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Bewertungsgesetz


Bewertungsgesetz (BewG): Rechtliche Grundlagen und umfassende Analyse

Einleitung

Das Bewertungsgesetz (kurz: BewG) bildet die zentrale Rechtsgrundlage für die steuerliche Bewertung von Vermögensgegenständen in Deutschland. Es regelt insbesondere die Ermittlung der Werte für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der Grundsteuer. Das Gesetz ist ein maßgeblicher Bestandteil des deutschen Steuerrechts und gewährleistet durch seine Vorschriften die Gleichmäßigkeit und Rechtsklarheit der Bewertung unterschiedlicher Vermögensarten.


Rechtlicher Rahmen und Geltungsbereich

Historie und Entwicklung des Bewertungsgesetzes

Das Bewertungsgesetz trat erstmals 1935 in Kraft und ist seitdem mehrfach novelliert worden. Es wurde geschaffen, um die zersplitterte Bewertungsrechtslage zu vereinheitlichen. Ziel ist eine steuerübergreifende, allgemein anwendbare Bewertungsgrundlage, insbesondere für Steuern, bei denen der Wert von Vermögensgegenständen eine zentrale Rolle spielt.

Anwendungsbereich (§ 1 BewG)

Das Bewertungsgesetz findet Anwendung bei der Bewertung von Vermögensgegenständen, soweit dies für die Festsetzung von Steuern durch das Gesetz angeordnet ist. Dazu zählen nach § 1 BewG insbesondere:

  • Erbschaft- und Schenkungsteuer
  • Grundsteuer
  • Weitere direkte und indirekte Steuerarten, sofern ausdrücklich darauf verwiesen wird

Das Bewertungsgesetz ist ein Rahmengesetz, das überall dort Anwendung findet, wo Steuerwerte zu ermitteln sind und keine speziellen Bewertungsregeln vorgehen.


Systematik und Aufbau des Bewertungsgesetzes

Allgemeine Bewertungsregeln (§§ 2 bis 16 BewG)

Die allgemeinen Vorschriften enthalten Grundsätze, die für sämtliche Arten von Vermögensbewertungen gelten. Neben dem Stichtagsprinzip (§ 11 BewG) werden hier Bewertungsmaßstab, Bewertungsstichtag und weitere Grundsätze geregelt.

  • Stichtagsprinzip: Maßgeblich für die Bewertung ist grundsätzlich der Tag, an dem die Steuer entsteht.
  • Grundsatz des gemeinen Werts: Soweit nichts anderes bestimmt ist, ist der gemeine Wert anzusetzen (vgl. § 9 BewG).
  • Ergänzende Bewertungsgrundsätze: Umrechnung von Werten, Bewertung von Nutzungsrechten, Belastungen und Schulden.

Besondere Bewertungsregelungen (§§ 17 bis 150 BewG)

In diesen Vorschriften finden sich spezielle Bewertungsvorschriften für einzelne Vermögensarten:

Bewertung von Grundvermögen (§§ 138 ff. BewG)

  • Grundstücke: Feststellung des Werts bebauter und unbebauter Grundstücke erfolgt nach den im Gesetz geregelten Bewertungsverfahren, insbesondere dem Vergleichswert-, Ertragswert- und Sachwertverfahren.
  • Betriebsgrundstücke: Für betriebliche Grundstücke gelten spezielle Regelungen.

Bewertung von Betriebsvermögen (§§ 95 ff. BewG)

  • Betriebe des Land- und Forstwirtschaft (§§ 140 ff. BewG)
  • Gewerbebetriebe, Anteile an Kapitalgesellschaften (§§ 109 bis 122 BewG)
  • Bewertung erfolgt in der Regel nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren, wobei regelmäßig auf Unternehmenskennzahlen wie Erträge und Substanzwerte zurückgegriffen wird.

Bewertung von sonstigem Vermögen

  • Anteile an Kapitalgesellschaften (ohne Börsenkurs): Nach §§ 11 und 12 BewG ermittelt.
  • Wertpapiere mit Börsenkurs: Bewertung zum letzten im Verkehr notierten Kurs.
  • Bankguthaben und Forderungen: Ansetzung zu ihrem Nennwert.

