Begriff und Rechtsgrundlagen des Bildungsurlaubs
Der Bildungsurlaub ist ein arbeitsrechtlich normierter Anspruch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf bezahlte Freistellung von der Arbeit zur Teilnahme an anerkannten Weiterbildungsmaßnahmen. Dieses Recht ist in Deutschland in verschiedenen landesrechtlichen Regelungen verankert und ermöglicht es Beschäftigten, sich im Rahmen ihrer Berufstätigkeit weiterzubilden, ohne dabei auf ihr Arbeitsentgelt verzichten zu müssen. Die Zielsetzung des Bildungsurlaubs umfasst die persönliche, politische und berufliche Weiterbildung, wobei die konkrete Ausgestaltung sowohl auf unions-, bundes- als auch insbesondere auf landesrechtlicher Ebene erfolgt.
Historische Entwicklung und Zielsetzung des Bildungsurlaubs
Der Anspruch auf Bildungsurlaub wurde in den 1970er Jahren schrittweise eingeführt, um kontinuierliches lebenslanges Lernen im Erwerbsleben zu fördern. Bis heute wurde er in nahezu allen Bundesländern gesetzlich geregelt. Ziel des Bildungsurlaubs ist es, die Allgemeinbildung, politische Mündigkeit und die beruflichen Qualifikationen der Arbeitnehmenden im Sinne sozialstaatlicher Förderpolitik zu stärken.
Gesetzliche Grundlagen und föderale Unterschiede
Bundesrecht und Landesrecht
Ein einheitliches Bundesgesetz zum Bildungsurlaub besteht nicht. Die Regelungskompetenz liegt weitgehend bei den Ländern (Art. 70 GG). Die Vorschriften finden sich dementsprechend in den Bildungsurlaubsgesetzen (z.B. Bildungszeitgesetz, Bildungsurlaubsgesetz oder Weiterbildungsgesetz) der einzelnen Bundesländer. Die Inhalte, Voraussetzungen, Dauer und Antragsverfahren unterscheiden sich teils erheblich.
Übersicht der wichtigsten Landesgesetze
- Hamburgisches Bildungsurlaubsgesetz (HmbBUG)
- Berliner Bildungsurlaubsgesetz (BiUrlG BE)
- Hessisches Gesetz über den Anspruch auf Bildungsurlaub (HBUG)
- Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung NRW (AWbG)
- Weitere entsprechende Gesetze in Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Bremen, Brandenburg, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen
Bayern und Sachsen haben bislang kein Bildungsurlaubsgesetz erlassen, sodass dort kein Rechtsanspruch auf Bildungsurlaub besteht.
Rechtsanspruch und Anspruchsberechtigte
Grundsätzlich haben alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – hierzu zählen auch Auszubildende und teilweise Praktikantinnen und Praktikanten – einen gesetzlichen Anspruch auf Bildungsurlaub. In der Regel ist Voraussetzung, dass das Beschäftigungsverhältnis seit mindestens sechs Monaten besteht. Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst unterliegen oftmals speziellen Regelungen.
Vollzeitbeschäftigte haben meist einen Anspruch auf fünf Arbeitstage Bildungsurlaub pro Kalenderjahr, bei Teilzeitbeschäftigten wird der Anspruch anteilig berechnet. In einigen Bundesländern ist es möglich, den Anspruch von zwei Jahren zusammenzufassen (Anspruchsübertragung).
Ausschluss und Sonderfälle
Kleinbetriebe mit weniger als einer bestimmten Anzahl von Beschäftigten (häufig 10 bis 20 Personen, je nach Landesgesetz) sind regelmäßig vom Geltungsbereich der Bildungsurlaubsgesetze ausgenommen. Ebenso bestehen teils Sonderregelungen für leitende Angestellte, mitarbeitende Familienangehörige und Beschäftigte ohne festen Arbeitsort.
Inhalte und Anerkennung der Bildungsveranstaltungen
Anrechnungsfähige Bildungseinrichtungen und Seminare
Für die Anerkennung als Bildungsurlaub muss die Veranstaltung von einer anerkannten Bildungseinrichtung durchgeführt werden. Maßgeblich ist die vorherige Zertifizierung der Veranstaltung durch eine zuständige Behörde, beispielsweise eine Landeszentrale für politische Bildung oder eine Aufsichtsbehörde. Infrage kommen Seminare zur beruflichen, politischen oder allgemeinen Weiterbildung.
Abgrenzung: Urlaub, Sonderurlaub und Bildungsurlaub
Es erfolgt eine klare Abgrenzung zum Erholungsurlaub und sonstigen Sonderurlaubsformen, die einem anderen Zweck dienen. Bildungsurlaub ist eine von der Weiterbildung bestimmte bezahlte Freistellung, die nicht auf andere Urlaubsansprüche angerechnet werden darf.
