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Betriebliche Altersversorgung


Begriff und Grundlagen der Betrieblichen Altersversorgung

Die Betriebliche Altersversorgung (bAV) bezeichnet alle finanziellen Leistungen, die ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern zur Absicherung des Alters, zur Invalidität oder für Hinterbliebene zusagt. Sie gilt als eine der drei Säulen des Alterssicherungssystems in Deutschland neben der gesetzlichen Rentenversicherung und der privaten Vorsorge. Die betriebliche Altersvorsorge ist gesetzlich umfassend geregelt, insbesondere durch das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz – BetrAVG).

Rechtsgrundlagen der betrieblichen Altersversorgung

Die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen zur bAV finden sich im Betriebsrentengesetz (BetrAVG). Ergänzende Regelungen existieren im Einkommensteuergesetz (EStG), Sozialgesetzbuch (SGB), Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und weiteren arbeitsrechtlichen Normen.

Betriebsrentengesetz (BetrAVG)

Das Betriebsrentengesetz definiert in § 1 BetrAVG die betriebliche Altersversorgung und normiert die Mindestanforderungen für Leistungszusagen, Anwartschaften, Unverfallbarkeit, Anpassungsprüfung sowie Insolvenzschutz.

Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte

Das Einkommensteuergesetz regelt die steuerliche Behandlung der Zusagen, Beiträge und Leistungen. Sozialversicherungsrechtliche Vorschriften bestimmen die Beitragspflicht beziehungsweise Beitragsfreiheit von Entgeltumwandlungen.

Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung

Die fünf anerkannten Durchführungswege

Laut BetrAVG sind in Deutschland fünf Durchführungswege der bAV zulässig:

  1. Direktzusage (Pensionszusage): Arbeitgeber sagt den Arbeitnehmern unmittelbare Renten- oder Kapitalleistungen zu.
  2. Unterstützungskasse: Leistungen werden über eine rechtlich selbstständige Unterstützungskasse erbracht.
  3. Direktversicherung: Arbeitgeber schließt eine Lebensversicherung zugunsten des Arbeitnehmers ab.
  4. Pensionskasse: Versorgung erfolgt über eine rechtlich selbstständige Versorgungseinrichtung.
  5. Pensionsfonds: Kapitalmarktbasierte Versorgungseinrichtung mit Aktien- und Fondsanlagen.

Charakteristika und rechtliche Besonderheiten der Durchführungswege

Jeder Durchführungsweg ist durch spezifische aufsichts- und steuerrechtliche Rahmenbedingungen geprägt. Insbesondere differieren Haftung, Insolvenzschutz, Bilanzierungsvorschriften, Informationspflichten, steuerliche Förderung und Behandlung bei Ausscheiden des Arbeitnehmers.

Anspruchsgrundlagen der betrieblichen Altersversorgung

Anspruchsarten

Die bAV kann als:

  • Altersrente
  • Erwerbsminderungs- bzw. Invaliditätsrente
  • Hinterbliebenenrente oder
  • Kapitalleistung

ausgestaltet sein.

Leistungsauslöser und Fälligkeitszeitpunkt

Die Auslösung der Leistungen kann an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft sein, meist den Eintritt in den Ruhestand, Invalidität oder Tod des Arbeitnehmers.

Anwartschaft und Unverfallbarkeit

Anwartschaftserwerb

Mit Zusage einer bAV erwirbt der Beschäftigte eine rechtliche Erwartung auf spätere Versorgung (Anwartschaft). Der Erwerb und der Schutz der Anwartschaft sind im BetrAVG umfassend geregelt.

Unverfallbarkeit nach BetrAVG

Durch das BetrAVG sind die Bedingungen für die Unverfallbarkeit – d.h. das Fortbestehen der Anwartschaft bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – klar definiert. Unverfallbarkeit tritt in der Regel ein, wenn das Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 21. Lebensjahres und nach mindestens drei Jahren Betriebszugehörigkeit endet (§ 1b BetrAVG).

Entgeltumwandlung und Arbeitgeberzuschuss

Grundsatz der Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG)

Seit 2002 haben Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf Entgeltumwandlung, d.h. sie können Teile ihres Lohns in Beiträge zur bAV umwandeln. Arbeitgeber sind verpflichtet, eingezahlte Beiträge für bestimmte Durchführungswege weiterzuleiten.

Arbeitgeberzuschuss

Nach § 1a Abs. 1a BetrAVG haben Arbeitgeber für ab 2019 abgeschlossene Entgeltumwandlungen einen Zuschuss in Höhe von mindestens 15% des umgewandelten Entgelts zu gewähren, wenn sie durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einsparen.

Anpassungsprüfung und Anpassungspflicht

Arbeitgeber sind verpflichtet, laufende Betriebsrenten regelmäßig – spätestens alle drei Jahre – auf ihre Anpassungsbedürftigkeit zu überprüfen und ggf. eine Anpassung vorzunehmen, sofern keine wirksame Anpassungsverzichtsregel vorliegt (§ 16 BetrAVG).

