Begriff und rechtliche Einordnung des Bühnenschiedsgerichts
Das Bühnenschiedsgericht ist eine besondere Form des Schiedsgerichts, das eigens für Streitigkeiten im Bereich des Bühnenrechts geschaffen wurde. Es handelt sich um eine durch Tarifvertrag eingerichtete, institutionalisierte Schiedsinstanz, die vorrangig arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen zwischen Bühnenangehörigen (insbesondere künstlerisch tätigen Personen, wie Sängerinnen und Sängern, Schauspielerinnen und Schauspielern, Tänzerinnen und Tänzern sowie Regisseurinnen und Regisseuren) und Bühnenbetreibern (meist öffentlich-rechtliche Theater oder Opernhäuser) entscheidet. Die Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten des Bühnenschiedsgerichts sind in verschiedenen tarifvertraglichen und normativen Regelungen festgelegt. Das Bühnenschiedsgericht stellt eine Besonderheit im deutschen Arbeitsrecht dar und besitzt eigenständige Verfahren und Zuständigkeitsbereiche.
Rechtliche Grundlagen
Gesetzliche und tarifvertragliche Regelung
Die gesetzliche Grundlage für das Bühnenschiedsgericht ergibt sich im Wesentlichen aus § 102 Abs. 3 der Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) in Verbindung mit den maßgeblichen Tarifverträgen für Bühnenangehörige, insbesondere dem Normalvertrag Bühne (NV Bühne). Ergänzend finden sich Vorgaben in der Schiedsgerichtsordnung, die eigens für das Bühnenwesen aufgestellt werden kann.
Der NV Bühne regelt in § 56, dass bei Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen eines, durch diesen Tarifvertrag begründeten oder beendeten Arbeitsverhältnisses ausschließlich das Bühnenschiedsgericht zuständig ist, sofern nicht anderweitig durch Gesetz eine gerichtliche Zuständigkeit vorgesehen ist.
Tarifliche Verankerung
Das Bühnenschiedsgericht ist tarifvertraglich verbindlich für jene Arbeitsverhältnisse, die unter den Anwendungsbereich des NV Bühne fallen. Das betrifft insbesondere die in öffentlich-rechtlichen und privaten Theaterbetrieben beschäftigten Künstlerinnen und Künstler. Die Parteien eines Arbeitsvertrags können sich im Einzelfall ebenfalls freiwillig der Zuständigkeit des Bühnenschiedsgerichts unterwerfen.
Zuständigkeit und Aufgaben
Sachliche Zuständigkeit
Die sachliche Zuständigkeit des Bühnenschiedsgerichts bezieht sich primär auf:
- Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Arbeitsverhältnisses nach den Regelungen des NV Bühne
- Überprüfung von außerordentlichen, fristlosen Kündigungen
- Entscheidung in sonstigen tarifvertraglich vorgesehenen Streitigkeiten zwischen Bühnenangehörigen und Bühnenbetreibern
Das Bühnenschiedsgericht ist nicht für alle denkbaren arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zuständig; vielmehr beschränkt sich sein Aufgabenbereich auf die in den jeweiligen Tarifverträgen festgelegten Fälle.
Örtliche Zuständigkeit
Die örtliche Zuständigkeit richtet sich regelmäßig nach dem Ort der beschäftigenden Bühne beziehungsweise nach dem Sitz des Arbeitgebers, sofern im Tarifvertrag keine abweichenden Regelungen getroffen wurden.
Verfahrensordnung und Ablauf
Einleitung des Verfahrens
Das Verfahren vor dem Bühnenschiedsgericht wird durch schriftlichen Antrag einer Partei (Arbeitnehmer oder Arbeitgeber) eingeleitet. Der Antrag ist an die Geschäftsstelle des Schiedsgerichts zu richten und muss den Streitgegenstand sowie die Beteiligten klar benennen.
