Begriff und rechtliche Grundlagen der Betriebsversammlung
Die Betriebsversammlung ist ein zentrales Organ der innerbetrieblichen Mitbestimmung in Deutschland. Sie dient der Information und dem Austausch zwischen Arbeitgeber und Belegschaft sowie dem Dialog zwischen Belegschaft und Betriebsrat. Die rechtlichen Grundlagen finden sich insbesondere im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Die Durchführung, Zuständigkeiten, Aufgaben sowie der Ablauf sind umfassend gesetzlich geregelt. Die Betriebsversammlung ist ein wichtiges Bindeglied zur Wahrung der Arbeitnehmerrechte und zur Förderung eines kooperativen Betriebsklimas.
Gesetzliche Regelung und Zweck der Betriebsversammlung
Einbettung ins Betriebsverfassungsrecht
Die Betriebsversammlung ist im Vierten Abschnitt des Betriebsverfassungsgesetzes (§§ 42-46 BetrVG) geregelt. Sie ist ein verbindliches Organ in Betrieben mit Betriebsrat und Teil der betrieblichen Selbstverwaltung. Ziel der Versammlung ist die Information und Mitwirkung der Beschäftigten bei betrieblichen Angelegenheiten, die Kommunikation zwischen Arbeitnehmervertretung und Belegschaft, sowie der Dialog mit dem Arbeitgeber.
Funktionen und Aufgaben der Betriebsversammlung
Die Betriebsversammlung erfüllt verschiedene gesetzlich festgelegte Aufgaben, darunter:
- Anhörung des Tätigkeitsberichts des Betriebsrats und eventueller Berichte der Jugend- und Auszubildendenvertretung sowie anderer im Betrieb bestehender Gremien.
- Behandlung betrieblicher Angelegenheiten und Wünsche aus der Belegschaft.
- Erörterung von Maßnahmen zur Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern oder zur Integration schwerbehinderter Menschen.
Die Versammlung ermöglicht Diskussionen über Arbeitsbedingungen, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Personalfragen, wirtschaftliche Lage des Unternehmens und soziale Angelegenheiten.
Einberufung und Durchführung der Betriebsversammlung
Einberufungsrecht und -pflicht
Die Betriebsversammlung ist mindestens einmal pro Kalendervierteljahr einzuberufen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Die Einberufung erfolgt durch den Vorsitzenden des Betriebsrats, der auch die Versammlungsleitung übernimmt. Außerordentliche Betriebsversammlungen können einberufen werden, wenn mindestens ein Viertel der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder die im Betrieb vertretene Gewerkschaft dies verlangen (§ 43 Abs. 3 BetrVG).
Ablauf und Teilnahme
Die regelmäßige Betriebsversammlung erfolgt während der Arbeitszeit. Teilnahmeberechtigt sind alle Arbeitnehmer des Betriebs; hierzu zählen auch Teilzeitbeschäftigte, Auszubildende und geringfügig Beschäftigte. Nach § 45 BetrVG können auf Einladung des Betriebsrats auch Vertreter des Arbeitgebers, von im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und bestimmte Funktionsträger teilnehmen. Die Teilnahme ist grundsätzlich freiwillig, jedoch besteht für die Beschäftigten während dieser Zeit Entgeltfortzahlungspflicht.
Das Protokoll über die Betriebsversammlung ist kein gesetzlich vorgeschriebenes Dokument, häufig wird jedoch zur Dokumentation ein Protokoll erstellt.
Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Betriebsversammlung
Rederecht und Versammlungsleitung
Der Betriebsrat hat das Rederecht und die Befugnis, die Tagesordnung zu bestimmen. Für die Dauer der Versammlung übt der Betriebsratsvorsitzende das Hausrecht aus und kann das Wort erteilen oder entziehen. Arbeitgeber, Gewerkschaftsvertreter und einzelne Arbeitnehmer haben auf Verlangen Rederecht (§ 45 BetrVG).
Verschwiegenheitspflichten und Schutzvorschriften
Trotz der Offenheit der Betriebsversammlung sind vertrauliche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren (§ 79 BetrVG). Der Betriebsrat ist verpflichtet zu prüfen, ob Informationen von besonderer Vertraulichkeit sind und in welchem Rahmen diese vorgetragen werden dürfen.
Arbeitsrechtliche Folgen
Die Teilnahme an der Betriebsversammlung ist keine Arbeitsverweigerung. Beschäftigte, die während der Arbeitszeit teilnehmen, behalten ihren Anspruch auf Arbeitsentgelt. Wer außerhalb der Arbeitszeit teilnimmt, hat Anspruch auf Freizeitausgleich oder Vergütung (§ 44 BetrVG).
