Bezugsaktien: Bedeutung, Funktion und rechtliche Einordnung
Bezugsaktien sind neue, im Zuge einer Kapitalerhöhung ausgegebene Aktien, die vorrangig den bestehenden Anteilseignern zum Erwerb angeboten werden. Der Erwerb erfolgt regelmäßig über übertragenbare Bezugsrechte, die den bisherigen Aktionären eine bevorzugte Teilhabe an der Kapitalmaßnahme sichern. Ziel ist es, frisches Eigenkapital einzuwerben und zugleich die bisherige Beteiligungsquote der Anteilseigner vor Verwässerung zu schützen.
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Bezugsaktien häufig auch als „junge Aktien“ oder „neue Aktien“ bezeichnet. Sie unterscheiden sich von bereits bestehenden Aktien vor allem durch den Zeitpunkt ihrer Ausgabe und gegebenenfalls durch den Beginn ihrer Gewinn- und Stimmrechtsberechtigung, bis sie vollständig den Altaktien gleichgestellt sind.
Rechtlicher Rahmen
Gesellschaftsformen und Anwendungsbereich
Bezugsaktien sind insbesondere bei börsennotierten Aktiengesellschaften, Europäischen Gesellschaften (SE) und Kommanditgesellschaften auf Aktien relevant. Bei körperschaftsrechtlichen Strukturen, die keine Aktien ausgeben, findet das Instrument keine Anwendung.
Bezugsrecht als Grundprinzip
Grundsätzlich steht den bestehenden Aktionären ein vorrangiges Bezugsrecht auf neu auszugebende Aktien zu. Dieses Bezugsrecht dient der Wahrung der Anteilsverhältnisse und der Gleichbehandlung. Es kann in eng begrenzten Konstellationen ausgeschlossen oder beschränkt werden, etwa wenn ein sachlicher Grund vorliegt oder technische Zwänge bestehen. Der Ausschluss bedarf eines entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Beschlusses und einer Begründung, die die Interessen der Gesellschaft und der Aktionäre nachvollziehbar abwägt.
Informations- und Veröffentlichungspflichten
Öffentliche Angebote von Bezugsaktien und deren Zulassung zum Handel sind an umfassende Informationspflichten geknüpft. Dies umfasst regelmäßig die Veröffentlichung eines Angebotsdokuments sowie weiterer kapitalmarktrechtlicher Mitteilungen. Unter bestimmten Voraussetzungen bestehen Erleichterungen. Zusätzlich können ad-hoc- oder sonstige kapitalmarktrechtliche Veröffentlichungen erforderlich werden, um über wesentliche Schritte und Parameter der Kapitalmaßnahme zu informieren.
Gleichbehandlungsgrundsatz
Bei der Zuteilung und Ausgestaltung von Bezugsaktien ist der Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre zu beachten. Dies betrifft insbesondere die Festlegung des Bezugsverhältnisses, den Umgang mit Spitzenbeträgen (Aktienbruchteilen) und die Modalitäten des Bezugsrechtsbezugs sowie des Handels mit Bezugsrechten.
Ablauf und technische Abwicklung
Stichtage und Fristen
Der Prozess einer Bezugsrechtsemission folgt einer festgelegten Abfolge:
- Festlegung eines Stichtags zur Ermittlung der bezugsberechtigten Aktionäre.
- Handel „ex Bezugsrecht“ ab einem bestimmten Börsentag; ab diesem Zeitpunkt führt der Erwerb der Altaktie nicht mehr zum Erwerb des Bezugsrechts.
- Beginn und Ende der Bezugsfrist, innerhalb derer Bezugsrechte ausgeübt oder verkauft werden können.
- Abwicklung der Zuteilung und Einbuchung der Bezugsaktien nach Wirksamwerden der Kapitalerhöhung.
Bezugsverhältnis und Bezugspreis
Das Bezugsverhältnis gibt an, wie viele neue Aktien im Verhältnis zu den gehaltenen Altaktien bezogen werden können (z. B. 1:4). Der Bezugspreis wird in der Regel mit einem Abschlag zum Börsenkurs festgelegt, um die Teilnahme an der Kapitalmaßnahme zu erleichtern. Der Preis muss gesellschaftsrechtlichen Anforderungen genügen, insbesondere im Hinblick auf die Angemessenheit und den Mindestemissionspreis. Nicht auf ganze Stücke fallende Bezugsrechte (Spitzen) werden üblicherweise technisch ausgeglichen.