Besetzung des Gerichts
Das Bühnenschiedsgericht ist in der Regel paritätisch besetzt. Es besteht meist aus einem oder mehreren unparteiischen Vorsitzenden und einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die von den Tarifvertragsparteien (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite) benannt werden. Der Vorsitzende wird auf Vorschlag der Tarifvertragsparteien bestellt oder aus einem Katalog zugelassener neutraler Personen ausgewählt.
Mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme
Das Verfahren ist grundsätzlich mündlich und nicht öffentlich. Die Parteien sind zur persönlichen Teilnahme verpflichtet und können sich vertreten lassen. Das Schiedsgericht ist an die gesetzlichen Vorschriften gebunden, kann aber die Verfahrensregeln den Besonderheiten des Bühnenrechts anpassen, soweit dies nicht gegen zwingendes Recht verstößt.
Beweismittel sind Zeugenvernehmungen, Urkunden und Augenschein. Das Gericht kann die Beweisaufnahme in geeigneter Form durchführen und gegebenenfalls eigene Nachforschungen anstellen.
Kosten des Verfahrens
Die Kosten werden nach Maßgabe der Schiedsgerichtsordnung verteilt. Meist trägt jede Partei ihre eigenen Kosten selbst und die gemeinschaftlichen Kosten werden nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens aufgeteilt.
Wirkung und Rechtskraft der Entscheidungen
Verbindlichkeit der Entscheidungen
Die Entscheidungen des Bühnenschiedsgerichts sind für die beteiligten Parteien verbindlich und ermöglichen eine zügige Klärung der streitigen Sachverhalte, insbesondere im Bereich der projektförmigen, häufig zeitlich befristeten Bühnenarbeitsverhältnisse.
Nachträgliche Kontrolle / Anfechtung
Gegen die Entscheidungen des Bühnenschiedsgerichts können Parteien innerhalb bestimmter Fristen Rechtsmittel, insbesondere die Anrufung der ordentlichen Arbeitsgerichte, einlegen. Genaue Regelungen hierzu enthalten die relevanten Tarifverträge sowie die Schiedsgerichtsordnung. Nicht selten ist eine Nachprüfung des Schiedsspruchs jedoch nur unter engen Voraussetzungen möglich, etwa bei groben Verfahrensfehlern oder offensichtlichen Rechtsanwendungsfehlern.
Vollstreckbarkeit
Schiedssprüche des Bühnenschiedsgerichts können auf Antrag von einem staatlichen Gericht für vollstreckbar erklärt werden, falls eine Partei die Erfüllung verweigert.
Bedeutung im deutschen Arbeitsrecht
Das Bühnenschiedsgericht ist ein bedeutendes Arbeitsgericht im Sinne des deutschen Bühnenrechts. Es gewährleistet branchenspezifische Entscheidungsfindung durch Sachkenntnis der mitwirkenden Beisitzer. Die Besonderheit der künstlerischen Tätigkeit und der projektbezogenen Beschäftigung machen ein spezialisiertes Schiedsgericht notwendig und praxistauglich.
Durch die schnelle und zielorientierte Lösung von Konflikten trägt das Bühnenschiedsgericht zur Funktionsfähigkeit des Kulturbetriebes in Deutschland bei und unterstützt die Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen auf Bühnen.
Literatur und weiterführende Informationen
- C. Rehm/ G. Ulrici: Handbuch des Bühnenrechts – Kommentar zum Normalvertrag Bühne, 10. Aufl., Berlin 2021.
- R. Busch: „Arbeitsrecht an deutschen Bühnen – Das Bühnenschiedsgericht in der Praxis“, in: Zeitschrift für Arbeitsrecht, 2019, S. 452 ff.
- Deutscher Bühnenverein, Informationen zum Bühnenschiedsgericht, abrufbar unter: www.buehnenverein.de
Hinweis: Dieser Artikel stellt einen allgemeingültigen Überblick zum Thema Bühnenschiedsgericht dar und dient der ersten Orientierung in arbeitsrechtlichen Fragen im Bühnenbereich.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen gelten für das Bühnenschiedsgericht in Deutschland?
