Betriebsferien: Begriff, rechtliche Grundlagen und praktische Bedeutung
Definition und Allgemeines
Unter Betriebsferien versteht man im deutschen Arbeitsrecht eine durch den Arbeitgeber angeordnete, in der Regel für den gesamten oder einen wesentlichen Teil des Betriebs geltende Schließung für einen bestimmten Zeitraum. Während der Betriebsferien ruht der normale Betriebsablauf; die Mitarbeitenden werden hierbei in der Regel verpflichtet, ihren Urlaub in dieser Zeit zu nehmen. Betriebsferien dienen typischerweise der Vereinheitlichung von Erholungsphasen, der Vermeidung von Produktionsausfällen außerhalb der Hochsaison oder notwendigen betriebsorganisatorischen Gründen, wie Renovierungen oder Inventuren.
Rechtliche Einordnung
Gesetzliche Grundlagen
Die Möglichkeit der Anordnung von Betriebsferien ist im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) nicht ausdrücklich geregelt, allerdings in § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG indirekt vorgedacht. Danach hat der Arbeitgeber die Wünsche des Arbeitnehmers bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen.
Die Anordnung von Betriebsferien stellt einen solchen dringenden betrieblichen Belang dar. Allerdings unterliegt die Durchführung von Betriebsferien gesetzlichen Restriktionen und rechtsgestaltenden Grenzen, insbesondere im Hinblick auf die Interessen der Arbeitnehmer.
Reichweite des Weisungsrechts
Das Direktionsrecht des Arbeitsgebers (§ 106 Gewerbeordnung) ermöglicht diesem, Ausmaß und Zeitpunkt von Betriebsferien im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften festzulegen. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch mehrfach entschieden, dass Betriebsferien nicht willkürlich eingeführt werden dürfen und auf zwingende betriebliche Erfordernisse gestützt sein müssen (BAG, Urteil v. 28.07.1981 – 1 ABR 79/79).
Beteiligung des Betriebsrats
Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, ist dieser gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 5 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zwingend zu beteiligen. Die Einführung und konkrete zeitliche Lage der Betriebsferien unterliegen der Mitbestimmung, da sie die Urlaubsgrundsätze im Unternehmen betreffen. Ohne eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat kann der Arbeitgeber grundsätzlich keine Betriebsferien anordnen.
Ausgestaltung und Durchführung von Betriebsferien
Ankündigung und Planungsfristen
Betriebsferien müssen rechtzeitig angekündigt werden. Zwar existiert keine gesetzlich festgelegte Frist, allerdings sollte dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) folgend ein angemessener Vorlauf gegeben werden, damit sich Arbeitnehmende darauf einstellen und gegebenenfalls eigene Urlaubsplanungen berücksichtigen können. Nach der Rechtsprechung wird eine Bekanntgabe mehrere Monate im Voraus als angemessen angesehen.
Umfang der Betriebsferien
Rechtlich ist zu beachten, dass der Arbeitgeber nicht den gesamten Jahresurlaub für Betriebsferien verplanen darf. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung muss den Mitarbeitern ein angemessener Teil des Urlaubs zur eigenen Verfügung verbleiben. In der Praxis dürfen Betriebsferien in der Regel höchstens etwa drei Fünftel (60 %) des Gesamtjahresurlaubs beanspruchen. Der verbleibende Urlaubsteil ist zur freien Verfügung der Mitarbeiter zu belassen (BAG, Urteil v. 28.07.1981 – 1 ABR 79/79).
Resturlaub und Sonderurlaub
Sofern Arbeitnehmende zu Beginn der Betriebsferien noch nicht genügend Urlaubstage erworben haben, soll nach Möglichkeit einvernehmlich eine Lösung gefunden werden, beispielsweise durch Vorschuss auf den zukünftigen Urlaubsanspruch. Ist dies nicht möglich – etwa bei neu eingestellten Mitarbeitenden -, besteht regelmäßig keine Verpflichtung, während der Betriebsferien Urlaub zu nehmen; solche Zeiträume gelten dann üblicherweise als unbezahlte Freistellung.
Ausnahmen erfordern auch Berücksichtigung besonderer Urlaubsansprüche, wie etwa Sonderurlaub gemäß § 616 BGB oder Mutterschutz nach Mutterschutzgesetz (MuSchG), die nicht von den Betriebsferien berührt werden dürfen.
Sonderfälle: Teilzeit und Arbeitsunfähigkeit
Bei Teilzeitbeschäftigten ist zu beachten, dass sie entsprechend ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von den Betriebsferien betroffen sind. Fälle von Arbeitsunfähigkeit während der Betriebsferien werden wie regulärer Erholungsurlaub behandelt: Die während einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit liegenden Urlaubstage dürfen nicht auf den Urlaubsanspruch angerechnet werden (vgl. § 9 BUrlG).
