Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»M&A»Bookbuilding

Bookbuilding


Definition und Grundlagen des Bookbuilding

Bookbuilding ist ein Verfahren der Preisfindung und Platzierung bei der Emission von Wertpapieren, insbesondere im Rahmen eines Börsengangs (Initial Public Offering, IPO) oder einer Kapitalerhöhung. Im Gegensatz zu festen Preisangeboten basiert das Bookbuilding auf der systematischen Sammlung von Zeichnungsaufträgen potenzieller Investoren, die innerhalb einer bestimmten Preisspanne (Preisspanne oder Price Range) Gebote für die zu emittierenden Wertpapiere abgeben. Basierend auf dieser Nachfragekurve (Orderbuch) wird der endgültige Emissionspreis ermittelt und die Zuteilung der Wertpapiere vorgenommen.

Aus rechtlicher Sicht ist das Bookbuilding-Verfahren in einer Vielzahl von Regulierungskontexten relevant und wird maßgeblich durch kapitalmarktrechtliche Vorschriften sowie durch Regelwerke der jeweiligen Börsenplätze beeinflusst.

Rechtliche Rahmenbedingungen des Bookbuilding

1. Aufsichtsrechtliche Vorgaben in Deutschland und der EU

1.1 Wertpapierprospekt und Transparenz

Zentrale rechtliche Grundlage ist die Verordnung (EU) 2017/1129 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist (Prospektverordnung). Das Bookbuilding setzt einen Wertpapierprospekt voraus, der umfassende Angaben zum Emittenten, den angebotenen Wertpapieren, den Modalitäten des Angebots sowie zu den mit dem Angebot verbundenen Risiken beinhaltet (§ 3 Wertpapierprospektgesetz – WpPG).

Der Prospekt hat alle wesentlichen Informationen zu enthalten, die für eine fundierte Anlageentscheidung erforderlich sind. Innerhalb des Bookbuilding-Prozesses ist insbesondere die Veröffentlichung der Preisspanne im Prospekt oder durch Nachtrag (gemäß Art. 23 Prospektverordnung) relevant. Jede wesentliche Änderung der Angebotsbedingungen, insbesondere Anpassungen der Preisspanne oder Verlängerungen der Angebotsfrist, müssen unverzüglich prospektiert und ordnungsgemäß veröffentlicht werden.

1.2 MiFID II und Wohlverhaltenspflichten

Im Rahmen des Bookbuilding sind die Vorgaben der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) einzuhalten. Hierbei stehen die Prinzipien der Transparenz, Anlegerinformation, Interessenkonfliktvermeidung und der Gleichbehandlung der Anleger im Fokus. Insbesondere müssen alle während des Bookbuilding-Prozesses erhaltenen Aufträge und Informationen ordnungsgemäß dokumentiert und potenziell auftretende Interessenkonflikte zwischen dem Emittenten, den unterzeichnenden Banken (Underwritern, Syndikatsbanken) und den Anlegern transparent gemacht und adressiert werden.

2. Vertragsrechtliche Aspekte des Bookbuilding-Verfahrens

2.1 Rechtsnatur der Zeichnungserklärung

Im Rahmen des Bookbuildings geben Investoren unverbindliche oder, je nach Angebotsgestaltung, verbindliche Zeichnungsaufträge innerhalb der genannten Preisspanne ab. Die rechtliche Natur dieser sogenannten Soft oder Hard Orders ist von hoher Relevanz:

  • Unverbindliche Orders: Sie stellen lediglich Kaufinteressebekundungen dar und begründen noch keine rechtlichen Ansprüche auf Zuteilung.
  • Verbindliche Orders: Im Zuge bestimmter technischer Ausgestaltungen (z. B. mit Mindestpreis) kann eine rechtlich durchsetzbare Verpflichtung entstehen, sofern die Zeichnung innerhalb der final festgelegten Konditionen erfolgt.

Erst mit Zuteilung und Annahme kommen entsprechende Kaufverträge zustande (§§ 145 ff. BGB).

