Legal Lexikon

Blutentnahme


Blutentnahme: Rechtliche Grundlagen und Regelungen

Die Blutentnahme ist ein medizinischer Eingriff, bei dem mit Hilfe einer Kanüle Blut aus dem menschlichen Körper entnommen wird. Über ihre medizinisch-diagnostische Bedeutung hinaus ist die Blutentnahme auch ein bedeutender Aspekt im Rechtssystem, insbesondere im Zusammenhang mit Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren. Der rechtliche Rahmen der Blutentnahme in Deutschland ist vielschichtig und umfasst verfassungsrechtliche, strafprozessuale sowie datenschutzrechtliche Aspekte.

Allgemeine Definition und Bedeutung der Blutentnahme

Die Blutentnahme stellt einen körperlichen Eingriff dar und kann sowohl zu diagnostischen Zwecken als auch zur Beweissicherung, insbesondere im Verkehrsrecht und Strafverfahren, erforderlich werden. Im rechtlichen Kontext ist dabei zwischen der freiwilligen und der zwangsweisen Blutentnahme zu unterscheiden. Die zwangsweise Blutentnahme berührt Grundrechte und muss strengen rechtlichen Anforderungen genügen.

Rechtliche Grundlagen der Blutentnahme

Verfassungsrechtlicher Rahmen

Die Durchführung einer Blutentnahme greift gemäß Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz in das Recht auf körperliche Unversehrtheit ein. Dies setzt voraus, dass eine solche Maßnahme nur auf gesetzlicher Grundlage erfolgen kann. Eingriffe in dieses Grundrecht sind gerechtfertigt, sofern sie aufgrund eines Gesetzes erfolgen, einem legitimen Zweck dienen und verhältnismäßig sind.

Gesetzliche Regelungen im Strafverfahren

StPO – Strafprozessordnung

Die wichtigste Rechtsgrundlage für die Blutentnahme im Strafverfahren bildet § 81a der Strafprozessordnung (StPO). Dieser Paragraph regelt:

  • Die Entnahme von Blutproben zur Feststellung von Tatsachen, die für das Verfahren von Bedeutung sind.
  • Die Anordnung kann bei bestimmten Straftaten von der Staatsanwaltschaft oder ihren Ermittlungspersonen getroffen werden.
  • Die Blutentnahme ist grundsätzlich auch ohne Einwilligung der betroffenen Person zulässig, jedoch nur bei erheblichem Anfangsverdacht und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
  • Eine richterliche Anordnung ist regelmäßig erforderlich, es sei denn, der Zweck der Maßnahme würde durch die Einholung einer richterlichen Entscheidung gefährdet (§ 81a Abs. 2 StPO, sog. „Richtervorbehalt“).
  • Der Eingriff darf ausschließlich von Ärztinnen oder Ärzten beziehungsweise unter deren Aufsicht erfolgen.
StVG – Straßenverkehrsgesetz

Im Straßenverkehr spielt die Blutentnahme eine essenzielle Rolle zur Aufklärung von Alkoholfahrten und dem Führen von Fahrzeugen unter Einfluss anderer berauschender Mittel. § 24a und § 316 StGB, wie auch §§ 69 ff. StGB (Fahrerlaubnisentziehung), korrespondieren mit § 81a StPO hinsichtlich der Ermittlungsmaßnahmen. Je nach Gefährdungslage und Verdachtsmomenten können Polizeibeamte bei Gefährdung des Untersuchungserfolgs sogar ohne richterlichen Beschluss eine Blutentnahme anordnen.

Einwilligung und Zwang bei der Blutentnahme

Die freiwillige Einwilligung in eine Blutentnahme erfolgt nach ärztlicher Aufklärung. Liegt diese nicht vor, kann die zwangsweise Blutentnahme zulässig sein, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt und der Richtervorbehalt beachtet wird. Widerstand gegen diese Maßnahme kann gemäß § 113 StGB als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geahndet werden. Eine zwangsweise Durchführung ist regelmäßig nur zulässig, wenn mildere Mittel zur Sachverhaltsaufklärung (z. B. Atemalkoholtest) nicht ausreichend oder nicht anwendbar sind.

Rechte und Pflichten der betroffenen Person

Betroffene haben grundsätzlich ein Auskunfts- und Informationsrecht. Sie sind über den Zweck, die Durchführung und die Rechtsgrundlage der Maßnahme zu informieren. Die Entnahme darf nur in einer Weise erfolgen, die die betroffene Person nicht über das Maß hinaus beeinträchtigt und die körperliche Unversehrtheit wahrt. Ferner besteht ein Beschwerderecht gegen richterliche oder behördliche Anordnungen.

Datenschutz und Verwertung der Blutprobe

Die entnommene Blutprobe enthält personen- und gesundheitsbezogene Daten. Deren Erhebung, Verarbeitung und Speicherung unterliegt dem Datenschutz nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und den entsprechenden nationalen Datenschutzgesetzen. Die Verwendung der Probe ist ausschließlich zum definierten Ermittlungszweck zulässig. Eine Weitergabe oder andere Nutzung ist rechtlich beschränkt.

