Legal Lexikon

Bezirkstag


Begriff und Rechtsstellung des Bezirkstags

Der Bezirkstag ist das zentrale Organ der Bezirksebene in der Bundesrepublik Deutschland. Er stellt das gewählte Vertretungsorgan des jeweiligen Bezirks dar, eines kommunalen Selbstverwaltungsträgers, der in einigen Bundesländern – insbesondere in Bayern – zwischen der Kreisebene (Landkreis) und der Landesebene existiert. Der Bezirkstag nimmt innerhalb der Bezirksverwaltung eine zentrale Steuerungs- und Kontrollfunktion wahr. Seine rechtliche Verankerung, Aufgabenverteilung sowie Wahl und Zusammensetzung sind detailliert in den entsprechenden Landesgesetzen geregelt.

Rechtsgrundlagen und historische Entwicklung

Gesetzliche Grundlagen

Die rechtliche Basis für die Einrichtung und die Arbeit der Bezirkstage ist in Landesgesetzen verankert. In Bayern beispielsweise bildet die Bezirksordnung (BezO) die Grundlage, insbesondere in Artikeln 20 ff. Auch andere Länder, die eine Bezirksebene kennen, regeln die Tätigkeit der Bezirkstage auf Landesebene.

Historische Entwicklung

Die Entstehung der Bezirkstage ist eng mit dem Ausbau der kommunalen Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert verbunden. Sie wurden eingeführt, um auf der mittleren Verwaltungsebene Bürgerbeteiligung und demokratische Legitimation sicherzustellen. Im Laufe der Zeit haben sich die Aufgabenbereiche und die Bedeutung des Bezirkstags weiterentwickelt und wurden regelmäßig an aktuelle Anforderungen angepasst.

Organisation und Zusammensetzung

Wahl und Amtsdauer

Die Mitglieder des Bezirkstags werden in allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen gewählt. In Bayern erfolgt die Wahl gleichzeitig mit der Wahl der Kreistage. Die Amtszeit beträgt in der Regel fünf oder sechs Jahre, abhängig von den jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen.

Zusammensetzung des Bezirkstags

Die Anzahl der Mitglieder variiert je nach Größe des Bezirks und ist gesetzlich festgelegt. Die Sitze werden nach dem Verhältniswahlsystem auf die zur Wahl zugelassenen Parteien und Wählergruppen verteilt. Der Bezirkstag wählt aus seiner Mitte einen Präsidenten bzw. Bezirkstagspräsidenten und gegebenenfalls weitere Mitglieder des Vorstands.

Ausschüsse und Arbeitsweise

Der Bezirkstag bildet zur effektiven Erfüllung seiner Aufgaben Fachausschüsse, die sich mit spezifischen Themenbereichen befassen, zum Beispiel Finanzen, Soziales, Gesundheit und Kultur. Die Ausschüsse bereiten die Sachthemen vor, über die anschließend im Plenum entschieden wird.

Aufgaben und Zuständigkeiten

Gesetzlich übertragene Aufgaben

Der Bezirkstag ist für eine breite Palette von Aufgaben zuständig, die ihm durch die Landesgesetze zugewiesen werden. Zu den zentralen Zuständigkeiten gehören insbesondere die folgenden Bereiche:

Soziale Sicherung

Der Bezirkstag verwaltet und gestaltet wichtige Leistungen im Sozialwesen, darunter die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen, Erbringung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (z. B. SGB IX, SGB XII) sowie die Unterstützung von psychiatrischen und sozialpsychiatrischen Einrichtungen.

Gesundheitswesen

Eine weitere Kernaufgabe ist die Förderung und Steuerung gesundheitlicher Einrichtungen, wie psychiatrische Kliniken und Fachkliniken. Zudem ist der Bezirkstag für die Weiterentwicklung des regionalen Angebots verantwortlich.

Kultur und Bildung

Die Förderung kultureller Einrichtungen, Museen, Bibliotheken oder auch die Pflege von Brauchtum und Tradition obliegt in vielen Landesteilen dem Bezirk. Im Bereich der Bildung erstrecken sich die Aufgaben auf Fach- und Sonderschulen.

