Begriff und Zweck des Betrieblichen Eingliederungsmanagements
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist ein geregeltes Verfahren im Arbeitsleben, das die Rückkehr und den Verbleib erkrankter oder verletzter Beschäftigter im Betrieb unterstützen soll. Es richtet sich an Personen, die innerhalb eines Jahres längere oder wiederholte Zeiten arbeitsunfähig waren. Ziel ist die Klärung, wie Arbeitsunfähigkeit überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Das Verfahren verbindet betriebliche, gesundheitliche und organisatorische Gesichtspunkte und beruht auf Kooperation zwischen Arbeitgeber, Beschäftigten und – je nach Zustimmung – weiteren internen und externen Stellen.
Rechtliche Einordnung und Geltungsbereich
Das BEM ist im Arbeits- und Sozialrecht verankert und gilt für alle Arbeitgeber, unabhängig von Branche und Betriebsgröße. Es betrifft grundsätzlich alle Beschäftigten, einschließlich Teilzeitkräften, Auszubildenden und befristet Beschäftigten. Die Teilnahme der betroffenen Person ist freiwillig; das Angebot durch den Arbeitgeber ist verpflichtender Bestandteil der Fürsorge im Arbeitsverhältnis. Das BEM zielt nicht auf Leistungs- oder Schuldzuweisungen, sondern auf eine sachliche Klärung von Möglichkeiten zur Beschäftigung unter angepassten Bedingungen.
Auslösekriterium und Zeitpunkt
Ein BEM wird angeboten, wenn eine Person innerhalb der letzten zwölf Monate länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war. Hierbei zählen auch mehrere kürzere Erkrankungszeiten, die zusammen diesen Zeitraum erreichen. Das Angebot soll zeitnah erfolgen, sobald das Kriterium erfüllt ist, um die Planung geeigneter Maßnahmen zu erleichtern.
Beteiligte und Rollen
Beschäftigte
Die betroffene Person entscheidet, ob ein BEM durchgeführt werden soll und wer daran beteiligt wird. Sie kann die Teilnahme einzelner Stellen ablehnen und die Einwilligung jederzeit widerrufen.
Arbeitgeber
Der Arbeitgeber bietet das Verfahren an, organisiert die Gespräche, wahrt Vertraulichkeit und prüft betriebliche Möglichkeiten. Er sorgt für eine strukturierte, transparente Durchführung und die Dokumentation der Abläufe.
Interne Interessenvertretungen
Der Betriebs- oder Personalrat kann – nach Zustimmung der betroffenen Person – beteiligt werden. Gleiches gilt für die Beauftragten für Schwerbehinderte, wenn eine Schwerbehinderung oder Gleichstellung vorliegt.
Betriebsärztlicher Dienst und externe Stellen
Der betriebsärztliche Dienst kann arbeitsmedizinische Einschätzungen liefern. Externe Reha- und Unterstützungsangebote können – mit Zustimmung – einbezogen werden. Alle Beteiligungen setzen eine vorherige Einwilligung der betroffenen Person voraus.
Ablauf des Verfahrens
Einladung und Information
Das Verfahren beginnt mit einer Einladung, die Zweck, Inhalte, Freiwilligkeit, mögliche Beteiligte, Datenschutz und den Umgang mit Daten in verständlicher Form erläutert.
Zustimmung und Datenschutz
Ohne Einwilligung findet kein BEM statt. Die betroffene Person entscheidet, ob und in welchem Umfang gesundheitsbezogene Informationen einfließen. Es werden nur solche Daten verarbeitet, die für das Verfahren erforderlich sind; sie sind vertraulich zu behandeln und gesondert aufzubewahren.
Erstgespräch
Im Erstgespräch werden Belastungen und Möglichkeiten im Arbeitsumfeld besprochen. Es geht um Tätigkeitsanforderungen, Arbeitsorganisation, technische und personelle Rahmenbedingungen sowie um Unterstützungsbedarfe. Medizinische Diagnosen sind nicht zwingend Bestandteil des Austauschs.
Maßnahmenplanung
Aus den Erkenntnissen werden geeignete betriebliche oder externe Maßnahmen abgeleitet. Diese können organisatorische, technische, personelle oder qualifikationsbezogene Anpassungen umfassen. Die Auswahl orientiert sich am Ziel, Beschäftigung zu ermöglichen oder zu sichern.
Umsetzung und Nachverfolgung
Vereinbarte Schritte werden umgesetzt und in angemessenem Abstand überprüft. Anpassungen sind möglich, wenn sich Bedarfslagen ändern oder Maßnahmen nicht ausreichen.
Dokumentation
Der Ablauf wird in wesentlichen Punkten dokumentiert. Die Dokumentation beschränkt sich auf das Notwendige, wird getrennt von der Personalakte geführt, vertraulich behandelt und nur so lange aufbewahrt, wie es für das Verfahren erforderlich ist.
Mögliche Inhalte und Maßnahmen
Mögliche Inhalte reichen von Anpassungen der Arbeitszeit oder -organisation über Veränderungen am Arbeitsplatz und technische Hilfen bis hin zu Tätigkeitswechseln, Qualifizierungen oder begleitenden Angeboten im Betrieb. Auch eine stufenweise Rückkehr in den Arbeitsalltag kann Teil der Maßnahmenplanung sein. Welche Inhalte in Betracht kommen, hängt von der konkreten Tätigkeit, den betrieblichen Möglichkeiten und den individuellen Belastungen ab.