2.2 Syndikatsvertrag und Konsortialvereinbarungen

Das Bookbuilding-Verfahren wird in der Regel von einem Bankenkonsortium begleitet. Deren interne rechtliche Beziehungen werden durch Konsortialverträge geregelt. Diese beinhalten Regelungen zu Zuteilungskriterien, Rücktrittsrechten, Haftungsfragen und Provisionen. Der Syndikatsvertrag adressiert dabei auch die Koordination der Orderannahme und Abwicklung sowie die Einhaltung der Rechts- und Compliance-Pflichten.

3. Zuteilungsverfahren und rechtliche Kontrolle

3.1 Zuteilungspflichten und Gleichbehandlung

Ein wesentliches rechtliches Kriterium des Bookbuildings ist die Zuteilung der Wertpapiere. Die im Wertpapierprospekt genannten Kriterien zur Zuteilung – wie Pro-Rata-Verfahren, Präferenz für institutionelle oder private Investoren, Mindest- und Maximalzuteilungen – müssen objektiv, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei angewendet werden. Emittenten und Konsortialbanken unterliegen dabei der kapitalmarktrechtlichen Aufsicht und können im Falle einer Benachteiligung oder Manipulation von Zeichnerinteressen haftbar gemacht werden.

3.2 Transparenzvorschriften und Publizitätspflichten

Die Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit und Transparenz des Zuteilungsverfahrens ergeben sich aus der Marktmissbrauchsverordnung (EU) Nr. 596/2014 (MAR) und den jeweiligen Börsenregelwerken. Unzulässige Vorabinformationen oder sogenannte „Friends-and-Family-Zuteilungen“ können untersagt und mit Sanktionen belegt werden. Auch die nachträgliche Veröffentlichung der Endzuteilungen ist vorgeschrieben.

Marktmanipulation, Insiderrecht und Strafrecht

1. Sicherungsmechanismen gegen Marktmissbrauch

Bookbuilding-Prozesse unterliegen den Vorschriften zur Verhinderung von Marktmanipulation nach Art. 12 ff. MAR sowie Insiderrechtstatbeständen (Art. 7 MAR). Die unbefugte Nutzung von sensiblen Informationen sowie das „Front Running“ oder gezielte Beeinflussung des Orderbuchs sind rechtswidrig und können zu zivilrechtlicher Haftung oder strafrechtlicher Verfolgung führen (§ 119 WpHG).

2. Aufsicht und Sanktionen

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie die jeweiligen Börsen stellen die Kontrolle über die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben sicher. Verstöße können zu Bußgeldern, Veröffentlichung von Fehlverhalten („Naming and Shaming“), Handelssperren oder strafrechtlichen Sanktionen führen.

Steuerliche Behandlung des Bookbuilding-Verfahrens

Zwar betrifft das Bookbuilding primär die Preisfindung und Allokation, es sind jedoch auch steuerliche Aspekte relevant. Emittenten, Konsortialbanken und zeichnende Investoren haben einkommen-, körperschaft- und gegebenenfalls umsatzsteuerliche Pflichten im Zusammenhang mit der Durchführung und dem Erwerb der angebotenen Wertpapiere zu beachten.

Internationale Besonderheiten und grenzüberschreitende Emissionen

Das Bookbuilding wird von Rechtssystem zu Rechtssystem unterschiedlich geregelt. Während der Grundmechanismus identisch ist, variieren Offenlegungspflichten, Zuteilungskriterien und Haftungsregimes. Besonders bei grenzüberschreitenden Emissionen sind die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen sowie etwaige Doppelregulierungen zu berücksichtigen. In den USA finden beispielsweise die Vorgaben der SEC und des Securities Act of 1933 Anwendung, was zu erweiterten Prospektpflichten und Haftungstatbeständen führen kann.

