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Betreuungsverfügung


Begriff und rechtliche Einordnung der Betreuungsverfügung

Die Betreuungsverfügung ist ein zentrales Instrument im deutschen Betreuungsrecht und dient dazu, für den Fall der eigenen späteren Betreuungsbedürftigkeit Bestimmungen über die Person des Betreuers sowie wesentliche Inhalte der Betreuung festzulegen. Sie stellt damit einen wichtigen Baustein der privaten Vorsorge dar und ist insbesondere im Kontext der Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) (§§ 1814, 1820 BGB) von großer praktischer Bedeutung. Diese Verfügung richtet sich an das Betreuungsgericht, das an die Wünsche und Vorgaben der betroffenen Person gebunden ist, sofern deren Umsetzung dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft.

Rechtliche Grundlagen der Betreuungsverfügung

Gesetzliche Verankerung

Die gesetzliche Basis der Betreuungsverfügung findet sich in § 1820 BGB. Dort ist festgelegt, dass jede geschäftsfähige volljährige Person Anordnungen für den Fall treffen kann, dass später die Anordnung einer Betreuung erforderlich wird. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, die Selbstbestimmung des Einzelnen auch in Zukunft – zum Beispiel im Falle kognitiver Einschränkungen oder schwerer Erkrankungen – zu erhalten.

Abgrenzung zur Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung

Die Betreuungsverfügung ist von der Vorsorgevollmacht und der Patientenverfügung abzugrenzen. Eine Vorsorgevollmacht ermöglicht es, einer Vertrauensperson unmittelbar rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht einzuräumen, während die Patientenverfügung ausschließlich medizinische Behandlungswünsche regelt. Die Betreuungsverfügung enthält hingegen Vorgaben an das Betreuungsgericht hinsichtlich Bestellung und Aufgaben des Betreuers.

Form und Wirksamkeit der Betreuungsverfügung

Formvorschriften

Für die Wirksamkeit der Betreuungsverfügung ist grundsätzlich keine bestimmte Form vorgeschrieben. Sie kann sowohl schriftlich als auch mündlich oder in anderer geeigneter Weise erklärt werden (§ 1820 Abs. 2 BGB), wobei aus Gründen der Nachweisbarkeit und Rechtssicherheit die schriftliche Abfassung dringend empfohlen wird.

Inhaltliche Anforderungen

Eine wirksame Betreuungsverfügung kann insbesondere folgende Inhalte umfassen:

  • Benennung der gewünschten Person(en) als möglicher Betreuer
  • Vorgaben zu Aufgabenbereichen der Betreuung (z. B. Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung)
  • Ablehnung bestimmter Personen als Betreuer
  • Wünsche hinsichtlich der Lebensführung, des Aufenthalts oder der medizinischen Versorgung
  • Weitere persönliche Belange, z. B. religiöse oder kulturelle Präferenzen

Widerruf und Änderung

Jede Betreuungsverfügung kann jederzeit formlos widerrufen oder geändert werden. Die Aktualisierung sollte jeweils dokumentiert und – bei schriftlicher Gestaltung – durch Unterschrift bestätigt werden.

Bedeutung und Bindungswirkung der Betreuungsverfügung

Bindung für das Betreuungsgericht

Das Betreuungsgericht ist nach § 1820 BGB an die in der Betreuungsverfügung geäußerten Wünsche gebunden, sofern sie dem Wohl der betroffenen Person nicht widersprechen oder dem Wunsch unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen (beispielsweise fehlende Eignung oder Unauffindbarkeit des gewünschten Betreuers). Die Verwirklichung der in der Verfügung enthaltenen Anordnungen erfolgt somit im Rahmen des gesetzlichen Ermessens, wobei dem Willen des Betroffenen hohe Priorität zukommt.

Auswahl und Überprüfung des Betreuers

Wird in der Betreuungsverfügung eine bestimmte Person als Betreuer vorgeschlagen, prüft das Gericht deren persönliche und fachliche Eignung sowie mögliche Interessenkonflikte. Lehnt der vorgeschlagene Betreuer das Amt ab oder ist er objektiv ungeeignet, kann das Gericht einen alternativen Betreuer bestellen.

