Begriff und Rechtsgrundlagen der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung
Die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (BaFinSt oder auch FMSA) ist eine bundeseigene Institution in Deutschland, die im Zuge der internationalen Finanzkrise 2007/2008 geschaffen wurde, um Maßnahmen zur Stabilisierung des deutschen Finanzmarktes zu koordinieren, durchzuführen und zu überwachen. Ihre Aufgaben und Befugnisse sind in maßgeblichen bundesrechtlichen Regelungen verankert. Die rechtlichen Grundlagen und die spezifischen Kompetenzen der Bundesanstalt sind von erheblicher wirtschaftlicher, aufsichtsrechtlicher und gesellschaftlicher Bedeutung.
Entstehung und Zielsetzung
Historische Entwicklung
Die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung wurde durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) vom 17. Oktober 2008 eingerichtet. Der Gesetzentwurf reagierte auf die gravierenden Marktturbulenzen im Gefolge der internationalen Banken-, Kredit- und Wirtschaftskrise von 2007/2008. Ziel der Errichtung war es, einer Destabilisierung des deutschen Finanzsystems und einem umfassenden Vertrauensverlust in die Stabilität von Kreditinstituten entgegenzuwirken.
Gesetzliche Zieldefinition
Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz legt fest, dass die Aufgabe der Bundesanstalt darin besteht, unter Berücksichtigung von Risikoaspekten die Stabilität des Finanzmarktes der Bundesrepublik Deutschland sicherzustellen (§ 2 FMStG). Es handelt sich um Maßnahmen sowohl präventiver als auch intervenierender Art.
Rechtsform, Organisation und Aufsicht
Rechtsform
Die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung ist eine Bundesanstalt des öffentlichen Rechts ohne eigene Rechtspersönlichkeit (§ 2 Abs. 1 FMStG), sie nimmt ihre Aufgaben im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen wahr.
Organisatorische Struktur
Ursprünglich war die Bundesanstalt in Bad Homburg v. d. Höhe angesiedelt. Sie gliederte sich organschaftlich in einen Leitungsausschuss, einen Verwaltungsrat sowie einen Arbeitsausschuss. Die laufenden Geschäfte wurden von einer Geschäftsführung wahrgenommen.
Mit Wirkung zum 1. Januar 2018 wurden die verbliebenen Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung in die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) integriert. Die FMSA besteht als eigenständige Behörde nicht mehr, jedoch sind ihrer Rechtsnachfolge und etwaige Abwicklungsprozesse von rechtlicher Bedeutung.
Rechtsaufsicht
Die FMSA unterliegt der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen. Die Aufsicht erstreckte sich insbesondere auf die Einhaltung gesetzlicher und haushalterischer Vorgaben sowie die Umsetzung der politischen Ziele des Gesetzgebers.
Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung
Maßnahmen zur Marktstabilisierung
Die Kernaufgabe der FMSA war es, unter Einsatz von Mitteln aus dem Finanzmarktstabilisierungsfonds (Sondervermögen Stabilitätsfonds – SoFFin) gemäß § 7 FMStG, Maßnahmen zur Stabilisierung von Finanzinstitutionen umzusetzen. Hierzu zählten:
- Garantien für Banken (Liquiditätssicherung)
- Rekapitalisierungen (etwa durch Erwerb von Aktien oder anderen Eigenkapitalinstrumenten)
- Übernahme von Risikoaktiva und dadurch Entlastung von Bankbilanzen
Die Bundesanstalt war weitreichend ermächtigt, über konkrete Fördermaßnahmen in Abstimmung mit dem Stabilitätsrat und dem Finanzministerium zu entscheiden.
Verwaltung des SoFFin
Die FMSA führte und verwaltete den SoFFin als rechtlich unselbständiges Sondervermögen des Bundes, dessen Volumen nach dem Gesetz maximal 480 Milliarden Euro betragen konnte, davon bis zu 80 Milliarden Euro für Rekapitalisierungsmaßnahmen und Übernahmen.
Beteiligung an Bankenabwicklungen
Mit dem späteren Restrukturierungsgesetz (Restrukturierungsfondsgesetz, StruktFG) wurde der Bundesanstalt eine zentrale Rolle in Restrukturierungs- und Abwicklungsfällen systemrelevanter Institute zugewiesen. Dabei oblag ihr:
- die Entscheidung und Umsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen,
- die Führung des Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute,
- Koordination mit europäischen Aufsichts- und Abwicklungsbehörden.
Rechtliche Befugnisse und Verfahren
Verwaltungsverfahren
Die FMSA war befugt, Verwaltungsakte zu erlassen, betroffene Finanzinstitute zu verpflichten, Informationen, Unterlagen und Erklärungen zur Verfügung zu stellen (§ 6 FMStG). Entscheidungen der FMSA unterlagen dem nationalen Verwaltungsrecht, insbesondere der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Verpflichtete Institute verfügten über administrative Rechtsmittelmöglichkeiten.