Das Bühnenschiedsgericht ist eine besondere Form des Schiedsgerichts, die in der deutschen Theater- und Bühnenbranche für arbeitsrechtliche Streitigkeiten zwischen Bühnenkünstlern und Bühnenbetrieben eingesetzt wird. Die rechtlichen Grundlagen finden sich vorrangig in § 102 Absatz 1 Nr. 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Darüber hinaus sind auch die jeweiligen Tarifverträge der Bühnenbetriebe, wie der Normalvertrag Bühne (NV Bühne), maßgeblich, da diese Schiedsgerichtsklauseln enthalten, die die Anrufung des Bühnenschiedsgerichts zur Voraussetzung für weitere arbeitsgerichtliche Verfahren machen. Auch die Schiedsgerichtsordnung für das Bühnenschiedsgericht, die beispielsweise von der Deutschen Bühnenvereinigung herausgegeben wird, ist verbindlich. Das Verfahren vor dem Bühnenschiedsgericht ist ein zwingend vorgeschaltetes Streitbeilegungsverfahren, das ausschließlich für gewisse arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen zwischen den Bühnenkünstlern und ihren Arbeitgebern verpflichtend ist, sofern dies der Tarifvertrag vorschreibt. Erst nach Durchlaufen dieses Verfahrens ist der ordentliche Rechtsweg, in der Regel zu den Arbeitsgerichten, eröffnet.
Welche Arten von Streitigkeiten werden vor dem Bühnenschiedsgericht verhandelt?
Vor dem Bühnenschiedsgericht werden insbesondere arbeitsrechtliche Streitigkeiten im Sinne des NV Bühne sowie verwandter Tarifverträge verhandelt. Dazu zählen Fragen der Vertragsauslegung, Streitigkeiten über Kündigungen, Gagenforderungen, Beschäftigungspflichten, Vertragsverstöße, Proben- und Aufführungsrechte sowie sämtliche weitere Rechtsbeziehungen, die sich unmittelbar aus dem Bühnenarbeitsverhältnis ergeben. Nicht verhandelt werden privatrechtliche Streitigkeiten außerhalb des Bühnenarbeitsverhältnisses oder solche, die nicht unter die tarifvertraglich geregelte Zuständigkeit fallen. Die genaue Abgrenzung ergibt sich aus den einschlägigen tariflichen Bestimmungen in Verbindung mit dem jeweiligen Arbeitsverhältnis.
Wie ist das Verfahren vor dem Bühnenschiedsgericht geregelt?
Das Verfahren vor dem Bühnenschiedsgericht unterliegt besonderen, tariflich normierten Regeln. Die Schiedsgerichtsordnung legt Ablauf, Fristen und Entscheidungsfindung fest. Die Parteien eines Streites müssen das Schiedsgericht vor Anrufung eines staatlichen Gerichts bemühen, sofern der Tarifvertrag dies vorsieht („Vorrang der Schiedsgerichtsbarkeit“). Die mündliche Verhandlung ist üblich, eine schriftliche Entscheidung ohne Verhandlung ist nur in Ausnahmefällen möglich. Das Schiedsgericht entscheidet in der Regel nach mündlicher Beratung durch einen aus gleich vielen Beisitzern auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sowie einem neutralen Vorsitzenden besetzten Spruchkörper. Das Verfahren ist nicht öffentlich, eine anwaltliche Vertretung ist nicht zwingend, aber möglich. Ziel ist eine für beide Parteien tragbare, verbindliche Entscheidung, die zwar nicht wie ein Urteil eines staatlichen Gerichts im Sinne der Zivilprozessordnung, wohl aber eine zwingende Voraussetzung für eine (weitere) Klageerhebung darstellt.