Reichweite der getroffenen Anordnungen

Die Betreuungsverfügung kann sowohl Aspekte der Auswahl des Betreuers als auch zur Art und Weise der Führung der Betreuung umfassen. Sie kann sich auf einzelne Aufgabenbereiche beschränken oder umfassend ausgestaltet sein. Das Gericht muss bei allen Entscheidungen die Wünsche aus der Verfügung vorrangig beachten.

Unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten

Einfache und detaillierte Betreuungsverfügung

Eine Betreuungsverfügung kann auf die bloße Benennung eines Betreuers beschränkt oder detailliert ausgestaltet sein, etwa durch konkrete Weisungen zur Vermögensverwaltung, zum Aufenthaltsort oder zu Art und Umfang der medizinischen Versorgung.

Kombination mit anderen Vorsorgedokumenten

Die Betreuungsverfügung kann mit einer Vorsorgevollmacht und/oder einer Patientenverfügung kombiniert werden, um eine lückenlose Vorsorge sicherzustellen. In der Praxis empfiehlt sich eine wohlüberlegte Abstimmung der einzelnen Vorsorgedokumente.

Betreuungsverfügung in der gerichtlichen Praxis

Verfahren bei Anordnung einer Betreuung

Kommt das Betreuungsgericht nach entsprechender Prüfung zu dem Ergebnis, dass eine Betreuung notwendig ist, zieht es die vorliegende Betreuungsverfügung heran und orientiert sich bei der Auswahl des Betreuers und bei der Ausgestaltung der Betreuung an den festgelegten Wünschen.

Kontrolle und Überwachung des Betreuers

Das Betreuungsgericht überwacht die Tätigkeit des Betreuers auch dann, wenn dieser auf Basis einer Betreuungsverfügung bestellt wurde. Die in der Verfügung geäußerten Wünsche sind auch im weiteren Verlauf der Betreuung maßgeblich zu beachten.

Aufbewahrung und Mitteilung der Betreuungsverfügung

Sicherstellung der Auffindbarkeit

Um die Wirksamkeit der Betreuungsverfügung in einem Ernstfall zu gewährleisten, sollte deren Auffindbarkeit gegeben sein. Eine Verwahrung bei wichtigen Unterlagen, die Hinterlegung bei nahestehenden Personen oder die Registrierung im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer werden empfohlen.

Registrierung im Zentralen Vorsorgeregister

Das Zentrale Vorsorgeregister bietet die Möglichkeit einer freiwilligen Registrierung, sodass im Betreuungsfall eine schnelle Kenntnisnahme durch das Gericht gewährleistet ist. Dies erhöht die Chance, dass die Verfügung im Bedarfsfall auch tatsächlich berücksichtigt wird.

Internationale Aspekte der Betreuungsverfügung

Geltung im Ausland

Die Wirksamkeit einer deutschen Betreuungsverfügung richtet sich nach deutschem Recht. Bei Aufenthalten im Ausland ist zu beachten, dass ausländische Behörden und Gerichte nicht an die Vorgaben der Verfügung gebunden sind. Entsprechend ist eine Rechtsberatung bei längerem Auslandsaufenthalt empfehlenswert, um gegebenenfalls eine Verfügung nach dem Recht des Aufenthaltslandes zu erstellen.

Zusammenfassung

Die Betreuungsverfügung ist ein wirkungsvolles und flexibles Werkzeug, um individuelle Vorsorge für den Fall der eigenen Betreuungsbedürftigkeit zu treffen. Sie bietet die Möglichkeit, sowohl die Auswahl als auch die Tätigkeit des Betreuers an eigene Wünsche anzupassen und das eigene Selbstbestimmungsrecht auch im Rahmen gerichtlicher Betreuungsverfahren zu erhalten. Durch klar formulierte Inhalte, sorgfältige Aufbewahrung und gegebenenfalls Registrierung kann sichergestellt werden, dass die persönlichen Vorstellungen und Interessen im Ernstfall maßgeblich berücksichtigt werden.

