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Bookrunner


Begriff und rechtliche Einordnung des Bookrunners

Der Begriff Bookrunner bezeichnet einen zentralen Akteur bei der Durchführung von Emissionen von Wertpapieren, insbesondere im Rahmen von Börsengängen (Initial Public Offerings, IPO) sowie bei anderen Kapitalmarkttransaktionen wie Anleihenemissionen. Im deutschen und internationalen Kapitalmarktrecht nimmt der Bookrunner eine zentrale Rolle bei der Strukturierung, Durchführung und Platzierung von Wertpapieren ein, wobei rechtliche, organisatorische und haftungsrechtliche Aspekte eine erhebliche Bedeutung haben.

Aufgaben und Funktionen des Bookrunners

Strukturierung und Leitung einer Emission

Der Bookrunner übernimmt die Federführung beim Bookbuilding-Verfahren, bei dem Investoren vor der Preisfestsetzung der Wertpapiere Gebote (Orders) für Stückzahlen und Preisbereiche abgeben. Er sammelt diese Gebote, erstellt das sogenannte Orderbuch („Book“) und leitet daraus zusammen mit dem Emittenten und weiteren Konsortialbanken den Emissionspreis sowie die Zuteilung ab.

Rechtliche Rolle im Konsortium

Im Rahmen eines Konsortiums nimmt der Bookrunner die Rolle des federführenden Konsortialführers ein („Lead Manager“ oder „Global Coordinator“). Er ist oft primärer Ansprechpartner des Emittenten und trägt Mitverantwortung für die Vorbereitung und Durchführung der Emission. Bei großen Transaktionen kann es mehrere Bookrunner („Joint Bookrunner“) geben, die sich die Aufgaben teilen und solidarisch bestimmte Pflichten erfüllen.

Vertragsgrundlagen und rechtliche Dokumente

Konsortialvertrag und weitere Vereinbarungen

Die rechtliche Beziehung zwischen Bookrunner und Emittent sowie weiteren Konsortialbanken wird im Konsortialvertrag (engl. „Underwriting Agreement“) geregelt. Dieser Vertrag enthält u. a. Bestimmungen zu den Verantwortlichkeiten, zu Haftungsverhältnissen, zu Vergütungsfragen sowie zu Gewährleistungs- und Rücktrittsrechten.

Weitere wichtige Dokumente sind

  • die Absatzzusicherung (Underwriting Commitment),
  • Mandatsvereinbarungen,
  • rechtliche Due-Diligence-Erklärungen,
  • Plazierungsverträge.

Der Bookrunner übernimmt häufig im Rahmen des Underwriting die Platzierungsgarantie oder übernimmt einen Teil des Platzierungsrisikos, etwa in Form eines Festübernahmemodells.

Rechtliche Pflichten des Bookrunners

Aufsichtsrechtliche Vorgaben

Der Bookrunner unterliegt umfangreichen aufsichtsrechtlichen Pflichten nach nationalem und europäischem Recht, insbesondere gemäß

  • Wertpapierhandelsgesetz (WpHG),
  • Börsengesetz (BörsG),
  • EU-Prospektverordnung,
  • Marktmissbrauchsverordnung (MAR).

Zu den zentralen Pflichten gehören

  • die ordnungsgemäße Durchführung der Informations-, Veröffentlichungs- und Transparenzpflichten,
  • die Einhaltung von Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität,
  • die Umsetzung von Geldwäscheprävention,
  • die Marktmissbrauchsprävention.

Due Diligence und Haftungsfragen

Ein wesentlicher rechtlicher Aspekt ist die sorgfältige Prüfung aller kapitalmarktrelevanten Informationen des Emittenten (Due Diligence). Kommt der Bookrunner dieser Prüfpflicht nicht nach, drohen Haftungsfolgen gegenüber dem Emittenten und Dritten, vor allem wenn fehlerhafte oder unvollständige Angaben im Verkaufsprospekt zu Vermögensschäden führen.

Haftungsgrundlagen finden sich insbesondere in:

  • §§ 826, 823 BGB (Schadensersatz, Deliktshaftung),
  • Prospekthaftung nach §§ 9, 13 Wertpapierprospektgesetz (WpPG),
  • Aktiengesetz (AktG) sowie,
  • spezialgesetzlichen Kapitalmarktregeln.

Vergütung und Erfolgsabhängigkeit

Die Vergütung des Bookrunners setzt sich regelmäßig aus einer Grundvergütung („Base Fee“) und einer erfolgsabhängigen Platzierungsprovision („Success Fee“) zusammen. Die genaue Ausgestaltung und etwaige Rückforderungsklauseln werden individuell im Konsortialvertrag vereinbart.

Zusammenarbeit mit Emittenten und weiteren Akteuren

Verhältnis zum Emittenten

Der Bookrunner agiert im Auftrag des Emittenten und übernimmt auf Grundlage eines Mandatsvertrags die Koordination der Platzierungsaktivitäten. Er ist eng in die Erstellung des Wertpapierprospekts eingebunden und berät in Bezug auf Struktur, Zeitpunkt und Preisfindung der Emission.

