Begriff und Einordnung
Bigamie bezeichnet die Eingehung einer weiteren Ehe, obwohl bereits eine gültige Ehe besteht. Der Begriff wird in Deutschland ebenso auf die doppelte Lebenspartnerschaft bezogen, also die Begründung einer weiteren eingetragenen Lebenspartnerschaft neben einer fortbestehenden. Synonyme sind Doppelehe und doppelte Lebenspartnerschaft. Maßgeblich ist, dass gleichzeitig zwei zivilrechtlich wirksame, eheähnliche Rechtsverbindungen bestehen sollen. Nicht erfasst sind rein private oder rein religiöse Bindungen ohne zivilrechtliche Wirksamkeit.
Rechtlicher Rahmen in Deutschland
Ehe- und Partnerschaftsrecht
In Deutschland ist eine bestehende Ehe ein zwingendes Hindernis für die Eingehung einer weiteren Ehe. Gleiches gilt für die frühere eingetragene Lebenspartnerschaft, die für bestehende Partnerschaften fortgilt. Wird dennoch eine weitere Ehe oder Partnerschaft geschlossen, ist diese grundsätzlich unwirksam. Eine spätere Auflösung der ersten Verbindung heilt die Unwirksamkeit nicht rückwirkend. Zur Klärung der Rechtslage bedarf es regelmäßig einer gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit, damit Registereinträge berichtigt und Rechtsfolgen geordnet werden können.
Strafrechtliche Relevanz
Bigamie ist in Deutschland eine Straftat. Wer trotz bestehender Ehe oder bestehender eingetragener Lebenspartnerschaft eine weitere derartige Verbindung eingeht, macht sich strafbar. Ebenso kann sich die Person strafbar machen, die eine Ehe oder Lebenspartnerschaft mit jemandem eingeht, obwohl sie weiß, dass bei dieser Person bereits eine solche Verbindung besteht. Die Tat kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe geahndet werden.
Verwaltungs- und Registerrecht
Standesämter prüfen vor der Eheschließung die Ehefähigkeit und den Familienstand. Unrichtige oder unvollständige Angaben können zur Verweigerung der Eheschließung, zur späteren Berichtigung der Register sowie zu Sanktionen führen. Wird eine Doppelehe dennoch beurkundet, sind Registerkorrekturen vorzunehmen, sobald die Unwirksamkeit festgestellt ist. Beteiligte Personen können im Rahmen von Prüfungen zur Mitwirkung und Vorlage von Nachweisen über den Familienstand verpflichtet sein.
Folgen und Auswirkungen
Zivilrechtliche Folgen
Die zweite, bigamische Verbindung entfaltet keine regulären zivilrechtlichen Wirkungen einer Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft. Insbesondere entstehen aus ihr grundsätzlich keine Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht, kein gesetzlicher Unterhalt zwischen den Partnern und keine Versorgungsausgleichsansprüche. In besonderen Konstellationen können jedoch Ausgleichs- und Schutzmechanismen des allgemeinen Zivilrechts eine Rolle spielen, insbesondere wenn eine Partei gutgläubig war und von der Vorverbindung nichts wusste.
Unterhalts- und Erbrecht
Ansprüche aus Unterhalt und gesetzlicher Erbfolge knüpfen in Deutschland an eine wirksame Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft an. Bei Bigamie verbleiben diese Rechte grundsätzlich beim wirksamen ersten Bund. Der zweite, unwirksame Bund begründet regelmäßig keine ehelichen oder partnerschaftlichen Erb- oder Unterhaltsansprüche. Testamentarische Gestaltungen sind davon unabhängig möglich, berühren aber nicht die Nichtigkeit der bigamischen Verbindung.
Kinder und elterliche Stellung
Die Rechtsstellung von Kindern ist von der Wirksamkeit der Ehe der Eltern grundsätzlich unabhängig. Abstammung, Sorgerecht und Unterhalt richten sich nach den jeweiligen familienrechtlichen Regelungen und werden durch eine Bigamie nicht zu Lasten des Kindes beeinträchtigt. Vaterschaftsanerkennung, -vermutung und -anfechtung sind nach den allgemeinen Regeln zu beurteilen.
Sozial- und Steuerrecht
Die zweite, unwirksame Verbindung vermittelt keine Rechte, die eine wirksame Ehe üblicherweise auslöst. Dazu zählen insbesondere die Möglichkeit der Zusammenveranlagung im Steuerrecht, der Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bestimmte ehebezogene Sozialleistungen. Leistungen, die auf einer unwirksamen Verbindung beruhen, können versagt oder zurückgefordert werden.
Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht
Ein Aufenthaltsrecht, das an eine Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft anknüpft, setzt eine wirksame zivilrechtliche Verbindung voraus. Bigamische Verbindungen werden insoweit nicht anerkannt. Täuschungen über den Familienstand können ausländerrechtliche Konsequenzen haben, einschließlich der Versagung, Rücknahme oder des Widerrufs begünstigender Entscheidungen. Für Einbürgerungsverfahren kann Bigamie ebenfalls relevant sein, wenn damit grundlegende rechtliche Prinzipien berührt werden.