Zusammenfassung und Ausblick

Das Bookbuilding stellt ein zentrales, hochreguliertes Verfahren der Preisfindung und Zuteilung am Kapitalmarkt dar. Es unterliegt einer Vielzahl kapitalmarktrechtlicher Vorschriften zur Transparenz, Anlegerprotektion und Missbrauchsprävention. Die Einhaltung aller rechtlichen, regulatorischen und vertraglichen Anforderungen ist für eine effiziente Emission ebenso maßgebend wie für den Schutz sowohl der Emittenten als auch der Investoren.

Die künftige Entwicklung wird maßgeblich von europäischen und internationalen Regulierungsfortschritten, technischer Innovation (Stichwort: Digitalisierung und elektronische Orderbücher) sowie dem zunehmenden Fokus auf ESG-Vorgaben (Environmental, Social, Governance) geprägt sein.

Häufig gestellte Fragen

Welche aufsichtsrechtlichen Anforderungen müssen beim Bookbuilding-Prozess beachtet werden?

Beim Bookbuilding-Prozess gelten zahlreiche aufsichtsrechtliche Anforderungen, die sich insbesondere aus dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 über Marktmissbrauch (MAR) sowie aus den Regelwerken der jeweiligen Börse ergeben. Eine zentrale Anforderung ist die Gewährleistung der Marktintegrität, was bedeutet, dass jegliche Form von Insiderhandel oder Marktmanipulation strikt zu vermeiden ist. Emittenten und Konsortialbanken sind verpflichtet, sicherzustellen, dass sämtliche Teilnehmer am Bookbuilding-Prozess gleichbehandelt werden, insbesondere im Hinblick auf die Zuteilung der Wertpapiere und die Informationsverteilung. Weiterhin müssen alle wesentlichen Informationen, die einen Einfluss auf die Preisbildung haben könnten, adäquat, transparent und rechtzeitig im Prospekt oder in verpflichtenden Mitteilungen veröffentlicht werden. Die Konsortialführer müssen interne Kontrollmechanismen einrichten, um die Einhaltung dieser aufsichtsrechtlichen Vorschriften zu überwachen und etwaige Interessenkonflikte transparent offenzulegen.

Welche Pflichten zur Verhinderung von Insiderhandel bestehen während des Bookbuilding-Verfahrens?

Während des Bookbuilding-Verfahrens sind strenge Vorkehrungen zu treffen, um Insiderhandel zu verhindern. Gemäß der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) ist der Kreis der Personen mit Zugang zu insiderrelevanten Informationen möglichst klein zu halten (sog. Chinese Walls). Es sollte eine fortlaufende und lückenlose Insiderliste geführt werden, die alle Beteiligten – insbesondere die innerhalb der Konsortialbanken, Emittenten sowie beauftragten Berater – umfasst. Zudem sind diese Personen ausdrücklich über ihre Pflichten und die Rechtsfolgen eines Insiderverstoßes schriftlich zu belehren. Jegliche Weitergabe von Informationen an potenzielle Investoren darf ausschließlich auf Basis öffentlich verfügbarer Informationen erfolgen. Emittenten und Konsortialbanken müssen alle Transaktionen überwachen und im Verdachtsfall unverzüglich die Aufsichtsbehörden informieren.

Welche Vorschriften gelten für die Erstellung und Veröffentlichung des Wertpapierprospekts?

Der Wertpapierprospekt ist das zentrale rechtliche Dokument des Bookbuilding-Prozesses. Er unterliegt den Vorgaben der EU-Prospektverordnung (VO (EU) 2017/1129). Der Prospekt muss vor Beginn des öffentlichen Angebots oder der Zulassung zum Handel durch die zuständige Aufsichtsbehörde – in Deutschland die BaFin – gebilligt werden. Die Prospektpflicht umfasst insbesondere die vollständige, wahrheitsgemäße und verständliche Darstellung aller relevanten Informationen über den Emittenten, die angebotenen Wertpapiere, das Geschäftsmodell und die mit der Investition verbundenen Risiken. Der Prospekt muss rechtzeitig vor Beginn des Bookbuilding ordnungsgemäß veröffentlicht werden, zum Beispiel durch elektronische Veröffentlichung und Einreichung bei der zuständigen Stelle. Bei wesentlichen Veränderungen sind Nachträge nach denselben strengen Regelungen zu veröffentlichen.