Antragsverfahren und Pflichten der Arbeitnehmer
Beantragung und Mitteilungspflichten
Der Bildungsurlaub ist beim Arbeitgeber schriftlich zu beantragen. Die genauen Fristen und Modalitäten sind landesrechtlich unterschiedlich ausgestaltet, betragen jedoch meist vier bis neun Wochen vor Beginn der Bildungsmaßnahme. Dem Antrag ist ein Nachweis über die Anerkennung der Maßnahme beizufügen.
Nach Abschluss der Maßnahme ist dem Arbeitgeber eine Teilnahmebestätigung vorzulegen. Ein Recht zur Ablehnung des Antrags des Bildungsurlaubs durch den Arbeitgeber besteht grundsätzlich nur in Ausnahmefällen, etwa wenn zwingende betriebliche Gründe oder eine nicht rechtzeitige Antragstellung vorliegen.
Widerspruchs- und Klageverfahren
Lehnt der Arbeitgeber den Antrag ungerechtfertigt ab, können abhängig vom Landesrecht Widerspruchs- oder Klageverfahren vor den Arbeitsgerichten eingeleitet werden.
Vergütung, Finanzierung und Kosten
Während des Bildungsurlaubs bleibt der Anspruch auf das gewöhnliche Arbeitsentgelt bestehen (Entgeltfortzahlung). Die Kosten der Weiterbildungsmaßnahme (Kursgebühren, Fahrtkosten, Verpflegung, Übernachtung) tragen regelmäßig die Arbeitnehmer selbst. Manche Branchen oder Tarifverträge können hiervon abweichende Vereinbarungen vorsehen.
Rechtsprechung und Durchsetzung
Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung konkretisiert fortlaufend die Ausgestaltung von Bildungsurlaub, insbesondere hinsichtlich der Anerkennung von Maßnahmen, der betrieblichen Belange sowie der Gewährung von Bildungsurlaub in Kleinbetrieben. Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte und des Bundesarbeitsgerichts haben hierzu Leitlinien entwickelt, an denen sich die Behörden und Arbeitsgerichte orientieren.
Bildungsurlaub und Europarecht
Im europäischen Kontext existiert kein einheitlicher Rechtsrahmen zum Bildungsurlaub. Die Bundesrepublik Deutschland hat die Gewährung von Bildungsurlaub in Erfüllung nationaler sozialpolitischer Zielsetzungen ausgestaltet. Eine zwingende EU-Richtlinie hierzu existiert nicht.
Zusammenfassung
Der Bildungsurlaub ist ein wesentliches Element der Weiterbildungspolitik in Deutschland mit umfangreichen arbeitsrechtlichen Grundlagen und regionalen Ausprägungen. Arbeitnehmer erhalten durch Bildungsurlaub die Möglichkeit zur bezahlten Weiterbildung, wobei der rechtliche Rahmen im Einzelnen durch das jeweilige Landesrecht bestimmt wird. Arbeitgeber sind verpflichtet, Bildungsurlaub zu gewähren, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen und Fristen eingehalten werden und keine dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen. Die einschlägigen Landesgesetze stellen dabei die Rechtsgrundlage für Anspruch, Verfahren und Durchführung dar.
Häufig gestellte Fragen
Wer hat in Deutschland Anspruch auf Bildungsurlaub?
Anspruch auf Bildungsurlaub haben grundsätzlich alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den meisten deutschen Bundesländern, wobei die genaue Regelung durch die jeweiligen Landesgesetze bestimmt wird. Voraussetzung ist in der Regel, dass das Arbeitsverhältnis seit mindestens sechs Monaten besteht (in manchen Bundesländern auch weniger). Teilzeitbeschäftigte erhalten einen anteiligen Anspruch. Auszubildende, Praktikantinnen und Praktikanten sind häufig, aber nicht immer ausgenommen. Der Anspruch umfasst in der Regel fünf bezahlte Arbeitstage pro Kalenderjahr, wobei in einigen Ländern ein Übertrag oder eine Zusammenfassung für einen zweiwöchigen Kurs im Zwei-Jahres-Rhythmus möglich ist. Beamte und Beamtenähnliche sind üblicherweise in gesonderten Regelungen berücksichtigt. Keinen gesetzlichen Anspruch gibt es derzeit in den Bundesländern Bayern und Sachsen.
Wie muss Bildungsurlaub beantragt werden?
Der Antrag auf Bildungsurlaub muss grundsätzlich schriftlich beim Arbeitgeber eingereicht werden, wobei die Fristen im jeweiligen Landesgesetz geregelt sind. In den meisten Bundesländern beträgt die Antragsfrist mindestens sechs Wochen vor Kursbeginn, zum Teil auch weniger. Der Antrag sollte Angaben über die geplante Bildungsmaßnahme, deren inhaltliche Ausrichtung und eine Bescheinigung der Anerkennung durch die zuständige Landesbehörde enthalten. Nach Zugang des Antrags ist der Arbeitgeber verpflichtet, innerhalb einer bestimmten Frist zu reagieren – meist binnen drei Wochen. Erfolgt keine Reaktion oder erfolgt keine Ablehnung mit schriftlicher Begründung, gilt der Bildungsurlaub als genehmigt (sog. Genehmigungsfiktion). Eine Ablehnung ist nur aus dringenden betrieblichen Gründen möglich und muss nachvollziehbar dargelegt sein.