Auswirkungen und Folgen der Betriebsferien
Vergütung und Urlaubsentgelt
Während der Betriebsferien wird in der Regel Urlaubsentgelt gezahlt. Grundlage hierfür ist § 11 BUrlG, wonach sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten dreizehn Wochen vor Urlaubsbeginn bemisst. Überschreiten die Betriebsferien den Urlaubsanspruch, kommt es zu unbezahlter Freistellung für den davon nicht gedeckten Zeitraum – es sei denn, der Arbeitsvertrag oder Tarifverträge sehen eine andere Regelung vor.
Auswirkungen bei außergewöhnlichen Ereignissen
Besondere Situationen, beispielsweise Kurzarbeit, Betriebsschließungen infolge von Pandemien oder Elementarschäden, erfordern eine gesonderte Betrachtung. In diesen Fällen können Betriebsferien mit behördlichen Anordnungen oder tariflichen Regelungen zusammenwirken, was zu Modifikationen der gewöhnlichen arbeitsrechtlichen Grundsätze führen kann.
Tarifrechtliche Besonderheiten und kollektive Vereinbarungen
Viele Tarifverträge sehen Sonderregelungen zu Betriebsferien vor. Diese Tarifwerke können beispielsweise die Zahl der anzurechnenden Urlaubstage, das Verfahren zur Festlegung oder zusätzliche Freizeittage explizit regeln. Überdies schließen viele Betriebe Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat, die die Einzelheiten der Anordnung und Durchführung im Detail regeln.
Schutzvorschriften und Rechtsschutz
Arbeitnehmende, die sich durch die Anordnung von Betriebsferien in ihren Rechten verletzt sehen, können Anspruch auf gerichtliche Überprüfung geltend machen (Arbeitsgerichtsbarkeit). Voraussetzung ist ein Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben, beispielsweise Überschreitung des gesetzlichen Anteils für Betriebsurlaub oder Missachtung sozialer Gesichtspunkte.
Fazit
Betriebsferien sind ein etabliertes Instrument betrieblicher Urlaubsplanung, unterliegen jedoch engen gesetzlichen, tariflichen und kollektivrechtlichen Grenzen. Die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmenden sind sorgfältig abzuwägen und zu koordinieren. Besonderes Augenmerk gilt der angemessenen Planung und Mitsprache sämtlicher Beteiligten. Unangemessen lange oder kurzfristig angekündigte Betriebsferien können zu arbeitsschutzrechtlichen Problemen führen und unter Umständen gerichtlich überprüft werden. Die ordnungsgemäße Einbeziehung des Betriebsrats und die Wahrung sozialer Belange sind wesentliche Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit von Betriebsferien.
Häufig gestellte Fragen
Können Betriebsferien vom Arbeitgeber einseitig angeordnet werden?
Betriebsferien können grundsätzlich vom Arbeitgeber angeordnet werden, jedoch ist diese Anordnung nicht völlig frei möglich, sondern unterliegt strengen arbeitsrechtlichen Vorgaben. Nach § 7 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) muss der Arbeitgeber bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Wünsche der Arbeitnehmer berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Betriebsferien gelten als dringende betriebliche Belange, etwa bei Betriebsstilllegungen wegen Werkswartungen oder saisonalen Schließzeiten. Dennoch sollte der Betriebsrat – falls vorhanden – gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 5 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zwingend beteiligt werden, denn er hat ein Mitbestimmungsrecht bei Fragen der Urlaubsplanung und -verteilung. Ohne Einigung mit dem Betriebsrat oder bei nicht bestehender Betriebsvereinbarung können Betriebsferien nicht wirksam angeordnet werden. In Kleinbetrieben ohne Betriebsrat ist der Arbeitgeber zunächst berechtigt, Betriebsferien anzuordnen, muss aber stets die Interessen der Mitarbeiter abwägen und längere Ankündigungsfristen einhalten. Die Anordnung muss so rechtzeitig erfolgen, dass die Arbeitnehmer die Urlaubsplanung darauf abstimmen können. Eine kurzfristige, überraschende Anordnung ist rechtlich unwirksam.
Dürfen Betriebsferien den gesamten Jahresurlaub eines Arbeitnehmers umfassen?
Die Bestimmung der Betriebsferien darf nicht dazu führen, dass der gesamte gesetzliche Jahresurlaub der Arbeitnehmer für Betriebsferien verwendet wird. Grundsätzlich muss dem Arbeitnehmer ein angemessener Teil des Urlaubs zur freien Verfügung bleiben. Nach der Rechtsprechung hat der Arbeitnehmer das Recht, wenigstens einen Teil (in der Regel mindestens ein Viertel) seines Jahresurlaubs frei wählen zu können. Dies ist damit begründet, dass jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf Erholung nach seinen individuellen Bedürfnissen hat. Werden also z.B. 24 Werktage Urlaub pro Kalenderjahr gewährt, so sollten nicht mehr als etwa 18 Tage durch Betriebsferien „verbraucht“ werden. Individuelle oder tarifvertragliche Regelungen können diese Grenze konkretisieren, sie darf aber nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer vom gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch abweichen.
Wie lange im Voraus müssen Betriebsferien angekündigt werden?
