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Bundesfreiwilligendienst


Bundesfreiwilligendienst – Rechtliche Grundlagen und Ausgestaltung

Der Bundesfreiwilligendienst (BFD) ist ein staatlich organisierter Freiwilligendienst in Deutschland, der nach Aussetzung der Wehrpflicht und des Zivildienstes im Jahr 2011 eingeführt wurde. Der Bundesfreiwilligendienst ist im Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG) geregelt. Er bietet Menschen jeden Alters die Möglichkeit, sich in gemeinwohlorientierten Einsatzstellen zu engagieren. Im Folgenden werden die rechtlichen Aspekte des Bundesfreiwilligendienstes detailliert dargestellt.

Rechtsgrundlagen des Bundesfreiwilligendienstes

Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG)

Das wichtigste Gesetz zur Regelung des Bundesfreiwilligendienstes ist das Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG) vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 687), das als Bundesgesetz unmittelbar gilt. Ergänzende Regelungen finden sich in diversen Rechtsverordnungen sowie Durchführungsbestimmungen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA).

Anwendungsbereich und Zielsetzung

Das BFDG richtet sich an alle Personen, die das gesetzliche Schulpflichtalter vollendet haben (§ 3 Abs. 1 BFDG). Ziel des Bundesfreiwilligendienstes ist die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen wie Soziales, Umwelt, Sport, Integration, Kultur, Bildung und Zivil- und Katastrophenschutz (§ 1 BFDG).

Struktur und Ablauf des Bundesfreiwilligendienstes

Vertragsparteien und Vertragsschluss

Im Bundesfreiwilligendienst besteht ein öffentlich-rechtliches Vertragsverhältnis (§ 7 BFDG) zwischen den Freiwilligen und dem Bund, vertreten durch das BAFzA. Der Einsatz erfolgt in einer anerkannten Einsatzstelle, die dem BAFzA unterstellt ist. Die wesentlichen Bedingungen des Dienstverhältnisses werden im sogenannten Bundesfreiwilligendienstvertrag geregelt, der Mindestanforderungen erfüllen muss.

Dauer und zeitlicher Umfang

Die reguläre Dauer des Bundesfreiwilligendienstes beträgt in der Regel 12 Monate und kann zwischen 6 und 18 Monaten variieren (§ 3 Abs. 2 BFDG). In Ausnahmefällen ist eine Verlängerung auf bis zu 24 Monate möglich, insbesondere bei besonderen pädagogischen Projekten.

Der Dienst wird in Vollzeit abgeleistet, wobei Freiwillige über 27 Jahre die Möglichkeit haben, den Dienst mit mindestens 20 Stunden pro Woche in Teilzeit zu leisten (§ 3 Abs. 4 BFDG).

Rechte und Pflichten der Freiwilligen

Ansprüche und Leistungen

Während des Bundesfreiwilligendienstes erhalten die Teilnehmenden Taschengeld, das durch eine Rechtsverordnung geregelt wird und derzeit einen monatlichen Höchstsatz aufweist (§ 2 Satz 2 BFDG). Darüber hinaus können Sachleistungen wie Verpflegung, Unterkunft oder deren Geldwert gezahlt werden.

Die Freiwilligen sind gesetzlich unfall-, kranken-, pflege-, arbeitslosen- und rentenversichert; hierfür kommen die Einsatzstellen bzw. der Bund auf (§ 2 BFDG, SGB IV ff.). Darüber hinaus besteht Anspruch auf Urlaub (mindestens gemäß Bundesurlaubsgesetz), Lohnfortzahlung bei Krankheit sowie auf pädagogische Begleitung (§§ 4, 5 BFDG).

Weisungs- und Verschwiegenheitspflichten

Die Freiwilligen unterliegen den Weisungen der Einsatzstellen im Rahmen ihres Dienstes. Sie haben die Pflicht, ihnen anvertraute Informationen vertraulich zu behandeln sowie die Interessen der Einsatzstelle zu wahren. Ferner besteht die Verpflichtung zur Teilnahme an den vorgesehenen Bildungsseminaren (§ 4 BFDG).

