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Bundessozialgericht

Bundessozialgericht – Begriff und Stellung

Das Bundessozialgericht ist das höchste Gericht in Deutschland für Streitigkeiten aus dem öffentlichen Sozialrecht. Es gehört zu den fünf obersten Gerichtshöfen des Bundes und hat seinen Sitz in Kassel. Seine zentrale Aufgabe ist es, die einheitliche Auslegung und Anwendung des Sozialrechts sicherzustellen und damit Rechtsfrieden sowie Rechtssicherheit in diesem besonders lebensnahen Rechtsbereich zu fördern.

Einordnung in die Gerichtsorganisation

Das Bundessozialgericht steht an der Spitze der spezialisierten Sozialgerichtsbarkeit. Der übliche Instanzenzug verläuft vom Sozialgericht (erste Instanz) über das Landessozialgericht (zweite Instanz) bis zum Bundessozialgericht (Rechtsmittelinstanz). Entscheidungen des Bundessozialgerichts wirken richtungsweisend auf die nachgeordneten Gerichte und prägen die Praxis der Sozialleistungsträger.

Aufgaben und Funktion

Das Gericht entscheidet vor allem über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, sorgt für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung und entwickelt das Sozialrecht fort. Es klärt, wie unbestimmte Rechtsbegriffe zu verstehen sind, und grenzt Zuständigkeitsbereiche ab. Auf diese Weise trägt es dazu bei, dass vergleichbare Fälle bundesweit gleich behandelt werden.

Zuständigkeiten und Rechtsgebiete

Materielle Zuständigkeit

Das Bundessozialgericht befasst sich mit Streitigkeiten aus nahezu allen Bereichen der sozialen Sicherung. Dazu zählen insbesondere die gesetzliche Kranken-, Renten-, Unfall- und Pflegeversicherung, Leistungen zur Arbeitsförderung, Grundsicherung für Arbeitsuchende, soziale Entschädigung, Rehabilitation und Teilhabeleistungen, das Schwerbehindertenrecht, Kinder- und Elterngeld sowie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsrecht. Auch Abgrenzungsfragen zwischen verschiedenen Leistungssystemen können Gegenstand der Entscheidungen sein.

Arten von Verfahren

Typisch sind Revisionsverfahren gegen Urteile der Landessozialgerichte. Dabei prüft das Bundessozialgericht in erster Linie, ob das Recht zutreffend angewendet wurde. In bestimmten Konstellationen kann eine Revision zugelassen werden, etwa wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung gewahrt werden muss. Häufig geht dem ein Verfahren über die Zulassung des Rechtsmittels voraus. In seltenen Fällen ist eine direkte Anrufung (Sprungrevision) aus der ersten Instanz möglich, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und die Beteiligten zustimmen.

Verfahrensgrundsätze vor dem Bundessozialgericht

Gegenstand der Prüfung

Das Bundessozialgericht ist überwiegend eine Rechtsinstanz. Es überprüft, ob das Berufungsgericht das materielle Recht und Verfahrensrecht richtig angewendet hat. Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz sind grundsätzlich maßgeblich; Abweichungen kommen vor allem dann in Betracht, wenn Verfahrensfehler gerügt werden, die die Tatsachenermittlung betreffen.

Mündlichkeit und Öffentlichkeit

Verhandlungen sind im Regelfall öffentlich. Das Gericht entscheidet aufgrund mündlicher Verhandlung oder in gesetzlich vorgesehenen Fällen im schriftlichen Verfahren. Urteile werden öffentlich verkündet; Entscheidungen werden in der Regel in anonymisierter Form veröffentlicht, damit ihre inhaltliche Aussage für die Allgemeinheit zugänglich ist.

Vertretung und Beteiligte

Beteiligte sind typischerweise Versicherte, Leistungsberechtigte, Arbeitgeber oder Träger der sozialen Sicherung. Vor dem Bundessozialgericht besteht regelmäßig Vertretungszwang durch hierzu befugte Bevollmächtigte. Dies dient der geordneten Rechtsanwendung und der Konzentration auf Rechtsfragen.

Kosten und Kostenfolgen

In Verfahren vor dem Bundessozialgericht können Gerichts- und außergerichtliche Kosten anfallen. Die Kostentragung richtet sich nach dem Ausgang des Verfahrens und den einschlägigen verfahrensrechtlichen Regeln. Es bestehen gesetzliche Möglichkeiten der Unterstützung, deren Voraussetzungen im Einzelfall geprüft werden.

Organisation und Besetzung

Senate und Zuständigkeitsverteilung

Das Gericht ist in fachlich ausgerichtete Senate gegliedert, die jeweils bestimmte Rechtsgebiete der sozialen Sicherung betreuen. Die genaue Zuständigkeit ergibt sich aus einem jährlich festgelegten Geschäftsverteilungsplan. Zur Sicherung einheitlicher Rechtsprechung kann bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Senaten der Große Senat angerufen werden.