Kontrolle und Rechenschaftspflicht
Die Bundesanstalt war zu einem umfassenden Berichtswesen gegenüber dem Parlament, der interessierten Öffentlichkeit und dem Stabilitätsrat verpflichtet (§§ 7 ff. FMStG). Über die Entwicklung der Mittel des SoFFin und die Umsetzung der Maßnahmen wurde regelmäßig berichtet.
Weisungsbefugnisse
Im Rahmen von Stabilitätsmaßnahmen konnte das Bundesministerium der Finanzen der FMSA konkrete Einzelweisungen erteilen, insbesondere bei der schwerwiegenden Verwendung öffentlicher Mittel oder bei Maßnahmen von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung.
Rechtsnachfolge und Auflösung
Übertragung auf die BaFin
Gemäß Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Übertragung der Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (FMSA-ÜbertragungsG) vom 28. November 2017 gingen sämtliche Aufgaben, Befugnisse und Verpflichtungen der FMSA auf die BaFin über. Rechtsansprüche, schwebende Verfahren und Verwaltungsakten wurden kraft Gesetzes von der BaFin fortgeführt.
Bedeutung für das öffentliche Recht
Rechtshistorisch ist die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung ein prägnantes Beispiel für temporäre (ad hoc-)Institutionen des öffentlichen Rechts, die zur Bewältigung außergewöhnlicher systemischer Krisenlagen geschaffen werden. Ihre Befugnisse, unabhängig von allgemeinen Haushalts- und Vergabebestimmungen, markieren eine Ausnahmesituation im deutschen Verwaltungsrecht.
Zusammenfassung und Bedeutung
Die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung war eine zentrale Institution zur Umsetzung außerordentlicher Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte und Banken in Deutschland. Ihre Rechtsgrundlagen, Aufgaben und Kompetenzen waren detailliert gesetzlich geregelt und unterlagen ständiger parlamentarischer und ministerieller Kontrolle. Mit der Übertragung ihrer Aufgaben auf die BaFin im Jahr 2018 bleibt die Rechtsgeschichte der FMSA für das Verständnis staatlicher Eingriffe in Systemkrisen weiterhin von großer praktischer und theoretischer Bedeutung.
Siehe auch:
- Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin)
- Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
- Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG)
- Restrukturierungsfondsgesetz (StruktFG)
- Stabilitätsrat
Rechtsgrundlagen:
- Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG), BGBl. I 2008, S. 1982
- Gesetz zur Übertragung der Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (FMSA-ÜbertragungsG), BGBl. I 2017, S. 3892
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Aufgaben und Befugnisse der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA)?
Die Aufgaben und Befugnisse der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) sind primär im Stabilisierungsfondsgesetz (StFG) sowie ergänzend im Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarkt- und eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WStFG) geregelt. Daneben finden sich Regelungen im Kreditwesengesetz (KWG) sowie im Restrukturierungsfondsgesetz (RStruktFG). Das StFG konkretisiert insbesondere die Struktur des sogenannten Sondervermögens „Finanzmarktstabilisierungsfonds“ (SoFFin), wobei die FMSA als dessen Verwaltung und Umsetzungseinrichtung fungiert. Ergänzend findet das deutsche Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) Anwendung auf die Verwaltungsakte und Maßnahmen der FMSA, soweit keine spezielleren Vorschriften greifen. Des Weiteren ist die Tätigkeit der FMSA durch europarechtliche Vorgaben, insbesondere im Zusammenhang mit Beihilferecht und Bankenunion, beschränkt und gelenkt.
Wie ist die FMSA rechtlich in die staatliche Finanzmarktaufsicht eingebettet?
Die FMSA war als eigenständige Bundesanstalt im unmittelbaren Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen organisiert und unterstand fachlicher und dienstlicher Aufsicht dieses Ministeriums. Mit Wirkung zum 1. Januar 2018 wurden ihre Aufgaben weitgehend in die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) integriert, wobei einzelne Aufgabenstellungen, insbesondere Restrukturierungs- und Abwicklungsmaßnahmen, weiterhin einer spezialgesetzlichen Behandlung bedürfen. Innerhalb der staatlichen Finanzmarktaufsicht ist die FMSA damit ein spezialisiertes Organ mit einem besonderen Aufgabenbereich, der sich maßgeblich auf Stabilitäts- und Sanierungsmaßnahmen im Kredit- und Finanzsektor erstreckt. Sie war, anders als die BaFin, nicht primär für die fortlaufende Marktaufsicht, sondern für krisenbedingte Interventionsmöglichkeiten mandatiert.
Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen kann die FMSA Stabilisierungsmaßnahmen anordnen?
