagt als gesondertes Verfassungsorgan, das nur zum Zweck der Wahl zusammentritt. Die Wahl ist konstitutiv für das Amt des Bundespräsidenten, erst die Annahme der Wahl durch die gewählte Person, ebenfalls vor der Bundesversammlung, beendet das Verfahren rechtlich.
Sind Fraktionen und Parteizugehörigkeiten in der Bundesversammlung von rechtlicher Relevanz?
Rechtlich gesehen spielen Fraktionen und Parteizugehörigkeiten in der Bundesversammlung keine direkte Rolle, da es sich nicht um ein parlamentarisches, sondern um ein eigenständiges Verfassungsorgan handelt, das nur zum Zweck der Präsidentenwahl zusammentritt (Artikel 54 GG). Es gibt keine Fraktionen im formellen Sinne, und die Mitglieder sind nicht an Weisungen von Parteien oder Fraktionen gebunden. Jedoch wählen die Landesparlamente die Delegierten meist im Proporz nach deren Parteistärken, was faktisch zu einer parteipolitischen Zusammensetzung führt. Rechtlich bindend ist diese Parteizugehörigkeit aber nicht; vielmehr entscheidet jedes Mitglied frei und unabhängig.
Welche rechtlichen Vorgaben existieren für die Öffentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit der Bundesversammlung?
Die Sitzungen der Bundesversammlung sind rechtlich grundsätzlich nicht öffentlich. Nach ständiger Praxis ist die Öffentlichkeit weitgehend ausgeschlossen, um die Unabhängigkeit und Geheimhaltung der Wahl des Bundespräsidenten zu gewährleisten. Die Medienberichterstattung erfolgt nach festgelegten Akkreditierungsrichtlinien. Diese Praxis ergibt sich weniger aus einer expliziten gesetzlichen Bestimmung als vielmehr aus dem verfassungsrechtlichen Schutz der Auswahl des Staatsoberhauptes (Artikel 54 GG). Ausnahmen oder Sonderregelungen können die Geschäftsordnung der Bundesversammlung oder Parlamentsbeschlüsse vorsehen, soweit diese nicht der Verfassung widersprechen.
Welche Befugnisse hat die Bundesversammlung über die Wahl des Bundespräsidenten hinaus?
Die Bundesversammlung ist gemäß Artikel 54 GG ein nur für die Wahl des Bundespräsidenten einberufenes Verfassungsorgan. Sie hat weder ein Initiativrecht in anderen politischen Fragen noch weitere Aufgaben oder Befugnisse. Nach Abschluss der Wahl und der Annahme der Wahl durch den Gewählten wird die Bundesversammlung vom Präsidenten geschlossen. Weitere Kompetenzen sind weder gesetzlich noch verfassungsrechtlich vorgesehen. Auch eine Ausdehnung der Tagesordnung oder die Beschlussfassung zu anderen Themen ist rechtlich unzulässig.