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Bundesbedarfsplan

Bundesbedarfsplan – Begriff, Funktion und rechtliche Einordnung

Der Bundesbedarfsplan ist das zentrale bundesrechtliche Instrument zur Festlegung des Bedarfs für den Ausbau des deutschen Höchstspannungs-Übertragungsnetzes. Er benennt konkrete Leitungsprojekte von überregionaler und europäischer Bedeutung, die zur Sicherung einer zuverlässigen, effizienten und klimaverträglichen Stromversorgung erforderlich sind. Mit seiner Verabschiedung als Bundesgesetz erhält die darin enthaltene Projektliste verbindliche Wirkung für nachgelagerte Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Zweck und Inhalt

  • Feststellung des Bedarfs: Der Plan legt fest, welche Übertragungsleitungen und Netzverstärkungen notwendig sind, um Versorgungssicherheit, Systemstabilität und die Integration erneuerbarer Energien zu gewährleisten.
  • Projektliste: Er enthält eine abschließende Liste einzelner Vorhaben (z. B. Korridore für Nord-Süd-Verbindungen, Verstärkungen bestehender Trassen, Grenzkuppelleitungen), mit Start- und Endpunkten sowie technologischen Eckpunkten (z. B. Wechselstrom oder Gleichstrom).
  • Rahmensetzung: Der Plan ist kein Bauplan. Er entscheidet noch nicht über konkrete Trassenverläufe oder Bauausführungen, sondern schafft die rechtliche Grundlage für die weiterführenden Verfahren, in denen diese Details festgelegt werden.

Abgrenzung zu anderen Planungsinstrumenten

  • Netzentwicklungsplan Strom (NEP): Wird von den Übertragungsnetzbetreibern erarbeitet und durch die Bundesnetzagentur geprüft. Er liefert die fachliche Grundlage für den Bundesbedarfsplan.
  • Bundesfachplanung: Klärt für länderübergreifende und grenzüberschreitende Vorhaben den Trassenkorridor (Breite typischerweise mehrere hundert Meter). Zuständig ist eine Bundesbehörde.
  • Planfeststellung: Projektbezogene Zulassung mit detailliertem Verlauf, technischer Ausgestaltung und Nebenbestimmungen; umfasst die Umweltverträglichkeitsprüfung.
  • Europäischer Kontext: Der Bundesbedarfsplan steht im Austausch mit europäischen Netzentwicklungsplanungen und kann Vorhaben mit EU-Relevanz berücksichtigen. Er ist jedoch ein nationales Gesetz.
  • Abgrenzung zu Gas: Der Bundesbedarfsplan bezieht sich auf das Strom-Übertragungsnetz. Für Gas bestehen gesonderte Planungsinstrumente.

Rechtlicher Rahmen und Verfahren

Akteure und Zuständigkeiten

  • Übertragungsnetzbetreiber: Erstellen die fachlichen Grundlagen (NEP) auf Basis von Szenarien zur Last- und Einspeiseentwicklung.
  • Bundesnetzagentur: Prüft und bestätigt die fachliche Planung, führt strategische Prüfungen und Beteiligungsverfahren durch und ist für bestimmte Zulassungsstufen zuständig.
  • Bund: Wandelt die bestätigten Bedarfe in den Bundesbedarfsplan um und beschließt diesen als Gesetz.
  • Länder und Kommunen: Werden beteiligt; ihre raumordnerischen und städtebaulichen Belange sind in den Folgeebenen zu berücksichtigen.

Verfahrensschritte

  1. Erarbeitung und Konsultation des Netzentwicklungsplans durch die Übertragungsnetzbetreiber mit öffentlicher Beteiligung.
  2. Prüfung, Anpassung und Bestätigung durch die Bundesnetzagentur einschließlich strategischer Umweltbetrachtungen.
  3. Gesetzgebung: Umwandlung ausgewählter bestätigter Projekte in den Bundesbedarfsplan (Bundesgesetz).
  4. Bundesfachplanung: Festlegung eines Trassenkorridors für großräumige Leitungen.
  5. Planfeststellung: Zulassung des konkreten Projekts mit Umweltverträglichkeitsprüfung und detaillierter Abwägung aller betroffenen Belange.

Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz

  • Mehrstufige Beteiligung: Stellungnahmen sind bereits auf der NEP-Ebene möglich und setzen sich in Bundesfachplanung und Planfeststellung fort.
  • Transparenz: Entwürfe, Umweltunterlagen und Prüfberichte werden veröffentlicht; Erörterungstermine finden statt.
  • Rechtskontrolle: Nachfolgende Zulassungsentscheidungen unterliegen dem verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz; der im Gesetz festgestellte Bedarf wird in diesen Verfahren nicht erneut grundsätzlich infrage gestellt.

Materielle Inhalte und Bindungswirkung

Projektkategorien

  • Neubau von Leitungskorridoren (z. B. Gleichstromverbindungen über weite Distanzen).
  • Verstärkung und Optimierung bestehender Leitungen (z. B. Erhöhung der Übertragungsfähigkeit).
  • Grenzüberschreitende Verbindungen zur Stärkung des europäischen Strombinnenmarkts.
  • Anbindungs- und Knotenpunktprojekte zur Aufnahme erneuerbarer Einspeisung.

Rechtliche Bindungswirkung

  • Feststellung der Notwendigkeit: Für im Bundesbedarfsplan gelistete Vorhaben gilt der Bedarf als staatlich festgestellt.
  • Vorgaben für Technologie und Endpunkte: Der Plan kann die Stromart (Wechselstrom/Gleichstrom) sowie Anfangs- und Endpunkte vorgeben. Diese Vorgaben binden die Folgebehörden.
  • Offenheit des Verlaufs: Der konkrete Verlauf wird erst in Bundesfachplanung und Planfeststellung bestimmt; dort findet die Abwägung mit Umwelt, Raumordnung und Eigentumsbelangen statt.