Verwertbarkeit und Beweiswert der Blutentnahme

Erkenntnisse aus einer rechtmäßig erhobenen Blutprobe gelten als starke Beweismittel sowohl im Straf- als auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren. Verstöße gegen Vorschriften zum Richtervorbehalt oder zur ärztlichen Durchführung können jedoch zur Unverwertbarkeit des Beweismittels führen. Die Rechtsprechung betont hier die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Wahrung der Rechte des Beschuldigten.

Verantwortlichkeit und Haftung bei der Blutentnahme

Fehlerhafte Durchführung, etwa bei der medizinischen Ausführung oder bei der Missachtung rechtlicher Vorgaben, können Schadensersatz- und Haftungsansprüche (insb. aus Deliktsrecht) nach sich ziehen. Träger der Maßnahme sind in der Regel die Polizei und die damit beauftragten ärztlichen Personen. Das Unterlassen einer erforderlichen Blutentnahme kann ebenfalls haftungsrelevant sein, etwa wenn nachweislich eine wichtige Beweissicherung unterblieben ist.

Abgrenzung zu anderen Maßnahmen

Abzugrenzen ist die Blutentnahme von weiteren körperlichen Eingriffen im Ermittlungsverfahren, wie der Entnahme von DNA oder dem Abstrich, die jeweils eigenen rechtlichen Regelungen unterliegen.

Zusammenfassung

Die Blutentnahme ist ein rechtlich besonders geregelter Eingriff im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren und dient insbesondere der Klärung von Straftaten und Verkehrsdelikten. Sie ist an enge gesetzliche, verfassungsrechtliche und datenschutzrechtliche Vorgaben geknüpft, wobei Grundrechte, der Richtervorbehalt, Anforderungen an die ärztliche Durchführung und die Verwertbarkeit der gewonnenen Beweise eine zentrale Rolle spielen. Die Kenntnis dieser rechtlichen Rahmenbedingungen ist entscheidend für die rechtmäßige Anwendung und Bewertung der Blutentnahme im Rechtsalltag.

Häufig gestellte Fragen

Wer darf in Deutschland eine Blutentnahme rechtlich durchführen?

In Deutschland regelt das Medizinrecht sowie das Berufsrecht der Heilberufe, wer zur Durchführung einer Blutentnahme berechtigt ist. Rechtlich gesehen darf die Blutentnahme grundsätzlich nur von approbierten Ärztinnen und Ärzten vorgenommen werden, da es sich hierbei um einen sogenannten „Eingriff in die körperliche Unversehrtheit“ handelt, der nach § 223 StGB grundsätzlich tatbestandlich eine Körperverletzung darstellt und nur mit wirksamer Einwilligung oder auf gesetzlicher Grundlage rechtmäßig ist. Ärztinnen und Ärzte können jedoch delegieren: Nach § 2 Abs. 3 Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) und entsprechender Rechtsprechung ist die Delegation dieser Tätigkeit an qualifiziertes nichtärztliches Personal – insbesondere examinierte Pflegekräfte oder medizinische Fachangestellte – möglich, sofern diese über die notwendige Ausbildung, Einweisung und Sachkenntnis verfügen und die Anordnung ärztlich erfolgt. Eine eigenverantwortliche Blutentnahme durch nicht-ärztliches Personal ohne ausdrückliche Anordnung ist hingegen nicht zulässig und kann haftungsrechtliche und berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Wann ist eine Blutentnahme ohne Einwilligung der betroffenen Person rechtlich zulässig?

Normalerweise ist für jede Blutentnahme die ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person erforderlich (§ 630d BGB). Ausnahmen regelt das Strafprozessrecht (§ 81a StPO) sowie das Polizeirecht der Länder: Insbesondere zur Beweissicherung, etwa im Zusammenhang mit Alkoholfahrten oder anderen Straftaten, kann eine Blutentnahme gegen den Willen der betroffenen Person erfolgen, wenn sie richterlich angeordnet wird oder – bei Gefahr in Verzug – auch durch die Staatsanwaltschaft oder ihre Ermittlungspersonen. Diese Maßnahme muss verhältnismäßig sein, das heißt, das staatliche Interesse an der Strafverfolgung muss die Eingriffsintensität überwiegen. Auch im öffentlichen Gesundheitswesen, zum Beispiel zur Abwendung erheblicher Gefahren für Dritte durch Infektionskrankheiten (Infektionsschutzgesetz, IfSG), können zwangsweise Blutentnahmen rechtlich zulässig sein.

Wie sind die Dokumentationspflichten bei einer Blutentnahme gesetzlich geregelt?