Gestaltungsmöglichkeiten und Sonderfälle
Teil- und Abteilungsversammlungen
In größeren Betrieben kann die Durchführung von Teil- oder Abteilungsversammlungen angezeigt sein (§ 42 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Sie ergänzen die allgemeine Betriebsversammlung und erlauben eine gezielte Information und Diskussion spezifischer Arbeitnehmergruppen. Die Anzahl ist auf jährlich vier Sitzungen begrenzt, wobei zusätzliche Versammlungen durch Gesetz oder Tarifvertrag zugelassen sein können.
Betriebsversammlungen im Konzern oder Gesamtbetrieb
Neben der Betriebsversammlung auf betrieblicher Ebene existieren auf Unternehmensebene Gesamtbetriebsversammlungen und auf Konzernebene Konzernbetriebsversammlungen. Diese werden vom Gesamtbetriebsrat bzw. Konzernbetriebsrat einberufen und richten sich an alle Arbeitnehmer des Gesamtbetriebs oder des Konzerns (§ 53 Abs. 1 BetrVG).
Bedeutung und Auswirkungen der Betriebsversammlung
Mitbestimmung und Betriebsfrieden
Die Betriebsversammlung trägt maßgeblich zur Stärkung der Mitbestimmung und zum Erhalt des Betriebsfriedens bei. Sie ist ein bedeutendes Forum zur Streitbeilegung und Meinungsbildung innerhalb des Betriebs und ermöglicht Arbeitnehmern Beteiligung an betrieblichen Entscheidungsprozessen.
Rechtsschutz
Kommt der Betriebsrat seiner Einberufungspflicht nicht nach, können berechtigte Personen oder Stellen bei der zuständigen Arbeitsgerichtsbarkeit auf Durchführung einer Betriebsversammlung klagen (§ 23 Abs. 1 BetrVG). Verstöße gegen Mitbestimmungsrechte können zudem Sanktionen sowie ggf. Schadensersatzansprüche nach sich ziehen.
Literaturverweise und weiterführende Regelungen
- Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), insbesondere §§ 42-46
- Entscheidungen der Arbeitsgerichte zu Mitbestimmung und Versammlungsrecht
- Kommentarliteratur zum BetrVG
Eine korrekte Handhabung und Durchführung der Betriebsversammlung ist wesentliche Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der innerbetrieblichen Mitbestimmung nach deutschem Arbeitsrecht.
Hinweis: Diese Darstellung gibt den Stand der Gesetzgebung bis Juni 2024 wieder. Änderungen und Weiterentwicklungen im Arbeitsrecht können die dargestellte Rechtslage verändern. Für spezifische Fragestellungen sollte der jeweils aktuelle Gesetzestext konsultiert werden.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist zur Teilnahme an einer Betriebsversammlung berechtigt?
Zur Teilnahme an einer Betriebsversammlung sind grundsätzlich alle Arbeitnehmerinnen des Betriebs berechtigt. Dazu zählen sowohl Vollzeit- als auch Teilzeitbeschäftigte, Auszubildende, Aushilfen sowie befristet Beschäftigte. Keinen generellen Teilnahmeanspruch haben leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), es sei denn, es handelt sich explizit um eine Versammlung für leitende Angestellte. Auch Fremdfirmenpersonal, wie z. B. Leiharbeitnehmerinnen, kann teilnehmen, sofern sie im Betrieb regelmäßig eingesetzt werden und ein konkretes betriebliches Interesse besteht. Nicht zur Teilnahme berechtigt sind dagegen Arbeitgeber, Mitglieder der Geschäftsführung sowie betriebsfremde Personen – letztere dürfen ausschließlich als Gäste auf Einladung des Betriebsrats unter den Voraussetzungen des § 46 BetrVG anwesend sein, etwa Gewerkschaftsvertreterinnen. Die Einladung Dritter ist spätestens in der Einladung zur Betriebsversammlung kenntlich zu machen.
Muss der Arbeitgeber die Betriebsversammlung ermöglichen und welche Freistellungspflichten bestehen?
Ja, der Arbeitgeber ist nach § 44 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, die Durchführung von Betriebsversammlungen zu ermöglichen. Das bedeutet insbesondere, dass Arbeitnehmerinnen für die Dauer der Betriebsversammlung unter Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts von der Arbeit freizustellen sind (§ 44 Abs. 2 BetrVG). Die Versammlungszeit gilt als Arbeitszeit und darf nicht zulasten des Arbeitszeitsaldos oder der Urlaubskonten gehen. Der Arbeitgeber ist außerdem verpflichtet, Räume und technische Ausstattung zur Verfügung zu stellen, und hat sich jeder Behinderung oder Einmischung zu enthalten. Soweit Schicht- oder Bereitschaftsdienste betroffen sind, ist der Betriebsrat angehalten, die Versammlung so zu terminieren, dass betriebliche Notwendigkeiten berücksichtigt werden, wobei im Streitfall die Belange der Arbeitnehmerinnen gegenüber reinen Betriebsinteressen in den meisten Fällen überwiegen.
Welche formalen Anforderungen gelten für die Einladung zu einer Betriebsversammlung?