Insolvenzschutz der betrieblichen Altersversorgung

Sicherung über den Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG)

Direktzusagen, Unterstützungskassen und Pensionsfonds unterliegen dem Insolvenzschutz gemäß BetrAVG. Im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers sichert der Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG) die Anwartschaften und Ansprüche der Beschäftigten sowie Rentner (§ 7 ff. BetrAVG).

Betriebliche Altersversorgung bei Arbeitgeberwechsel und Portabilität

Übertragbarkeit und Portabilität (§ 4 BetrAVG)

Bei Arbeitgeberwechsel besteht unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Übertragung der Anwartschaften auf den neuen Arbeitgeber, sofern der neue Arbeitgeber zustimmt.

Beendigung und Vorzeitige Beendigung

Ansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Beendet ein Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Erreichen des Versorgungsfalls, bleibt ihm – sofern die Anwartschaft unverfallbar ist – ein Anspruch auf späteren Bezug der Leistungen erhalten. Die Behandlung unverfallbarer Anwartschaften ist im BetrAVG detailliert geregelt.

Steuerliche Behandlung der betrieblichen Altersversorgung

Steuerfreiheit der Beiträge

Beiträge zu den meisten Durchführungswegen sind bis zu bestimmten Höchstgrenzen steuerfrei (§ 3 Nr. 63 EStG). Bei der Auszahlung unterliegen die Leistungen grundsätzlich der nachgelagerten Besteuerung.

Sozialversicherungsrechtliche Behandlung

Beiträge im Rahmen der Entgeltumwandlung sind innerhalb bestimmter Grenzen (4% der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung) sozialversicherungsfrei, darüber hinaus bis zu gegebenen Höchstbeträgen möglich.

Betriebliche Altersversorgung im Arbeitsrecht

Einbeziehung in Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen

bAV-Zusagen können individuell vereinbart oder kollektiv in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Gesamtzusagen geregelt werden. In vielen Unternehmen besteht eine von den Sozialpartnern gestaltete Versorgungseinrichtung.

Gleichbehandlungsgrundsatz

Beim Zugang zur bAV und der Ausgestaltung der Zusagen ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu wahren. Diskriminierungsverbote (insbesondere AGG) und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats sind zu beachten.

Reformen und aktuelle Entwicklungen

Die Regelungen zur bAV stehen aufgrund demografischer und arbeitsmarktbezogener Veränderungen laufend im Fokus der Gesetzgebung. Insbesondere das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) hat ab 2018 wesentliche Neuerungen zur Förderung der bAV, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, eingeführt.

Literaturhinweise und weiterführende Informationen

  • Betriebsrentengesetz (BetrAVG)
  • Einkommensteuergesetz (EStG)
  • Sozialgesetzbuch VI (SGB VI)
  • Gesetzliche Regelungen und aktuelle Rechtsprechung öffnen weitere Möglichkeiten und Grenzen für die inhaltliche Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung.

Hinweis: Dieser Artikel liefert einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Aspekte der betrieblichen Altersversorgung. Die jeweiligen Regelungen können im Einzelfall abweichen und sind fortlaufenden Anpassungen unterworfen.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Grundlagen regeln die betriebliche Altersversorgung?

Die betriebliche Altersversorgung (bAV) wird in Deutschland vor allem durch das Betriebsrentengesetz (BetrAVG) geregelt. Dieses Gesetz definiert die verschiedenen Durchführungswege – Direktzusage, Unterstützungskasse, Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds – und legt die Mindeststandards hinsichtlich Unverfallbarkeit, Portabilität, Insolvenzsicherung und Anpassung der Versorgungsleistungen fest. Darüber hinaus enthalten auch das Einkommensteuergesetz (EStG), das Versicherungsvertragsgesetz (VVG), das Sozialgesetzbuch (insbesondere SGB VI und SGB IV) sowie das Handelsgesetzbuch (HGB) wichtige Bestimmungen zur steuerlichen Behandlung, sozialversicherungsrechtlichen Einordnung und bilanziellen Behandlung der betrieblichen Altersversorgung. Das BetrAVG wurde in den letzten Jahren vor allem durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) sowie verschiedene EU-Richtlinien ergänzt, die unter anderem aufsichtsrechtliche Vorgaben und den Schutz von Arbeitnehmerrechten zum Ziel haben.

Welche Vorgaben gibt es zur Unverfallbarkeit von Versorgungsanwartschaften?

Eine Versorgungsanwartschaft wird nach § 1b BetrAVG unverfallbar, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres begonnen wurde und die Anwartschaft mindestens drei Jahre bestand (seit 2018; davor fünf Jahre) sowie das Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 21. Lebensjahres beendet wird. Bei Arbeitgeberfinanzierten Zusagen müssen beide Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Bei einem bestehendem Arbeitsverhältnis können zudem weitergehende Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge zur Anwendung kommen. Unverfallbarkeit bedeutet, dass ein ausgeschiedener Arbeitnehmer einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf die zugesagte Leistung oder die bis zum Ausscheiden erworbenen Anwartschaften behält. Die Berechnungshöhe folgt dem sog. ratierlichen Verfahren, d. h. im Verhältnis zur tatsächlichen Betriebszugehörigkeit zur potentiellen Gesamtbetriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze.