Beendigung und Kündigung des Dienstes

Das Dienstverhältnis endet grundsätzlich mit Ablauf der vereinbarten Dienstzeit. Eine ordentliche Kündigung ist während der Probezeit (maximal drei Monate) mit einer Frist von zwei Wochen, danach mit einer Frist von vier Wochen zulässig (§ 7 BFDG). Zudem besteht ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund.

Organisation und Aufsicht des Bundesfreiwilligendienstes

Anerkennung der Einsatzstellen

Die Einsatzstellen müssen staatlich anerkannt sein (§ 6 BFDG). Antragsteller auf Anerkennung müssen gemeinwohlorientierte Ziele verfolgen und die Anforderungen des BFDG erfüllen. Das BAFzA prüft und entscheidet über die Anerkennung und widerruft diese bei Verstößen gegen die gesetzlichen Vorschriften.

Rolle des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA)

Das BAFzA ist zentrale Verwaltungsbehörde für den Bundesfreiwilligendienst (§ 8 BFDG). Es ist für die Durchführung, Überwachung und einheitliche Anwendung des BFDG zuständig. Zu den Aufgaben gehören unter anderem die Finanzierung, Kontrolle der Einsatzstellen sowie die Sicherstellung der pädagogischen Begleitung.

Sozialrechtliche und arbeitsrechtliche Einordnung

Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis

Das Dienstverhältnis im Bundesfreiwilligendienst ist kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts, sondern ein eigenständiges öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. Wesentliche arbeitsrechtliche Regelungen, wie z. B. das Kündigungsschutzgesetz oder das Betriebsverfassungsgesetz, finden keine Anwendung.

Leistungen und Sozialversicherung

Die Leistungen im BFD sind nicht steuerpflichtig, soweit sie durch das BAFzA gezahlt werden. Für die Dauer des Dienstes gilt Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung, einschließlich der Rentenversicherung. Die dafür anfallenden Beiträge werden vollständig vom Bund übernommen (§ 2 BFDG i.V.m. SGB V ff.).

Auswirkungen auf das BAföG und andere Leistungen

Einkünfte aus dem BFD können auf andere Sozialleistungen angerechnet werden, insbesondere auf das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), Arbeitslosengeld II oder Wohngeld. Es bestehen jedoch grundsätzlich Regelungen, die einen pauschalierten Freibetrag für das erhaltene Taschengeld vorsehen.

Besonderheiten und praxisrelevante Aspekte

Pädagogische Begleitung und Bildungsmaßnahmen

Der Bundesfreiwilligendienst beinhaltet verpflichtende Bildungsseminare, die mindestens 25 Bildungstage pro Jahr umfassen (§ 4 BFDG). Die Seminare dienen der Reflexion des Engagements, der Persönlichkeitsentwicklung und dem Erwerb weiterer Kompetenzen.

Zeugnis und Anschlusseinsatz

Nach Ableistung des Bundesfreiwilligendienstes ist der Einsatzstelle gesetzlich auferlegt, ein qualifiziertes Zeugnis auszustellen (§ 11 BFDG). Dieses dokumentiert die Dauer, Art und Leistung des Dienstes und kann im Sinne des Nachweises über gesellschaftliches Engagement in Bewerbungs- und Ausbildungskontexten genutzt werden.

Reformen, Kritik und Weiterentwicklung

Seit seiner Einführung wurde das BFDG mehrmals angepasst, um die Zugänglichkeit und Attraktivität des Dienstes zu erhöhen. Kritisch diskutiert werden teilweise die Höhe der finanziellen Leistungen, die Anerkennung gemeinnütziger Tätigkeiten sowie die Limitierung der Plätze. Die Bundesregierung evaluiert und entwickelt den Bundesfreiwilligendienst kontinuierlich fort.

