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Bürgerentscheid

Begriff und Einordnung

Ein Bürgerentscheid ist eine kommunale Abstimmung, bei der die wahlberechtigte Einwohnerschaft über eine konkret formulierte Sachfrage der Gemeinde, Stadt oder des Landkreises entscheidet. Er ist ein Instrument direkter Demokratie auf kommunaler Ebene. Meist wird ein Bürgerentscheid durch ein zuvor eingeleitetes Bürgerbegehren vorbereitet, das die Zulassung der Abstimmung anstrebt. Neben dem von Bürgerinnen und Bürgern angestoßenen Verfahren kennen viele Bundesländer auch vom kommunalen Vertretungsorgan initiierte Abstimmungen (häufig als Ratsbegehren oder Ratsbürgerentscheid bezeichnet). Bürgerentscheide sind von landesweiten Volksentscheiden zu unterscheiden, die Fragen auf Ebene des Bundeslandes betreffen.

Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten

Die Einzelheiten zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheid werden durch die Regelungen der Bundesländer bestimmt. Diese legen fest, in welchen Gemeinden, Städten und Landkreisen Bürgerentscheide stattfinden können, wie das Verfahren abläuft und welche Voraussetzungen für Zulässigkeit, Durchführung und Bindungswirkung gelten. Entscheidend ist, dass nur Angelegenheiten betroffen sein können, die in die eigene Zuständigkeit der Kommune fallen. Fragen, die einer anderen Ebene (Land, Bund, andere Körperschaften) zugeordnet sind, können nicht Gegenstand eines Bürgerentscheids sein.

Zulässige und unzulässige Gegenstände

Gegenstand eines Bürgerentscheids können kommunale Sachfragen sein, etwa die Ausgestaltung kommunaler Einrichtungen, Grundsatzentscheidungen zu Infrastrukturprojekten, Aspekte der Stadtentwicklung, des Umwelt- und Verkehrswesens oder der Nutzung kommunalen Eigentums. Die konkrete Reichweite hängt von den jeweiligen landesrechtlichen Vorgaben ab.

Typischerweise ausgeschlossen sind Entscheidungen über den Haushalt in seiner Gesamtheit, die Festsetzung allgemeiner Abgaben, Personal- und Besoldungsfragen, innere Organisation der Verwaltung sowie Angelegenheiten, die durch zwingendes Recht vorgegeben sind. Ebenso sind häufig Verfahren mit gesetzlich strikt geregelten Abläufen nur eingeschränkt über einen Bürgerentscheid gestaltbar. In der Bauleitplanung ist in mehreren Ländern eine Grundsatzentscheidung denkbar; die formellen Planverfahren mit Beteiligung und Abwägung müssen jedoch unabhängig davon ordnungsgemäß durchgeführt werden. Bereits geschlossene, rechtlich bindende Verträge lassen sich durch einen Bürgerentscheid regelmäßig nicht nachträglich aufheben.

Verfahren in Schritten

Bürgerbegehren: Initiative und Anforderungen

Der übliche Ausgangspunkt ist ein Bürgerbegehren. Es enthält eine klar formulierte Frage mit Antwortoptionen, eine Begründung, Angaben zu Vertrauenspersonen sowie regelmäßig eine Kostenschätzung für die verlangte Maßnahme. Es wird durch Unterschriften wahlberechtigter Einwohnerinnen und Einwohner unterstützt. Die erforderliche Zahl der Unterschriften ist pro Bundesland festgelegt und orientiert sich häufig an der Zahl der Wahlberechtigten in der Kommune. Für manche Themen bestehen Fristen, etwa wenn sich das Begehren gegen einen jüngeren Ratsbeschluss richtet.

Prüfung der Zulässigkeit und Entscheidung über die Durchführung

Nach Einreichung prüft die Kommune die formellen und materiellen Voraussetzungen. Wird das Bürgerbegehren für zulässig gehalten, kann das kommunale Vertretungsorgan den Inhalt übernehmen und umsetzen, wodurch ein Bürgerentscheid entbehrlich wird. Lehnt es die Übernahme ab, ist die Abstimmung durchzuführen. Wird das Begehren für unzulässig gehalten, kann eine Überprüfung vor den zuständigen Stellen erfolgen.

