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Bezahlter Urlaub


Definition und Rechtsgrundlagen des bezahlten Urlaubs

Der Begriff bezahlter Urlaub bezeichnet einen gesetzlich oder vertraglich geregelten Anspruch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Freistellung von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des regelmäßigen Arbeitsentgelts. Bezahlter Urlaub stellt ein zentrales Element des Arbeitsrechts dar und dient dem Schutz der Erholungsfähigkeit der Beschäftigten sowie der Sicherstellung ihrer Gesundheit. Maßgeblich normiert wird der Anspruch auf bezahlten Urlaub insbesondere durch das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), tarifliche Regelungen, das Arbeitszeitgesetz sowie individualvertragliche Absprachen.


Historische Entwicklung des bezahlten Urlaubs

Der Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub entwickelte sich in mehreren Schritten. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurden in Deutschland erste Regelungen zum bezahlten Urlaub eingeführt. Mit dem Inkrafttreten des Bundesurlaubsgesetzes im Jahr 1963 wurde ein bundeseinheitlicher Mindestanspruch auf bezahlten Erholungsurlaub geschaffen. Die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments zur Arbeitszeitgestaltung hat zudem europaweit verbindliche Mindeststandards für den bezahlten Jahresurlaub festgelegt.


Gesetzliche Regelungen zum bezahlten Urlaub

Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)

Das Bundesurlaubsgesetz bildet die zentrale gesetzliche Grundlage für das Urlaubsrecht in Deutschland. § 1 BUrlG garantiert Arbeitnehmern einen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt nach § 3 Abs. 1 BUrlG jährlich mindestens 24 Werktage (bei einer Sechstagewoche). Bei einer Fünf-Tage-Arbeitswoche entspricht dies 20 Arbeitstagen pro Kalenderjahr.

Anspruchsberechtigung

Urlaubsberechtigt sind grundsätzlich alle Arbeitnehmer einschließlich Auszubildender, Teilzeitkräfte und geringfügig Beschäftigter. Der Anspruch entsteht nach § 4 BUrlG erstmals sechs Monate nach Bestehen des Arbeitsverhältnisses (Wartezeit).

Berechnung und Bemessung des Urlaubsanspruchs

Die Dauer des Urlaubs berechnet sich nach der Anzahl der für den Arbeitnehmer regelmäßigen Arbeitstage pro Woche. Bei abweichenden Arbeitszeitmodellen erfolgt eine anteilige Berechnung. Zudem können tarifvertragliche oder individuelle Regelungen den gesetzlichen Mindesturlaub zugunsten der Beschäftigten erhöhen.

Teilurlaub und Übertragbarkeit

Scheint das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr nicht voll zu bestehen, etwa durch Eintritt oder Ausscheiden während des Jahres, so besteht gemäß § 5 BUrlG ein anteiliger Urlaubsanspruch. Nicht genommener Urlaub muss nach § 7 Abs. 3 BUrlG grundsätzlich bis zum Ende des Kalenderjahres genommen werden, kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen bis zum 31. März des Folgejahres übertragen werden.


Europarecht und nationale Umsetzung

Die europäische Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) setzt einen Mindesturlaub von vier Wochen pro Jahr fest. Diese Vorschrift ist in Deutschland durch das BUrlG umgesetzt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mehrfach klargestellt, dass jede Einschränkung des Urlaubsanspruchs am Zweck der Erholung zu messen ist und strengen Maßstäben unterliegt.


Entgeltfortzahlung während des Urlaubs

Grundsatz der Entgeltfortzahlung

Dem Sinn und Zweck des bezahlten Urlaubs entsprechend erhält der Arbeitnehmer für die Dauer des Urlaubs gemäß § 11 BUrlG grundsätzlich das durchschnittliche Arbeitsentgelt weiter. Maßgeblich ist hierbei das Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer ohne Urlaub erhalten hätte („Urlaubsentgelt“).

Berechnung des Urlaubsentgelts

Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten 13 Wochen vor Beginn des Urlaubszeitraums. Überstunden, Zulagen und regelmäßig geleistete Zuschläge sind bei der Berechnung grundsätzlich einzubeziehen.


Sonderformen des bezahlten Urlaubs

Zusätzlicher Urlaub für bestimmte Personengruppen

Einige Personengruppen haben nach besonderen Vorschriften Anspruch auf weiteren bezahlten Urlaub. Hierzu zählen:

  • Jugendliche: Nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz steht Jugendlichen je nach Altersgruppe ein höherer Mindesturlaub zu (§ 19 JArbSchG).
  • Schwerbehinderte Menschen: Nach § 208 SGB IX erhalten schwerbehinderte Beschäftigte einen zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen pro Jahr.

Sonderurlaub

Neben dem Erholungsurlaub regeln Gesetze und Tarifverträge auch weiteren bezahlten Freistellungsanspruch, etwa im Fall von Heirat, Geburt oder Todesfall naher Angehöriger. Diese Sonderformen sind jedoch nicht im Bundesurlaubsgesetz, sondern in anderen Regelungswerken normiert.