Stabilisierungsmaßnahmen durch die FMSA sind rechtlich an strikte Voraussetzungen gebunden. Eine solche Maßnahme kann ergriffen werden, wenn eine Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems in Deutschland oder für eine systemrelevante Bank besteht. Gemäß § 6 ff. StFG ist ein Antrag des betroffenen Instituts erforderlich, dem eine Analyse der wirtschaftlichen Notwendigkeit und der Finanzierungsmöglichkeiten beizufügen ist. Nach Prüfung kann die FMSA verschiedene Instrumente einsetzen, insbesondere Rekapitalisierungen, Garantien oder den Erwerb von Risikopapieren. Die Maßnahmen bedürfen regelmäßig der Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen und unterliegen weiteren staats- und beihilferechtlichen Schranken, insbesondere hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem EU-Beihilferecht.
Welche Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen gegen Maßnahmen oder Entscheidungen der FMSA?
Entscheidungen und Maßnahmen der FMSA stellen Verwaltungsakte im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes dar und unterliegen daher dem allgemeinen Rechtsschutzregime des deutschen Verwaltungsrechts. Betroffene Institute oder Dritte können gegen belastende Verwaltungsakte der FMSA Widerspruch einlegen und anschließend Klage vor den Verwaltungsgerichten erheben. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit von Eilrechtsschutz in Form von Anträgen auf einstweilige Anordnung (§ 80, § 123 VwGO), wenn etwaige Maßnahmen unaufschiebbar erscheinen. Unionsrechtliche Maßnahmen können zudem zu einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) führen, falls Fragen zur Auslegung des EU-Rechts oder des EU-Beihilferechts maßgeblich sind.
Inwiefern ist die FMSA an das EU-Beihilferecht gebunden?
Die FMSA ist bei der Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen zwingend an die Vorschriften des EU-Beihilferechts, insbesondere die Artikel 107 ff. AEUV, gebunden. Jede Maßnahme, die eine Bevorzugung einzelner Institute oder Sektoren beinhaltet, ist als staatliche Beihilfe zu qualifizieren und damit anzeigepflichtig und genehmigungsbedürftig gegenüber der Europäischen Kommission. Die Kommission prüft die Kompatibilität der Maßnahmen mit dem Binnenmarkt und kann Bedingungen oder Auflagen vorgeben. Verstöße gegen das Beihilferecht können zur Rückforderung der gewährten Beihilfen führen. Die FMSA hat alle vom Unionsrecht geforderten Berichtspflichten, Transparenzvorschriften und Dokumentationsanforderungen zu erfüllen.
Welche Berichtspflichten und Kontrollmechanismen bestehen für die Arbeit der FMSA?
Durch gesetzliche Vorgaben im StFG und ergänzende Verwaltungsvorschriften ist die FMSA zur umfassenden Berichterstattung verpflichtet. Sie hat dem Bundesministerium der Finanzen regelmäßig über durchgeführte Maßnahmen, den Stand der gewährten Hilfen sowie über Entwicklungen und Risiken des Finanzmarktstabilisierungsfonds Bericht zu erstatten. Darüber hinaus ist der Bundesrechnungshof berechtigt, Prüfungen hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen durchzuführen. Der Bundestag erhält regelmäßige Informationsvorlagen zur parlamentarischen Kontrolle. Zusätzlich unterliegt die FMSA der Prüfpflicht nach Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) und ist zur Einhaltung der Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes bezüglich personenbezogener Daten verpflichtet.
Welche Bedeutung hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die Arbeit der FMSA?
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ein zentrales steuerndes Prinzip für sämtliche Eingriffsmaßnahmen der FMSA. Jede durch die FMSA ergriffene Maßnahme muss geeignet, erforderlich und angemessen sein, um das angestrebte Ziel – den Schutz der Finanzmarktstabilität – zu erreichen. Das bedeutet, dass vor dem Erlass einer Maßnahme zu prüfen ist, ob es ein weniger eingriffsintensives, gleich wirksames Mittel gibt und ob die Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere und Wahrscheinlichkeit der drohenden Gefahr steht. Gerichte prüfen in Verfahren gegen die FMSA-Maßnahmen regelmäßig insbesondere die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und können übermäßige oder nicht gerechtfertigte Eingriffe aufheben.
Wie ist die Haftungsfrage im Kontext der Tätigkeit der FMSA geregelt?
Die Haftung der FMSA richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Staatshaftungsrechts. Im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeit haftet die FMSA selbst sowie der Bund grundsätzlich bei schuldhafter Verletzung amtlicher Pflichten im Sinne des § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG. Geschädigte können daher Ansprüche gegenüber dem Bund geltend machen, wenn die FMSA rechtswidrige oder fehlerhafte Maßnahmen ergriffen hat, die einen Vermögens- oder sonstigen Schaden zur Folge hatten. Die persönliche Haftung der FMSA-Bediensteten ist auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt und geht im Übrigen auf den Bund über. Die besondere Komplexität der Maßnahmen im Finanzmarktstabilisierungsrecht begrenzt in der Praxis regelmäßig eine Haftung auf Fälle grober Fehleinschätzung oder bewusster Rechtsverletzung.