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Bundeskartellamt


Definition und Aufgaben des Bundeskartellamts

Das Bundeskartellamt ist die zentrale Wettbewerbsbehörde der Bundesrepublik Deutschland. Es handelt sich um eine selbstständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz mit Sitz in Bonn. Die Behörde überwacht die Einhaltung des deutschen und europäischen Kartellrechts, insbesondere des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Das Bundeskartellamt trägt maßgeblich zur Sicherung eines funktionsfähigen Wettbewerbs auf den Märkten bei und schützt dadurch Verbraucherinnen und Verbraucher sowie andere Marktteilnehmer.

Rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Verankerung

Die rechtliche Grundlage des Bundeskartellamts bildet das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Relevante Normen sind insbesondere die §§ 46 ff. GWB, die die Organisation, Zuständigkeiten und Befugnisse der Behörde detailliert regeln. Das Bundeskartellamt ist darüber hinaus an Vorschriften des europäischen Wettbewerbsrechts, insbesondere der Art. 101 und 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), gebunden.

Zuständigkeiten und Aufgabenbereiche

Das Bundeskartellamt nimmt zahlreiche kartellrechtliche Aufgaben wahr, darunter:

  • Kartellverfolgung: Ahndung von Vereinbarungen, abgestimmten Verhaltensweisen und Beschlüssen, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellen (§§ 1, 2 GWB).
  • Missbrauchskontrolle: Überwachung marktbeherrschender und marktstarker Unternehmen hinsichtlich eines Missbrauchs ihrer Stellung (§§ 18, 19, 20 GWB).
  • Fusionskontrolle: Prüfung und Untersagung wirtschaftlicher Zusammenschlüsse, die eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs erwarten lassen (§§ 35 ff. GWB).
  • Sektoruntersuchungen: Analyse von Märkten und Wirtschaftszweigen hinsichtlich struktureller oder wettbewerbsbeschränkender Tendenzen (§ 32e GWB).
  • Überwachung bestimmter Verhaltensweisen: Kontrolle von Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber im Hinblick auf kartellrechtliche Vorgaben (§§ 97 ff. GWB).

Organisation und Aufbau

Struktur und Gliederung

Das Bundeskartellamt ist in Fachbereiche, sogenannte Beschlussabteilungen, gegliedert. Diese sind jeweils bestimmten Branchen oder Themenfeldern zugeordnet (beispielsweise Energie, Verbraucherrecht, Internetplattformen, Handel oder Industrie). Die Präsidentin oder der Präsident des Bundeskartellamtes führt die Geschäfte und repräsentiert die Behörde nach außen. Die Leitung übernimmt regelmäßig auch die Koordination mit anderen nationalen und europäischen Wettbewerbsbehörden.

Personal und Unabhängigkeit

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundeskartellamtes verfügen in ihrer Tätigkeit gemäß § 51 GWB über Weisungsunabhängigkeit hinsichtlich ihrer Sachentscheidung, um eine objektive und sachgerechte Anwendung des Kartellrechts zu gewährleisten. Die organisatorische Anbindung an ein Bundesministerium beschränkt jene Unabhängigkeit nicht hinsichtlich des Kernbereichs der Rechtsanwendung.

Verfahren vor dem Bundeskartellamt

Einleitung und Ablauf kartellrechtlicher Verfahren

Der Ablauf eines kartellrechtlichen Verfahrens kann sich grundsätzlich in folgende Phasen untergliedern:

  1. Verfahrenseinleitung: Aufgreifen eines Sachverhalts von Amts wegen, Anstoß durch Dritte oder aufgrund anonymer Hinweise.
  2. Ermittlungen: Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen, gegebenenfalls auch Durchsuchungen und Beschlagnahmungen gemäß §§ 56, 59 GWB.
  3. Stellungnahme und Anhörung: Beteiligte Unternehmen und Personen erhalten die Möglichkeit zur Stellungnahme (§ 56 GWB).
  4. Entscheidung und Rechtsfolgen: Erlass von Verwaltungsakten, Untersagungsverfügungen oder Verhängung von Bußgeldern.
  5. Rechtsmittelverfahren: Betroffene Unternehmen können gegen Maßnahmen des Bundeskartellamts Beschwerde zum Oberlandesgericht Düsseldorf einlegen (§ 63 Abs. 1 GWB).

Sanktionen und Rechtsfolgen

Das Bundeskartellamt verfügt über weitreichende Sanktionsmöglichkeiten, darunter insbesondere:

  • Bußgelder: Gegen Unternehmen und deren Verantwortliche können empfindliche Geldbußen verhängt werden (§ 81 GWB).
  • Verfügungen und Untersagungen: Anordnung der Einstellung kartellrechtswidriger Praktiken.
  • Einziehen von Vorteilen: Bei kartellrechtlichen Verstößen können die aus dem Verstoß erlangten wirtschaftlichen Vorteile abgeschöpft werden (§ 34 GWB).

Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Gremien

Nationale Kooperation

Enge Zusammenarbeit besteht insbesondere mit den Landeskartellbehörden, die für bestimmte Sachverhalte mit ausschließlicher Landeswirkung zuständig sind. Darüber hinaus koordiniert sich das Bundeskartellamt regelmäßig mit anderen Bundesbehörden, wie der Bundesnetzagentur.

Europäische und internationale Zusammenarbeit

Im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzwerks (ECN) arbeitet das Bundeskartellamt eng mit der Europäischen Kommission und anderen Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten zusammen. Die Koordination erfolgt insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, europäischen Fusionsvorhaben und der Harmonisierung der Rechtsanwendung.

Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit

Das Bundeskartellamt ist bestrebt, Entscheidungen und wichtige Verfahrensschritte öffentlich und transparent zu kommunizieren. Über eine eigene Internetpräsenz werden Pressemitteilungen, Entscheidungsdatenbanken und Tätigkeitsberichte bereitgestellt. Zudem veröffentlicht die Behörde regelmäßig Leitlinien, Hinweise und Sektoruntersuchungen, um Unternehmen und die Allgemeinheit über aktuelle Entwicklungen im Wettbewerbsrecht zu informieren.

Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland

Durch die Gewährleistung fairer Marktbedingungen und die konsequente Durchsetzung des Wettbewerbsrechts trägt das Bundeskartellamt maßgeblich zu Innovationsbereitschaft, Preiswettbewerb und Vielfalt auf den Märkten bei. Das Amt fungiert als zentrale Instanz zur Wahrung einer ausgewogenen Balance zwischen unternehmerischer Freiheit und dem Schutz des öffentlichen Interesses am funktionierenden Wettbewerb.


Siehe auch:

  • Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
  • Europäische Kommission – Generaldirektion Wettbewerb
  • Kartellrechtliche Entscheidungen in Deutschland

Literatur und Quellen:

  • Bundeskartellamt: Tätigkeitsberichte und Leitfäden (offizielle Website)
  • Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
  • Amtliche Entscheidungen (Beschlussdatenbank des Bundeskartellamts)

Häufig gestellte Fragen

Wann und wie wird das Bundeskartellamt tätig?

Das Bundeskartellamt wird auf Grundlage des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) tätig und kann sowohl von Amts wegen (ex officio) als auch auf Antrag oder aufgrund einer Beschwerde aktiv werden. Die Behörde prüft insbesondere beim Verdacht auf Kartellabsprachen (§ 1 GWB), Missbrauch von marktbeherrschender Stellung (§ 19 GWB), bei der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (§§ 35 ff. GWB) sowie bei Verstößen gegen das Diskriminierungs- oder Behinderungsverbot (§ 20 GWB). Die Prüfungen erfolgen nach einem festgelegten rechtlichen Verfahren, das beispielsweise Anhörungen der betroffenen Unternehmen, Einholung von Stellungnahmen und die Durchführung von Ermittlungen umfasst. Die Eröffnung eines Verfahrens wird den betroffenen Unternehmen oft mitgeteilt. Es besteht die Möglichkeit, dass das Amt einstweilige Maßnahmen erlässt, wenn eine unmittelbare Gefahr für den Wettbewerb besteht. Das Verfahren kann mit einer Einstellung, einer Verpflichtungszusage oder einer förmlichen Untersagungsentscheidung sowie gegebenenfalls mit einer Bußgeldverhängung enden.

Welche rechtlichen Folgen drohen bei Verstößen gegen das Kartellrecht?

Verstöße gegen das Kartellrecht können vielfältige rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Das Bundeskartellamt ist befugt, Kartelle mit Bußgeldern zu ahnden, wobei die Höhe der Sanktionen nach § 81 GWB frei bemessen und auch am Umsatz der betroffenen Unternehmen orientiert werden kann. Darüber hinaus können angeordnete Maßnahmen, wie Untersagungsverfügungen oder Verpflichtungszusagen, die Unternehmen zur Änderung ihres Verhaltens zwingen. In schwerwiegenden Fällen kann das Amt angeordnete Zusammenschlüsse untersagen oder bereits vollzogene Zusammenschlüsse wieder auflösen lassen. Gleichzeitig können betroffene Wettbewerber oder Kunden privatrechtliche Unterlassungsansprüche und Schadensersatzforderungen gemäß §§ 33 ff. GWB vor den Zivilgerichten geltend machen. Die Entscheidungen des Bundeskartellamts können zudem gerichtlich überprüft werden (Klage vor dem OLG Düsseldorf, § 63 GWB).