Der Bundesfreiwilligendienst stellt damit eine besondere Form des gesellschaftlichen Engagements dar, die umfangreich und detailliert gesetzlich geregelt ist. Durch seine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung, die umfangreichen Schutzvorschriften und Sozialleistungen sowie die strikte staatliche Aufsicht nimmt der Bundesfreiwilligendienst eine besondere Rolle im deutschen Rechtssystem ein.

Häufig gestellte Fragen

Ist der Bundesfreiwilligendienst sozialversicherungspflichtig?

Teilnehmende am Bundesfreiwilligendienst (BFD) gelten rechtlich nicht als Arbeitnehmer, sondern befinden sich in einem Sonderrechtsverhältnis sui generis. Dennoch unterliegen sie vollumfänglich der Sozialversicherungspflicht. Die Einsatzstelle als sogenannte „Zentralstelle“ im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes (BFDG) meldet die Freiwilligen zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung an. Die Sozialversicherungsbeiträge werden auf Basis des gezahlten Taschengelds und evtl. weiterer geldwerter Leistungen, höchstens aber bis zur Beitragsbemessungsgrenze, berechnet. Die Beiträge zahlen nicht die Freiwilligen selbst, sondern werden vollständig von der Einsatzstelle getragen. § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VI, § 20 Abs. 1 Nr. 13 SGB XI, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und § 25 Abs. 1 SGB III erfassen die entsprechenden Regelungen. Ein eigener sozialversicherungsrechtlicher Status wird durch die Teilnahme am BFD nicht begründet, sodass die Freiwilligen keine typischen Arbeitnehmerrechte wie Kündigungsschutz genießen, aber auch keine Verpflichtungen wie Lohnsteuerpflicht haben.

Wie gestaltet sich der Urlaubsanspruch während des Bundesfreiwilligendienstes?

Für Personen im BFD gilt das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) analog. Der Mindesturlaubsanspruch beträgt entsprechend § 3 Abs. 1 BUrlG mindestens 24 Werktage pro vollem Berechnungsjahr, wobei gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 BFDG als Werktage alle Kalendertage außer Sonn- und Feiertage gelten. Freiwilligendienstleistende unter 18 Jahren unterliegen zudem den Regelungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes (JArbSchG), was in Abhängigkeit zum Alter gestaffelte Urlaubsansprüche vorsehen kann (§ 19 JArbSchG). Der Urlaub ist grundsätzlich während des Dienstverhältnisses zu nehmen, eine finanzielle Abgeltung nach Beendigung des BFD ist ausgeschlossen. Besonderheiten bestehen für Seminartage, da diese keine Urlaubstage im Rechtssinne sind und dem Anspruch nicht entgegenstehen, sondern als reguläre Dienstzeit gelten.

Wann und wie kann das Dienstverhältnis im Bundesfreiwilligendienst beendet werden?

Das Dienstverhältnis im BFD kann aus wichtigen Gründen jederzeit einvernehmlich aufgehoben werden (§ 8 Abs. 2 BFDG). Eine ordentliche Kündigung ist mit einer Frist von vier Wochen jeweils zum 15. oder zum Monatsende möglich, frühestens jedoch zum Ablauf der ersten sechs Wochen nach Dienstantritt (§ 8 Abs. 1 BFDG). Die Kündigung bedarf keiner Begründung. Außerordentliche Kündigungen aus wichtigem Grund richten sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 626 BGB analog) und sind fristlos möglich, sofern das Festhalten am Dienstvertrag unzumutbar ist. Zu beachten ist, dass die Kündigung schriftlich (nicht elektronisch) erfolgen muss (§ 623 BGB analog). Nach einer Beendigung aus eigenem Verschulden kann ein Anspruch auf Resturlaub oder auf Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses bestehen (§ 109 GewO entsprechend).

Welche rechtlichen Bestimmungen gelten für das Taschengeld im Bundesfreiwilligendienst?