Durchführung des Bürgerentscheids

Die Abstimmung erfolgt in der Regel nach den Grundsätzen allgemeiner, freier, gleicher, geheimer und unmittelbarer Wahl. Wahlberechtigt ist, wer bei Kommunalwahlen in der betreffenden Gebietskörperschaft stimmberechtigt ist; hierzu zählen je nach Land auch Unionsbürgerinnen und -bürger mit Hauptwohnsitz in der Kommune. Das Wahlalter kann – abhängig vom Bundesland – 16 oder 18 Jahre betragen. Die Frage muss eindeutig formuliert sein, damit eine Ja- oder Nein-Entscheidung möglich ist. Häufig bestehen Beteiligungs- oder Zustimmungsquoren, also Mindestanforderungen an die Zahl der zustimmenden Stimmen im Verhältnis zu den Wahlberechtigten. Die Abstimmung wird organisatorisch ähnlich wie eine Wahl vorbereitet; eine Zusammenlegung mit Wahlterminen ist möglich.

Ergebnis, Bindungswirkung und Umsetzung

Erreicht die Entscheidung die erforderliche Mehrheit und ein gegebenenfalls vorgeschriebenes Quorum, entfaltet sie Bindungswirkung. In vielen Ländern steht das Ergebnis einem Beschluss des kommunalen Vertretungsorgans gleich. Häufig gilt eine Bindungsfrist, während der die getroffene Entscheidung nicht ohne weiteres abgeändert werden darf. Änderungen können in Betracht kommen, wenn sich rechtliche oder tatsächliche Voraussetzungen wesentlich verändern. Die Verwaltung setzt das Ergebnis im Rahmen der geltenden Rechtsordnung um; eine rechtliche Kontrolle durch die Aufsicht kann erfolgen.

Beteiligte und Rollen

Am Verfahren sind insbesondere beteiligt: die Initiatorinnen und Initiatoren (Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens), die Wahlberechtigten, das kommunale Vertretungsorgan, die Verwaltung mit der zuständigen Wahlleitung sowie die Kommunalaufsicht. Daneben können im Verlauf Fragen der Auslegung und Kontrolle auftreten, die von den vorgesehenen Stellen geklärt werden.

Besondere Formen

Viele Länder kennen neben dem von Bürgern initiierten Verfahren die Möglichkeit eines Ratsbegehrens, bei dem das kommunale Vertretungsorgan selbst eine Sachfrage der Bevölkerung zur Entscheidung vorlegt. Daneben existieren unverbindliche Einwohner- oder Bürgerbefragungen, die lediglich eine Meinungsäußerung einholen und keine Bindungswirkung entfalten. In einzelnen Ländern sind Bürgerentscheide auch auf Ebene von Ortsteilen oder in Landkreisen vorgesehen.

Verhältnis zu anderen Planungs- und Beteiligungsverfahren

Der Bürgerentscheid ersetzt keine gesetzlich vorgeschriebenen Fach- und Beteiligungsverfahren. Er kann politische Leitentscheidungen treffen, die anschließend in den einschlägigen Verfahren rechtlich ordnungsgemäß umzusetzen sind. Bestehende Beteiligungsrechte aus Fachgesetzen bleiben unberührt.

Finanzielle und organisatorische Aspekte

Die Durchführung eines Bürgerentscheids verursacht organisatorischen und finanziellen Aufwand für die Kommune. Für die öffentliche Information gelten Grundsätze der Neutralität und Chancengleichheit. Kommunale Stellen müssen ausgewogen informieren; die Organe der Kommune dürfen ihre Position darstellen, ohne die staatliche Neutralitätspflicht zu verletzen. Für Unterstützer- oder Gegenkampagnen gelten die jeweiligen landesrechtlichen Rahmenbedingungen.

Zeitliche Schranken und Sperrfristen

In vielen Ländern gelten Fristen für die Einreichung eines Bürgerbegehrens, insbesondere wenn es sich gegen einen Ratsbeschluss richtet. Ebenso bestehen häufig Sperrfristen nach einem durchgeführten Bürgerentscheid, während der eine inhaltlich gleiche Fragestellung nicht erneut zur Abstimmung gebracht werden kann.