Urlaubsabgeltung und Urlaubsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Abgeltung nicht genommenen Urlaubs

Scheint das Arbeitsverhältnis aus und besteht noch ein offener Urlaubsanspruch, so ist dieser nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Das bedeutet, der Arbeitnehmer erhält für den nicht genommenen Urlaub eine finanzielle Kompensation.

Verfall von Urlaubsansprüchen

Nicht genommenen Urlaub kann grundsätzlich bis zum Ende des Kalenderjahres oder, bei Übertragung, bis zum 31. März des Folgejahres gewährt werden. Unterlassene Urlaubsgewährung kann bei schuldhaftem Verhalten des Arbeitgebers zu weiter gehenden Ansprüchen führen. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verfällt Urlaub nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig und nachweisbar darauf hingewiesen hat.


Krankheit und bezahlter Urlaub

Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden gemäß § 9 BUrlG die durch ärztliches Attest nachgewiesenen Krankheitstage nicht auf den Urlaub angerechnet. Die erkrankten Urlaubstage sind demnach als bezahlte Urlaubstage gutzuschreiben und können zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch genommen werden.


Tarifliche und vertragliche Regelungen

Tarifverträge und Arbeitsverträge können vom Bundesurlaubsgesetz abweichende, für die Arbeitnehmer günstigere Regelungen vorsehen. Häufig gewähren sie einen über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Anspruch auf bezahlten Urlaub.


Steuerliche Behandlung und sozialversicherungsrechtliche Aspekte

Das während des bezahlten Urlaubs gezahlte Entgelt unterliegt der Steuerpflicht sowie der Sozialversicherungspflicht in gleicher Weise wie das reguläre Arbeitsentgelt.


Internationaler Vergleich des bezahlten Urlaubs

Die Regelungen zum bezahlten Jahresurlaub unterscheiden sich international zum Teil erheblich. Während die Mindesturlaubsansprüche in der Europäischen Union harmonisiert wurden, existieren in anderen Staaten (z. B. USA) keine gesetzlichen Mindeststandards.


Fazit

Bezahlter Urlaub ist ein maßgeblicher Bestandteil des Arbeitsverhältnisses und dient der Erholung sowie dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Seine rechtliche Ausgestaltung erfolgt primär durch das Bundesurlaubsgesetz, ergänzt durch europäische Vorgaben, tarifliche und vertragliche Regelungen sowie Sondergesetze. Ein umfassendes Verständnis der gesetzlichen Vorgaben ist für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer von zentraler Bedeutung, um die ordnungsgemäße Gewährung und Inanspruchnahme des bezahlten Urlaubs zu gewährleisten.

Häufig gestellte Fragen

Was passiert mit dem Urlaubsanspruch bei längerer Krankheit?

Erkrankt ein Arbeitnehmer längere Zeit, bleibt sein gesetzlicher Urlaubsanspruch trotzdem bestehen. Nach § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) werden die durch ärztliches Attest nachgewiesenen Krankheitstage, die während eines genehmigten Urlaubs liegen, nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. Wird der Urlaub aus Krankheitsgründen gar nicht angetreten oder währenddessen erkrankt, kann der Arbeitnehmer den Urlaub zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. Allerdings verfällt nicht genommener Urlaub auch während und nach einer längeren Krankheit grundsätzlich spätestens 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) bestätigte. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Arbeitnehmer rechtzeitig und ausdrücklich auf den bevorstehenden Urlaubsverfall hinzuweisen und zur Inanspruchnahme des Urlaubs aufzufordern, andernfalls kann sich die Frist verlängern. Für den übergesetzlichen, also vertraglich zugesicherten Mehrurlaub, gelten abweichende Regelungen, bei denen der Verfall auch schneller eintreten kann – je nach Tarif- oder Arbeitsvertrag.

Kann der Arbeitgeber den bereits genehmigten Urlaub wieder streichen?

Ein einmal vom Arbeitgeber genehmigter Urlaub kann grundsätzlich nicht einseitig widerrufen werden. Die Urlaubsgewährung stellt eine verbindliche Zusage dar. Nur in seltenen Ausnahmesituationen, etwa bei unvorhersehbaren Notfällen, die den Betrieb ernsthaft gefährden würden (z.B. Naturkatastrophen, akute betriebliche Existenzgefährdung), kann der Arbeitgeber einen bereits bewilligten Urlaub widerrufen. In solchen Fällen ist ein Widerruf aber nur mit enger rechtlicher Begründung zulässig, und der Arbeitgeber muss dem betroffenen Arbeitnehmer sämtliche durch die kurzfristige Änderung entstehende Kosten (z.B. Stornogebühren für Reisen) ersetzen. Ohne ein solch unabwendbares Ereignis bleibt der genehmigte Urlaub bestehen, ein Widerruf wäre unzulässig.