Das Taschengeld bildet keine Vergütung im arbeitsrechtlichen Sinn, sondern ist rechtlich als Anerkennung für geleistete Dienste einzuordnen. Gemäß § 2 Abs. 2 BFDG ist das Taschengeld als freiwillige Leistung der Einsatzstelle begrenzt und darf bestimmte Höchstbeträge nicht überschreiten, die regelmäßig durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend festgesetzt werden. Im Jahr 2024 sind dies maximal 453 Euro monatlich (Stand: Februar 2024). Taschengeldzahlungen sind beitragsfrei in der Sozialversicherung, werden jedoch als Einkommen für die Feststellung von Ansprüchen auf Leistungen nach dem SGB II und SGB XII berücksichtigt. Weiterhin besteht kein einklagbarer Anspruch auf ein bestimmtes Taschengeld, sofern in der Vereinbarung individuell nichts geregelt ist (§ 2 Abs. 2 BFDG).

Wie verhält es sich mit dem Kindergeld während des Bundesfreiwilligendienstes?

Der Bezug von Kindergeld bleibt während der Ableistung eines BFD bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres erhalten (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. d EStG). Voraussetzung ist ein Nachweis über die ordnungsgemäße Ableistung des Dienstverhältnisses (Dienstbescheinigung). Das Kindergeld wird unabhängig von der Höhe des Taschengeldes gezahlt. Gleiches gilt für steuerliche Freibeträge, die mit den Begriffen „Berücksichtigung als Kind“ korrelieren. Überschreitet die Dienstzeit die Vollendung des 25. Lebensjahres, entfällt der Anspruch auf Kindergeld. Besonderheiten gelten im Falle von Unterbrechungen durch Krankheit oder Mutterschutzfristen; in diesen Fällen kann eine Fortzahlung nach Maßgabe der §§ 66 ff. EStG geprüft werden.

Welche rechtlichen Vorgaben gelten für die Arbeitszeit im Bundesfreiwilligendienst?

Die Arbeitszeit im BFD ist in § 2 Abs. 1 BFDG geregelt und richtet sich im Wesentlichen nach den für die jeweilige Einsatzstelle geltenden Bestimmungen. Für Vollzeitbeschäftigte beträgt die regelmäßige Arbeitszeit maximal 40 Stunden pro Woche, für Personen über 27 Jahren ist auch Teilzeit mit mindestens 20 Stunden pro Woche zulässig (§ 2 Abs. 1a BFDG). Die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) gelten mit Einschränkungen, insbesondere im Hinblick auf Ruhezeiten und Höchstarbeitszeiten (§§ 3, 5 ArbZG). Für Minderjährige greifen die Schutzregelungen des JArbSchG, wonach u.a. keine Nacht-, Mehr- oder Wochenendarbeit zulässig ist und die tägliche Arbeitszeit 8 Stunden nicht überschreiten darf. Überstunden sind grundsätzlich nicht vorgesehen und bedürfen einer expliziten Regulierung durch die Einsatzstelle und die Einwilligung der Freiwilligen.

Inwiefern sind Teilnehmende am Bundesfreiwilligendienst arbeitsrechtlich besonders geschützt?

Der arbeitsrechtliche Status der Freiwilligen im BFD entspricht keinem klassischen Arbeitsverhältnis. Dies hat zur Folge, dass arbeitsrechtliche Schutzmechanismen wie der allgemeine und besondere Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) keine unmittelbare Anwendung finden. Dennoch genießen Freiwillige nach § 10 BFDG exklusiven Schutz vor Benachteiligungen aufgrund ihres Dienstes, insbesondere im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Weiterhin besteht Anspruch auf ein qualifiziertes Dienstzeugnis gemäß § 109 Gewerbeordnung analog zum Arbeitsrecht. Im Falle von Streitigkeiten gelten die Zuständigkeiten der Arbeitsgerichte, da der BFD rechtlich als ein öffentlich-rechtliches Sonderrechtsverhältnis mit arbeitsrechtlicher Nähe bewertet wird (§ 2 ArbGG).