Rechtsschutz und Kontrolle

Die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens und die Rechtmäßigkeit eines Bürgerentscheids unterliegen der Kontrolle der zuständigen Stellen. Streitigkeiten können die formale Prüfung, die Abstimmungsdurchführung oder die Auslegung der Bindungswirkung betreffen. Bei festgestellten erheblichen Verstößen kommen Korrekturen, Beanstandungen oder Aufhebungen in Betracht. Bei Wahl- oder Abstimmungsfehlern ist maßgeblich, ob diese das Ergebnis beeinflussen konnten.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist wahlberechtigt bei einem Bürgerentscheid?

Wahlberechtigt sind diejenigen Personen, die auch bei Kommunalwahlen in der jeweiligen Gemeinde, Stadt oder im Landkreis stimmberechtigt sind. Dazu zählen in der Regel deutsche Staatsangehörige und, je nach Bundesland, Unionsbürgerinnen und -bürger mit Hauptwohnsitz vor Ort. Das Mindestalter richtet sich nach dem Landesrecht und liegt oftmals bei 16 oder 18 Jahren.

Welche Themen eignen sich für einen Bürgerentscheid?

Zulässig sind kommunale Sachfragen innerhalb der eigenen Zuständigkeit der Gebietskörperschaft. Häufig betroffen sind lokale Infrastruktur, Einrichtungen, Flächennutzungen oder Fragen des örtlichen Verkehrs. Ausgenommen sind typischerweise Gesamtbudget, allgemeine Abgaben, Personalfragen, interne Organisation sowie rechtlich gebundene Entscheidungen.

Wie verbindlich ist das Ergebnis und wie lange gilt es?

Das Ergebnis hat in der Regel die Wirkung eines Beschlusses des kommunalen Vertretungsorgans und ist für eine bestimmte Zeitspanne bindend. Die genaue Dauer der Bindungswirkung und mögliche Ausnahmen bei wesentlichen Änderungen der Umstände ergeben sich aus dem jeweiligen Landesrecht.

Welche Rolle hat der Gemeinderat im Verfahren?

Der Gemeinderat prüft im Rahmen seiner Zuständigkeit die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens, kann dessen Anliegen übernehmen oder die Durchführung des Bürgerentscheids veranlassen. Er bleibt während des Verfahrens Träger der Selbstverwaltungsangelegenheiten, ist aber an das Ergebnis eines wirksamen Bürgerentscheids gebunden.

Kann ein bestehender Ratsbeschluss durch Bürgerentscheid aufgehoben werden?

Das ist möglich, sofern das Thema dem Aufgabenbereich der Kommune zugeordnet ist und das Landesrecht eine entsprechende Fragestellung zulässt. Häufig bestehen hierfür Fristen und Formanforderungen. Bereits rechtlich verfestigte Maßnahmen oder Verträge sind regelmäßig nicht rückwirkend aufhebbar.

Was passiert, wenn der Bürgerentscheid rechtswidrig wäre?

Erweist sich eine Fragestellung oder Durchführung als rechtswidrig, können die zuständigen Stellen einschreiten. Je nach Art und Gewicht des Mangels kommen Beanstandung, Korrektur oder Aufhebung in Betracht. Maßgeblich ist, ob die Rechtswidrigkeit das Ergebnis beeinflusst hat oder eine Umsetzung rechtlich unzulässig wäre.

Gibt es Mindestbeteiligungen oder Zustimmungsquoren?

In vielen Ländern gilt neben der einfachen Mehrheit der gültigen Stimmen ein Zustimmungsquorum, das sich an der Zahl der Wahlberechtigten orientiert. Wird dieses Quorum verfehlt, ist der Bürgerentscheid nicht erfolgreich, auch wenn die Mehrheit der Abstimmenden zugestimmt hat.

Worin unterscheidet sich der Bürgerentscheid vom Volksentscheid?

Der Bürgerentscheid betrifft Angelegenheiten der kommunalen Selbstverwaltung und wird in Gemeinden, Städten oder Landkreisen durchgeführt. Der Volksentscheid findet auf Landesebene statt und bezieht sich auf landesweite Fragen. Verfahren, Zuständigkeiten und Hürden unterscheiden sich entsprechend der jeweiligen Ebene.