Begriff und rechtliche Grundlagen des Bundesbedarfsplans
Der Bundesbedarfsplan ist ein zentrales Instrument der deutschen Energieinfrastrukturplanung, das der Bedarfsermittlung und -feststellung für den Ausbau und die Optimierung der überregionalen Übertragungsnetze dient. Er bildet die gesetzliche Grundlage für die Notwendigkeit von Energieversorgungsleitungen im Sinne des § 12e des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und ist wesentlich für die Umsetzung der Energiewende in Deutschland. Der Bundesbedarfsplan ist im Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) geregelt und wird regelmäßig angepasst, um den sich ändernden Anforderungen im Bereich der Stromübertragung gerecht zu werden.
Gesetzliche Verankerung
Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)
Die rechtliche Grundlage für den Bundesbedarfsplan findet sich vor allem im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), insbesondere in § 12d bis § 12f EnWG. Hier wird die Notwendigkeit einer integrierten, bundesweiten Netzplanung und deren Verankerung im Gesetz herausgestellt.
Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG)
Das Bundesbedarfsplangesetz aus dem Jahr 2013 stellt die spezifische gesetzliche Regelung dar, in der die als besonders vordringlich festgelegten Vorhaben in Form eines Gesetzes verbindlich festgelegt werden. Das BBPlG konkretisiert die im Netzentwicklungsplan festgestellten Bedarfe und enthält eine Anlage mit den jeweils verbindlichen Leitungsbauvorhaben.
Verfahren der Bedarfsfeststellung
Der Bundesbedarfsplan setzt ein gesetzlich festgeschriebenes Verfahren voraus, das insbesondere folgende Stufen umfasst:
Erstellung des Netzentwicklungsplans
Die Betreiber der Übertragungsnetze sind verpflichtet, für einen bestimmten Planungszeitraum gemeinsam einen Netzentwicklungsplan zu erstellen, der Ausbaubedarf und Optimierungspotenziale der Netze analysiert (§ 12b EnWG).
Bundesfachplanung und Beteiligungsverfahren
Der Netzentwicklungsplan wird von der Bundesnetzagentur geprüft, die im Rahmen eines öffentlichen Beteiligungsverfahrens die Einwände und Stellungnahmen der Öffentlichkeit sowie betroffener Stellen einholt.
Gesetzgeberische Feststellung durch den Bundesbedarfsplan
Nach Auswertung und Prüfung erlässt der Bundestag auf Vorschlag der Bundesregierung das BBPlG, das diejenigen Leitungsvorhaben benennt, die für den Gesamtbedarf als verbindlich und energiewirtschaftlich erforderlich angesehen werden.
Rechtswirkungen des Bundesbedarfsplans
Feststellung des vordringlichen Bedarfs (§ 1 BBPlG)
Mit Erlass des Bundesbedarfsplans wird die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf der im Gesetz genannten Vorhaben bindend festgestellt. Diese Feststellung hat erhebliche Bedeutung für nachfolgende Verwaltungsverfahren, insbesondere das Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren nach dem Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) oder dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG).
Bindungswirkung für Folgeverfahren
Die Bedarfsfeststellung hat eine umfassende Bindungswirkung: Sie ersetzt eigenständige Bedarfsprüfungen in den späteren Zulassungsverfahren (§ 1 Abs. 2 BBPlG). Die Träger öffentlicher Belange, Behörden und Gerichte müssen von der Notwendigkeit der Maßnahmen ausgehen. Dies beschleunigt Genehmigungsverfahren und dient der Rechtssicherheit.
Auswirkungen auf Eigentumsrechte und Umweltprüfungen
Auch in abwägungsrelevanten Fragen, wie etwa Eingriffen in Eigentum oder Natur (z.B. im Rahmen von Enteignungs- oder Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren), bleibt die Feststellung des vordringlichen Bedarfs bestehen. Gleichwohl sind nachfolgend Umwelt- und Raumverträglichkeitsaspekte sowie Individualinteressen weiterhin relevant und umfassend zu prüfen.
