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Binnenschifffahrtssachen


Begriff und Bedeutung der Binnenschifffahrtssachen

Binnenschifffahrtssachen sind ein zivilprozessualer und verwaltungsrechtlicher Begriff und bezeichnen bestimmte Rechtsstreitigkeiten, Verwaltungsangelegenheiten und sonstige Rechtsverhältnisse, die im Zusammenhang mit der Binnenschifffahrt stehen. Die rechtliche Definition und der Anwendungsbereich der Binnenschifffahrtssachen sind insbesondere im deutschen Recht umfassend geregelt. Ihre Behandlung unterliegt spezialisierten Vorschriften und ist vorrangig Aufgabe der sogenannten Schifffahrtsgerichte, welche über besondere Zuständigkeiten verfügen. Die sachgerechte Erfassung dieses Bereichs soll zu einer effizienten Bearbeitung und Entscheidung von Rechtsfragen rund um die Binnenschifffahrt beitragen.

Rechtsquellen und Einordnung

Gesetzliche Grundlagen

Die maßgeblichen Vorschriften für Binnenschifffahrtssachen finden sich im Binnenschifffahrtsgesetz (BinSchG), in der Zivilprozessordnung (ZPO), im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie in verschiedenen schifffahrtsbezogenen Einzelgesetzen. Daneben existieren auf europäischer Ebene und im internationalen Recht weitere Regelungen, etwa die Mannheimer Akte und diverse bilaterale Abkommen.

Abgrenzung zur Seeschifffahrt

Binnenschifffahrtssachen sind klar abzugrenzen von Seeschifffahrtssachen, welche sich auf die Seeschifffahrt auf See und in Seehäfen beziehen. Diese Trennung ist rechtlich relevant, da für beide Bereiche unterschiedliche Gerichtszuständigkeiten und Verfahrensvorschriften gelten.

Zuständigkeit und Organisation der Gerichte

Schifffahrtsgerichte

Für die Entscheidung über Binnenschifffahrtssachen sind in Deutschland gemäß § 34 GVG ausschließlich die Amtsgerichte mit Schifffahrtsgerichtszuständigkeit zuständig. Die Organisation und Sitzordnung dieser Gerichte sind im Gesetz über die Errichtung von Schifffahrtsgerichten geregelt.

Sachliche und örtliche Zuständigkeit

Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus den §§ 1 ff. Binnenschifffahrtsgesetz und umfasst im Wesentlichen sämtliche zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, die mit der Binnenschifffahrt in Verbindung stehen. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Sitz des betreffenden Amtsgerichts, in dessen Gerichtsbezirk sich das streitgegenständliche Schiff oder die zugehörige Schifffahrtsangelegenheit befindet.

Anwendungsbereich der Binnenschifffahrtssachen

Zivilrechtliche Binnenschifffahrtssachen

Unter diese Kategorie fallen alle privatrechtlichen Streitigkeiten und Ansprüche, die sich aus dem Betrieb, der Nutzung oder dem Eigentum an Binnenschiffen ergeben. Beispiele sind:

  • Streitigkeiten aus Transportverträgen über Güter und Personen
  • Schadensersatzansprüche bei Havarien
  • Ansprüche wegen Kollisionen zwischen Binnenschiffen
  • Streitigkeiten über Bergung und Schleppdienste

Darüber hinaus werden Ansprüche aus Schiffshypotheken, Schiffspfandrechten oder aus Charter- und Mietverträgen über Binnenschiffe in diesem Rahmen behandelt.

Öffentliche Binnenschifffahrtssachen

Öffentlich-rechtliche Angelegenheiten betreffen insbesondere die Aufsicht und Regulierung der Binnenschifffahrt durch Behörden. Dies umfasst unter anderem:

  • Verfahren im Zusammenhang mit der Zulassung und Registrierung von Binnenschiffen
  • Erlass von Schifffahrtsordnungen und Verkehrsregelungen
  • Rechtsbehelfe gegen behördliche Maßnahmen, etwa Fahrverbote oder Auflagen zur Schiffssicherheit

Straf- und Bußgeldverfahren

Auch straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfahren im Zusammenhang mit Verstößen gegen schifffahrtsrechtliche Vorschriften fallen unter Binnenschifffahrtssachen. Typische Fälle sind:

  • Verstöße gegen Schifffahrtsordnungsvorschriften (z. B. Alkoholverbot, Geschwindigkeitsbegrenzungen)
  • Gefährdungen der Sicherheit des Binnenschiffsverkehrs
  • Unbefugte Nutzung öffentlicher Wasserstraßen

Verfahrensrechtliche Besonderheiten

Besondere Verfahrensvorschriften

Binnenschifffahrtssachen unterliegen einer eigenen, spezialisierten Rechtswegregelung mit einigen abweichenden Verfahrensvorschriften gegenüber sonstigen Zivil- und Verwaltungsprozessen. Dazu gehören:

  • Möglichkeit der besonderen Arrest- und Einstweiliger Verfügungsanordnungen
  • Bestimmungen über die Pfändung und Zwangsversteigerung von Binnenschiffen
  • Besondere Vorschriften für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen ausländischer Schifffahrtsgerichte

Schiffsregister und Eigenständigkeit des Registers

Im Rahmen der Binnenschifffahrt wird ein eigenständiges Schiffsregister geführt. Die Eintragung, Änderung und Löschung von Rechten an Binnenschiffen werden von Schifffahrtsgerichten oder den hierfür zuständigen Amtsgerichten vorgenommen.