Wie sind Anleger im Bookbuilding-Verfahren rechtlich zu behandeln?

Anleger haben im Rahmen des Bookbuildings Anspruch auf Gleichbehandlung (§ 53 BörsG) und müssen Zugang zu den gleichen relevanten Informationen erhalten wie andere Marktteilnehmer. Ihnen darf kein wettbewerbsrechtlicher oder sonstiger Nachteil aus einer eventuellen Bevorzugung institutioneller gegenüber privaten Investoren erwachsen, soweit dies nicht explizit rechtlich oder im Wertpapierprospekt begründet ist. Im Rahmen der MiFID II (Richtlinie 2014/65/EU) sind Banken verpflichtet, die Geeignetheit und Angemessenheit der angebotenen Wertpapiere für einzelne Anlegergruppen zu überprüfen und entsprechende Dokumentationspflichten einzuhalten.

Welche Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten bestehen im Zusammenhang mit dem Bookbuilding?

Alle am Bookbuilding-Prozess beteiligten Parteien – insbesondere die Konsortialbanken und Emittenten – unterliegen umfangreichen Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten. Dies betrifft insbesondere die verbale und schriftliche Kommunikation mit Investoren, Angebotsunterlagen, Bookbuilding-Zuteilungen und interne Entscheidungsprozesse. Nach den Vorgaben des WpHG sowie der MAR müssen relevante Unterlagen mindestens fünf Jahre (in bestimmten Fällen bis zu zehn Jahre) sicher und nachvollziehbar aufbewahrt werden. Die regelmäßige Überprüfung und ggf. Anpassung der internen Prozesse und Systeme zur Einhaltung dieser Pflichten wird von der Aufsicht erwartet.

Welche rechtlichen Vorgaben gibt es zur Allokation und Zuteilung von Wertpapieren im Bookbuilding?

Die Allokation und Zuteilung der Wertpapiere muss nach Grundsätzen der Fairness, Transparenz und Gleichbehandlung erfolgen. Die Konsortialführer sind verpflichtet, ein nachvollziehbares, dokumentiertes Zuteilungsverfahren zu implementieren und dieses auch im Nachhinein gegenüber Aufsichtsbehörden oder Gerichten offenlegen zu können. Die finale Zuteilung muss im Einklang mit den im Prospekt oder in den Angebotsunterlagen kommunizierten Zuteilungskriterien stehen und darf keine unzulässigen bevorzugenden oder benachteiligenden Praktiken enthalten. Die offenzulegenden Kriterien können etwaige Zielgruppen, Mindest- oder Höchstzuteilungen und spezifische Allokationsregeln für Anker- oder Großinvestoren umfassen.

Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen rechtliche Vorgaben im Bookbuilding?

Verstöße gegen die rechtlichen Anforderungen im Zusammenhang mit dem Bookbuilding können weitreichende zivil-, straf- und aufsichtsrechtliche Folgen haben. Zu den Sanktionen gehören insbesondere Bußgelder, welche von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) oder den europäischen Aufsichtsbehörden verhängt werden können, die Suspendierung von Angeboten, aufsichtsrechtliche Untersagungen oder Rücknahmen von Zulassungen, aber auch die persönliche Haftung von Organmitgliedern der Emittentin oder der federführenden Banken. Weiterhin können Anleger Schadenersatzansprüche geltend machen, etwa bei fehlerhaften oder irreführenden Angaben im Wertpapierprospekt oder bei ungleicher Behandlung verschiedener Investorengruppen. Auch strafrechtliche Sanktionen, insbesondere bei Insiderhandel oder Marktmanipulation, kommen in Betracht und werden konsequent verfolgt.