Anhörung und Beteiligung
Ein zentrales Merkmal des Bundesbedarfsplanverfahrens ist die gesetzlich vorgeschriebene Öffentlichkeit und Transparenz. Betroffene Bürger, Kommunen, Umweltverbände sowie weitere Träger öffentlicher Belange erhalten umfassende Beteiligungsmöglichkeiten im Rahmen der Netzentwicklungsplanung, die der Festlegung des Bundesbedarfsplans vorangeht.
Öffentliches Beteiligungsverfahren
Durch die Bundesnetzagentur werden die Netzentwicklungspläne veröffentlicht und können durch einen Online-Konsultationsprozess kommentiert werden, bevor sie in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden.
Anpassung und Fortschreibung
Die Bundesbedarfsplanung ist ein fortlaufender, zyklischer Prozess. Aufgrund sich stetig ändernder Rahmenbedingungen (z. B. Energiewende, technologische Entwicklungen, europäische Vorgaben) erfolgt eine regelmäßige Überprüfung und Fortschreibung des Bundesbedarfsplans. Anpassungen werden durch den Gesetzgeber auf Grundlage aktualisierter Netzentwicklungspläne in das Bundesbedarfsplangesetz eingearbeitet.
Bedeutung im Kontext der Energiewende
Der Bundesbedarfsplan ist ein zentrales Steuerungsinstrument zur Sicherung der Versorgungssicherheit und zur Integration erneuerbarer Energien in das deutsche Stromnetz. Er gewährleistet eine koordinierte und beschleunigte Netzplanung auf Bundesebene und leistet damit einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung der energiepolitischen Ziele Deutschlands.
Europarechtliche Bezüge
Der Bundesbedarfsplan steht im Kontext der Vorgaben des europäischen Energiebinnenmarkts und der TEN-E-Verordnung (Trans-European Networks for Energy). Die europäische Integrationsdimension erfordert sowohl die Berücksichtigung europäischer Infrastrukturprojekte (sog. Projects of Common Interest, PCIs) als auch eine Abstimmung mit europäischen Planungsprozessen.
Literaturhinweise und weiterführende Links
Dieser Artikel bietet eine umfassende und sachliche Darstellung des Begriffs Bundesbedarfsplan unter besonderer Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen und Verfahrensweisen, wie sie im deutschen Energierecht verankert sind.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln den Bundesbedarfsplan?
Der Bundesbedarfsplan basiert im Wesentlichen auf § 12 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Das EnWG normiert, dass der Bundesbedarfsplan als Gesetz verabschiedet wird und die Vorhaben zum Ausbau und zur Optimierung des Stromnetzes von überragendem öffentlichen Interesse und für die öffentliche Sicherheit notwendig sind. Mit der Verabschiedung des Bundesbedarfsplans als Gesetz wird die energierechtliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf einzelner Netzausbauprojekte verbindlich festgestellt. Ferner regeln zusätzliche Rechtsverordnungen und Verwaltungsanweisungen, etwa die Bundesbedarfsplanzuständigkeitsverordnung, das Verfahren zur Erstellung, Fortschreibung und Umsetzung des Plans. Die Einbindung der Bundesnetzagentur als verantwortliche Behörde zur Überwachung und Koordinierung ist ebenfalls gesetzlich geregelt.
Wer ist rechtlich zur Umsetzung der Vorhaben des Bundesbedarfsplans verpflichtet?
Die Durchführung der im Bundesbedarfsplan festgelegten Netzausbauprojekte obliegt den jeweiligen Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB), die gemäß EnWG § 4 zum Betrieb des Netzes berechtigt und verpflichtet sind. Die Pflicht zur Umsetzung ergibt sich unmittelbar aus dem Bundesbedarfsplangesetz, das den ÜNB die Aufgabe zuschreibt, den energiewirtschaftlich festgestellten Bedarf in konkrete Planfeststellungsverfahren zu überführen und letztlich baulich umzusetzen. Verstöße gegen Umsetzungsfristen können verwaltungsrechtliche und ordnungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die Bundesnetzagentur hat die rechtliche Befugnis, die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu überwachen und erforderlichenfalls Anordnungen zu treffen.
Welche Rechtsmittel stehen Betroffenen gegen Vorhaben des Bundesbedarfsplans zur Verfügung?