Handel mit Bezugsrechten
Bezugsrechte sind grundsätzlich frei übertragbar und werden für eine begrenzte Zeit an der Börse handelbar gemacht. Nicht ausgeübte Bezugsrechte verfallen mit Fristablauf. Nicht bezogene neue Aktien können im Rahmen einer sogenannten Rumpfplatzierung bei anderen Investoren platziert werden.
Wirksamwerden und Gleichstellung der Bezugsaktien
Bezugsaktien werden nach Wirksamwerden der Kapitalerhöhung in die Wertpapierdepots eingebucht. Stimmrechte entstehen in der Regel mit der Ausgabe der Aktien; die Gewinnberechtigung kann ab Beginn oder ab einem festgelegten Zeitpunkt des Geschäftsjahres einsetzen. Nach ihrer Einbeziehung in den Handel und mit Beginn der vollen Gewinnberechtigung sind Bezugsaktien wirtschaftlich und rechtlich den Altaktien gleichgestellt.
Rechte und Pflichten aus Bezugsaktien
Mitgliedschafts- und Vermögensrechte
Bezugsaktien gewähren nach ihrer Ausgabe die gleichen grundlegenden Rechte wie Altaktien. Hierzu zählen insbesondere Stimmrechte in der Hauptversammlung und der Anspruch auf Dividenden entsprechend der jeweiligen Gewinnberechtigung. Sofern ein abweichender Beginn der Gewinnberechtigung festgelegt ist, kann die erste Dividendenzahlung zeitlich oder betragsmäßig differieren.
Übertragbarkeit und Verfügbarkeit
Nach Einbuchung sind Bezugsaktien handelbar. Soweit für den ersten Zeitraum besondere Notierungsvermerke bestehen (etwa zur abweichenden Gewinnberechtigung), entfällt diese Unterscheidung nach der vollständigen Gleichstellung mit den Altaktien.
Beschlussfassung und Umsetzung auf Emittentenseite
Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsorgan
Die Ausgabe von Bezugsaktien setzt eine entsprechende Beschlussfassung der Gesellschaft voraus. Diese kann unmittelbar über eine Kapitalerhöhung oder über die Nutzung eines zuvor eingeräumten Rahmens erfolgen. Die operative Durchführung obliegt dem Leitungsorgan, regelmäßig unter Beteiligung des Überwachungsorgans. Ein Ausschluss oder eine Beschränkung von Bezugsrechten bedarf einer besonderen Begründung und einer formell ordnungsgemäßen Beschlusslage.
Barkapitalerhöhung und Sacheinlagen
Bezugsaktien werden typischerweise im Rahmen einer Barkapitalerhöhung ausgegeben. Bei Kapitalerhöhungen gegen Sacheinlagen kann das Bezugsrecht ganz oder teilweise ausgeschlossen sein, wenn dies zur Durchführung der Maßnahme erforderlich ist und die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.
Dokumentation und Zuteilung
Die Maßnahme wird durch Angebotsunterlagen, Veröffentlichungen und die technische Abwicklung begleitet. Für die Zuteilung gelten transparente, vorab kommunizierte Regeln. Eine Überzeichnung kann zu einer verhältnismäßigen oder anderweitig festgelegten Zuteilung führen, wobei der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten ist.
Börsenzulassung und Notierung
Zulassung der Bezugsaktien
Bezugsaktien werden nach ihrer Ausgabe zur Notierung im regulären Handelssegment zugelassen, sofern die Gesellschaftsaktien bereits börsennotiert sind und die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt werden. Bezugsrechte selbst können für eine begrenzte Zeit separat gehandelt werden. Die Bezugsaktien erhalten in der Regel dieselbe Wertpapierkennnummer wie die Altaktien, gegebenenfalls mit vorübergehenden Unterscheidungsmerkmalen bis zur vollständigen Gleichstellung.
Besondere Konstellationen
Grenzüberschreitende Angebote
Werden Bezugsaktien auch außerhalb des Heimatmarkts angeboten, sind die einschlägigen ausländischen Kapitalmarktregeln zu beachten. Dies kann zu länderspezifischen Beschränkungen beim Angebot und beim Handel mit Bezugsrechten führen.
Kombinierte Platzierungen
Bezugsrechtsemissionen können mit weiteren Platzierungsmethoden kombiniert werden, beispielsweise mit einer Privatplatzierung für nicht gezeichnete Anteile. Solche Strukturen erfordern klare Zuteilungsmechanismen und die Beachtung der relevanten Informations- und Gleichbehandlungsgrundsätze.