Abstimmung mit weiteren Konsortialbanken

Bei größeren Emissionen werden weitere Konsortialbanken als Co-Lead Manager oder Co-Bookrunner beteiligt. Diese Aufteilung ist rechtlich durch Konsortialverträge und interne Absprachen geregelt, wobei die Haftungszuweisungen und Entscheidungsstrukturen eindeutig geregelt werden müssen.

Praxisrelevanz und Bedeutung im Kapitalmarktrecht

Bookrunner spielen eine zentrale Rolle im modernen Kapitalmarkt, da sie durch ihre rechtliche Stellung als Schnittstelle zwischen Emittent, Investoren und sonstigen Dienstleistern die Einhaltung aller gesetzlichen Anforderungen sicherstellen und wesentliche Haftungsrisiken tragen. Ihre sorgfältige Auswahl und Kontrolle ist für Emittenten von hoher Bedeutung, um sowohl den regulatorischen Vorgaben als auch den Marktanforderungen optimal gerecht zu werden.

Überblick der wichtigsten rechtlichen Aspekte

| Aspekt | Rechtliche Grundlage | Praxisrelevanz |
|———————————|——————————————-|———————————————-|
| Pflichten aus Prospekthaftung | Wertpapierprospektgesetz, BGB | Schutz der Investoren, Haftungsbegrenzung |
| Aufsichtsrechtliche Pflichten | WpHG, EU-Verordnungen | Kapitalmarktintegrität |
| Vertragsverhältnisse | Konsortialvertrag, Mandatsvereinbarung | Verantwortlichkeitsabgrenzung, Vergütung |
| Informationspflichten | Prospektrecht, Ad-hoc-Publizität | Markttransparenz, Anlegerinformation |
| Haftung gegenüber Dritten | Prospekthaftung, Deliktsrecht, MAR | Schadensersatz bei Pflichtverletzungen |

Literatur, Quellen und weiterführende Informationen

  • Wertpapierprospektgesetz (WpPG)
  • Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)
  • Börsengesetz (BörsG)
  • EU-Prospektverordnung
  • Marktmissbrauchsverordnung (MAR)
  • Kommentare zum Kapitalmarktrecht

Dieser Artikel bietet eine umfassende und strukturierte Darstellung des Begriffs „Bookrunner“ im Kontext des deutschen und europäischen Kapitalmarktrechts und erlaubt eine fundierte Einordnung der rechtlichen Chancen und Risiken dieses Akteurs innerhalb des Emissionsprozesses.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Regelungen sind für die Tätigkeit eines Bookrunners maßgeblich?

Die Tätigkeit eines Bookrunners unterliegt einer Vielzahl von gesetzlichen und aufsichtsrechtlichen Vorgaben, die sich vorrangig aus dem Wertpapierhandelsrecht, nationalen und europäischen Emissionsvorschriften sowie dem Kapitalmarktrecht ergeben. In Deutschland sind vor allem das Wertpapierprospektgesetz (WpPG), das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), das Kreditwesengesetz (KWG) sowie die EU-Verordnung über den Prospekt, der ein öffentliches Angebot von Wertpapieren oder deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt betrifft (Prospekt-VO), einschlägig. Darüber hinaus greifen die Vorschriften der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bezüglich Marktmissbrauch, Transparenzpflichten und Insiderhandel. Auf europäischer Ebene kommen beispielsweise die Market Abuse Regulation (MAR) und die MiFID II Richtlinie zur Anwendung. Die zivilrechtliche Ausgestaltung der Pflichten und Haftungsfragen zwischen dem Bookrunner und dem Emittenten werden ergänzend im Mandatsvertrag geregelt, wobei zwingende öffentlich-rechtliche Vorgaben stets Vorrang haben.

Welche zivilrechtliche Haftung trägt ein Bookrunner im Falle fehlerhafter Informationen im Wertpapierprospekt?

Im Rahmen der Prospekthaftung kann ein Bookrunner, der am Wertpapierprospekt mitwirkt oder als Konsortialführer darauf verwiesen wird, nach den entsprechenden Vorschriften des Wertpapierprospektgesetzes oder nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen für fehlerhafte oder unvollständige Angaben haften. Voraussetzung ist zumeist, dass der Bookrunner entweder als sogenannter „Verantwortlicher“ gemäß Prospekt-VO bezeichnet wird oder nachweislich an der Erstellung sowie der Verbreitung des Prospekts maßgeblich beteiligt war. Die Haftung kann sich sowohl auf Schadensersatzforderungen von Anlegern als auch auf Regressansprüche gegenüber dem Emittenten erstrecken. In der Praxis wird diese Haftungsfrage daher im Mandatsvertrag ausdrücklich geregelt, wobei versucht wird, Haftung soweit rechtlich zulässig zu beschränken oder auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz zu begrenzen. Dennoch bleibt ein Restrisiko insbesondere bei grober Fahrlässigkeit oder Wissen um fehlerhafte Darstellungen bestehen.

Welche Regulierungsvorschriften bestehen bezüglich des Umgangs mit Insiderinformationen im Rahmen des Bookbuilding-Prozesses?