Spezielle Bewertungsverfahren im BewG

Wertermittlungsverfahren der Immobilienbewertung

Um aktuellen rechtlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen, sieht das Bewertungsgesetz verschiedene standardisierte Verfahren zur Wertermittlung vor:

  • Ertragswertverfahren: Nutzung bei vermieteten Immobilien und Grundstücken mit Ertragspotential.
  • Sachwertverfahren: Heranziehung insbesondere bei selbstgenutzten Ein- und Zweifamilienhäusern.
  • Vergleichswertverfahren: Anwendung bei Grundstücken, für die hinreichende Vergleichswerte vorliegen.

Regelmäßige Anpassungen und Reformen

Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie durch inhaltliche Anpassungen bei der Ermittlung des Grundbesitzwerts im Zuge der Grundsteuerreform (zuletzt 2019) wird das Bewertungsgesetz regelmäßig an veränderte Markt- und Steuerungsanforderungen angepasst.


Bedeutung und Folgen fehlerhafter Bewertungen

Bindungswirkung der Feststellungsbescheide (§ 182 Abs. 1 AO)

Die auf Grundlage des Bewertungsgesetzes ergehenden Feststellungsbescheide entfalten Bindungswirkung für die Folgesteuerbescheide (z. B. im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer).

Rechtsbehelfe und Korrekturvorschriften

Gegen Feststellungen nach dem Bewertungsgesetz sind die allgemeinen Rechtsbehelfe der Abgabenordnung (Einspruch, Klage vor dem Finanzgericht) gegeben. Darüber hinaus enthält das BewG spezifische Korrekturmöglichkeiten, beispielsweise bei nachträglicher Änderung des wertbeeinflussenden Sachverhalts.


Praktische Relevanz und Anwendungsfelder

Erbschaft- und Schenkungsteuer

Die Bewertung von Vermögen nach dem Bewertungsgesetz ist für die Besteuerung von unentgeltlichen Übertragungen (Erbschaften, Schenkungen) elementar. Der festgestellte steuerliche Wert umfasst sowohl Grundvermögen, Betriebsvermögen als auch sonstige Vermögenswerte.

Grundsteuer

Mit der Neuregelung der Grundsteuer unterliegt die Bewertung sämtlicher Grundstücke ausschließlich dem Bewertungsgesetz, um die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer bereitzustellen.


Zusammenfassung

Das Bewertungsgesetz ist ein zentrales Regelwerk des deutschen Steuerrechts. Es gewährleistet eine einheitliche und nachvollziehbare Bewertung von Vermögensgegenständen zur Festsetzung verschiedener Steuern. Durch die detaillierte Systematik und differenzierte Bewertungsregeln für zahlreiche Vermögensarten sichert das Bewertungsgesetz eine rechtsstaatliche und faire Steuererhebung. Aufgrund seines grundlegenden Charakters und der ständigen Anpassung an die Rechtsprechung und wirtschaftlichen Gegebenheiten bleibt es ein bedeutsames und dynamisches Element der deutschen Steuergesetzgebung.

Häufig gestellte Fragen

Welche Bewertungsverfahren sieht das Bewertungsgesetz (BewG) für Grundvermögen vor?