Der/die Betriebsratsvorsitzende oder ein von ihm/ihr beauftragtes Betriebsratsmitglied lädt unter Angabe von Ort, Zeit und Tagesordnung rechtzeitig zur Betriebsversammlung ein (§ 44 Abs. 3 BetrVG). Es gibt keine explizite Frist im Gesetz, jedoch sollte die Einladung so erfolgen, dass allen Beschäftigten eine Teilnahme faktisch möglich ist. Die Einladung kann schriftlich, elektronisch oder, in kleineren Betrieben, auch mündlich erfolgen – Empfehlenswert ist aus Beweisgründen stets die Schriftform. Insbesondere bei der Ladung externer Gäste ist auf die Beachtung des § 46 BetrVG zu achten. Eine wirksame Einladung ist Voraussetzung für die ordnungsgemäße Durchführung und die Gültigkeit von Versammlungsbeschlüssen.
Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es hinsichtlich der Inhalte und des Ablaufs?
Die Betriebsversammlung dient nach § 45 BetrVG primär der Information und Aussprache über Themen des betrieblichen und sozialen Geschehens. Sie ist kein Entscheidungsorgan, Abstimmungen haben lediglich empfehlenden bzw. unverbindlichen Charakter. Zulässig sind etwa Berichte des Betriebsrats, Erörterung von Arbeitsschutzbelangen, Aussprache zu Themen der Arbeitsordnung oder Anhörungen externer Sachverständiger. Unzulässig sind Parteipolitik, Geschäftsgeheimnisverletzungen oder die gezielte Anstiftung zum Streik entgegen der Tarifordnung. Der/die Betriebsratsvorsitzende leitet die Versammlung; der Arbeitgeber ist berechtigt, zu bestimmten Tagesordnungspunkten Stellung zu nehmen, hat aber kein Rede- oder Anwesenheitsmonopol. Die Inhalte und der Ablauf unterliegen einer Protokollierungspflicht nach § 34 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.
Wie häufig müssen Betriebsversammlungen durchgeführt werden?
Im Regelfall ist der Betriebsrat gemäß § 43 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, einmal im Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung einzuberufen, also mindestens vier Mal pro Jahr. Nach § 43 Abs. 2 BetrVG besteht jedoch auch die Möglichkeit, zusätzliche Versammlungen durchzuführen, etwa auf schriftlichen Antrag eines Viertels der Arbeitnehmerinnen, der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft oder des Arbeitgebers. Die Häufigkeit darf dabei den betrieblichen Ablauf nicht unangemessen beeinträchtigen (§ 44 Abs. 1 BetrVG). Außerordentliche Betriebsversammlungen können z. B. bei besonderen betrieblichen Umwälzungen oder dringenden Angelegenheiten einberufen werden.
Müssen Protokolle über Betriebsversammlungen angefertigt werden und welchen Inhalt müssen diese haben?
Nach § 34 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ist über jede Betriebsversammlung ein Protokoll anzufertigen. Dieses Protokoll muss die wesentlichen Inhalte und den Ablauf der Versammlung einschließlich der Besprechungspunkte, Diskussionsergebnisse, etwaiger Empfehlungen und Anwesenheitslisten enthalten. Es dient der Nachvollziehbarkeit, Transparenz und ggf. als Nachweis gegenüber Dritten, etwa bei Streitigkeiten über die Ordnungsgemäßheit der Durchführung. Verantwortung für das Protokoll liegt beim Betriebsrat, eine Einsichtnahme durch den Arbeitgeber ist nur in den Grenzen der Mitbestimmungsrechte zulässig – etwa, wenn es um den Nachweis der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben geht. Das Protokoll ist zu den Betriebsratsunterlagen zu nehmen und wird in der Regel nicht an die Arbeitnehmerinnen verteilt.
Welche Rechte und Pflichten bestehen hinsichtlich der Redezeit und Redefreiheit auf der Betriebsversammlung?
Die Redefreiheit auf der Betriebsversammlung ist durch das BetrVG geschützt und lediglich durch die Grundsätze der Ordnungs- sowie Sachlichkeit begrenzt. Der/die Betriebsratsvorsitzende übt das Hausrecht aus und kann für einen geordneten Ablauf sorgen, einschließlich Festlegung von Redezeiten, Erteilung oder Entziehung des Wortes sowie Ordnungsausschlüssen bei gravierenden Störungen (§ 51 Abs. 1 BetrVG entsprechend). Betriebsratsmitglieder und Beschäftigte haben grundsätzlich das Recht, ihre Anliegen zur Sprache zu bringen; dem Arbeitgeber steht ein Anhörungsrecht und das Recht zur Stellungnahme zu. Gewerkschaftsvertreterinnen oder andere geladene Gäste dürfen sich nur äußern, sofern dies auf Einladung und nur zu den festgelegten Tagesordnungspunkten erfolgt. Eine Zensur oder Vorabkontrolle der Beiträge wäre unzulässig und verstößt gegen das Gebot der innerbetrieblichen Demokratie.