Welche Möglichkeiten der Rechtsverteidigung haben die betroffenen Unternehmen?

Unternehmen, gegen die das Bundeskartellamt ein Verfahren einleitet, stehen verschiedene rechtliche Verteidigungsmöglichkeiten offen. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens sind die Unternehmen berechtigt, Akteneinsicht zu nehmen, sich anwaltlich vertreten zu lassen und Stellungnahmen abzugeben. Nach Zustellung eines Bußgeldbescheids besteht die Möglichkeit, Einspruch einzulegen (§ 67 OWiG) oder im Fall einer Untersagungsverfügung Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf einzureichen. Des Weiteren sieht das Verfahrensrecht vor, dass die betroffenen Unternehmen an mündlichen Anhörungen teilnehmen und Beweisanträge stellen können. Im gerichtlichen Überprüfungsverfahren ist eine vollständige Tatsachen- und Rechtsprüfung vorgesehen. Auch der einstweilige Rechtsschutz (Antrag auf Aussetzung der Vollziehung) kann in Einzelfällen beantragt werden.

Wie läuft die Fusionskontrolle durch das Bundeskartellamt ab?

Bei Zusammenschlüssen prüft das Bundeskartellamt nach §§ 35 ff. GWB, ob durch den geplanten Unternehmenszusammenschluss eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs entsteht. Unternehmen müssen bei Überschreiten bestimmter Umsatzschwellen eine Anmeldung beim Amt vornehmen. Nach Eingang der vollständigen Anmeldung verfügt das Amt über eine gesetzliche Frist von einem Monat (Phase I), innerhalb derer eine erste Prüfung erfolgt. Wird in dieser Zeit ein Vertiefungsbedarf festgestellt, eröffnet das Amt ein Hauptprüfverfahren (Phase II), das bis zu vier Monate dauern kann. Während der Prüfung kann das Amt Informationen von den beteiligten Unternehmen und Dritten verlangen. Kommt das Amt zu dem Ergebnis, dass der Zusammenschluss wettbewerbsrechtlich unbedenklich ist, wird dieser freigegeben. Ist das nicht der Fall, erfolgt eine formelle Untersagung, gegen die Rechtsmittel eingelegt werden können. Bis zur Freigabe gilt ein Vollzugsverbot für den Zusammenschluss.

Welche Pflichten zur Zusammenarbeit haben Unternehmen im Verfahren?

Im Rahmen eines kartellrechtlichen Verfahrens sind Unternehmen rechtlich dazu verpflichtet, an Ermittlungen des Bundeskartellamts mitzuwirken (§§ 59, 59b, 59c GWB). Dies beinhaltet insbesondere die Pflicht, angeforderte Auskünfte zu erteilen und angeforderte Unterlagen vorzulegen. Bei Durchsuchungen (Hausdurchsuchungen) gewährt das Amt auf Basis eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses Zugang zu Geschäftsräumen und kann Beweismittel sichern. Die Verweigerung der Mitwirkung oder falsche Auskünfte können mit Zwangsgeldern oder gesonderten Bußgeldern geahndet werden. Unternehmen steht im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht das Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO analog) zu, soweit sie sich durch Antworten selbst belasten könnten. Die anwaltliche Beratung während des gesamten Verfahrens ist zulässig und ratsam.

Wie erfolgt die Kooperation mit europäischen und internationalen Wettbewerbsbehörden?

Das Bundeskartellamt kooperiert auf rechtlicher Grundlage mit anderen Wettbewerbsbehörden, insbesondere mit der Europäischen Kommission gemäß Art. 11 ff. der EU-Kartellverfahrensverordnung (VO (EG) Nr. 1/2003) und im Rahmen des sogenannten Europäischen Wettbewerbsnetzes (ECN). Die Zusammenarbeit umfasst den Informationsaustausch, Koordination von Ermittlungen, Abstimmung bei parallelen Verfahren und Durchführung von Amtshilfe. Auch mit außereuropäischen Behörden bestehen bilaterale Kooperationsvereinbarungen und internationale Informationswege, etwa über die International Competition Network (ICN). Zuständigkeitskonflikte, etwa im Rahmen grenzüberschreitender Zusammenschlüsse oder Kartelle, werden nach dem sogenannten „One-stop-shop“-Prinzip gelöst, sofern die Voraussetzungen der europäischen Fusionskontrollverordnung vorliegen.