Das Bewertungsgesetz unterscheidet bei der Bewertung von Grundvermögen, insbesondere für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der Grundsteuer, verschiedene Bewertungsverfahren. Insbesondere werden das Vergleichswertverfahren (§ 183 BewG), das Ertragswertverfahren (§ 184 BewG) und das Sachwertverfahren (§ 189 BewG) angewendet. Das Vergleichswertverfahren wird genutzt, wenn genügend vergleichbare Kaufpreise für ähnliche Grundstücke vorliegen, typischerweise bei bebauten Wohngrundstücken oder Eigentumswohnungen. Fehlen hinreichende Vergleichspreise, greift das Ertragswertverfahren, das insbesondere bei Mehrfamilienhäusern oder Mietwohngrundstücken angewandt wird. Hierbei wird der Wert auf Basis der nachhaltig erzielbaren Miete abzüglich Bewirtschaftungskosten und mit einem kapitalisierten Umrechnungsfaktor ermittelt. Das Sachwertverfahren kommt vor allem bei selbstgenutzten Einfamilienhäusern zum Einsatz, bei denen weder Vergleichswerte noch angemessene Erträge ermittelt werden können; hierbei werden die Herstellungskosten des Gebäudes abzüglich der Alterswertminderung zugrunde gelegt und mit dem Bodenwert addiert. Die Auswahl des Verfahrens richtet sich nach dem Typ und der tatsächlichen Nutzung des Grundstücks sowie nach der Datenlage am Bewertungsstichtag. Das Bewertungsgesetz regelt detailliert die Anforderungen, Rechenschritte und Korrekturfaktoren in den einzelnen Verfahren und gibt ggf. Übergangsvorschriften, etwa zur Anpassung an marktübliche Werte, vor.

Wie legt das Bewertungsgesetz den Stichtag für die Bewertung von Vermögensgegenständen fest?

Der Stichtag für die Bewertung nach dem Bewertungsgesetz wird grundsätzlich durch die Entstehung des Steueranspruchs bestimmt, etwa durch den Todestag bei Erbschaften (§ 11 BewG) oder den Tag des Rechtsübergangs bei Schenkungen. Dies bedeutet, dass der Wert des jeweiligen Vermögensgegenstands zum genauen Zeitpunkt des steuerlich relevanten Ereignisses zu ermitteln ist. Wertveränderungen nach diesem Stichtag, etwa durch starke Kurs- oder Immobilienpreisschwankungen, bleiben bei der steuerlichen Bewertung unberücksichtigt. Vom Grundsatz der Stichtagsbewertung gibt es nur enge Ausnahmen, wie z.B. bei nachträglich bekannt gewordenen Umständen, die bereits zum Bewertungsstichtag vorlagen, aber erst später offenbar werden. Das Bewertungsverfahren muss daher alle relevanten Daten und Bewertungsparameter exakt auf den spezifischen Bewertungsstichtag beziehen; dies gilt insbesondere bei der Ermittlung von Börsenkursen, Vergleichswerten oder Mietspiegeln.

Welche Bedeutung hat der „gemeine Wert“ im Bewertungsgesetz und wie wird er ermittelt?

Der „gemeine Wert“ (§ 9 BewG) ist eines der zentralen Bewertungsmaßstäbe im Bewertungsgesetz und entspricht grundsätzlich dem Verkehrswert eines Vermögensgegenstandes. Er ist der Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach Art der Sache, Beschaffenheit, Lage und ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Zur Ermittlung des gemeinen Wertes werden regelmäßig Marktpreise herangezogen, insbesondere bei börsennotierten Wertpapieren oder Immobilien, soweit dafür aktuelle Kaufpreise vorliegen. Gibt es keine entsprechenden Marktdaten, sieht das Gesetz spezielle Wertansätze sowie Hilfsverfahren oder Schätzmethoden vor, etwa durch Sachverständigengutachten oder Wertermittlungen nach den Vorgaben der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV). Dabei sind Besonderheiten wie Lasten, Nutzungsrechte, Altenteile oder etwaige öffentlich-rechtliche Beschränkungen zu berücksichtigen. Der gemeine Wert bildet somit das Fundament für die steuerliche Bewertung von nicht-börsengehandelten und schwer zu bewertenden Vermögensarten.

Welche Regelungen trifft das Bewertungsgesetz zur Bewertung von Betriebsvermögen?

Für Betriebsvermögen, d.h. für Unternehmen und Unternehmensanteile, gelten im Bewertungsgesetz gesonderte Vorschriften. Insbesondere §§ 95 ff. BewG regeln das sogenannte vereinfachte Ertragswertverfahren. Dabei wird der nachhaltig erzielbare Jahresertrag aus dem Unternehmen ermittelt, der anschließend mit einem gesetzlich festgelegten Kapitalisierungsfaktor multipliziert wird. Der Ertragswert kann dabei um nicht betriebsnotwendiges Vermögen bereinigt werden. Darüber hinaus sieht das Gesetz Sonderregelungen, beispielsweise für kleine Unternehmen oder bestimmte land- und forstwirtschaftliche Betriebe, vor. Zudem sind bei der Betriebsvermögensbewertung auch außerbilanzielle Faktoren sowie steuerliche Sondervorschriften, insbesondere zur Abgrenzung von Betriebs- und Privatvermögen, zu beachten. Je nach Steuerart (etwa bei der Erbschaftsteuer mit Verschonungsabschlägen) finden weitere modifizierende Regelungen Anwendung.