Internationale Aspekte

Europäische und internationale Vereinbarungen

Die grenzüberschreitende Bedeutung der Binnenschifffahrt hat zu diversen internationalen Regelungen geführt. Besonders zu erwähnen ist die Mannheimer Akte, welche die Schifffahrt auf dem Rhein regelt, sowie die EU-Verordnungen zur Binnenwasserstraßenverkehrspolitik, die z. B. einheitliche Zulassungs- und Kontrollstandards vorsehen.

Anerkennung ausländischer Entscheidungen

Im Bereich der Binnenschifffahrtssachen sind Fragen der internationalen Zuständigkeit und der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen oder behördlichen Entscheidungen praxisrelevant. Die einschlägigen Normen finden sich im internationalen Verfahrensrecht (z. B. Brüssel Ia-VO, Lugano-Übereinkommen).

Bedeutung für Wirtschaft und Praxis

Der Bereich der Binnenschifffahrtssachen hat erhebliche Bedeutung für den Warentransport, die Personenbeförderung sowie die Infrastrukturpolitik in Deutschland und Europa. Die spezialisierte Regelung und Behandlung dieser Rechtsangelegenheiten sorgen für Rechtssicherheit und effiziente Konfliktlösung im Bereich der Binnenschifffahrt.


Binnenschifffahrtssachen sind ein zentraler Begriff des transportbezogenen Rechts und stehen für die Gesamtheit der Rechtsstreitigkeiten und Verwaltungsangelegenheiten, die mit dem Betrieb, der Nutzung und der Regulierung der Binnenschifffahrt verbunden sind. Die besondere gerichtliche und verwaltungsmäßige Behandlung unterstreicht die wirtschaftliche und rechtliche Relevanz dieses Fachgebiets.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist in Binnenschifffahrtssachen prozessual zuständig?

Für Streitigkeiten, die sich aus der Führung, Benutzung, dem Erwerb, der Veräußerung oder dem Besitz von Binnenschiffen ergeben, ist in Deutschland gemäß § 1 Abs. 1 BinnSchG i. V. m. § 1 SchiffsG in der Regel das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk sich der Heimathafen oder der gewöhnliche Liegeplatz des Schiffes befindet. Liegen mehrere örtlich zuständige Gerichte vor, so kann der Kläger wählen. Für bestimmte Verfahren, etwa bei Streitigkeiten über Schiffspfandrechte, Kollisionen oder Bergelohn, finden spezielle Vorschriften des Binnenschifffahrtsgesetzes und der Zivilprozessordnung Anwendung. Bei größeren Streitwerten ab 5.000 Euro kann unter Umständen auch das Landgericht zuständig werden. Zu beachten ist weiterhin die Möglichkeit der freiwilligen Gerichtsbarkeit, insbesondere bei Grundbuchangelegenheiten von Binnenschiffen, die regelmäßig bei den Amtsgerichten als Schiffsregistergericht geführt werden.

Welche Besonderheiten gelten bei der Arrestordnung in Binnenschifffahrtssachen?

Die Besonderheiten der Arrestordnung in Binnenschifffahrtssachen ergeben sich insbesondere aus dem Umstand, dass bewegliche Vermögenswerte – wie Schiffe – leicht das Inland verlassen können, um einer Vollstreckung zu entgehen. Hierzu regelt das Binnenschifffahrtsgesetz besondere Vorschriften für den sogenannten „Schiffsarrest“ (§§ 917 ff. ZPO und § 6 BinnSchG). Der Arrest kann sowohl zur Sicherung von Geldforderungen als auch von Ansprüchen aus der Benutzung des Schiffes, aus Bergung, Verschleppung oder Zusammenstoß sowie für Ansprüche wegen Tod oder Verletzung von Personen oder Sachbeschädigungen angeordnet werden. Der Arrestantrag unterliegt hohen Anforderungen und setzt in der Regel voraus, dass eine gewisse Dringlichkeit (Arrestgrund) glaubhaft gemacht wird. Die Vollstreckung des Arrestes geschieht durch Eintragung im Schiffsregister sowie durch die physische Beschlagnahme des Schiffes.

Wie werden Schiffsgläubigerrechte in der Binnenschifffahrt rechtlich gesichert?

