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Biologisches Material


Begriff und Definition: Biologisches Material

Der Begriff „Biologisches Material“ ist ein wesentliches Element verschiedener rechtlicher Regelwerke in Deutschland und international. In der Rechtswissenschaft und Gesetzgebung beschreibt „Biologisches Material“ sämtliche Substanzen und Bestandteile biologischen Ursprungs, einschließlich menschlicher, tierischer, pflanzlicher oder mikrobieller Herkunft. Hierzu zählen insbesondere menschliche Gewebeproben, Körperflüssigkeiten, Organe, Zellen, botanische Proben und DNA. Eine verbindliche Definition existiert je nach Anwendungsbereich in spezialgesetzlichen Kontexten, etwa im Biobankrecht, Arzneimittelrecht, Gentechnikrecht oder Datenschutzrecht.

Abgrenzung und Beispiele

  • Menschliches biologisches Material: Gewebe, Blut, Serum, Sperma, Stammzellen, Haar, Speichel, Muttermilch, Zellen, Embryonen sowie daraus gewonnene Zelllinien.
  • Nicht-menschliches biologisches Material: Pflanzensamen, tierische Gewebe, Mikroorganismen, Viren, Pilze, Bakterienkulturen.
  • Be- und Verarbeitete Produkte: Isolate, Extrakte, biotechnologisch veränderte Materialien, Hybridzellen.

Rechtsquellen und Anwendungsbereiche

Nationales Recht

Grundgesetz und Menschenwürde

Die Verwendung von biologischem Material, insbesondere menschlichen Ursprungs, berührt grundlegende Rechtspositionen wie die Menschenwürde (Art. 1 GG) und das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG). Hieraus ergeben sich spezifische Grenzen und Anforderungen an die Einwilligung, Information und Verwendung.

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Das BGB beschäftigt sich mit biologischem Material vor allem im Kontext des Persönlichkeitsschutzes und von Verfügungsrechten über den eigenen Körper (§§ 823, 823a BGB). Es definiert die rechtliche Zuordnung, etwa bei Schenkung oder Übertragung.

Spezielle Fachgesetze

Transplantationsgesetz (TPG)

Das TPG regelt die Entnahme, Vermittlung und Übertragung menschlicher Organe, Gewebe und Zellen. Hierbei sind Einwilligung, Anonymität, Verwendungszweck und Rückführungspflichten maßgeblich. Die Verarbeitung biologischen Materials zu Transplantationszwecken unterliegt strengen Anforderungen an Dokumentation, Rückverfolgbarkeit und Einwilligung.

Arzneimittelgesetz (AMG) und Medizinproduktegesetz (MPG)

Im Arzneimittel- und Medizinprodukterecht findet sich der Begriff „biologisches Material“ bei der Herstellung und Zulassung von Arzneimitteln, insbesondere biotechnologisch hergestellten Produkten. Die Nutzung biologischer Ausgangsstoffe unterliegt umfangreichen Dokumentations-, Prüf- und Sicherheitsanforderungen.

Gentechnikgesetz (GenTG)

Das GenTG bezieht sich explizit auf genetisch verändertes Material und regelt die Forschung, Freisetzung und Nutzung gentechnisch veränderter Organismen und Zelllinien. Zentrale Punkte sind der Schutz vor Umweltgefahren und der Schutz personenbezogener Daten.

Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Das IfSG nimmt Bezug auf menschliches und nicht-menschliches biologisches Material im Kontext der epidemiologischen Überwachung, insbesondere bei der Analyse und Aufbewahrung infektiöser Proben. Hier gelten besondere Dokumentationspflichten und datenschutzrechtliche Anforderungen.

Internationales Recht

Internationale Übereinkommen wie die Oviedo-Konvention des Europarats oder die UNESCO-Deklaration über das menschliche Genom setzen Standards für Verfügbarkeit, Zugang, Schutz und ethische Nutzung biologischen Materials. Dies betrifft insbesondere grenzüberschreitende Forschung, Biobanken und Datenbanken.

Datenschutzfragen und Einwilligung

Persönlichkeitsrecht und informationelle Selbstbestimmung

Die Verarbeitung menschlichen biologischen Materials fällt vielfach unter das Datenschutzrecht, da es sich um personenbezogene Daten im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) handelt. Die Einwilligung, zweckgebundene Nutzung sowie Pseudonymisierung und Anonymisierung sind zentrale Säulen beim Umgang mit Biomaterialien.

Besondere Schutzvorschriften

  • Biobanken: Sammlung, Lagerung und Weitergabe erfordern stets rechtskonforme Einwilligungserklärungen und transparente Informationspolitik.
  • Forschung: Ethikkommissionen prüfen die wissenschaftliche und datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Nutzung.
  • Weitergabe und Export: Für die grenzüberschreitende Nutzung gelten zusätzliche Genehmigungs- und Dokumentationspflichten, insbesondere nach dem Nagoya-Protokoll über den Zugang zu genetischen Ressourcen.