Betroffene, insbesondere Grundstückseigentümer, Anwohner oder Gemeinden, können sich im Rahmen der späteren Zulassungs- und Genehmigungsverfahren (insbesondere Planfeststellungsverfahren nach § 43 ff. EnWG) mit Einwendungen und Stellungnahmen am Verfahren beteiligen. Der Bundesbedarfsplan selbst ist ein Gesetz, gegen das keine unmittelbaren Rechtsmittel bestehen. Rechtsschutz kann erst gegen die nachfolgenden Einzelmaßnahmen ergriffen werden, etwa durch Anfechtungsklagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse vor den zuständigen Verwaltungsgerichten. Hierbei prüft das Gericht aber regelmäßig nicht mehr die energiewirtschaftliche Notwendigkeit, da diese bereits gesetzlich im Bundesbedarfsplan festgestellt wurde, sondern nur noch Verfahrens- und Durchführungsfragen.
Wie ist das Verfahren zur Fortschreibung des Bundesbedarfsplans rechtlich geregelt?
Die Fortschreibung des Bundesbedarfsplans ist gesetzlich im EnWG § 12b geregelt. Hiernach hat die Bundesnetzagentur im Regelfall alle zwei Jahre den aktuellen Netzentwicklungsplan zu prüfen und erforderlichenfalls Vorschläge für eine Fortschreibung des Bundesbedarfsplans zu unterbreiten. Das Verfahren schließt eine Beteiligung der Öffentlichkeit und der Länder ein. Abschließend werden die Vorschläge der Bundesregierung übermittelt, die sodann dem Bundestag einen Gesetzesentwurf zur Neufassung bzw. Fortschreibung des Bundesbedarfsplans vorlegt. Der aktualisierte Bundesbedarfsplan tritt wiederum als Gesetz in Kraft.
Welchen rechtlichen Rang hat der Bundesbedarfsplan im Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften?
Der Bundesbedarfsplan hat den Rang eines Bundesgesetzes. Er steht somit im Rang unterhalb der Verfassung, allerdings gleichrangig mit anderen einfachen Bundesgesetzen. Im Rahmen der Verwaltungs- und gerichtlichen Umsetzung ist der Bundesbedarfsplan bindend – andere Rechtsvorschriften, etwa das Naturschutzrecht oder das Immissionsschutzrecht, sind jedoch weiterhin zu beachten und können das konkrete Vorhaben beeinflussen, sofern sie nicht im Bundesbedarfsplangesetz ausdrücklich überlagert oder modifiziert werden.
Wie verhält sich der Bundesbedarfsplan zu Planungs- und Zulassungsverfahren für Netzausbauprojekte?
Der Bundesbedarfsplan stellt im rechtlichen Sinne fest, dass die aufgenommenen Projekte energiewirtschaftlich notwendig und vordringlich sind. Im anschließenden Planungs- und Zulassungsverfahren (insbesondere Planfeststellungsverfahren) wird nicht mehr überprüft, ob das jeweilige Netzausbauprojekt überhaupt erforderlich ist. Gegenstand dieser Verfahren sind vielmehr die konkrete Trassenführung, technische Ausgestaltung, Umweltverträglichkeit sowie Belange des Natur-, Landschafts- und Eigentumsschutzes. Rechtsgrundlage für diese Verfahren sind vor allem das EnWG und das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG).
Welche Folgen hat die Aufnahme eines Vorhabens in den Bundesbedarfsplan aus rechtlicher Sicht?
Mit der Aufnahme in den Bundesbedarfsplan wird das jeweilige Netzausbauprojekt gesetzlich als notwendig festgestellt. Diese Feststellung entfaltet Bindungswirkung für nachgeordnete Behörden sowie für die Gerichte. Die energierechtliche Notwendigkeit muss weder bei der Planung noch im gerichtlichen Verfahren erneut geprüft oder bewiesen werden. Außerdem kommt solchen Vorhaben gemäß § 43 EnWG ein „überragendes öffentliches Interesse“ und die „öffentliche Sicherheit“ zu, sodass im Genehmigungsprozess zahlreiche Abwägungsentscheidungen zugunsten der Vorhaben ausfallen können. Dies betrifft beispielsweise Konflikte mit Belangen des Umwelt- oder Denkmalschutzes.