Legal Lexikon

Blind


Begriff und rechtliche Grundlagen von „Blind”

Der Begriff „blind” besitzt im deutschen Recht eine zentrale Bedeutung. Er wird sowohl im Sozialrecht als auch im Zivil-, Straf- und öffentlichen Recht als rechtlicher Status sowie als Beschreibung einer Sinnesbehinderung verwendet. Die rechtliche Definition von Blindheit zieht unterschiedliche rechtliche Folgen und Ansprüche nach sich, beispielsweise im Hinblick auf Nachteilsausgleiche, staatliche Unterstützungen und Fragen der Gleichstellung​.

Definition und medizinisch-rechtliche Abgrenzung

Im rechtlichen Sinne gilt als „blind”, wer auf dem besseren Auge nicht mehr als 2 Prozent der normalen Sehschärfe besitzt oder wer eine vergleichbare schwere Einschränkung des Sehvermögens aufweist (§ 72 Abs. 5 Sozialgesetzbuch (SGB) XII und § 33 SGB IX). Diese Definition bezieht sich auf die medizinische Einordnung, dient jedoch der Rechtsanwendung als Grundlage für die Beurteilung von Blindheit.

Je nach Regelungsbereich kann der Begriff in der Praxis leicht abweichend definiert werden, etwa in der Unfallversicherung oder in den Blindengeldgesetzen der Bundesländer, die teilweise auf einen Visus von weniger als 1/50 abstellen. Auch faktische Blindheit – zum Beispiel durch Ausfälle des Gesichtsfeldes („Tunnelblick”) – wird rechtlich anerkannt.

Blindheit und Schwerbehindertenausweis

Menschen, denen der Status „blind” zuerkannt wird, haben einen Anspruch auf den Eintrag des Merkzeichens „Bl” im Schwerbehindertenausweis (§ 3 Abs. 4 Schwerbehindertenausweisverordnung). Mit diesem Merkmal sind verschiedene Nachteilsausgleiche wie Steuererleichterungen, unentgeltliche Beförderung im ÖPNV, Steuerfreibeträge und weitere Leistungen verbunden.

Feststellung der Blindheit

Die Feststellung erfolgt typischerweise bei den zuständigen Versorgungsämtern auf Basis fachärztlicher Gutachten (z.B. augenärztliches Attest). Hierbei sind nicht nur die Sehschärfe (Visus) maßgeblich, sondern beispielsweise auch das Gesichtsfeld.

Sozialrechtliche Regelungen und Leistungen

Blindengeld und Blindenhilfe

Menschen mit anerkannter Blindheit können – je nach Wohnort – Anspruch auf Blindengeld (Landesblindengeld) oder Blindenhilfe (nach SGB XII) haben.

  • Blindengeld ist eine Sozialleistung, die in der Regel einkommens- und vermögensunabhängig gezahlt wird. Anspruch und Höhe richten sich nach den Landesblindengeldgesetzen, die in jedem Bundesland unterschiedlich ausgestaltet sind.
  • Blindenhilfe ist im SGB XII (§ 72 SGB XII) geregelt und ist eine einkommens- und vermögensabhängige Leistung, die auch zusätzliche Bedarfe abdeckt, welche durch Blindheit entstehen.

Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft

Blindheit begründet weitergehende Ansprüche auf Leistungen zur Teilhabe („Teilhabeleistungen”) nach dem Sozialgesetzbuch IX, z. B. in Form von Hilfsmitteln, Assistenz oder besonderer Unterstützung im Bereich Bildung, Beschäftigung und Mobilität.

Steuerrechtliche Aspekte von Blindheit

Das Steuerrecht trägt dem erhöhten Aufwand von blinden Menschen ebenfalls Rechnung (§ 33b Abs. 3 EStG). Betroffene können unter Vorlage geeigneter Nachweise und mit dem Nachweis im Schwerbehindertenausweis den sogenannten Pauschbetrag für blinde Menschen geltend machen. Hierdurch entsteht eine erhebliche steuerliche Entlastung, die den Mehraufwand für Lebensunterhalt, Hilfsmittel oder Unterstützung teilweise kompensieren soll.

