Begriff und Funktion der Betriebsversammlung
Die Betriebsversammlung ist die regelmäßige Zusammenkunft der Belegschaft eines Betriebs mit dem Betriebsrat. Sie dient der Information, Aussprache und Meinungsbildung zu Themen des Arbeitslebens im Betrieb. Ziel ist es, Transparenz über betriebliche Entwicklungen herzustellen, Anliegen der Beschäftigten aufzunehmen und den Dialog zwischen Belegschaft, Betriebsrat und Arbeitgeber zu ermöglichen. Die Betriebsversammlung ist kein öffentliches Forum, sondern eine betriebsinterne Veranstaltung.
Rechtliche Einordnung und Grundprinzipien
Stellung im System der Mitbestimmung
Die Betriebsversammlung ist ein Kernelement der innerbetrieblichen Mitbestimmung. Sie ergänzt die laufende Arbeit des Betriebsrats, indem sie die gesamte Belegschaft unmittelbar einbindet, ohne dessen Entscheidungsbefugnisse zu ersetzen.
Nichtöffentlichkeit und Teilnahmeberechtigung
Die Veranstaltung ist nicht öffentlich. Teilnehmen darf grundsätzlich die Belegschaft des Betriebs sowie die Personen, deren Teilnahme gesetzlich vorgesehen oder vom Betriebsrat zugelassen ist.
Neutralität und betrieblicher Frieden
Die Durchführung hat sachlich und geordnet zu erfolgen. Parteipolitische Betätigung ist unzulässig. Der Betriebsrat sorgt für einen störungsfreien Ablauf und wahrt den betrieblichen Frieden.
Einberufung und Häufigkeit
Wer beruft ein?
Einberufungs- und Leitungsorgan ist der Betriebsrat. Er legt Termin, Ort, Form der Einladung und die Tagesordnung fest und lädt die Teilnahmeberechtigten ein.
Regelmäßige Versammlungen
Regelmäßig findet die Betriebsversammlung mehrmals im Jahr statt. Üblich ist eine Durchführung einmal je Kalendervierteljahr.
Außerordentliche Versammlungen
Zusätzlich können außerordentliche Versammlungen stattfinden, wenn besondere betriebliche Anlässe vorliegen. Eine Einberufung ist insbesondere verpflichtend, wenn der Arbeitgeber dies verlangt oder wenn ein erheblicher Teil der Belegschaft (typischerweise mindestens ein Viertel) dies fordert.
Einladung und Tagesordnung
Die Einladung hat rechtzeitig zu erfolgen und die Tagesordnung auszuweisen. Änderungen der Tagesordnung sind möglich, wenn der ordnungsgemäße Ablauf gewährleistet bleibt.
Teilnahmeberechtigte und Rollen
Beschäftigte
Teilnahmeberechtigt sind alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebs, unabhängig von Beschäftigungsumfang oder Vertragsform. Dazu zählen in der Regel auch Auszubildende, Praktikantinnen und Praktikanten sowie Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte.
Arbeitgeber und Vertretung
Der Arbeitgeber oder seine Beauftragten sind teilnahme- und redeberechtigt. Sie können über wirtschaftliche, personelle und organisatorische Themen berichten und Fragen beantworten.
Vertretungen im Betrieb
Die Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie die Schwerbehindertenvertretung nehmen teil. Sie können über ihre Themen berichten.
Gewerkschaften
Gewerkschaftliche Beauftragte, die im Betrieb vertreten sind, dürfen teilnehmen und das Wort ergreifen.
Leitende Angestellte und Gäste
Leitende Angestellte gehören nicht zur teilnahmeberechtigten Belegschaft. Eine Teilnahme kann im Einzelfall möglich sein, wenn dies vorgesehen oder vom Betriebsrat zugelassen wird.
Ablauf, Leitung und Redeordnung
Leitung
Die Versammlung wird in der Regel von der oder dem Vorsitzenden des Betriebsrats geleitet. Sie oder er eröffnet, führt durch die Tagesordnung, erteilt das Wort und schließt die Sitzung.
Berichte
Der Betriebsrat berichtet regelmäßig über seine Arbeit, aktuelle Themen und Vereinbarungen. Der Arbeitgeber kann über die wirtschaftliche Lage, Personalplanung und relevante Veränderungen informieren.
Rede- und Fragerechte
Beschäftigte haben das Recht, Beiträge zu leisten und Fragen zu stellen. Die Leitung kann eine Redeliste führen, Redezeiten festlegen und für einen geordneten Ablauf sorgen.
Ordnung und Hausrecht
Der Betriebsrat sorgt für die Einhaltung der Tagesordnung und kann bei Störungen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Ordnung ergreifen.
Zeit, Ort und Arbeitsentgelt
Durchführung während der Arbeitszeit
Regelmäßig findet die Betriebsversammlung während der Arbeitszeit statt. Bei Teilnahme während der Arbeitszeit entsteht kein Verdienstausfall.
Teilnahme außerhalb der Arbeitszeit
Findet die Versammlung ausnahmsweise außerhalb der individuellen Arbeitszeit statt, besteht für Teilnehmende grundsätzlich kein Anspruch auf Vergütung oder Freizeitausgleich. Abweichungen können sich aus betrieblichen Regelungen ergeben.
Ort der Durchführung
Die Versammlung findet üblicherweise im Betrieb oder in geeigneten Räumen statt, die allen Teilnehmenden den Zugang ermöglichen und einen geordneten Ablauf sicherstellen.