Abgrenzung zu anderen Instrumenten
Das BEM ist ein Verfahren zur Klärung betrieblicher Möglichkeiten. Es unterscheidet sich von der stufenweisen Wiedereingliederung als medizinisch geprägte Maßnahme mit schrittweiser Steigerung der Arbeitsbelastung. Beide Instrumente können miteinander verknüpft sein, sind jedoch rechtlich und in ihren Zielen nicht identisch.
Rechte der Beschäftigten
Beschäftigte haben Anspruch auf ein Angebot zum BEM, auf transparente Informationen, auf freiwillige Teilnahme und auf freie Entscheidung über die Beteiligung weiterer Stellen. Sie haben Anspruch auf vertrauliche Behandlung ihrer Daten, auf zweckgebundene Verarbeitung und auf Einsicht in die Dokumentation des Verfahrens. Nachteile aufgrund der Ablehnung der Teilnahme sind unzulässig.
Pflichten der Arbeitgeber
Arbeitgeber sind verpflichtet, das BEM anzubieten, den Ablauf zu strukturieren, geeignete Beteiligte zu koordinieren und Vertraulichkeit sicherzustellen. Sie prüfen betriebliche Optionen zur Beschäftigung und dokumentieren den Prozess in angemessenem Umfang. Die Ausgestaltung muss transparent, fair und diskriminierungsfrei erfolgen.
Bedeutung im Zusammenhang mit Kündigungen
Das BEM hat Bedeutung für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen, wenn es später zu Konflikten über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kommt. Ein ordnungsgemäß angebotenes und durchgeführtes BEM kann zeigen, dass betriebliche Möglichkeiten geprüft wurden. Unterbleibt das Angebot, kann dies in rechtlichen Auseinandersetzungen nachteilig bewertet werden. Eine Teilnahmeverweigerung der betroffenen Person begründet für sich genommen keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Datenschutz und Vertraulichkeit
Gesundheitsbezogene Informationen unterliegen erhöhtem Schutz. Erforderlich sind eine klare Zweckbindung, Datenminimierung, getrennte Aufbewahrung, beschränkte Zugriffsrechte und Löschung nach Wegfall des Zwecks. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nur mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf Grundlage einer anderweitigen rechtlichen Erlaubnis. Die beteiligten Personen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Besonderheiten bei Schwerbehinderung oder Gleichstellung
Bei schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten ist die frühzeitige Einbindung der zuständigen innerbetrieblichen Vertretung vorgesehen, sofern die betroffene Person zustimmt. Auch externe Unterstützungsstellen können mitwirken. Ziel ist es, behinderungsgerechte Lösungen zu fördern und Benachteiligungen zu vermeiden.
Betriebliche Mitbestimmung
Die Ausgestaltung des BEM im Betrieb kann durch Regelungen mit der Interessenvertretung konkretisiert werden. Dazu zählen Abläufe, Zuständigkeiten, Datenschutzstandards und Kommunikationsgrundsätze. Solche Regelungen dienen der Transparenz und der einheitlichen Anwendung im Betrieb, ohne die Freiwilligkeit und individuelle Ausrichtung des Verfahrens einzuschränken.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Ist die Teilnahme am Betrieblichen Eingliederungsmanagement verpflichtend?
Die Teilnahme ist freiwillig. Beschäftigte entscheiden selbst, ob sie ein BEM in Anspruch nehmen. Das Angebot durch den Arbeitgeber ist verpflichtend, die Annahme durch die betroffene Person nicht.
Wann muss ein Betriebliches Eingliederungsmanagement angeboten werden?
Ein Angebot ist erforderlich, wenn innerhalb der letzten zwölf Monate mehr als sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit vorliegen, auch wenn diese aus mehreren kürzeren Zeiträumen besteht.
Welche Folgen hat es, wenn kein BEM angeboten wird?
Unterbleibt das Angebot, kann dies in späteren Auseinandersetzungen nachteilig bewertet werden, insbesondere bei der Prüfung, ob mildere Mittel zur Beschäftigungssicherung bestanden. Eine automatische Unwirksamkeit von Maßnahmen tritt dadurch nicht ein.
Wer darf am BEM teilnehmen?
Teilnehmen können der Arbeitgeber, die betroffene Person, auf Wunsch die Interessenvertretung, die Vertretung für schwerbehinderte Menschen sowie der betriebsärztliche Dienst. Externe Stellen können mit Einwilligung eingebunden werden.
Welche Daten dürfen im BEM verarbeitet werden?
Nur solche Informationen, die für die Klärung geeigneter Maßnahmen erforderlich sind. Gesundheitsbezogene Daten werden besonders geschützt, getrennt aufbewahrt, nur zweckgebunden genutzt und nicht ohne Einwilligung weitergegeben.
Worin liegt der Unterschied zwischen BEM und stufenweiser Wiedereingliederung?
Das BEM ist ein Klärungsverfahren im Betrieb zur Sicherung der Beschäftigung. Die stufenweise Wiedereingliederung ist eine medizinisch ausgerichtete Rückkehr in den Arbeitsalltag mit schrittweiser Belastungssteigerung. Beide Instrumente können miteinander verbunden sein.
Darf ein BEM ohne Zustimmung der betroffenen Person durchgeführt werden?
Nein. Das Verfahren setzt die Einwilligung voraus, sowohl für die Durchführung als auch für die Beteiligung einzelner Personen oder Stellen.
Gilt das BEM auch in Kleinbetrieben und bei befristeten Arbeitsverhältnissen?
Ja. Das Verfahren gilt unabhängig von der Betriebsgröße und erfasst auch befristet Beschäftigte. Die Beteiligung der Interessenvertretung hängt davon ab, ob eine solche im Betrieb vorhanden ist und die betroffene Person zustimmt.