Arbeitsrechtliche und ausbildungsbezogene Regelungen

Im Arbeitsrecht sind blinde Menschen durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und durch die besonderen Bestimmungen des SGB IX vor Benachteiligung geschützt. Arbeitgeber stehen umfassende Pflichten zur Beschäftigung und Förderungsmöglichkeit von blinden Menschen zu. Hierzu zählen beispielsweise:

  • Anspruch auf barrierefreie Arbeitsplätze
  • Anspruch auf spezielle technische Hilfsmittel (z. B. Braille-Zeilen, Sprachausgaben)
  • Förderprogramme für Ausbildung und Weiterbildung

Schule und Ausbildung (vgl. § 104 ff. SGB IX) müssen barrierefrei gestaltet sein, und es gelten besondere Bestimmungen, etwa bezüglich Prüfungen und Lehrmaterialien (z. B. Bereitstellung in Blindenschrift oder als Hörbuch).

Straßenverkehrsrecht und Musterfeststellungsklagen

Blinde Menschen dürfen keine Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge erhalten. In diesem Kontext sichern gesetzliche Vorschriften die Verkehrssicherheit (vgl. § 2 Fahrerlaubnis-Verordnung). Im Straßenverkehr sind Blinde durch verschiedene Regelungen geschützt, unter anderem durch spezielle Verkehrszeichen und Benutzungsrechte für Blindenführhunde.

Straf- und zivilrechtliche Besonderheiten

Im Strafrecht spielt die Blindheit im Zusammenhang mit der Schuldfähigkeit und zum Teil im Zusammenhang mit der Aussagefähigkeit eine Rolle. Das Zivilrecht berücksichtigt Blindheit insbesondere bei der Testierfähigkeit und beim Abschluss von Rechtsgeschäften. Hier haben blinde Menschen Anspruch auf spezielle Unterstützung, etwa bei der Erteilung öffentlicher Urkunden oder bei der Vertragsunterzeichnung (barrierefreie Gestaltung, Vorlesen durch verlässliche Zeugen usw.).

Besondere Vorschriften für Testamente

Nach § 2233 BGB kann ein Blinder ein eigenhändiges Testament nicht errichten, sondern muss auf ein notarielles Testament zurückgreifen. Der Gesetzgeber berücksichtigt damit den Umstand, dass eigenhändige schriftliche Willenserklärungen für blinde Personen nicht in gleicher Weise nachvollziehbar und überprüfbar sind.

Öffentliche und private Rechtspflichten

Auch im Bereich öffentlicher Einrichtungen, Dienstleistungen und privater Geschäftsbeziehungen (z. B. Mietrecht, Zugang zu Geschäften, Vertragsrecht) bestehen besondere Rechtspflichten zur Barrierefreiheit gemäß dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und den jeweiligen Landesgesetzen.

Europarechtliche und völkerrechtliche Vorgaben

Die Rechte blinder Menschen werden durch europäische und internationale Abkommen geschützt und konkretisiert, insbesondere durch die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) sowie entsprechende EU-Richtlinien zum Diskriminierungsschutz und zur Barrierefreiheit.

Zusammenfassung

Der Begriff „blind” ist im deutschen und europäischen Recht in vielerlei Hinsicht als rechtlicher Status relevant. Die Differenzierung zwischen medizinischer Diagnose und rechtlicher Anerkennung ist wesentlich für den Zugang zu Unterstützungsleistungen, Nachteilsausgleichen und besonderen Schutzrechten. Rechtlich anerkannte Blindheit begründet vielfältige Ansprüche – von Sozialleistungen und Teilhabehilfen bis hin zu besonderen Rechten im Alltagsleben, Arbeitsrecht und Vertragswesen. Sämtliche Ebenen des Rechts tragen der besonderen Lebenssituation blinder Menschen umfassend Rechnung, wodurch ihre gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht werden soll.

Häufig gestellte Fragen

Wer gilt nach deutschem Recht als blind?

Nach deutschem Recht wird der Begriff “blind” insbesondere im Zusammenhang mit dem Schwerbehindertenrecht und dem Sozialrecht verwendet. Als blind im rechtlichen Sinne gilt eine Person, deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 2 Prozent beträgt oder bei der durch andere, nicht auf Sehschärfe beruhende Beeinträchtigungen – etwa bei Gesichtsfeldausfällen – eine gleich schwere Beeinträchtigung der Sehfähigkeit vorliegt. Dies ist zum Beispiel im § 72 Abs. 5 SGB XII sowie in der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV, Anlage zu § 2) detailliert geregelt. Die Feststellung erfolgt durch eine augenärztliche Begutachtung, deren Ergebnisse von der zuständigen Behörde oder dem Versorgungsamt geprüft werden. Darüber hinaus ist die anerkannte Blindheit Voraussetzung für bestimmte Nachteilsausgleiche, wie etwa Steuervergünstigungen oder einen erhöhten Grad der Behinderung (GdB).