Risiken und Auswirkungen
Verwässerung und Kursanpassung
Werden Bezugsrechte nicht genutzt oder veräußert, kann sich die Beteiligungsquote eines Aktionärs reduzieren. Der Börsenkurs der Altaktien passt sich in der Regel am ersten Handelstag ohne Bezugsrecht rechnerisch an (ex Bezugsrecht). Die Maßnahme kann zudem Marktrisiken unterliegen, etwa hinsichtlich der Nachfrage oder der erfolgreichen Platzierung.
Zeitliche und prozessuale Risiken
Terminliche Verzögerungen, regulatorische Rückfragen oder Marktvolatilität können den Ablauf beeinflussen. Zudem sind Fristen und Formvorschriften einzuhalten, damit Bezugsrechte wirksam ausgeübt werden können.
Abgrenzung und Begriffsklärungen
Bezugsrechte vs. Bezugsaktien
Bezugsrechte sind die von Altaktionären gehaltenen Rechte, eine bestimmte Anzahl neuer Aktien zu einem festgelegten Preis zu erwerben. Bezugsaktien sind die tatsächlich neu ausgegebenen Aktien, die mittels dieser Rechte erworben werden.
„Junge Aktien“ und Gewinnberechtigung
„Junge Aktien“ ist eine geläufige Bezeichnung für neue Aktien bis zu ihrer vollständigen Gleichstellung mit den Altaktien. Häufig wird der Beginn der Gewinnberechtigung festgelegt, um die Integration in den laufenden Geschäftsjahreszyklus zu ordnen.
Häufig gestellte Fragen zu Bezugsaktien
Was sind Bezugsaktien?
Bezugsaktien sind neu ausgegebene Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung, die vorrangig bestehenden Aktionären über übertragbare Bezugsrechte angeboten werden, um ihre Beteiligungsquote zu sichern und der Gesellschaft zusätzliches Eigenkapital zuzuführen.
Welche Rechte sind mit Bezugsaktien verbunden?
Bezugsaktien vermitteln nach ihrer Ausgabe grundsätzlich die gleichen Mitgliedschafts- und Vermögensrechte wie Altaktien, insbesondere Stimmrechte in der Hauptversammlung und einen Anspruch auf Dividenden gemäß der festgelegten Gewinnberechtigung.
Wann entstehen Stimm- und Dividendenrechte aus Bezugsaktien?
Stimmrechte entstehen in der Regel mit der Ausgabe und Einbuchung der Bezugsaktien. Die Dividendenberechtigung beginnt entweder rückwirkend ab dem Geschäftsjahresbeginn oder zu einem festgelegten Zeitpunkt, der in den Angebotsunterlagen angegeben ist.
Können Bezugsrechte ausgeschlossen oder beschränkt werden?
Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Bezugsrechts ist in bestimmten, sachlich gerechtfertigten Fällen möglich und setzt eine ordnungsgemäße Beschlussfassung sowie eine nachvollziehbare Begründung voraus, die die Interessen der Gesellschaft und der Aktionäre berücksichtigt.
Was passiert, wenn Bezugsrechte nicht genutzt werden?
Nicht genutzte Bezugsrechte verfallen nach Ablauf der Bezugsfrist. In der Regel besteht während der Bezugsfrist die Möglichkeit, Bezugsrechte zu veräußern; nicht bezogene neue Aktien können anschließend anderweitig platziert werden.
Wie werden Bezugspreis und Bezugsverhältnis festgelegt?
Bezugspreis und Bezugsverhältnis werden von der Gesellschaft festgelegt. Der Bezugspreis liegt häufig unter dem aktuellen Börsenkurs und muss gesellschaftsrechtlichen Anforderungen genügen; das Bezugsverhältnis bestimmt, wie viele neue Aktien pro gehaltene Altaktie erworben werden können.
Sind Bezugsaktien sofort handelbar?
Bezugsaktien sind nach Einbuchung grundsätzlich handelbar. Bis zur vollständigen Gleichstellung mit den Altaktien kann ein vorübergehender Unterscheidungsvermerk bestehen, der nach Beginn der vollen Gewinnberechtigung entfällt.
Welche Informationspflichten gelten bei Bezugsaktien?
Öffentliche Angebote und Börsenzulassungen von Bezugsaktien unterliegen umfangreichen Informationspflichten. Dies umfasst Angebotsunterlagen und gegebenenfalls weitere kapitalmarktrechtliche Veröffentlichungen, die die wesentlichen Bedingungen und Risiken der Maßnahme beschreiben.