Besitz-, Eigentums- und Verfügungsrechte

Rechtliche Einordnung

Ob und inwieweit an biologischem Material Eigentum oder Besitz begründet werden kann, hängt vom Ausgangsmaterial und vom Verarbeitungsgrad ab. Das Recht unterscheidet zwischen Körperbestandteilen vor und nach deren Entfernung.

  • Vor Entfernung: Teil des Körpers, unterliegt dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
  • Nach Entfernung: Je nach Kontext mögliches Eigentum, insbesondere bei gespendeten oder zu Forschungszwecken überlassenen Proben.

Schenkungs- und Verfügungsrecht

Eine Überlassung biologischen Materials erfolgt in der Regel auf Basis vertraglicher Regelungen. Hierbei müssen Gewährleistungsfragen, Haftungsregelungen und Zweckbindung beachtet werden.

Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechtliche Aspekte

Die missbräuchliche Gewinnung, Verwendung oder Weitergabe biologischen Materials kann Straftatbestände erfüllen. Besonders geschützt sind Transplantate, Embryonen und genetisch relevantes Material nach dem Embryonenschutzgesetz (ESchG), Transplantationsgesetz (TPG) sowie Strafgesetzbuch (StGB).

Zusammenfassung und Bedeutung

Biologisches Material stellt einen hochsensiblen rechtlichen Begriff dar, der in zahlreichen Fachgebieten Beachtung findet. Die rechtliche Behandlung ist von Schutzinteressen, Persönlichkeitsrechten, ethischen Standards und datenschutzrechtlichen Vorgaben geprägt. Die Einhaltung nationaler und internationaler Regeln ist maßgeblich für die rechtskonforme Verwendung, insbesondere bei Forschung, Medizin, Pharmazie und Biotechnologie. Biologisches Material bleibt damit ein zentrales Thema im deutschen und europäischen Recht und erfordert kontinuierliche Beachtung aktuellen wissenschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist Eigentümer des biologischen Materials nach der Entnahme und welche rechtlichen Konsequenzen hat das?

Nach der Entnahme biologischen Materials, etwa von Gewebe, Blut oder Zellen, stellt sich häufig die Frage nach dem Eigentumsrecht. In Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten ist das Eigentum an menschlichem Körpermaterial durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und diverse Spezialgesetze keineswegs abschließend geregelt. Grundsätzlich gilt, dass der menschliche Körper und dessen abgetrennte Teile keine Sachen im Sinne des § 90 BGB sind und somit auch nicht im klassischen Sinne „Eigentum“ einer Person sein können. Dennoch kann abgetrenntes biologisches Material, das durch einen menschlichen Eingriff (z.B. Blutabnahme, Biopsie) gewonnen wurde, in den „Verkehr mit Sachen“ übergehen, sofern dem nicht Persönlichkeitsrechte entgegenstehen. Der Besitz und die Verwendung des Materials liegen in aller Regel zunächst bei der entnehmenden Institution (z.B. Klinik, Forschungslabor), oft auf Basis einer Einwilligung der betroffenen Person oder im Rahmen gesetzlicher Vorgaben. Rechtliche Konsequenzen ergeben sich insbesondere im Hinblick auf Datenschutz, Persönlichkeitsrechte und mögliche Weiterverwertung. Eine kommerzielle Nutzung kann Einschränkungen unterliegen, z.B. durch das Gendiagnostikgesetz, das Transplantationsgesetz und Vorschriften zum Datenschutz. Die Rechtsprechung sieht die Einwilligung der betroffenen Person in die Entnahme und Verwendung nicht zwingend als Übertragung eines Verfügungsrechts im Sinne des Eigentums, sondern als temporäre Gestattung eines bestimmten Gebrauchs.

Wie regelt das Datenschutzrecht den Umgang mit biologischem Material?

Biologisches Material enthält häufig personenbezogene oder personenbeziehbare Informationen, weshalb die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie nationale Datenschutzgesetze Anwendung finden. Nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO gelten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, als personenbezogen. Die Verarbeitung von genetischen oder biometrischen Daten ist gemäß Art. 9 DSGVO besonders geschützt. Die Erhebung, Speicherung, Analyse und Weitergabe biologischen Materials bedarf einer klaren Rechtsgrundlage, etwa in Form einer schriftlichen Einwilligung, einer gesetzlichen Ermächtigung oder eines überwiegenden wissenschaftlichen Interesses im Sinne von Art. 9 Abs. 2 DSGVO. Die Betroffenenrechte, wie das Recht auf Auskunft, Löschung und Berichtigung, sind zu gewährleisten, es sei denn, spezielle gesetzliche Ausnahmeregelungen greifen (z.B. für die medizinische Forschung). Die Datensicherheit und Anonymisierungspflichten unterliegen strengen Anforderungen, insbesondere bei Weitergabe und Archivierung.