Die Ankündigungsfrist für Betriebsferien ist gesetzlich nicht explizit geregelt, muss aber so bemessen sein, dass die Arbeitnehmer ihre Urlaubsplanung entsprechend anpassen können. Die Rechtsprechung hält eine Vorankündigung von mindestens sechs Monaten im Voraus für erforderlich, um eine rechtssichere Umsetzung zu gewährleisten. In jedem Fall sollte der Arbeitgeber die Betriebsferien so frühzeitig wie möglich mitteilen, idealerweise noch im Vorjahr, damit die Angestellten ausreichend Zeit haben, den Urlaub zu beantragen und private Planungen (wie etwa Familienurlaube oder Kinderbetreuung) zu koordinieren. Eine zu kurzfristige Ankündigung – insbesondere wenige Wochen vor dem geplanten Beginn – ist nicht zulässig und kann im Streitfall von den Arbeitsgerichten als unwirksam angesehen werden.
Was passiert, wenn ein Arbeitnehmer während der Betriebsferien keinen ausreichenden Urlaubsanspruch mehr hat?
Hat ein Arbeitnehmer zu Beginn der Betriebsferien keinen oder keinen ausreichenden Anspruch mehr auf bezahlten Erholungsurlaub, entstehen einige rechtliche Unsicherheiten. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ohne Urlaubsanspruch nicht zur unbezahlten Freistellung während der Betriebsferien zwingen. Hier kommen verschiedene Optionen in Betracht: Der Arbeitgeber kann mit dem Arbeitnehmer die unbezahlte Freistellung einvernehmlich vereinbaren, muss aber das Risiko eingehen, dass der Arbeitnehmer bei Weigerung seine Arbeitskraft anbietet und einen Beschäftigungsanspruch geltend macht. Für die Zeit der Betriebsferien ohne Urlaubsanspruch besteht dann in der Regel kein Gehaltsanspruch des Arbeitnehmers (vgl. BAG, 26.06.1979 – 1 AZR 505/77). Alternativ kann vereinbart werden, dass Minusstunden aufgebaut und später ausgeglichen werden. Für Auszubildende gelten hierbei besondere Schutzvorschriften; ihnen darf niemals der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub entzogen werden.
Sind Betriebsferien für Teilzeitkräfte und geringfügig Beschäftigte gleichermaßen verbindlich?
Betriebsferien gelten grundsätzlich für alle Beschäftigten eines Unternehmens unabhängig vom Arbeitszeitmodell, also auch für Teilzeitkräfte und geringfügig Beschäftigte („Minijobber“). Allerdings muss die Anordnung verhältnismäßig sein und die Besonderheiten des jeweiligen Arbeitsvertrags berücksichtigen. Für Teilzeitbeschäftigte ist – wie auch für Vollzeitkräfte – der entsprechende Teil des Urlaubsanspruchs für die Dauer der Betriebsferien zu verwenden, angepasst an die vereinbarte Arbeitszeit. Sind Teilzeitkräfte an bestimmten Wochentagen ohnehin nicht zur Arbeit eingeteilt, sind diese Tage nicht auf den Urlaub anzurechnen. Für geringfügig Beschäftigte gilt Gleichbehandlungsgrundsatz: Sie sind bei der Festlegung von Betriebsferien einzubeziehen, aber die Urlaubsanrechnung bemisst sich nach ihrem individuellen Durchschnittsarbeitspensum.
Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat bei der Einführung von Betriebsferien?
Bei der Einführung und zeitlichen Festlegung von Betriebsferien hat der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber Betriebsferien nicht ohne Zustimmung des Betriebsrats anordnen darf. Kommt es zu keiner Einigung, kann die Einigungsstelle angerufen werden. Spricht der Arbeitgeber Betriebsferien ohne Mitsprache des Betriebsrats aus, sind diese unwirksam. Gegenstand der Mitbestimmung sind sowohl die Lage als auch die Dauer der Betriebsferien sowie deren Anrechnung auf den Erholungsurlaub. Ohne eine entsprechende Betriebsvereinbarung können Betriebsferien daher im Regelfall nicht wirksam festgelegt werden.
Können Betriebsferien durch Tarifvertrag geregelt werden?
Ja, viele Tarifverträge enthalten Regelungen zu Betriebsferien. Tarifliche Vorschriften gehen einzelvertraglichen Regelungen grundsätzlich vor, sofern sie für den Arbeitnehmer günstiger sind oder der Arbeitsvertrag auf den Tarifvertrag Bezug nimmt. In bestimmten Branchen (z. B. Baugewerbe, Hotellerie) wird in Tarifverträgen explizit die Möglichkeit eingeräumt oder eine Verpflichtung zur Einrichtung von Betriebsferien bestimmt. In diesem Fall ist der Arbeitgeber strikt an die tariflichen Vorgaben gebunden, sowohl hinsichtlich der Ankündigungsfrist als auch bezüglich Umfang und Dauer der Betriebsferien. Auch hier müssen die gesetzlichen Mindeststandards zu Gunsten der Arbeitnehmer gewahrt bleiben. Fehlen tarifliche Regelungen, sind bei der Einführung von Betriebsferien die gesetzlichen und mitbestimmungsrechtlichen Vorgaben einzuhalten.