Kosten und Sachmittel
Die erforderlichen Kosten der Betriebsversammlung trägt der Arbeitgeber. Dazu zählen geeignete Räume, Ausstattung, notwendige technische Mittel und organisatorische Aufwendungen, soweit sie für eine ordnungsgemäße Durchführung erforderlich sind.
Themen und Grenzen
Zulässige Themen
Behandelt werden vor allem soziale, personelle und organisatorische Angelegenheiten des Betriebs, Arbeitsbedingungen, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Qualifizierung, Arbeitszeitfragen, Vergütungssysteme, Gleichstellung sowie Auswirkungen wirtschaftlicher Entscheidungen auf die Beschäftigten.
Grenzen der Erörterung
Bei der Diskussion sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren sowie Datenschutz und Persönlichkeitsrechte zu beachten. Persönliche Einzelfälle sind nur insoweit zu thematisieren, wie dies ohne Verletzung von Rechten möglich ist.
Unzulässige Inhalte
Partei- oder kommunalpolitische Werbung ist unzulässig. Die Versammlung dient der sachlichen Behandlung betrieblicher Angelegenheiten.
Dokumentation und Beschlüsse
Die Betriebsversammlung ist kein Entscheidungsorgan anstelle des Betriebsrats. Sie kann jedoch Entschließungen fassen, die den Standpunkt der Belegschaft wiedergeben. Der Betriebsrat hat solche Entschließungen bei seiner Arbeit zu berücksichtigen. Eine formale Protokollpflicht ist nicht zwingend vorgegeben; eine sachgerechte Dokumentation der behandelten Themen ist üblich.
Besondere Formen und Entwicklungen
Abteilungs- und Gesamtbetriebsversammlungen
Neben der Betriebsversammlung können Abteilungsversammlungen stattfinden, wenn dies wegen besonderer Themen oder Betriebsgröße zweckmäßig ist. In Unternehmen mit mehreren Betrieben existieren zudem Strukturen wie Gesamt- oder Konzernbetriebsversammlung, die übergreifende Angelegenheiten behandeln.
Digitale und hybride Formate
Die Betriebsversammlung ist traditionell als Präsenzveranstaltung ausgestaltet. Digitale oder hybride Formen sind nur im Rahmen ausdrücklich zugelassener Sonderregelungen möglich. Ohne eine solche Grundlage ist die Präsenz der Regelfall.
Betriebe ohne Betriebsrat
Ohne gewählten Betriebsrat findet keine Betriebsversammlung statt. Treffen zur Vorbereitung einer Wahl sind eigenständige Veranstaltungen und von der Betriebsversammlung zu unterscheiden.
Abgrenzungen
Gegenüber der Betriebsratssitzung
Die Betriebsratssitzung ist eine interne Sitzung des Betriebsratsgremiums mit Beschlusskompetenz. Die Betriebsversammlung richtet sich an die gesamte Belegschaft und dient vor allem Information und Aussprache.
Gegenüber der Personalversammlung
Im öffentlichen Dienst besteht die Personalvertretung. Ihre Personalversammlung ist ein eigenständiges Format mit abweichenden rechtlichen Grundlagen und Begriffen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wer darf an einer Betriebsversammlung teilnehmen?
Teilnahmeberechtigt sind die Beschäftigten des Betriebs, der Arbeitgeber oder seine Vertretung, die im Betrieb vertretenen gewerkschaftlichen Beauftragten sowie die betrieblichen Interessensvertretungen wie Jugend- und Auszubildendenvertretung und Schwerbehindertenvertretung. Leitende Angestellte gehören nicht zur regulären Teilnehmerschaft.
Wie oft muss eine Betriebsversammlung stattfinden?
Üblich ist eine Durchführung einmal je Kalendervierteljahr. Zusätzlich können außerordentliche Versammlungen stattfinden, etwa auf Verlangen des Arbeitgebers oder eines erheblichen Teils der Belegschaft.
Ist die Teilnahme Arbeitszeit und wird sie vergütet?
Findet die Versammlung während der Arbeitszeit statt, entsteht kein Verdienstausfall. Erfolgt sie ausnahmsweise außerhalb der individuellen Arbeitszeit, besteht für Teilnehmende grundsätzlich kein Anspruch auf Vergütung oder Freizeitausgleich.
Darf die Betriebsversammlung online stattfinden?
Der Regelfall ist die Präsenzveranstaltung. Digitale oder hybride Betriebsversammlungen sind nur zulässig, wenn hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage besteht. Ohne eine solche Grundlage ist eine rein virtuelle Durchführung nicht vorgesehen.
Wer trägt die Kosten der Betriebsversammlung?
Die für eine ordnungsgemäße Durchführung erforderlichen Kosten trägt der Arbeitgeber. Dazu gehören geeignete Räume, notwendige Ausstattung und organisatorische Aufwendungen.
Welche Rechte hat der Arbeitgeber während der Versammlung?
Der Arbeitgeber ist teilnahme- und redeberechtigt. Er kann über betriebliche Entwicklungen berichten und Fragen beantworten. Die Leitung obliegt jedoch dem Betriebsrat, der die Redeordnung festlegt.
Können in der Betriebsversammlung verbindliche Entscheidungen getroffen werden?
Die Betriebsversammlung fasst keine Entscheidungen anstelle des Betriebsrats. Sie kann Entschließungen verabschieden, die den Standpunkt der Belegschaft wiedergeben und die der Betriebsrat in seiner Arbeit berücksichtigt.
Dürfen leitende Angestellte teilnehmen?
Leitende Angestellte gehören nicht zur regulären Teilnehmerschaft der Betriebsversammlung. Eine Teilnahme kann nur erfolgen, wenn dies vorgesehen oder im Einzelfall zugelassen wird.