Zusammensetzung der Spruchkörper

Ein Senat setzt sich in der Regel aus einer vorsitzenden Richterin oder einem vorsitzenden Richter, zwei weiteren Berufsrichterinnen oder Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richterinnen oder Richtern zusammen. Die ehrenamtlichen Mitglieder bringen Erfahrung aus der Praxis der sozialen Sicherung ein und stärken die Verankerung der Rechtsprechung im Alltag.

Gerichtsleitung und Verwaltung

Die Leitung liegt bei der Präsidentin oder dem Präsidenten des Gerichts. Unterstützt durch das Präsidium und die Verwaltung werden die richterlichen Aufgaben organisatorisch flankiert, etwa durch die Geschäftsstellen der Senate, die die Verfahren administrativ betreuen.

Rechtswirkung der Entscheidungen

Bindungs- und Orientierungswirkung

Urteile des Bundessozialgerichts sind im entschiedenen Verfahren verbindlich und entfalten darüber hinaus erhebliche Orientierungswirkung. Untergerichte folgen der Rechtsprechung regelmäßig, um die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung zu wahren. Eine formale Bindung im Sinne eines starren Präzedenzsystems besteht nicht, gleichwohl prägen Grundsatzentscheidungen die Praxis nachhaltig.

Umsetzung in Verwaltung und Praxis

Sozialleistungsträger und andere Beteiligte richten ihre Praxis oft an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus. Das führt zu einheitlicheren Verwaltungsentscheidungen und erleichtert die Vorhersehbarkeit rechtlicher Ergebnisse.

Transparenz und Zugang

Veröffentlichung und Dokumentation

Entscheidungen und Pressemitteilungen werden regelmäßig veröffentlicht, meist in anonymisierter Form. Das erhöht Transparenz, ermöglicht eine breitere Rezeption der Rechtsentwicklung und unterstützt eine einheitliche Verwaltungspraxis.

Digitalisierung

Die Kommunikation mit dem Gericht wird zunehmend digital abgewickelt. Elektronische Übermittlungswege und die elektronische Aktenführung sind in vielen Bereichen etabliert, was Verfahren beschleunigt und die Nachvollziehbarkeit verbessert.

Einordnung in das Gefüge der Rechtsordnung

Verhältnis zu anderen Gerichten

Das Bundessozialgericht steht selbstständig neben den obersten Gerichtshöfen in Zivil-, Straf-, Arbeits-, Finanz- und Verwaltungsangelegenheiten. Verfassungsrechtliche Fragen obliegen dem Bundesverfassungsgericht. Bei unionsrechtlichen Auslegungsfragen kann eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union erfolgen, um die Einheit des Unionsrechts zu sichern.

Häufig gestellte Fragen zum Bundessozialgericht

Was ist das Bundessozialgericht und welche Aufgabe hat es?

Das Bundessozialgericht ist das höchste deutsche Gericht für Angelegenheiten des Sozialrechts. Es sorgt für die einheitliche Anwendung des Sozialrechts, entscheidet Grundsatzfragen und überprüft, ob die Vorinstanzen das Recht richtig angewendet haben.

Welche Fälle verhandelt das Bundessozialgericht?

Es entscheidet insbesondere über Revisionen in Streitigkeiten der gesetzlichen Kranken-, Renten-, Unfall- und Pflegeversicherung, der Arbeitsförderung, der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der sozialen Entschädigung, des Rehabilitations- und Teilhaberechts, des Schwerbehindertenrechts sowie weiterer sozialrechtlicher Leistungsbereiche.

Wie gelangt ein Verfahren zum Bundessozialgericht?

In der Regel über eine Revision gegen ein Urteil des Landessozialgerichts. Die Revision muss zugelassen sein; die Zulassung kann insbesondere bei grundsätzlicher Bedeutung oder zur Sicherung einheitlicher Rechtsprechung erfolgen. In besonderen Fällen ist eine direkte Revision aus erster Instanz möglich.

Prüft das Bundessozialgericht auch den Sachverhalt?

Es ist primär Rechtsinstanz. Die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz sind grundsätzlich verbindlich. Im Mittelpunkt steht die Prüfung, ob das Recht richtig angewandt wurde und ob das Verfahren ordnungsgemäß war.

Wer entscheidet am Bundessozialgericht?

Entschieden wird in fachlich spezialisierten Senaten, die in der Regel aus drei Berufsrichterinnen oder Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richterinnen oder Richtern bestehen, unter dem Vorsitz einer Senatsvorsitzenden oder eines Senatsvorsitzenden.

Welche Wirkung haben Entscheidungen des Bundessozialgerichts?

Sie sind im konkreten Verfahren verbindlich und entfalten darüber hinaus eine starke Orientierungswirkung für Gerichte und Verwaltung. Dadurch wird eine bundesweit einheitliche Rechtsanwendung gefördert.

Gibt es vor dem Bundessozialgericht Vertretungszwang?

Vor dem Bundessozialgericht besteht regelmäßig die Pflicht, sich durch zur Vertretung berechtigte Bevollmächtigte vertreten zu lassen. Dies dient einer konzentrierten Klärung von Rechtsfragen.