Begriff und Rechtsgrundlagen der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS)
Die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland. Sie wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1995 gegründet. Die BvS ist insbesondere für Aufgaben zuständig, die im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung stehen, insbesondere für die Verwaltung, Verwertung und Abwicklung des verbleibenden Vermögens der Treuhandanstalt („Treuhandvermögen“). Darüber hinaus nimmt die BvS Aufgaben der Vermögensabwicklung, Restitution und Post-Privatisierungsbetreuung wahr.
Die Rechtsgrundlage bildet das Gesetz zur Überleitung der Aufgaben und zur Abwicklung der Treuhandanstalt und des Bundesamtes für offene Vermögensfragen (Treuhandanstalt-Abwicklungsgesetz – THAA) vom 9. August 1994 (BGBl. I S. 2062), sowie das Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben-Gesetz (BvSG) vom 16. Juni 2000 (BGBl. I S. 955). Hinzu kommen flankierende Regelungen aus dem Einigungsvertrag, dem Vermögensgesetz (VermG), dem Investitionsvorranggesetz (InvVAG) sowie weiteren spezifischen Vorschriften im Rahmen der Treuhandabwicklung.
Historischer Hintergrund und Gründung
Mit der deutschen Wiedervereinigung 1990 war es erforderlich, umfangreiche Vermögensaspekte des ehemals volkseigenen Eigentums der DDR rechtsstaatlich zu klären und wirtschaftlich zu privatisieren. Dies übernahm ab 1990 die Treuhandanstalt. Nach deren Auflösung zum 31. Dezember 1994 wurde die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben errichtet, um die verbliebenen, nicht abgeschlossenen Aufgaben zu übernehmen und fortzuführen. Zeitgleich ging das Bundesamt für offene Vermögensfragen (BAOV) in der BvS auf.
Aufgaben und Zuständigkeiten
Die BvS hat ein gesetzlich definiertes Aufgabenspektrum:
Vermögensverwaltung und Vermögensverwertung
Die Bundesanstalt ist Rechtsnachfolgerin der Treuhandanstalt und verwaltet das nach der Privatisierung verbliebene Vermögen („Restvermögen“), veräußert dieses und führt die daraus erzielten Einnahmen an den Bundeshaushalt ab. Dies umfasst:
- Immobilien und Grundstücke
- Unternehmensbeteiligungen
- Rechte, Forderungen und sonstige Vermögenswerte
Die BvS ist befugt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben geeignete Dritte, insbesondere die TLG Immobilien Management GmbH oder Treuhandliegenschaftsgesellschaft mbH, mit der Verwaltung und Verwertung zu beauftragen.
Abwicklung verbliebener Restitutions- und Investitionsvorrangverfahren
Die BvS führt ausstehende Restitutionsverfahren nach dem Vermögensgesetz (VermG) durch, indem sie Ansprüche auf Rückübertragung ehemaliger Eigentümer bearbeitet oder entschädigt. Ebenso wickelt sie anhängige Investitionsvorrangverfahren nach dem Investitionsvorranggesetz ab.
Altlastenmanagement und Gewährleistung nach Privatisierungen
Die Behörde betreut Post-Privatisierungsaufgaben, insbesondere:
- Überwachung und Sicherung von Erfüllungszusagen ehemaliger Investoren (z. B. Arbeitsplatzgarantien)
- Altlastensanierung und Altverbindlichkeiten aus Privatisierungen
- Rechtsfragen der Rückforderung bei Vertragsbrüchen
Anspruchsbearbeitung und Rechtsstreitigkeiten
Die BvS ist Beteiligte an zahlreichen zivilgerichtlichen und öffentlich-rechtlichen Verfahren über Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Privatisierung und Vermögensabwicklung. Hierbei vertritt sie den Bund gegenüber Dritten und setzt Ansprüche durch.
Organisation und Rechtsform
Rechtsform und Aufsicht
Die BvS ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts auf Bundesebene. Sie untersteht der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen. Die Bundesanstalt handelt durch einen Präsidenten und wird von einem Verwaltungsrat beaufsichtigt.
Verfahrensrechtliche Besonderheiten
Für die Aufgabenwahrnehmung gelten besondere verfahrensrechtliche Regeln:
- Beschlüsse des Verwaltungsrats bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums der Finanzen.
- Für hoheitliche Tätigkeiten gelten die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes entsprechend, für privatrechtliche Tätigkeiten das allgemeine Zivilrecht.
Abwicklung und Beendigung der BvS
Ablauf des gesetzlichen Auftrags
Mit fortschreitender Abwicklung des Treuhandvermögens verringern sich die Aufgaben der BvS stetig. Das Gesetz zur Beendigung der BvS ist für den Abschluss aller Aufgaben und die Abwicklung der Anstalt vorgesehen. Nach vollständiger Erledigung soll die Bundesanstalt aufgelöst und der verbliebene Zuständigkeitsbereich auf Bundesbehörden überführt werden.
