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Betriebliche Gesundheitsförderung


Begriff und Bedeutung der Betrieblichen Gesundheitsförderung

Die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) bezeichnet sämtliche systematische Maßnahmen und Strategien in Unternehmen, die darauf abzielen, die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten zu erhalten oder zu verbessern. Im Fokus stehen sowohl individuelle Verhaltensänderungen bei Mitarbeitenden als auch die gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen und Prozessen. Die BGF bildet einen zentralen Bestandteil eines modernen betrieblichen Gesundheitsmanagements und nimmt im deutschen Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht eine stetig wachsende Bedeutung ein.

Rechtliche Grundlagen der Betrieblichen Gesundheitsförderung

Gesetzliche Verankerung

Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Betrieblichen Gesundheitsförderung sind in verschiedenen Gesetzen und Normen geregelt. Insbesondere die nachfolgenden Vorschriften bilden die Grundlage für die Durchführung und Förderung von Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit am Arbeitsplatz:

Sozialgesetzbuch (SGB V und SGB VII)

  • § 20 SGB V: Dieser Paragraph verpflichtet die Krankenkassen dazu, Leistungen zur Prävention und Gesundheitsförderung zu erbringen. Neben individuellen Präventionsangeboten erhalten auch Arbeitgeber finanzielle und organisatorische Unterstützung für entsprechende betriebliche Maßnahmen.
  • § 20b SGB V: Regelt explizit die betriebliche Gesundheitsförderung und deren Förderung durch die gesetzlichen Krankenkassen. Die Leistungen umfassen u.a. die Beratung und Anbieterqualifikation.
  • SGB VII: Die Unfallversicherungsträger unterstützen Maßnahmen zur Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren und die Förderung der Gesundheit am Arbeitsplatz.

Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

Das Arbeitsschutzgesetz legt den Arbeitgebern umfassende Pflichten zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes und zur Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren fest. Hierzu zählen insbesondere:

  • Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG)
  • Durchführung erforderlicher Schutzmaßnahmen (§ 3, § 4 ArbSchG)
  • Unterweisung der Beschäftigten (§ 12 ArbSchG)

Weitere relevante Vorschriften

  • Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)
  • Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
  • Mutterschutzgesetz (MuSchG)
  • Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)
  • Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen

Steuerrechtliche Aspekte

Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung können gemäß § 3 Nr. 34 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei gestellt werden. Erfüllt ein Unternehmen die gesetzlichen Voraussetzungen und bietet qualitätsgesicherte Maßnahmen an, ist ein steuerfreier Höchstbetrag von aktuell 600 Euro pro Arbeitnehmer und Jahr möglich. Voraussetzung ist, dass es sich um Leistungen handelt, die den Anforderungen der §§ 20 und 20b SGB V entsprechen.

Sozialversicherungsrechtliche Einordnung

Leistungen im Rahmen der BGF, die innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens erfolgen, sind sozialversicherungsrechtlich beitragsfrei. Arbeitgeber sollten bei der Umsetzung auf die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften achten, um Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen zu vermeiden.

Umsetzung und rechtliche Ausgestaltung in der Praxis

Rolle des Arbeitgebers

Arbeitgeber sind nach deutschem Recht verpflichtet, Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu gewährleisten (ArbSchG). Darüber hinaus ist die aktive Förderung der Gesundheit eine freiwillige Aufgabe, wobei durch entsprechende gesetzliche Anreize (Steuer- und Beitragsfreiheit) die Durchführung betrieblicher Maßnahmen gefördert wird.

Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer

Die Mitbestimmung bei der betrieblichen Gesundheitsförderung liegt beim Betriebsrat gemäß § 87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Neben der Initiierung und Ausgestaltung von Maßnahmen hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Ausgestaltung, Einführung und Umsetzung von gesundheitsfördernden Maßnahmen am Arbeitsplatz.

Gestaltung von Betriebsvereinbarungen

Die Einzelheiten der betrieblichen Gesundheitsförderung werden oftmals in Betriebsvereinbarungen geregelt. Dabei werden Aspekte wie Zielsetzung, Umfang, Finanzierung und Qualitätssicherung der Maßnahmen sowie die Beteiligungsrechte von Beschäftigten festgeschrieben. Die Betriebsvereinbarung bietet Rechtssicherheit sowohl für den Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmervertretung.