Welche rechtlichen Anforderungen bestehen bei der Einwilligung zur Entnahme und Nutzung biologischen Materials?

Für jegliche Entnahme und wissenschaftliche oder medizinische Nutzung von biologischem Material ist grundsätzlich eine sogenannte informierte Einwilligung erforderlich, die den Vorgaben des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 630d BGB, Patientenrechtegesetz) und spezialgesetzlichen Regelungen (wie dem Gendiagnostikgesetz oder dem Arzneimittelgesetz) entsprechen muss. Die Einwilligung setzt eine umfassende Aufklärung über die Art, Zwecke, Risiken und den Umfang der Nutzung voraus. Besonderheiten bestehen, wenn das Material für weitere oder zukünftige, noch nicht konkret absehbare Forschungszwecke verwendet werden soll. Hier ist eine breite oder gestufte Einwilligung möglich, allerdings muss diese eindeutig, freiwillig und jederzeit widerrufbar sein. Bei Minderjährigen oder Einwilligungsunfähigen gelten besondere Schutzvorschriften, sodass soweit möglich eine Vertretung vorgenommen werden muss. Die Dokumentation und Archivierung der Einwilligungserklärung ist verpflichtend.

Welche Vorgaben bestehen für die internationale Weitergabe von biologischem Material?

Die grenzüberschreitende Weitergabe von biologischem Material unterliegt komplexen rechtlichen Anforderungen. Zunächst muss geprüft werden, ob nationale Exportbeschränkungen (z.B. nach dem Gentechnikgesetz oder dem Arzneimittelgesetz) erlassen wurden. Datenschutzrechtlich bestimmt die DSGVO, dass ein Transfer in Staaten außerhalb der EU/EWR nur unter bestimmten Bedingungen zulässig ist, etwa bei einem angemessenen Datenschutzniveau im Empfangsstaat oder über Standardvertragsklauseln. Zudem bestehen häufig separate Anforderungen im Ursprungs- und Zielland, insbesondere hinsichtlich des informierten Konsenses, der Transparenz und der Möglichkeit zum Widerruf. Für biologische Ressourcen aus dem Ausland sind zudem völkerrechtliche Vorgaben, wie das Nagoya-Protokoll (Zugang zu genetischen Ressourcen und ausgewogene Aufteilung der Vorteile), zu beachten.

Was ist bei der Archivierung und Langzeitaufbewahrung von biologischem Material rechtlich zu beachten?

Die Lagerung biologischen Materials erfordert neben hohen sicherheitstechnischen auch spezifische rechtliche Vorkehrungen. Es gilt zu berücksichtigen, wie lange das Material aufbewahrt werden darf, was oftmals durch jeweilige Projekte, ethische Vorgaben, Einwilligungserklärungen oder gesetzliche Fristen bestimmt wird. Eine Aufbewahrung über den ursprünglichen Zweck hinaus ist ohne erneute Einwilligung grundsätzlich nicht zulässig. Der Zugriff muss kontrolliert, dokumentiert und nur befugtem Personal gestattet sein. Gesetzliche Grundlage bieten u.a. das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sowie berufsrechtliche Vorschriften. Die Vernichtung am Ende der Aufbewahrungsfrist ist nach dokumentiertem, sicheren Verfahren vorzunehmen. Archivierende Einrichtungen haften für Datenschutzverletzungen und Pflichtverletzungen ihrer Mitarbeitenden.

Welche rechtlichen Ansprüche haben Spenderinnen und Spender von biologischem Material?

Spenderinnen und Spender haben nach deutschem Recht insbesondere Anspruch auf ausführliche Information, Vertraulichkeit und Schutz ihrer personenbezogenen Daten. Sie können die Nutzung ihres Materials grundsätzlich untersagen oder eine erteilte Zustimmung widerrufen – der sogenannte Widerrufsvorbehalt ist zentraler Bestandteil jeder rechtskonformen Einwilligung. Ein Anspruch auf Rückgabe des Materials besteht in der Regel nicht, wohl aber auf Vernichtung nach Widerruf. Bei Verstößen gegen datenschutz- oder persönlichkeitsrechtliche Vorgaben bestehen Ansprüche auf Schadensersatz (§ 823 BGB i.V.m. Art. 82 DSGVO) sowie auf Unterlassung. Anspruch auf Informationen über die Verwendung, eventuelle Forschungsergebnisse oder kommerzielle Nutzung können sich aus den Einwilligungsunterlagen und einschlägigen gesetzlichen Vorgaben ergeben.