Häufig gestellte Fragen

Welche Formvorschriften gelten für die Erstellung einer Betreuungsverfügung?

Eine Betreuungsverfügung kann grundsätzlich formfrei erstellt werden. Das bedeutet, sie muss nicht zwingend notariell beurkundet oder handschriftlich verfasst sein. Es reicht aus, wenn die Betreuungsverfügung schriftlich vorliegt und vom Verfasser eigenhändig unterschrieben wurde. Eine maschinenschriftliche oder am Computer erstellte Verfügung ist zulässig, sofern die persönliche Unterschrift des Verfassers vorhanden ist. Dennoch wird empfohlen, die Betreuungsverfügung klar, präzise und möglichst eindeutig zu formulieren, um spätere Missverständnisse oder Auslegungsunsicherheiten zu vermeiden. Im Hinblick auf die Beweiskraft empfiehlt es sich, das Datum der Erstellung hinzuzufügen und gegebenenfalls Zeugen oder eine notarielle Beglaubigung hinzuzuziehen, insbesondere wenn mit Anfechtungen zu rechnen ist. Eine Kopie der Verfügung sollte an einem für Dritte auffindbaren Ort hinterlegt und auch der zuständigen Person oder dem gewünschten Betreuer zur Verfügung gestellt werden. Eine Registrierung im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer erhöht die Auffindbarkeit im Ernstfall und ist rechtlich ebenfalls zulässig.

Kann eine Betreuungsverfügung jederzeit widerrufen oder geändert werden?

Ja, die Betreuungsverfügung unterliegt keiner Bindungswirkung und kann vom Verfasser jederzeit formlos widerrufen oder abgeändert werden, solange er geschäftsfähig ist. Für den Widerruf oder die Abänderung gibt es keine speziellen gesetzlichen Vorschriften; es genügt eine neue schriftliche Erklärung oder ein formloser Widerruf, etwa durch Vernichtung der alten Verfügung. Im Falle einer Änderung empfiehlt es sich aus Gründen der Klarheit und Nachweisbarkeit, die neue Verfügung schriftlich zu verfassen, zu datieren und zu unterschreiben. Die geänderte oder widerrufene Verfügung sollte ebenfalls an relevanten Stellen neu hinterlegt und gegebenenfalls im Vorsorgeregister aktualisiert werden, damit nur die aktuelle Verfügung im Bedarfsfall berücksichtigt wird. Dies verhindert mögliche Verwirrungen oder Streitigkeiten über den aktuellen Willen der betroffenen Person.

Welche rechtliche Bindungswirkung hat eine Betreuungsverfügung für das Gericht?

Das Betreuungsgericht ist gemäß § 1896 Absatz 1a BGB verpflichtet, eine Betreuungsverfügung im Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass das Gericht grundsätzlich dem in der Verfügung geäußerten Wunsch nachkommen muss, sofern keine wichtigen Gründe dagegensprechen, wie etwa die offensichtliche Ungeeignetheit oder das fehlende Vertrauen zum vorgeschlagenen Betreuer. Die Verfügung bindet das Gericht in Bezug auf die Person des Betreuers sowie die gewünschten Regelungen zur Führung der Betreuung, soweit dies dem Wohl des Betroffenen nicht widerspricht. Sollte der vorgeschlagene Betreuer nicht zur Verfügung stehen, verstirbt oder aus objektiven Gründen ungeeignet erscheinen, muss das Gericht einen anderen Betreuer bestellen. Die Betreuungsverfügung ist somit rechtlich hohes Gewicht beizumessen, sie entfaltet jedoch keine absolute Bindungswirkung, da das Gericht stets das Wohl des Betroffenen vorrangig zu beachten hat.

Muss die in der Betreuungsverfügung benannte Person die Betreuung übernehmen?