Förderaufgaben

Zahlreiche Fördermaßnahmen in den Bereichen Umwelt, Heimatpflege, Landwirtschaft oder Tourismus werden durch den Bezirkstag beschlossen und umgesetzt.

Selbstverwaltungsrecht des Bezirkstags

Der Bezirkstag handelt als Kommunalvertretung nach Maßgabe der demokratischen Selbstverwaltung. Ihm obliegt die autonome Regelung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Entscheidungen werden durch Satzungen, allgemeine Beschlüsse oder Verwaltungsakte herbeigeführt.

Sitzungen und Beschlussfassung

Öffentlichkeit und Transparenz

Sitzungen des Bezirkstags sind grundsätzlich öffentlich, sofern keine gesetzlichen Ausschlussgründe vorliegen. Dies garantiert die Transparenz der Entscheidungsprozesse. Für einzelne Angelegenheiten können nichtöffentliche Sitzungen vorgesehen werden.

Beschlussfassung

Der Bezirkstag fällt Beschlüsse mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit der anwesenden Mitglieder. Für bestimmte Entscheidungen, wie die Verabschiedung des Bezirkshaushalts, sind qualifizierte Mehrheiten oder besondere Verfahren vorgeschrieben.

Stellung im Verhältnis zu anderen Ebenen

Verhältnis zur Landesregierung und zu Landkreisen

Der Bezirkstag ist das höchste Organ des Bezirks und von der Landesregierung sowie den unteren Verwaltungseinheiten organisatorisch und funktionell unabhängig. Er übt keine allgemeine Aufsicht über Kreise aus, steht aber im Rahmen spezifischer fachlicher Aufgabenerfüllung in einem abgestimmten Verhältnis zu anderen kommunalen Körperschaften.

Kontroll- und Aufsichtsrechte

Die Handlungen und Beschlüsse des Bezirkstags können einer Rechtsaufsicht durch die jeweilige Landesaufsichtsbehörde unterliegen, jedoch nicht der Fachaufsicht. Die Rechtsaufsicht erstreckt sich darauf, zu prüfen, ob der Bezirkstag im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften handelt.

Bedeutung des Bezirkstags innerhalb der deutschen Verwaltungsstruktur

Der Bezirkstag nimmt in den Bundesländern mit Bezirksebene eine zentrale Rolle bei der kommunalen Selbstverwaltung ein. Die durch ihn gesteuerte regionale Steuerung sozialer, gesundheitlicher und kultureller Aufgaben unterstreicht den föderalen und dezentralen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland. Durch den Bezirkstag wird die demokratische Willensbildung der Bevölkerung auf regionaler Ebene gewährleistet und die Selbstverwaltung gesichert.


Literatur und Weblinks

Häufig gestellte Fragen

Welche Aufgaben und Befugnisse hat der Bezirkstag nach rechtlicher Grundlage?

Der Bezirkstag ist das zentrale Organ der kommunalen Selbstverwaltung auf der Ebene des Bezirks gemäß den Vorschriften des Bayerischen Bezirksordnungsgesetzes (BezO), insbesondere §§ 18 ff. BezO. Er hat die Aufgabe, über alle Angelegenheiten des Bezirks zu entscheiden, soweit diese nicht ausdrücklich dem Bezirkstagspräsidenten oder anderen Organen übertragen sind. Zu den wesentlichen Aufgaben gehören die Beschlussfassung über den Haushalt des Bezirks, die Festsetzung und Erhebung von Umlagen, die Errichtung, Übernahme und Auflösung von Bezirksanstalten sowie die Bestellung und Entlassung wichtiger Funktionsträger gemäß § 22 BezO. Der Bezirkstag ist dabei an die gesetzlichen Rahmenbedingungen, insbesondere an die Vorschriften des Kommunalrechts, Haushaltsrechts und des Verwaltungsverfahrensgesetzes gebunden. Weiterhin übt der Bezirkstag die Kontrolle über die gesamte Bezirksverwaltung aus und stellt somit ein zentrales Element der demokratischen Legitimation und Kontrolle in der Bezirksverwaltung dar.