Wie erfolgt die Insolvenzsicherung der bAV?

Für zugesagte betriebliche Altersversorgungsleistungen besteht eine gesetzliche Insolvenzsicherung nach § 7-15 BetrAVG. Dafür ist der Arbeitgeber verpflichtet, für Arbeitgeberzusagen, Unterstützungskassen und rückgedeckte Direktversicherungen Beiträge zum Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) zu leisten. Im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers übernimmt der PSVaG die Leistungspflichten und stellt die Erfüllung der Rentenanwartschaften beziehungsweise der Versorgungsleistungen sicher. Ausgenommen sind solche Versorgungen, die über externe Versorgungsträger abgeschlossen wurden, wie etwa Pensionskassen oder bestimmte Direktversicherungen, sofern die Ansprüche direkt gegen diesen Träger und nicht gegen das Unternehmen bestehen.

Welche Rechte und Pflichten haben Arbeitnehmer nach Ausscheiden aus dem Unternehmen bezüglich der bAV?

Nach § 4 BetrAVG können Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeberwechsel die bereits erworbenen Anwartschaften portieren, also zu einem neuen Versorgungsträger mitnehmen, sofern die bAV im Durchführungsweg der Direktversicherung, Pensionskasse oder des Pensionsfonds erfolgte und innerhalb eines Jahres nach Ausscheiden dem neuen Arbeitgeber angezeigt wird. Die sogenannte Portabilität bezieht sich aber grundsätzlich nur auf den über Entgeltumwandlung finanzierten Teil. Für arbeitgeberfinanzierte Anwartschaften ist die Übertragung auf den neuen Arbeitgeber möglich, wenn Tarifverträge dies zulassen oder betriebliche Vereinbarungen getroffen wurden. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine schriftliche Auskunft über Höhe und Umfang seiner Ansprüche sowie auf eine Information über das Schicksal seiner Anwartschaften nach Ausscheiden (Informationspflichten gemäß § 4a BetrAVG).

Was ist bei der Anpassung von Betriebsrenten nach Rentenbeginn zu beachten?

Nach § 16 BetrAVG besteht grundsätzlich eine Pflicht des Arbeitgebers, alle drei Jahre die laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung hinsichtlich einer Anpassung zu prüfen. Eine Anpassung ist vorzunehmen, sofern die wirtschaftliche Lage des Unternehmens es zulässt und keine anderweitige Anpassungsregelung, wie etwa eine laufende dynamische Anpassung oder eine Anpassung nach festen Sätzen (z.B. an die Preissteigerung oder an Lohnsteigerungen) vereinbart wurde. Von der Anpassungsprüfungspflicht besteht eine Befreiung, wenn der Versorgungsträger – also Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds – die Leistung jährlich mindestens in Höhe des Verbraucherpreisindexes erhöht oder eine sonstige gleichwertige Anpassung erfolgt. Bei erheblicher wirtschaftlicher Notlage kann die Rentenanpassung rechtskonform ausgesetzt werden, was jedoch mit einer umfassenden Darlegung und Prüfung durch den Arbeitgeber verbunden ist.

Wie wird eine Entgeltumwandlung rechtlich behandelt?

Die Entgeltumwandlung ist im § 1a BetrAVG geregelt und gibt dem Arbeitnehmer seit 2002 einen gesetzlich normierten Anspruch darauf, Teile seines Arbeitslohns in Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung umzuwandeln. Seit 2019 haben Arbeitgeber die Pflicht, 15 % des umgewandelten Entgelts als Zuschuss zu leisten, sofern durch die Umwandlung Sozialversicherungsbeiträge eingespart werden. Dies betrifft die Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds. Entgeltumwandlungen sind steuerlich bis zu vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der gesetzlichen Rentenversicherung sozialversicherungs- und steuerfrei (§ 3 Nr. 63 EStG), wobei weitere steuerliche oder sozialversicherungsrechtliche Grenzbeträge zu beachten sind. Die Beiträge sind zweckgebunden, d. h. sie dürfen nur für die betriebliche Altersvorsorge genutzt werden und unterliegen einem unwiderruflichen Verwertungsverbot während der Anwartschaftsphase.

Welche Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat in Bezug auf die betriebliche Altersversorgung?

Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) unterliegt die Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung der Mitbestimmung des Betriebsrats, soweit sie die Durchführung von Versorgungswerken im Betrieb betrifft. Dies gilt beispielsweise für Auswahl der Durchführungswege, Auswahl externer Versorgungsträger, Regelungen zur Entgeltumwandlung, Informationspflichten gegenüber den Mitarbeitern und Anpassungsmechanismen. Der Betriebsrat hat außerdem bei der Änderung oder Einführung von Versorgungsordnungen ein zwingendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG. Tarifvertragliche Regelungen können die betriebliche Mitbestimmung jedoch beschränken oder ersetzen. Betriebsvereinbarungen zur betrieblichen Altersversorgung sind im Regelfall rechtlich bindend und gehen individuellen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen vor, wenn sie für die Mitarbeiterschaft günstiger ausgestaltet sind.