Die Benennung einer Person in der Betreuungsverfügung ist für das Gericht ein maßgeblicher Entscheidungsaspekt, löst jedoch keinen rechtlichen Zwang für die benannte Person zur Übernahme der Betreuung aus. Die Übernahme einer Betreuung erfolgt stets freiwillig und setzt die Bereitschaft der vorgeschlagenen Person voraus. Im gerichtlichen Verfahren wird die benannte Person von Seiten des Gerichts kontaktiert und zur Bereitschaftserklärung aufgefordert. Lehnt die Person ab oder ist aus persönlichen, gesundheitlichen oder rechtlichen Gründen ungeeignet, bestellt das Gericht eine andere geeignete Person oder einen Berufsbetreuer. Die Berücksichtigung der Betreuungsverfügung bleibt im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bestehen, aber eine ausschließlich auf die Disponibilität des Vorschlags abzielende Durchsetzbarkeit besteht nicht.

Welche rechtlichen Unterschiede bestehen zwischen Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung?

Die Betreuungsverfügung regelt, wer im Bedarfsfall zum Betreuer bestellt werden soll und wie die Betreuung geführt werden soll, falls das Betreuungsgericht eine Betreuung für erforderlich hält. Sie ist an das Gericht gerichtet und wird relevant, wenn keine (oder keine ausreichende) Vorsorgevollmacht besteht. Die Vorsorgevollmacht hingegen ermächtigt eine Vertrauensperson, ohne Einschaltung des Gerichts rechtsverbindlich für die betroffene Person zu handeln. Das Gericht wird bei wirksamer Vorsorgevollmacht im Regelfall keine Betreuung anordnen. Die Patientenverfügung schließlich gibt verbindliche Anweisungen zu medizinischen Maßnahmen für den Fall, dass der Ersteller nicht mehr einwilligungsfähig ist. Die Betreuungsverfügung dient also primär der gerichtlichen Einflussnahme bei der Auswahl des Betreuers, während die Vorsorgevollmacht auf unmittelbare Stellvertretung und die Patientenverfügung auf medizinische Behandlungswünsche abzielt.

Was passiert, wenn mehrere Betreuungsverfügungen mit unterschiedlichen Inhalten existieren?

Liegen mehrere Betreuungsverfügungen mit abweichenden Inhalten vor, kommt es primär auf den erkennbaren, zuletzt geäußerten Willen des betroffenen Menschen an. Gemäß dem Grundsatz der Aktualität gilt die jüngste Verfügung als maßgeblich, sofern keine Zweifel an deren Wirksamkeit oder Geschäftsfähigkeit des Verfassers bestehen. Das Betreuungsgericht hat die Aufgabe, den tatsächlichen aktuellen Willen zu erforschen. Dabei werden auch etwaige mündliche Aussagen, Briefe oder andere Hinweise auf den aktuellen Wunsch des Betroffenen berücksichtigt. Können die Präferenzen nicht eindeutig festgestellt werden oder widersprechen sich die Verfügungen erheblich, ist das Gericht gehalten, das Wohl und die Interessen des Betroffenen besonders sorgfältig bei der Auswahl des Betreuers zu beachten.

Unter welchen Umständen kann eine Betreuungsverfügung vom Gericht ignoriert werden?

Das Gericht kann von einer Betreuungsverfügung insbesondere dann abweichen, wenn der vorgeschlagene Betreuer für die Übernahme des Amtes ungeeignet erscheint. Ungeeignetheit kann sich aus unterschiedlichen Gründen ergeben, etwa aufgrund mangelnder persönlicher oder fachlicher Qualifikation, bestehender Interessenkonflikte, Vorstrafen oder offenkundiger Zerwürfnisse mit dem Betroffenen. Auch eine fehlende Bereitschaft zur Übernahme der Betreuung durch die benannte Person oder Zweifel an ihrer Integrität können dazu führen, dass das Gericht von der in der Verfügung getroffenen Anordnung abweicht. Liegt das Wohl des Betroffenen offenkundig in einer anderen Lösung, ist das Gericht rechtlich gehalten, davon abzuweichen und unter ausführlicher Begründung eine andere Entscheidung zu treffen. Die Intention und geäußerten Wünsche des Betroffenen fließen jedoch weiterhin prägend in die gerichtliche Abwägung ein.