Fördermöglichkeiten und Qualitätssicherung

Förderung durch Krankenkassen und Unfallversicherungsträger

Gesetzliche Krankenkassen sowie die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung bieten Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen umfangreiche Beratungs-, Informations- und Förderleistungen. Dazu zählen:

  • Zuschüsse für gesundheitsfördernde Maßnahmen
  • Beratung durch Präventionsfachkräfte
  • Bereitstellung geprüfter Präventionskurse

Anforderungen an Qualität und Wirksamkeit

Nach § 20b Abs. 1 SGB V dürfen die durchgeführten gesundheitsfördernden Maßnahmen nur dann gefördert und steuerlich begünstigt werden, wenn bestimmte Qualitätskriterien eingehalten werden. Dazu gehören unter anderem:

  • Orientierung an anerkannten Qualitätsstandards (z. B. GKV-Leitfaden Prävention)
  • Evaluation der Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Methoden
  • Dokumentation und Nachweis der Maßnahmen gegenüber den Krankenkassen und den Finanzbehörden

Abgrenzung zu verwandten Themenbereichen

Betriebliche Gesundheitsförderung vs. Arbeitsschutz

Die betriebliche Gesundheitsförderung zielt auf eine freiwillige Verbesserung und Erhaltung der Gesundheit hinaus. Sie ergänzt die zwingenden Pflichten des Arbeitsschutzes, indem sie über den gesetzlichen Mindestschutz (z. B. Gefährdungsbeurteilung, Unfallprävention) hinaus auch gesundheitsfördernde Werte (z. B. Bewegungsförderung, Stressmanagement, gesunde Ernährung) integriert.

Rechtsfolgen bei Nichtumsetzung oder fehlerhafter Gestaltung

Verstöße gegen arbeitsschutzrechtliche Vorschriften können mit Bußgeldern oder sonstigen behördlichen Auflagen geahndet werden. Zwar ist die rein freiwillige betriebliche Gesundheitsförderung nicht sanktioniert, jedoch können fehlerhafte, nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Maßnahmen den Verlust steuerlicher Vorteile oder Rückforderungen bereits gewährter Förderungen nach sich ziehen.

Fazit und Ausblick

Die rechtlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Gesundheitsförderung sind komplex und von zahlreichen Querverweisen zwischen Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht geprägt. Mit der Förderung durch Gesetzgeber und Sozialversicherungsträger wird Unternehmen ein breiter Handlungsspielraum eröffnet, der eine nachhaltige und rechtssichere Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz ermöglicht. Aufgrund der fortlaufenden Entwicklungen in der Arbeitswelt und im Präventionsrecht ist eine regelmäßige Überprüfung der rechtlichen Vorgaben sowie eine laufende Anpassung der betrieblichen Prozesse erforderlich.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen verpflichten Arbeitgeber zur betrieblichen Gesundheitsförderung?

Arbeitgeber sind in Deutschland rechtlich nicht explizit zur betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) verpflichtet, jedoch ergeben sich indirekte Verpflichtungen aus verschiedenen arbeitsrechtlichen Regelwerken. Zentral ist hierbei das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), das in § 3 Abs. 1 Arbeitgeber dazu verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen und die Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu sichern und zu verbessern. Ergänzend greifen das Sozialgesetzbuch VII (Gesetzliche Unfallversicherung), insbesondere die Verpflichtung zur Vermeidung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren, sowie das Arbeitssicherheitsgesetz und die Arbeitsstättenverordnung. Es besteht die Pflicht, Gefährdungsbeurteilungen (§ 5 ArbSchG) durchzuführen und ggf. Maßnahmen zur Gesundheitsprävention zu ergreifen. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gibt dem Betriebsrat Mitbestimmungsrechte in Bezug auf BGF-Maßnahmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG – Gesundheitsschutz).

Welche steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Aspekte sind bei BGF-Maßnahmen zu beachten?

Leistungen im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung können aus steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Perspektive als geldwerter Vorteil gelten. Nach § 3 Nr. 34 Einkommensteuergesetz (EStG) sind bestimmte Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands steuerfrei, sofern diese zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden und 600 Euro jährlich pro Mitarbeiter nicht überschreiten. Leistungen müssen dabei den Vorgaben nach §§ 20 und 20b SGB V entsprechen, um als steuerfrei zu gelten. Übersteigen die Zuwendungen den Freibetrag oder erfüllen sie nicht die Voraussetzungen, sind sie steuerpflichtig und lohnsteuer- sowie sozialversicherungspflichtig. Zusätzlich ist zu prüfen, ob Maßnahmen eigenbetrieblich erforderlich sind oder einen überwiegenden Arbeitgeberinteresse darstellen, um eine steuerliche Begünstigung zu erhalten.

Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat bei der Einführung von Maßnahmen der BGF?

Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) statuiert dem Betriebsrat in § 87 Abs. 1 Nr. 7 ein Mitbestimmungsrecht in Fragen des Gesundheitsschutzes. Maßnahmen der BGF, die den Gesundheitsschutz betreffen und auf die Gestaltung betrieblicher Abläufe oder Arbeitsbedingungen abzielen, bedürfen grundsätzlich der Zustimmung des Betriebsrats. Dies umfasst zum Beispiel die Einführung von Bewegungsprogrammen, Ernährungsberatung oder Maßnahmen zur Stressprävention. Die Mitbestimmung erstreckt sich nicht auf den gesamten Bereich der BGF, sondern nur auf solche Maßnahmen, die das betriebliche Miteinander und die Arbeitsplätze direkt betreffen. Bei Aushandlung einer Betriebsvereinbarung zur BGF sind zudem das Gebot der Gleichbehandlung und die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten zu beachten.

Wie ist der Datenschutz bei der Erhebung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Rahmen der BGF geregelt?

Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten im Rahmen der BGF unterliegt den Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Gesundheitsdaten zählen dabei laut Art. 9 DSGVO zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten und genießen einen erhöhten Schutz. Die Verarbeitung ist daher nur gestattet, wenn eine ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person vorliegt oder eine gesetzliche Grundlage besteht. Arbeitgeber müssen für Transparenz sorgen, die Zwecke der Datenverarbeitung klar benennen, die Daten vor unbefugtem Zugriff schützen und die Rechte der Mitarbeitenden auf Auskunft, Berichtigung und Löschung wahren. Bei der Zusammenarbeit mit externen BGF-Anbietern sind datenschutzrechtliche Vereinbarungen (Auftragsverarbeitungsvertrag nach Art. 28 DSGVO) zwingend erforderlich.

Inwiefern bestehen Haftungsrisiken für Arbeitgeber bei der Durchführung oder Unterlassung von BGF-Maßnahmen?

Eine unmittelbare Haftung des Arbeitgebers für das Unterlassen betrieblicher Gesundheitsförderung besteht nicht, solange die gesetzlichen Mindestanforderungen des Arbeitsschutzes erfüllt werden. Werden jedoch die Pflichten des Arbeitsschutzgesetzes, wie die Gefährdungsbeurteilung und erforderliche Schutzmaßnahmen, verletzt und kommt es infolgedessen zu einem Gesundheitsschaden eines Arbeitnehmers, kann die Haftung nach § 823 BGB (Schadensersatz) oder nach § 618 BGB (Fürsorgepflicht) greifen. Bei der eigenverantwortlichen Durchführung von BGF-Maßnahmen haftet der Arbeitgeber, falls diese unsachgemäß durchgeführt werden und zu Schäden führen. Darüber hinaus kann eine Haftung ausgeschlossen sein, wenn der Gesundheitsschaden ausschließlich auf das allgemeine Lebensrisiko oder Fehlverhalten des Beschäftigten zurückzuführen ist.

Welche arbeitsvertraglichen Regelungen sind im Zusammenhang mit BGF-Maßnahmen zu beachten?

Grundsätzlich besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf konkrete BGF-Maßnahmen, sofern dies nicht arbeitsvertraglich, durch eine Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag explizit vereinbart wurde. Werden BGF-Leistungen freiwillig eingeführt, empfiehlt sich aus rechtlicher Sicht die sogenannte Freiwilligkeitsvorbehaltsklausel, um einen dauerhaften Rechtsanspruch und die sogenannte betriebliche Übung zu vermeiden. Erfolgt die Verpflichtung jedoch durch eine Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag, haben Beschäftigte einen einklagbaren Anspruch auf die jeweilige Leistung. Weiterhin sind arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, die sich aus speziellen Gesetzen oder Verordnungen ergeben (z. B. ArbMedVV), unabhängig von der BGF verpflichtend vom Arbeitgeber zu ermöglichen.