Nach welchem Verfahren werden die Mitglieder des Bezirkstags gewählt?

Die Wahl der Mitglieder des Bezirkstags richtet sich nach dem Kommunalwahlrecht, konkret nach den Vorschriften des Bayerischen Kommunalwahlgesetzes (KWG) und der Kommunalwahlordnung (KWO). Die Wahl erfolgt grundsätzlich in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl nach den Grundsätzen der personalisierten Verhältniswahl. Das Wahlgebiet ist dabei in Wahlkreise eingeteilt, denen jeweils eine bestimmte Zahl von Sitzen zuzuteilen ist (§ 8 KWG). Die Sitzzuteilung erfolgt nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren oder einem anderen in der jeweiligen landesrechtlichen Vorschrift genannten Verfahren. Die Mandatsdauer entspricht in Bayern grundsätzlich sechs Jahren, wobei eine Wiederwahl zulässig ist. Wahlberechtigt sind alle volljährigen EU-Bürger mit Hauptwohnsitz im Bezirk am Wahltag gemäß § 1 KWG. Die Rechtmäßigkeit der Wahl und etwaige Wahlanfechtungen richten sich nach den §§ 39 ff. KWO.

Welche gesetzliche Grundlage regelt die Rechte und Pflichten der Mitglieder des Bezirkstags?

Die Rechte und Pflichten der Mitglieder des Bezirkstags sind in der Bayerischen Bezirksordnung (BezO) normiert, insbesondere in den §§ 21-26 BezO. Sie sind verpflichtet, an den Sitzungen teilzunehmen und haben das Recht auf Ausübung des Antrags- und Rederechts in den Sitzungen des Bezirkstags. Sie unterliegen der Verschwiegenheitspflicht (§ 21 BezO) bezüglich vertraulicher Angelegenheiten, die ihnen in ihrer Funktion bekannt wurden. Zudem besteht eine Interessenskollision: Bei Beratung und Beschlussfassung über Angelegenheiten, an denen ein eigenes wirtschaftliches Interesse besteht, müssen sich Mitglieder der Abstimmung enthalten (§ 22 Abs. 4 BezO). Zu den weiteren Pflichten zählt die Einhaltung der Geschäftsordnung des Bezirkstags und die Mitwirkung in Ausschüssen. Die Mitglieder sind durch das Kommunalrecht zudem besonders vor Benachteiligungen aufgrund ihrer Mandatsausübung geschützt (Mandatsträgerschutz).

Wie wird der Bezirkstagspräsident rechtlich bestimmt und welche Funktion nimmt er ein?

Der Bezirkstagspräsident wird gemäß § 18 BezO unmittelbar in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl von den Bürgern des Bezirks gewählt. Seine Amtszeit beträgt ebenfalls sechs Jahre; eine Wiederwahl ist möglich. Der Bezirkstagspräsident repräsentiert den Bezirk nach außen (Organvertretung) und leitet die Verwaltung des Bezirks. In seiner Funktion ist er rechtlich verantwortlich für die ordnungsgemäße Vorbereitung und Durchführung der Beschlüsse des Bezirkstags sowie für die Leitung der Sitzungen. Ihm obliegt die Geschäftsführung im Rahmen der vom Bezirkstag gesetzten Grundsätze und die Wahrnehmung der Geschäfte der laufenden Verwaltung. Seine Rechte und Pflichten werden durch die Bezirksordnung und die Geschäftsordnung des jeweiligen Bezirkstags konkretisiert. Der Bezirkstagspräsident trägt zudem die Disziplinargewalt über das Personal sowie das Recht zur Übertragung und dem Entzug von Aufgaben an seine Stellvertreter.

Welche rechtlichen Regelungen gelten für die Bildung von Ausschüssen im Bezirkstag?