Welche rechtlichen Nachteilsausgleiche stehen blinden Menschen zu?

Blinden Menschen stehen in Deutschland verschiedene Nachteilsausgleiche zu, die sowohl bundes- als auch landesrechtlich geregelt sind. Zu den wichtigsten zählen das Blindengeld (je nach Bundesland unterschiedlich ausgestaltet und geregelt, z.B. nach § 72 SGB XII und entsprechenden Landesblindengeldgesetzen), Steuererleichterungen wie der Pauschbetrag für Menschen mit Behinderung nach § 33b EStG, unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr (gemäß SGB IX) sowie zusätzliche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Zudem bestehen Rechtsansprüche auf barrierefreie Zugänglichkeit von Informationen und Kommunikation nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und im Rahmen des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes.

Wie wird die Blindheit im Schwerbehindertenausweis vermerkt?

Im Schwerbehindertenausweis wird die Blindheit durch das Merkzeichen „Bl” (für blind) kenntlich gemacht. Dieses Merkzeichen wird ausschließlich bei Vorliegen einer rechtlich anerkannten Blindheit gemäß den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften vergeben, nachdem die zuständige Behörde die vorliegenden ärztlichen Gutachten geprüft hat. Das Merkzeichen „Bl” berechtigt unter anderem zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen wie der unentgeltlichen Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, erhöhter Steuerfreibeträge und anderer gesetzlicher Vergünstigungen.

Welche besonderen Vorschriften gibt es am Arbeitsplatz für blinde Menschen?

Blinde Menschen, die erwerbstätig sind, werden durch verschiedene Vorschriften geschützt und gefördert. Nach dem Sozialgesetzbuch IX (§§ 164 ff. SGB IX) haben Arbeitgeber die Pflicht, Arbeitsplätze behinderungsgerecht, also auch für blinde Menschen barrierefrei, auszugestalten. Dazu zählen beispielsweise technische Hilfsmittel wie Braillezeilen, Vorlesesoftware und individuell angepasste Arbeitsplatzausstattungen. Arbeitgeber können Förderungen und Zuschüsse für die behinderungsgerechte Ausstattung beim Integrationsamt oder der Agentur für Arbeit beantragen. Blinde Beschäftigte haben zudem ein Recht auf besonderen Kündigungsschutz (§ 168 SGB IX).

Welche Ansprüche auf Hilfsmittel haben blinde Menschen?

Blinde Menschen haben einen gesetzlichen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die erforderlich sind, um die Auswirkungen der Behinderung auszugleichen, die Selbstständigkeit im Alltag zu erhalten oder die Teilhabe am gesellschaftlichen sowie beruflichen Leben zu ermöglichen (vgl. § 33 SGB V). Dazu zählen unter anderem Blindenführhunde, Braillezeilen, elektronische Vorlesesysteme und taktile Hilfsmittel. Die Kostenübernahme erfolgt in der Regel durch die gesetzliche Krankenversicherung, die Eingliederungshilfe oder gegebenenfalls andere Sozialleistungsträger, wobei die medizinische Notwendigkeit nachgewiesen werden muss.

Unter welchen Voraussetzungen kann Blindengeld beansprucht werden?

Das Blindengeld wird als Nachteilsausgleich unabhängig von Einkommen und Vermögen ausgezahlt und ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt (es existieren Landesblindengeldgesetze). Voraussetzung ist der amtlich festgestellte Status der Blindheit nach den oben genannten rechtlichen Kriterien, sowie der gewöhnliche Aufenthalt im jeweiligen Bundesland. Die Höhe und die Antragsprozesse unterscheiden sich je nach Bundesland, wobei Nachweise über den Grad der Behinderung, ärztliche Begutachtungen und ggf. weitere Unterlagen vorzulegen sind. Das Blindengeld dient dem Ausgleich blindheitsbedingter Mehraufwendungen, ist jedoch mit anderen Leistungen, wie etwa Pflegegeld, teilweise zu verrechnen.