Umwelt- und Naturschutzanforderungen

  • Strategische Betrachtung: Auf der vorgelagerten Planungsebene werden Umweltauswirkungen auf Programmebene untersucht.
  • Projektbezogene Prüfung: In der Planfeststellung wird eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit detaillierter Alternativenprüfung, Artenschutz, Gewässer-, Boden- und Lärmschutz durchgeführt.
  • Schutzgebiete: Belange von Natura-2000-Gebieten, Landschafts- und Naturschutz werden systematisch berücksichtigt.

Raumordnung, Eigentum und öffentliche Belange

  • Raumordnerische Einbindung: Korridore werden mit Zielen und Grundsätzen der Raumordnung abgeglichen.
  • Eigentumsrechte: Eingriffe in Grundstücke erfordern eine gesetzlich geregelte Zulassung und Entschädigung nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften, die in den Zulassungsverfahren angewendet werden.
  • Kommunale Belange: Werden ermittelt und abgewogen; Planungshoheit der Gemeinden bleibt gewahrt, kollidierende Festsetzungen sind im Lichte des übergeordneten Bedarfs zu prüfen.

Aktualisierung und Fortschreibung

Turnus und Gründe für Änderungen

  • Regelmäßige Fortschreibung: Der Bundesbedarfsplan wird in periodischen Abständen an geänderte Energie- und Klimaziele, technologische Entwicklungen und neue Last-/Einspeiseszenarien angepasst.
  • Übernahme neuer Projekte: Nur bestätigte Bedarfe aus dem jeweils aktuellen Netzentwicklungsplan werden in die nächste Fassung übernommen.
  • Umgang mit Altprojekten: Vorhaben können entfallen, modifiziert oder technologisch neu eingeordnet werden, wenn sich Bedarfslage oder Rahmenbedingungen ändern.

Bedeutung für Energiepolitik und Versorgungssicherheit

Der Bundesbedarfsplan ist ein zentrales Steuerungsinstrument der Energieinfrastrukturpolitik. Er verbindet energiepolitische Ziele mit verbindlicher Infrastrukturplanung, sorgt für vorausschauende Kapazitätsbereitstellung im Übertragungsnetz und schafft verlässliche rechtliche Leitplanken für Genehmigung, Investition und Umsetzung. Durch seine Bindungswirkung erhöht er Planungs- und Investitionssicherheit und ermöglicht die koordinierte Integration erneuerbarer Energien, den Ausbau grenzüberschreitender Kapazitäten sowie die Aufrechterhaltung der Systemsicherheit.

Häufig gestellte Fragen zum Bundesbedarfsplan

Was ist der Bundesbedarfsplan und wozu dient er?

Der Bundesbedarfsplan ist ein Bundesgesetz, das die notwendigen Ausbau- und Verstärkungsprojekte des Strom-Übertragungsnetzes festlegt. Er dient der rechtlich verbindlichen Feststellung, welche Leitungen für Versorgungssicherheit, Systemstabilität und das Erreichen energie- und klimapolitischer Ziele erforderlich sind.

Wer erstellt und beschließt den Bundesbedarfsplan?

Die fachliche Grundlage stammt aus dem Netzentwicklungsplan der Übertragungsnetzbetreiber, der von der Bundesnetzagentur geprüft und bestätigt wird. Auf dieser Basis wird der Bundesbedarfsplan als Gesetz beschlossen.

Welche rechtliche Wirkung hat die Aufnahme eines Projekts?

Mit der Aufnahme in den Bundesbedarfsplan gilt der Bedarf des jeweiligen Vorhabens als staatlich festgestellt. Nachgelagerte Verfahren (Bundesfachplanung und Planfeststellung) prüfen nicht mehr die grundsätzliche Notwendigkeit, sondern legen Korridor, Verlauf, Ausführung und Nebenbestimmungen fest.

Wie unterscheidet sich der Bundesbedarfsplan vom Netzentwicklungsplan?

Der Netzentwicklungsplan ist ein fachliches Planungsdokument, das regelmäßig fortgeschrieben und von der Bundesnetzagentur bestätigt wird. Der Bundesbedarfsplan ist hingegen ein Gesetz, das ausgewählte Projekte mit verbindlicher Wirkung festlegt.

Wie häufig wird der Bundesbedarfsplan aktualisiert?

Der Bundesbedarfsplan wird in regelmäßigen Abständen fortgeschrieben, typischerweise im Anschluss an die Bestätigung eines neuen Netzentwicklungsplans, um geänderten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen.

Welche Beteiligungsmöglichkeiten bestehen?

Öffentlichkeitsbeteiligung findet auf mehreren Ebenen statt: bei der Erstellung und Prüfung des Netzentwicklungsplans, in der Bundesfachplanung bei der Festlegung des Korridors sowie im Planfeststellungsverfahren für das konkrete Projekt.

Welche Umweltprüfungen sind vorgesehen?

Es gibt eine strategische Betrachtung auf der vorgelagerten Planungsebene und eine detaillierte Umweltverträglichkeitsprüfung im Planfeststellungsverfahren, inklusive Alternativenprüfung und Berücksichtigung von Natur- und Artenschutz.

Erfasst der Bundesbedarfsplan auch Gasleitungen?

Nein. Der Bundesbedarfsplan bezieht sich auf das Strom-Übertragungsnetz. Für Gas bestehen eigene Planungs- und Regulierungsinstrumente außerhalb des Bundesbedarfsplans.