Die Bildung von Ausschüssen im Bezirkstag ist in § 24 BezO geregelt. Der Bezirkstag kann zur Vorbereitung und Vorberatung seiner Beschlüsse ständige oder zeitweilige Ausschüsse einsetzen, mit denen Aufgaben gemäß seiner Geschäftsordnung delegiert werden dürfen. Die Besetzung der Ausschüsse erfolgt nach dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit, also proportional entsprechend der Stärke der Fraktionen im Bezirkstag. Die Wahl der Ausschussmitglieder erfolgt nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Bezirkstags und ist an die Vorschriften zur Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Inkompatibilitäten gebunden. Ausschüsse tagen grundsätzlich nichtöffentlich, sofern nicht anders bestimmt; ihre Empfehlungen werden dem Plenum zur endgültigen Beschlussfassung vorgelegt. Besondere Bedeutung erhalten Pflichtausschüsse wie der Rechnungsprüfungsausschuss, dessen Einrichtungen und Aufgaben gesetzlich vorgeschrieben sind.

Wie werden Beschlüsse des Bezirkstags rechtlich gefasst und welche Formerfordernisse bestehen?

Beschlüsse des Bezirkstags bedürfen gemäß § 20 BezO einer ordnungsgemäßen Einberufung des Bezirkstags sowie der rechtzeitigen und vollständigen Information der Mitglieder über die Tagesordnung (unter Beachtung der Ladungsfristen und -formen laut Geschäftsordnung). Die Beschlussfähigkeit des Bezirkstags ist nur dann gegeben, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. Beschlüsse werden grundsätzlich mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst, sofern rechtlich nicht ausdrücklich eine qualifizierte Mehrheit vorgeschrieben ist (z. B. bei Satzungsbeschlüssen oder Entscheidungen über den Haushalt). Über die Sitzungen und die gefassten Beschlüsse ist ein Protokoll zu führen, das rechtlich bindenden Charakter hat und im Streitfall als Beweismittel dient. Stimmenthaltungen und das Abstimmungsverhalten einzelner Mitglieder sind entsprechend der Geschäftsordnung im Protokoll zu vermerken.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen zur Überprüfung und Anfechtung von Beschlüssen des Bezirkstags?

Die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen des Bezirkstags kann auf mehreren Wegen überprüft werden. Nach §§ 48, 49 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) können fehlerhafte Beschlüsse von der Aufsichtsbehörde (Kommunalaufsicht) beanstandet, aufgehoben oder für nichtig erklärt werden, wenn sie gegen geltendes Recht verstoßen. Zudem steht betroffenen Bürgern und Mitgliedern des Bezirkstags im Rahmen der Kommunalverfassungsstreitigkeit und unter bestimmten Voraussetzungen auch der Weg zu den Verwaltungsgerichten offen (§§ 40 ff. VwGO). Weiterhin kann durch die Öffentlichkeit oder einzelne Mandatsträger Einspruch gegen den Ablauf oder die Beschlussfassung eingelegt werden, der nach den Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen (z. B. § 23 BezO) behandelt wird. Schließlich sieht das Kommunalverfassungsrecht vor, dass bei festgestellten Formfehlern eine Heilung durch wiederholte Befassung oder förmliche Bestätigung des Beschlusses möglich ist.

In welchen Fällen ist der Bezirkstag zur Öffentlichkeit verpflichtet?

Die Sitzungen des Bezirkstags sind grundsätzlich öffentlich, sofern nicht das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner entgegenstehen (§ 20 Abs. 2 BezO). Über den Ausschluss der Öffentlichkeit entscheidet der Bezirkstag in nichtöffentlicher Sitzung. In Angelegenheiten, die personenbezogene Daten, Geschäftsgeheimnisse oder sicherheitsrelevante Informationen betreffen, muss die Öffentlichkeit zwingend ausgeschlossen werden. Die rechtlichen Grundlagen für die Verpflichtung zur Öffentlichkeit von Sitzungen dienen der demokratischen Transparenz und Kontrolle, was wiederum die Nachvollziehbarkeit politischer Entscheidungen für die Bürger sicherstellen soll. Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist im Protokoll zu vermerken und bedarf einer klaren Begründung, die sich an den gesetzlichen Bestimmungen orientiert.