Die Dokumentation der Blutentnahme ist rechtlich zwingend vorgeschrieben. Nach § 630f BGB (Patientenrechtegesetz) müssen alle wesentlichen Maßnahmen im Rahmen einer Behandlung nachvollziehbar dokumentiert werden, wozu auch die Blutentnahme gehört. Die Dokumentation muss Angaben enthalten wie Datum und Uhrzeit, Grund der Blutentnahme, verantwortliche Person, Identität der Patientin/des Patienten sowie etwaige Komplikationen. Im Falle strafprozessual angeordneter Blutentnahmen sind zusätzliche Formvorschriften gemäß Strafprozessordnung (§§ 81a, 81d StPO) zu beachten, zum Beispiel die Niederschrift der Anordnung und die Identitätsfeststellung. Fehlerhafte oder fehlende Dokumentation kann zu haftungsrechtlichen Nachteilen, Beweisproblemen und berufsrechtlichen Sanktionen führen.

Welche Haftungsrisiken bestehen bei Fehlern im Zusammenhang mit der Blutentnahme?

Fehlerhafte Blutentnahmen bergen erhebliche haftungsrechtliche Risiken. Zu unterscheiden ist grundsätzlich zwischen Behandlungsfehlern (z. B. falsche Durchführung der Blutentnahme, Missachtung von Hygienestandards, falsche Identifizierung der Person) und Aufklärungsfehlern (z. B. Unterlassen der Einwilligungsaufklärung). Behandlungsfehler können einen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch der betroffenen Person nach sich ziehen, wenn ein Gesundheitsschaden eingetreten ist und der Fehler kausal war (§§ 280, 823 BGB). Aufklärungsfehler führen zur Rechtswidrigkeit des Eingriffs und deutlich verschärfter Haftung. Zudem ist eine fehlerhafte Blutentnahme potenziell strafbar, etwa als Körperverletzung (§ 223 StGB) oder Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB), wenn keine wirksame Einwilligung oder gesetzliche Grundlage vorliegt. Im Wiederholungsfall drohen außerdem berufsrechtliche Konsequenzen wie Abmahnung oder Approbationsentzug.

Welche besonderen Vorschriften gelten bei Blutentnahmen an Minderjährigen?

Bei minderjährigen Patientinnen und Patienten gelten besondere rechtliche Anforderungen, insbesondere hinsichtlich Einwilligung und Aufklärung. Grundsätzlich müssen die sorgeberechtigten Eltern oder ein gesetzlicher Vertreter der Blutentnahme zustimmen (§ 1626, § 1629 BGB). Je nach Entwicklungsstand und Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen kann ab etwa 14 Jahren auch die Einwilligung des Jugendlichen selbst erforderlich oder ausreichend sein, sofern er die Bedeutung und Tragweite der Maßnahme versteht (sog. „bedingte Einwilligungsfähigkeit“). Gegen den erklärten Willen eines einsichtsfähigen Jugendlichen ist eine Blutentnahme in der Regel nicht rechtmäßig, außer es liegt eine gesetzliche Grundlage vor (beispielsweise angeordnete Blutentnahme durch ein Gericht). Ärztliche Aufklärung muss alters- und entwicklungsgerecht erfolgen. Dokumentationspflichten und haftungsrechtliche Aspekte sind auch hier zu beachten.

Wie lange müssen Proben und Unterlagen einer Blutentnahme rechtlich aufbewahrt werden?

Die Aufbewahrungspflichten für Blutproben und die damit verbundenen Unterlagen ergeben sich aus unterschiedlichen Rechtsvorschriften und hängen vom Zweck der Blutentnahme ab. Für medizinisch-diagnostische Zwecke regelt § 630f BGB eine Aufbewahrungsfrist der Behandlungsunterlagen von mindestens 10 Jahren ab Abschluss der Behandlung. Pathologische Blutproben müssen mindestens 10 Jahre, Transfusionsunterlagen teils bis zu 30 Jahre aufbewahrt werden (Transfusionsgesetz, TFG; Musterberufsordnung für Ärzte, MBO-Ä). Für im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gewonnene Blutproben gelten nach der Strafprozessordnung Aufbewahrungsfristen entsprechend der Dauer des Strafverfahrens, wobei Beweismittel bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens, vereinzelt noch länger, aufbewahrt werden müssen. Missachtung dieser Fristen kann zu berufsrechtlichen und strafrechtlichen Konsequenzen führen.

Welche Informations- und Aufklärungspflichten bestehen bei der Blutentnahme?

Vor jeder Blutentnahme besteht eine rechtliche Pflicht zur umfassenden Aufklärung der betroffenen Person. Nach § 630e BGB muss die Aufklärung „rechtzeitig“ vor dem Eingriff erfolgen und die Person in die Lage versetzen, eine informierte Entscheidung zu treffen. Sie umfasst Informationen über Zweck, Ablauf, Risiken und Alternativen der Blutentnahme. Auch mögliche Komplikationen und Nebenwirkungen (z. B. Verletzung von Nerven oder Blutgefäßen) müssen erklärt werden. Bei besonderen Umständen (z. B. strafrechtlicher Anordnung) sind auch die rechtlichen Hintergründe zu erläutern. Die Aufklärung ist grundsätzlich zu dokumentieren. Unterbleibt die Aufklärung oder erweist sie sich als unzureichend, ist die Einwilligung unwirksam und der Eingriff rechtswidrig.