Bedeutung und rechtspolitische Einordnung
Die BvS ist ein zentrales Instrument der deutschen Einigungsverfassungspraxis. Sie gewährleistet die geordnete und rechtsstaatliche Abwicklung ehemals volkseigener Vermögenswerte und nimmt damit eine Schlüsselrolle im Transformationsprozess nach der Wiedervereinigung ein. Ihre Tätigkeit ist von erheblicher Bedeutung für die historische Gerechtigkeit und Rechtssicherheit in Bezug auf die Abwicklung von Vermögensansprüchen und Restitutionsverfahren.
Gesetzliche Grundlagen im Überblick
- Treuhandanstalt-Abwicklungsgesetz (THAA)
- Gesetz über die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvSG)
- Einigungsvertrag
- Vermögensgesetz (VermG)
- Investitionsvorranggesetz (InvVAG)
- Weitere Rechtsvorschriften des Bundes und nachgeordnetes Verwaltungsvorschriften
Literaturhinweise
- Dieter Birk (Hrsg.): Die Privatisierung des DDR-Volksvermögens und ihre Folgen, Münster 2000.
- Dirk Markus: Restitutionsverfahren im Einigungsrecht: Rechtssicherungsinteressen und Abwicklungspraxis, Berlin 2004.
- Bundesgesetzblatt, Fundstellen zu THAA und BvSG.
Weblinks
- Offizieller Internetauftritt der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS): www.bvs-bund.de
- Gesetzestext zum Treuhandanstalt-Abwicklungsgesetz (THAA)
Mit der sauberen Abwicklung der Nachwendevermögen und Restitutionsverfahren leistet die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen und rechtlichen Konsolidierung herkunftsoffener Vermögensfragen der deutschen Wiedervereinigung.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Rahmenbedingungen regeln die Aufgabenübertragung an die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben?
Die Aufgaben der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) werden maßgeblich durch das Gesetz zur abschließenden Erfüllung der Aufgaben der am 31.12.1991 bestehenden Treuhandanstalt sowie zur Einrichtung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (sog. Treuhandabschlussgesetz, THA-AbschlussG) geregelt. Des Weiteren finden das Einigungsvertragsgesetz sowie verschiedene spezifische Regelwerke wie das Vermögenszuordnungsgesetz (VZOG), das Altschuldenhilfegesetz und weitere bundes- und landesrechtliche Vorschriften, insbesondere zum öffentlichen Sachenrecht und Restitutionsrecht, Anwendung. Insofern ist das Tätigwerden der BvS einem komplexen Geflecht differenzierter Vorgaben unterstellt, das sowohl spezifische Nachfolgeregelungen für die vormalige Treuhandanstalt als auch allgemeine Verwaltungsvorschriften für Bundesanstalten einschließt. Neben dem gesetzlichen Auftrag finden dabei auch europarechtliche Vorgaben, insbesondere beihilferechtliche Anforderungen, Berücksichtigung, soweit die Abwicklung wirtschaftlicher Unternehmen und die Verwaltung von Vermögen mit potenziellen Auswirkungen auf den EU-Binnenmarkt verbunden ist.
Welche Pflichten hat die BvS als juristische Person des öffentlichen Rechts im Umgang mit Restitutionsansprüchen?
Die BvS ist gemäß § 5 THA-AbschlussG als juristische Person des öffentlichen Rechts verpflichtet, Restitutionsansprüche nach Maßgabe des Vermögensgesetzes (VermG) und ergänzender Regelungen wie dem Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) und dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz (NS-EntschG) rechtssicher, zügig und nachvollziehbar zu bearbeiten. Zu ihren Hauptpflichten gehört es, Anspruchsteller umfassend zu informieren, Anträge entgegenzunehmen und den Rückübertragungsprozess oder etwaige Entschädigungsleistungen unter strikter Einhaltung der gesetzlichen Verfahrenswege umzusetzen. Die BvS hat hierbei die Stellung einer sogenannten Vermögenszuordnungsbehörde. Sie muss Fristvorschriften, Beteiligungsrechte Dritter sowie Verfahrensgarantien gewährleisten und gerichtliche Überprüfbarkeit sicherstellen. Fehlerhafte Entscheidungspraxis kann im Verwaltungsrechtsweg angefochten werden, wobei die BvS einer uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt.
In welchem Umfang bestehen Aufsichtspflichten über die BvS seitens des Bundes?