Schiffsgläubigerrechte dienen der Absicherung bestimmter Forderungen, die typischerweise im Zusammenhang mit dem Betrieb von Binnenschiffen entstehen, z. B. aus Lotsen-, Schlepp- oder Bergelohn, aus öffentlichen Abgaben, aus Schäden infolge Zusammenstoßes oder aus vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Besatzung. Diese Rechte werden durch Eintragung eines Pfandrechts im Schiffsregister rechtlich gesichert (§§ 1023 ff. BGB sowie § 10 Abs. 1 Schiffsregisterordnung). Die Eintragung hat prioritätswahrende Wirkung (Prioritätsprinzip). In besonderen Fällen genießen Schiffsgläubiger ein gesetzliches Vorrecht („Schiffsprivileg“), das gegenüber anderen Gläubigern vorrangig ist, selbst wenn kein Eintrag im Register vorliegt. Voraussetzung ist, dass die Forderung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Schiffsführung oder dem Schiffsbetrieb steht.

Welche Verjährungsfristen gelten in der Binnenschifffahrt für Schadensersatzansprüche?

Die Verjährungsfristen für Schadensersatzansprüche im Bereich Binnenschifffahrt sind durch Spezialregelungen geprägt. Schlagend wird insbesondere § 48 ff. BinnSchG, wonach Ansprüche aus Kollisionen typischerweise in zwei Jahren ab dem Ereignis verjähren. Die Frist kann allerdings durch entsprechende Erklärungen oder Verhandlungen zwischen den Parteien gehemmt oder unterbrochen werden. Für Bergelohnforderungen gilt ebenfalls eine zweijährige Verjährungsfrist, beginnend ab dem Abschluss der Bergungsaktion. Allgemeine vertragliche oder deliktische Ansprüche verjähren nach den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), im Regelfall nach drei Jahren. Abweichungen kommen bei internationalen Sachverhalten nach dem jeweiligen vorrangigen Abkommen (z. B. CMNI – Budapester Übereinkommen) in Betracht.

Welche Rolle spielt das Schiffsregister bei der rechtlichen Behandlung von Binnenschiffen?

Das Schiffsregister ist ein öffentliches Register, das bei bestimmten Amtsgerichten als Schiffsregistergerichte geführt wird. Es dient der Erfassung rechtlicher Verhältnisse von Binnenschiffen, insbesondere bezüglich Eigentum, Hypotheken, Pfandrechten, Schiffsgläubigerrechten und sonstigen Belastungen. Die Eintragung hat Rechtsklarheit und Publizitätswirkung, d. h. Dritte können sich auf die Inhalte des Registers verlassen. Veränderungen hinsichtlich Eigentum oder Belastungen werden erst mit der Eintragung im Register wirksam. Auch für die internationale Anerkennung von Eigentum und Belastungen ist das Schiffsregister von Bedeutung, da es z. B. bei der Veräußerung oder bei Vollstreckungsmaßnahmen als Nachweis der rechtlichen Situation herangezogen wird.

Inwiefern ist die Haftung des Schiffseigners beschränkt?

Die Haftung des Schiffseigners ist in der Binnenschifffahrt nach deutschem Recht grundsätzlich beschränkbar. § 5 Abs. 1 BinnSchG sieht vor, dass der Schiffseigner seine Haftung für bestimmte Ansprüche aus Schäden an Sachen, Personen oder dem Schiffsbetrieb unter Beachtung festgelegter Haftungshöchstgrenzen begrenzen kann. Maßgeblich sind dabei die Tonnage des Schiffes sowie der Umfang des Schadens. Die Haftungsbeschränkung tritt jedoch nicht ein, wenn der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig durch den Eigner oder eine Person in leitender Stellung herbeigeführt wurde. Neben nationalen Regeln gelten für grenzüberschreitende Sachverhalte vorrangig das Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Beförderung von Gütern auf Binnenwasserstraßen (CMNI) sowie das Straßburger Übereinkommen zur Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Binnenschiffen (CLNI).

Welche Möglichkeiten bestehen zur Rechtsdurchsetzung bei internationalen Sachverhalten in der Binnenschifffahrt?

Für internationale Binnenschifffahrtssachverhalte gelten vorrangig internationale Abkommen und Übereinkommen wie das CMNI (Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Beförderung von Gütern auf Binnenwasserstraßen) oder das CLNI (Straßburger Übereinkommen zur Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Binnenschiffen). Diese enthalten eigene Regelungen hinsichtlich Gerichtsstand, anwendbarem Recht sowie zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen. Klagen können je nach Vereinbarung in Lieferscheinen oder Frachtbriefen, sowie nach den einschlägigen Verordnungen (z. B. Brüssel Ia-VO) auch in anderen EU-Staaten erhoben werden. Nationales Recht kommt insoweit zur Anwendung, als keine vorrangigen internationalen Vorschriften vorhanden sind. Zur Sicherung von Forderungen bestehen – je nach Lage – sowohl nationale als auch internationale Mechanismen, etwa durch Schiffsarrest oder Registereintragungen.