Inwieweit ist die Entscheidung des Bühnenschiedsgerichts rechtlich bindend?
Die Entscheidung des Bühnenschiedsgerichts ist für die Parteien grundsätzlich bindend, sie entfaltet jedoch keine gleiche Rechtskraft wie ein staatliches Urteil. Vielmehr stellt der Spruch eine sogenannte „Schlichtungsentscheidung“ dar, die als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer arbeitsgerichtlichen Klage im Sinne einer sogenannten „Obligatorischen Schlichtung“ dient. Das bedeutet: Nur wenn eine Partei mit dem Schiedsspruch nicht einverstanden ist, steht ihr der ordentliche Rechtsweg offen, d.h., sie kann nach dem Spruch binnen einer Frist Klage beim Arbeitsgericht erheben (§ 112 Abs. 3 ArbGG in Verbindung mit tariflichen Regelungen). Wird die Klage nicht fristgerecht erhoben, wird der Schiedsspruch rechtskräftig und ist wie ein geschlossener Vergleich zu behandeln. Nur in Ausnahmefällen ist eine Überprüfung der Schiedsgerichtsentscheidung unabhängig von einer Anrufung des staatlichen Gerichts möglich, z.B. bei Verfahrensfehlern.
Wer kann vor dem Bühnenschiedsgericht als Partei auftreten?
Vor dem Bühnenschiedsgericht treten als Parteien ausschließlich die Vertragspartner des jeweiligen Bühnenarbeitsverhältnisses auf, also einerseits die Bühnenkünstler (Ensemblemitglieder, Sänger, Schauspieler etc.) und andererseits die Bühnenbetriebe, meist vertreten durch die Theaterintendanz oder die Geschäftsführung. Die Vertretung durch Gewerkschaften (z.B. Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger, GDBA) oder Arbeitgebervereinigungen ist anerkannt, sofern dies in der Schiedsgerichtsordnung vorgesehen ist. Auch eine anwaltliche Begleitung und Vertretung ist zulässig, aber nicht vorgeschrieben.
Welcher Instanzenzug gilt für das Bühnenschiedsgericht?
Das Bühnenschiedsgericht ist kein staatliches Gericht, sondern ein tarifvertraglich eingerichtetes Schiedsorgan mit eigener Spruchkörperstruktur. Ein förmlicher Instanzenzug wie im staatlichen Gerichtswesen (Arbeitsgericht – Landesarbeitsgericht – Bundesarbeitsgericht) existiert nicht. Gegen den Schiedsspruch selbst gibt es keine Berufung oder Revision innerhalb des Schiedsverfahrens. Wer mit dem Spruch nicht einverstanden ist, muss den ordentlichen Rechtsweg (Arbeitsgericht) innerhalb der tariflich bestimmten Fristen beschreiten. Einzig im Falle gravierender Verfahrensmängel oder offensichtlicher Verstöße gegen zwingende Rechtsvorschriften kann ein Schiedsspruch im Wege der gerichtlichen Überprüfung aufgehoben werden.
Welche Kosten entstehen durch ein Bühnenschiedsgerichtsverfahren?
Das Schiedsgerichtsverfahren ist – je nach Bundesland und Bühne – häufig kostenfrei oder mit sehr geringen Gebühren für die Parteien verbunden, da die Schiedsrichter und der Vorsitz häufig ehrenamtlich oder zu vergütungsarmen Tarifen tätig sind und diese Kosten von den Tarifvertragsparteien getragen werden. Tatsächlich entstehende Aufwendungen, wie Anwaltsgebühren oder Auslagen, trägt grundsätzlich jede Partei selbst, sofern in der Schiedsgerichtsordnung keine abweichende Regelung besteht. Kosten für Zeugen oder Sachverständige können anteilig auf die Beteiligten umgelegt werden. Die exakten Regelungen finden sich im jeweiligen Tarifvertrag und in der Schiedsgerichtsordnung.