Der Bookrunner unterliegt im Rahmen des Bookbuilding-Prozesses den Vorgaben der Marktmissbrauchsverordnung (Market Abuse Regulation, MAR), insbesondere bei der Handhabung von Insiderinformationen. Bei der Planung und Durchführung einer Emission können dem Bookrunner wesentliche nicht öffentliche Informationen bekannt werden, die als Insiderinformationen zu qualifizieren sind (§ 19 MAR). Er muss daher strenge Vertraulichkeit gewährleisten, Insiderlisten führen und darf solche Informationen nicht unbefugt an Dritte weitergeben oder eigene Handelsgeschäfte aufgrund dieses Wissens tätigen. Verstöße gegen diese Vorschriften können straf- und bußgeldrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Besonders kritisch ist das sogenannte „Wall Crossing“, bei dem Investoren, die im Zuge des Bookbuilding-Prozesses vertrauliche Informationen erhalten, sorgfältig dokumentiert und belehrt werden müssen.

Gibt es gesetzliche Anforderungen an die Dokumentation und Nachweisführung der Bookrunner-Aktivitäten?

Bookrunner sind gesetzlich verpflichtet, sämtliche wesentliche Handlungsschritte und Absprachen im Rahmen der Emission lückenlos zu dokumentieren. Diese Anforderungen ergeben sich sowohl aus handels- und aufsichtsrechtlichen Vorgaben (§ 257 HGB, §§ 8 ff. WpHG, Art. 16 MAR) als auch aus den Vorschriften zur Geldwäscheprävention und den Compliance-Vorgaben der Finanzaufsicht. Die Dokumentationspflicht erstreckt sich unter anderem auf Zuordnung der Zeichnungsaufträge, Vertriebsgespräche, getroffene Preisfindungsentscheidungen sowie auf die Kommunikationswege zwischen allen Beteiligten. Verstöße gegen diese Pflichten können nicht nur aufsichtsrechtliche Konsequenzen, sondern auch Beweisnachteile in möglichen zivilrechtlichen Haftungsprozessen nach sich ziehen.

Welche rechtlichen Aspekte sind bei der Koordination von Bankenkonsortien im Rahmen einer Emission zu beachten?

Die Koordination eines Bankenkonsortiums durch den (Lead) Bookrunner erfordert die Berücksichtigung unterschiedlicher rechtlicher Aspekte. Neben dem Abschluss eines Konsortialvertrages, der die Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Haftungsverteilung der einzelnen Konsortialmitglieder regelt, müssen wettbewerbsrechtliche Vorgaben (z. B. Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen) sowie die Anforderungen aus dem Kartellrecht eingehalten werden. Auch ist die Einhaltung der regulatorischen Anforderungen an die Zusammenarbeit und die Markttransparenz von zentraler Bedeutung. Die Abstimmung etwaiger Sekundärplatzierungen (Greenshoe, Over-allotment-Option) und die dafür einschlägigen rechtlichen Rahmenbedingungen (z. B. Stabilisierungsmaßnahmen nach MAR) müssen vertraglich präzise geregelt und dokumentiert werden.

Auf welche besonderen Vorschriften zur Geldwäscheprävention muss der Bookrunner achten?

Der Bookrunner ist nach dem Geldwäschegesetz (GwG) als Verpflichteter zur Umsetzung von Geldwäschepräventionsmaßnahmen verpflichtet. Hierzu zählen neben der Identifizierung neuer Kunden (Know Your Customer, KYC) auch die fortlaufende Überwachung der Geschäftsbeziehungen, die Abklärung der wirtschaftlich Berechtigten sowie die Meldepflicht bei Verdachtsfällen. Die Sicherstellung und Überprüfung der Herkunft finanzieller Mittel, insbesondere bei großen Finanzierungen, spielt eine zentrale Rolle. Zudem ist die Einrichtung eines wirksamen internen Kontrollsystems, regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter und die Speicherung sowie Dokumentation sämtlicher geldwäscherelevanter Informationen gesetzlich vorgeschrieben. Verstöße können mit hohen Bußgeldern und aufsichtsrechtlichen Maßnahmen geahndet werden.

Welche Vorgaben gelten hinsichtlich der Aufklärungspflichten gegenüber dem Emittenten und den Investoren?

Bookrunner unterliegen strengen gesetzlichen Informations- und Aufklärungspflichten gegenüber dem Emittenten wie auch den (potenziellen) Investoren. Gemäß WpHG und der MiFID II-Richtlinie müssen dem Emittenten die Chancen und Risiken der geplanten Emission umfassend dargelegt werden, einschließlich möglicher Interessenkonflikte des Bookrunners. Gegenüber den Investoren ist eine wahrheitsgemäße, vollständige und verständliche Information über das Wertpapier und dessen Risiken sicherzustellen. Jegliche Kommunikation ist zu dokumentieren, etwaige Marketingunterlagen und Präsentationen müssen jeweils mit dem Prospekt abgestimmt sein und dürfen keine irreführenden oder nicht genehmigten Informationen enthalten. Bei Verletzung dieser Aufklärungspflichten drohen erhebliche zivilrechtliche und aufsichtsrechtliche Sanktionen.