Muss der Urlaub vollständig im laufenden Kalenderjahr genommen werden?

Nach dem Bundesurlaubsgesetz (§ 7 Abs. 3 BUrlG) muss der Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen und gewährt werden. Nur aus dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen – beispielsweise krankheitsbedingt – kann der Urlaub auf das nächste Kalenderjahr übertragen werden. Der übertragene Urlaub muss dann aber bis spätestens zum 31. März des Folgejahres genommen werden, andernfalls verfällt er. Das betrifft jedoch ausschließlich den gesetzlichen Mindesturlaub; für vertraglich gewährte Zusatzurlaubstage können abweichende Regelungen im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag stehen. Verpasst es der Arbeitgeber, den Arbeitnehmer rechtzeitig und klar über den drohenden Verfall zu informieren, bleibt der Anspruch unter Umständen weiter bestehen.

Wie wird der Urlaubsanspruch bei Teilzeit berechnet?

Arbeitnehmer in Teilzeit haben grundsätzlich denselben Anspruch auf bezahlten Urlaub wie Vollzeitbeschäftigte, allerdings wird die Anzahl der Urlaubstage an die Anzahl der Wochenarbeitstage angepasst. Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass der Urlaubsanspruch anteilig nach den regelmäßig gearbeiteten Tagen pro Woche zu berechnen ist. Arbeitet ein Teilzeitbeschäftigter zum Beispiel nur drei statt fünf Tage pro Woche, reduziert sich auch der Anspruch anteilig (bei 20 Urlaubstagen/Jahr bei Fünftagewoche, entsprächen das 12 Urlaubstage/Jahr bei Dreitagewoche). Die Berechnung erfolgt somit im Verhältnis der Teilzeittage zur betrieblichen Regelarbeitswoche. Wichtig: Bei Arbeit auf Abruf oder wechselnden Arbeitstagen richtet sich der Anspruch nach dem tatsächlich durchschnittlich geleisteten Arbeitspensum.

Kann nicht genommener Urlaub ausbezahlt werden?

Eine Auszahlung von Urlaubsansprüchen, auch als Urlaubsabgeltung bezeichnet, ist nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt: Grundsätzlich ist der Erholungsurlaub in natura zu nehmen, denn er dient der Erholung des Arbeitnehmers. Eine Auszahlung ist nur möglich, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr genommen werden kann. Der Arbeitnehmer hat dann Anspruch auf Abgeltung der nicht genommenen Urlaubstage. Die Berechnung des auszuzahlenden Betrags richtet sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Eine Urlaubsabgeltung während eines laufenden Arbeitsverhältnisses ist gesetzlich nicht vorgesehen und arbeitsrechtlich unzulässig.

Kann der Arbeitgeber kurzfristig Betriebsurlaub anordnen?

Betriebsurlaub ist grundsätzlich zulässig, setzt aber die rechtzeitige Bekanntgabe und Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer voraus. Eine spontane oder sehr kurzfristige Anordnung ist arbeitsrechtlich unzulässig, da der Arbeitnehmer Planungssicherheit für seinen Erholungsurlaub benötigt. Üblicherweise wird Betriebsurlaub im Voraus im Jahresplan festgelegt und kann – insbesondere, wenn er einen Großteil des Jahresurlaubs betrifft – nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat oder in Tarifverträgen bzw. Betriebsvereinbarungen geregelt werden (§ 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG). Der Arbeitgeber muss zudem einen Teil des Urlaubs zur freien Verfügung der Arbeitnehmer belassen.

Was passiert mit dem Urlaubsanspruch bei Wechsel des Arbeitgebers im laufenden Jahr?

Wechselt ein Arbeitnehmer innerhalb eines Kalenderjahres den Arbeitgeber, regelt § 6 BUrlG, dass der gesetzliche Mindesturlaub nur einmal gewährt werden darf. Der vorherige Arbeitgeber ist verpflichtet, eine Urlaubsbescheinigung über die bereits gewährten oder abgegoltenen Urlaubstage auszustellen. Der neue Arbeitgeber muss diese berücksichtigen. Im neuen Arbeitsverhältnis kann daher nur noch Resturlaub beansprucht werden, soweit der Mindestanspruch von (i.d.R.) 20 Tagen bei einer Fünftagewoche noch nicht ausgeschöpft ist. Wurde noch kein Urlaub vom alten Arbeitgeber genommen, besteht ein voller Anspruch gegenüber dem neuen Arbeitgeber. Wenn bereits mehr Urlaub gewährt wurde, als dem gesetzlichen Mindestanspruch entspricht, kann der neue Arbeitgeber diese überzähligen Tage vom Urlaubsanspruch abziehen. Für darüber hinausgehenden vertraglichen Mehrurlaub gelten die individuellen Vereinbarungen.