Die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben unterliegt nach § 6 THA-AbschlussG der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen (BMF). Diese Aufsicht erstreckt sich sowohl auf die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen als auch auf ordnungsgemäße Geschäftsführung im Sinne eines effizienten Einsatzes von Bundesmitteln. Das BMF ist befugt, Weisungen zu erteilen, Informationen einzufordern, Geschäfts- und Wirtschaftsprüfungen zu veranlassen sowie im Einzelfall Mitbestimmungsrechte wahrzunehmen. Die BvS ist zu einer umfassenden Aktenführung und Berichterstattung an die Aufsichtsbehörde verpflichtet. Für Sonderaufgaben können zudem interministerielle Koordinierungsmechanismen installiert werden, insbesondere wenn die Anstalt in besondere Vermögensinteressen anderer Ressorts oder im Rahmen übergreifender Restitutionsregelungen tätig wird.
Wie gestaltet sich die verfahrensrechtliche Stellung der BvS in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren?
Im Verwaltungsverfahren agiert die BvS als Handlungs- und Entscheidungsbehörde, typischerweise im Rahmen des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), ergänzt durch Sonderregelungen aus dem THA-AbschlussG und dem VZOG. Sie trifft formelle Verwaltungsakte, die als Grundlage für Vermögenszuordnungen, Restitutionen oder Entschädigungen dienen. Gegen Entscheidungen der BvS steht Betroffenen regelmäßig der Verwaltungsrechtsweg offen, und die Anstalt ist dann als Beklagte oder Beteiligte am Prozess beteiligt. In Rechtstreitigkeiten genießen die Verwaltungsakte der BvS grundsätzlich die Vermutung der Rechtmäßigkeit, unterliegen jedoch der vollen gerichtlichen Kontrolle nach Maßgabe des Verwaltungsprozessrechts (§§ 40 ff. VwGO). Revisionsrechtliche Fragen werden, soweit grundsätzliche Bedeutung besteht, vor dem Bundesverwaltungsgericht entschieden.
Bestehen für die BvS besondere Regelungen hinsichtlich der Haftung für ihre Verwaltungstätigkeit?
Die BvS haftet gemäß den allgemeinen Grundsätzen des staatlichen Haftungsrechts für Amtspflichtverletzungen nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Anders als im Privatrecht sind dabei die spezifischen Anforderungen des öffentlichen Dienstrechts zu beachten: Eine Haftung der Amtsträger persönlich tritt nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung offizieller Pflichten ein, im Übrigen haftet die Anstalt selbst bzw. der Bund als Rechtsträger für Schäden, welche durch Pflichtwidrigkeiten ihrer Bediensteten entstehen. Auch im Zusammenhang mit der Verwaltung treuhänderischen Vermögens oder im Zuge von Restitutionsentscheidungen kann die Haftung begründet werden, soweit vorwerfbare Pflichtverletzungen nachgewiesen werden.
Welche datenschutzrechtlichen Anforderungen muss die BvS beim Umgang mit personenbezogenen Daten erfüllen?
Als Bundesbehörde unterliegt die BvS den Bestimmungen der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Dies bedeutet, dass jede Verarbeitung von personenbezogenen Daten – insbesondere von Antragstellern, ehemaligen Beschäftigten oder sonstigen Betroffenen – an die Grundprinzipien von Rechtmäßigkeit, Transparenz, Zweckbindung und Datensparsamkeit gebunden ist. Die BvS ist verpflichtet, interne datenschutzrechtliche Prozesse vorzuhalten, technische und organisatorische Maßnahmen nach Art. 32 DSGVO zu implementieren, die Rechte der Betroffenen auf Auskunft, Berichtigung und Löschung zu gewährleisten und gegebenenfalls Datenschutz-Folgenabschätzungen durchzuführen. Verstöße können aufsichtsrechtliche Maßnahmen oder Bußgelder nach sich ziehen.
Welche Rolle spielt das öffentliche Haushaltsrecht bei der Vermögensverwaltung der BvS?
Die BvS ist an die Regularien der Bundeshaushaltsordnung (BHO) gebunden, insbesondere an deren Vorgaben zu Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 BHO). Bei der Verwertung oder Verwaltung von Treuhandvermögen oder Restitutionsgütern muss sie die Haushaltsgrundsätze beachten, entsprechend Buch über Einnahmen und Ausgaben führen, Beschaffungs- und Veräußerungsgeschäfte transparent abwickeln und ihre Haushaltführung regelmäßig prüfen lassen. Einzelne Geschäfte – etwa größere Immobilienveräußerungen – bedürfen zudem häufig aufsichtsrechtlicher Genehmigung oder Anzeige beim BMF. Die interne und externe Revision überprüft die Einhaltung der haushaltsrechtlichen Vorschriften.