Welche Mitwirkungspflichten treffen Steuerpflichtige nach dem Bewertungsgesetz?

Steuerpflichtige sind nach dem Bewertungsgesetz umfassend zur Mitwirkung verpflichtet, insbesondere zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Offenlegung aller relevanten Tatsachen und zur Vorlage entsprechender Nachweise (§ 199 BewG i.V.m. AO). Dies betrifft etwa aktuelle Mietverträge, Bauunterlagen, Grundbuchauszüge, Kaufverträge und Zustandsnachweise von Immobilien sowie Geschäftsunterlagen bei Unternehmen. Kommt der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten nicht ausreichend nach, kann die Finanzbehörde den Wert schätzen und dabei ggf. ungünstige Prämissen unterstellen. Besonders bei der Bewertung von nicht börsennotierten Anteilen oder Einmalobjekten ist eine lückenlose Dokumentation aller Wertermittlungsgrundlagen erforderlich, um Unsicherheiten und ggf. spätere Anpassungen oder steuerliche Nachteile zu vermeiden.

Wie regelt das Bewertungsgesetz die Berücksichtigung von Lasten und Beschränkungen bei der Wertermittlung?

Das Bewertungsgesetz schreibt vor, dass bei der Wertermittlung von Grundstücken, Immobilien oder sonstigen Vermögenswerten, Belastungen und Beschränkungen wie Grunddienstbarkeiten, Nießbrauch, Wohnrechte oder sonstige dingliche Nutzungsrechte in Abzug zu bringen sind (§ 97 ff. BewG). Die Höhe des Wertabschlags orientiert sich an dem Einfluss, den die jeweilige Last auf den erzielbaren gemeinen Wert hat. Bei lebenslangem Nießbrauch etwa ist der Wert der Nutzung lebensaltersabhängig zu kapitalisieren und vom Bodenwert abzuziehen. Öffentlich-rechtliche Beschränkungen, wie etwa Baulasten, müssen ebenfalls wertmindernd berücksichtigt werden, sofern sie auf Dauer angelegt sind. Die genaue Bewertung derartiger Rechte und Lasten ist im Gesetz durch detaillierte Vorgaben und ggf. Tabellen geregelt, um eine möglichst realitätsnahe und einheitliche Bewertungspraxis zu gewährleisten.

Welche Besonderheiten gelten bei der Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften?

Bei der Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die nicht an einer Börse gehandelt werden, regelt das Bewertungsgesetz spezielle Verfahren (§ 11 Abs. 2 BewG). In der Regel erfolgt die Bewertung nach dem sogenannten Substanzwertverfahren oder dem Ertragswertverfahren, wobei die Auswahl vom Einzelfall und der Marktsituation abhängt. Ausschlaggebend ist der gemeine Wert, der entweder direkt durch Vergleich mit Kaufpreisen für vergleichbare Anteile oder mittels Ableitung aus Bilanzwerten sowie künftigen Ertragserwartungen ermittelt wird. Besonderheiten bestehen hinsichtlich der Berücksichtigung von stillen Reserven, nicht ausgeschütteten Gewinnen oder besonderen gesellschaftsvertraglichen Bindungen. Liegt für die Anteile eine Börsennotierung vor, so wird vorrangig der durchschnittliche Börsenkurs der letzten 90 Handelstage vor dem Bewertungsstichtag zugrunde gelegt. Bei Auswirkungen aus steuerlichen Sonderregelungen, etwa bei internationalem Bezug, sind ggf. ergänzende Rechtsprechung und Verwaltungserlasse zu beachten.