Welche Bildungsmaßnahmen sind anerkennungsfähig?
Damit eine Veranstaltung als Bildungsurlaub anerkannt werden kann, muss diese bestimmten gesetzlichen Anforderungen und den Vorgaben der jeweiligen Landesgesetze genügen. Grundsätzlich werden sowohl politische, kulturelle als auch berufliche Weiterbildungsmaßnahmen zugelassen. Die Maßnahme muss von der jeweiligen Landesbehörde als Bildungsurlaub anerkannt sein, was durch eine entsprechende Bescheinigung nachzuweisen ist. Private Interessen oder rein touristische Reisen sind ausgeschlossen. Die Dauer der täglichen Veranstaltung muss in der Regel mindestens sechs Unterrichtsstunden pro Tag betragen. Online-Formate werden inzwischen je nach Bundesland und aktueller Rechtslage ebenfalls anerkannt, sofern die Interaktivität und die didaktische Struktur vergleichbar mit Präsenzangeboten ist.
Kann Arbeitgeber Bildungsurlaub aus betrieblichen Gründen ablehnen?
Der Arbeitgeber kann den Antrag auf Bildungsurlaub ausschließlich aus zwingenden betrieblichen Gründen ablehnen. Die gesetzlichen Regelungen sehen vor, dass solche Gründe klar benannt und dargelegt werden müssen. Dazu zählen beispielsweise erhebliche Störungen im Betriebsablauf, etwa durch akuten Personalmangel oder unvorhersehbare betriebliche Notlagen. Die Ablehnung ist schriftlich mitzuteilen. Allgemeiner Arbeitsanfall, planbare Engpässe oder fehlende Vertretungen stellen hingegen in der Regel keine ausreichenden Gründe dar. Beschäftigte haben das Recht, im nächsten Jahr einen neuen Antrag zu stellen, wobei im Falle wiederholter Ablehnung rechtliche Schritte, wie eine Klage beim Arbeitsgericht, möglich sind.
Wird Bildungsurlaub auf den Erholungsurlaub angerechnet oder bezahlt?
Bildungsurlaub ist laut Gesetz kein zusätzlicher unbezahlter Urlaub, sondern ein Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit zur Teilnahme an anerkannten Bildungsveranstaltungen. Das Arbeitsentgelt wird während des Bildungsurlaubs wie bei regulärem Urlaub fortgezahlt. Eine Anrechnung auf den gesetzlichen oder vertraglichen Erholungsurlaub darf nicht erfolgen, da Bildungsurlaub gesondert im Sinne des Weiterbildungsgesetzes geregelt ist. Ausnahmen können sich bei Überschneidungen ergeben, wenn beispielsweise tarifvertragliche Weiterbildungsansprüche anstelle des Bildungsurlaubs genutzt oder verrechnet werden.
Gilt der Anspruch auf Bildungsurlaub auch für Minijobber und Teilzeitkräfte?
Auch geringfügig Beschäftigte (Minijobber) und Teilzeitbeschäftigte haben grundsätzlich Anspruch auf Bildungsurlaub, sofern sie unter dem Geltungsbereich des jeweiligen Landesgesetzes fallen. Der Anspruch errechnet sich dann anteilig entsprechend der regelmäßig gearbeiteten Tage pro Woche. Arbeiten Teilzeitkräfte beispielsweise an drei von fünf Werktagen, reduziert sich der Bildungsurlaubsanspruch entsprechend. Der Anteil wird meist auf ganze Arbeitstage aufgerundet. Auf eine Mindestbetriebsgröße oder Mindestanzahl der Kollegen im Betrieb kann es landesrechtlich begrenzte Ausnahmen geben.
Welche Rechte habe ich nach unbegründeter Ablehnung oder Nichtreaktion des Arbeitgebers?
Lehnt der Arbeitgeber den Bildungsurlaub ohne nachvollziehbare Begründung ab oder antwortet gar nicht innerhalb der gesetzlichen Frist, gilt der Antrag in vielen Bundesländern als genehmigt (Genehmigungsfiktion). Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können in diesem Fall die Teilnahme an der beantragten Maßnahme antreten; im Konfliktfall empfiehlt sich jedoch eine rechtliche Beratung, um etwaige arbeitsvertragliche Konsequenzen oder Missverständnisse zu klären. Bei nachweislich unbegründeter Ablehnung ist eine gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs möglich, beispielsweise durch Klage beim zuständigen Arbeitsgericht. In der Praxis sollten alle Anträge und Antworten stets schriftlich dokumentiert werden.