Internationaler Bezug
Anerkennung ausländischer Mehrfach-Ehen
In einigen Staaten sind Mehrfachehen rechtlich möglich. In Deutschland werden solche Verbindungen grundsätzlich nicht als Ehen im vollen Sinne anerkannt, wenn sie dem hiesigen ordre public widersprechen. Gleichwohl können in Einzelfällen begrenzte Wirkungen berücksichtigt werden, etwa zur Vermeidung unbilliger Härten bei Unterhaltsfragen oder zum Schutz von Kindern. Eine umfassende Anerkennung als Ehe erfolgt jedoch regelmäßig nicht.
Ehehindernis bei Eheschließungen im Ausland
Wer im Ausland heiratet, muss die jeweiligen ausländischen Formvorschriften beachten. Für deutsche Staatsangehörige und Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland bleibt das inländische Ehehindernis einer bestehenden Ehe maßgeblich. Eine im Ausland geschlossene zweite Ehe neben einer in Deutschland fortbestehenden Ehe wird daher in Deutschland in der Regel nicht als wirksam behandelt.
Abgrenzungen und Sonderfälle
Religion und traditionelle Ehen
Rein religiöse oder traditionelle Zeremonien ohne zivilrechtliche Beurkundung begründen in Deutschland keine Ehe im rechtlichen Sinne. Solche Verbindungen lösen daher für sich genommen keine Bigamie aus. Gleichwohl können sich aus ihnen tatsächliche Bindungen ergeben, die in Einzelfragen berücksichtigt werden, ohne den Charakter einer zivilrechtlich wirksamen Ehe zu erlangen.
Nichtigkeit und gerichtliche Feststellung
Die zweite Verbindung ist bei Bigamie rechtlich unwirksam. Für Rechtssicherheit und Registerklarheit ist regelmäßig eine gerichtliche Feststellung der Unwirksamkeit erforderlich. Dadurch werden Rechtsfolgen, etwa im Personenstandsregister, konsequent nachvollzogen und betroffene Folgefragen geordnet.
Irrtum, Täuschung und Gutgläubigkeit
Bigamie setzt im Strafrecht Vorsatz voraus. Wer gutgläubig eine Verbindung eingeht, ohne von einer fortbestehenden Ehe oder Partnerschaft zu wissen, erfüllt regelmäßig den Straftatbestand nicht. Zivilrechtlich kann gutgläubiges Verhalten Bedeutung gewinnen, wenn es um Ausgleich von Vermögensverschiebungen oder die Bewertung gemeinsamer Lebensleistungen geht.
Historische Entwicklung
Die Verbotslage der Doppelehe ist in Deutschland historisch verankert und wurde in die Regelungen zur eingetragenen Lebenspartnerschaft übertragen. Seit Einführung der Ehe für alle werden neue eingetragene Lebenspartnerschaften nicht mehr begründet; bestehende bleiben wirksam. Das Verbot der Bigamie gilt fort und erfasst gleichermaßen Ehen und fortbestehende Lebenspartnerschaften.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was gilt in Deutschland als Bigamie?
Als Bigamie gilt die Eingehung einer weiteren Ehe oder einer weiteren eingetragenen Lebenspartnerschaft, obwohl bereits eine solche Verbindung wirksam besteht. Maßgeblich ist, dass zwei zivilrechtlich wirksame Verbindungen nebeneinander bestehen sollen.
Ist eine im Ausland geschlossene zweite Ehe in Deutschland wirksam?
Eine im Ausland geschlossene zweite Ehe neben einer in Deutschland fortbestehenden Ehe wird in Deutschland grundsätzlich nicht als wirksam anerkannt, da das Ehehindernis der bestehenden Ehe entgegensteht.
Welche strafrechtlichen Folgen kann Bigamie haben?
Bigamie ist eine Straftat und kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe geahndet werden. Auch wer eine Ehe oder Partnerschaft mit einer bereits verheirateten bzw. verbandelten Person eingeht und dies weiß, kann strafbar sein.
Hat der zweite Partner Ansprüche auf Unterhalt oder Erbe?
Aus einer bigamischen, also unwirksamen Verbindung entstehen regelmäßig keine ehe- oder partnerschaftsbezogenen Unterhalts- oder Erbansprüche. Rechte verbleiben grundsätzlich beim wirksamen ersten Bund.
Sind Kinder aus einer bigamischen Konstellation benachteiligt?
Die rechtliche Stellung von Kindern hängt nicht von der Wirksamkeit der Ehe der Eltern ab. Abstammung, Unterhalt und Sorge richten sich nach den allgemeinen familienrechtlichen Regeln.
Wirkt sich Bigamie auf Aufenthaltstitel aus?
Aufenthaltsrechte, die an eine Ehe oder Partnerschaft anknüpfen, setzen eine wirksame Verbindung voraus. Bigamische Verbindungen begründen solche Rechte nicht; Täuschungen über den Familienstand können aufenthaltsrechtliche Konsequenzen haben.
Können rein religiöse Trauungen Bigamie auslösen?
Rein religiöse oder traditionelle Zeremonien ohne zivilrechtliche Eheschließung lösen für sich genommen keine Bigamie aus, da sie keine zivilrechtlich wirksame Ehe begründen.
Was geschieht mit gemeinsam erworbenem Vermögen in einer bigamischen Verbindung?
Da die zweite Verbindung unwirksam ist, greifen die ehetypischen Güter- und Ausgleichsregeln nicht. Vermögensfragen werden nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen beurteilt; in Einzelfällen kann gutgläubiges Verhalten Berücksichtigung finden.