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Betreuungssachen


Begriffsbestimmung und gesetzlicher Rahmen

Betreuungssachen sind ein zentrales Rechtsinstitut im deutschen Betreuungsrecht und bezeichnen Verfahren, in denen über die Bestellung, Aufhebung, den Aufgabenkreis oder die Vergütung eines rechtlichen Betreuers durch das Betreuungsgericht entschieden wird. Der Begriff ist im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) normiert und umfasst sämtliche gerichtlichen Verfahren, die sich auf die rechtliche Betreuung volljähriger Personen nach § 1896 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) beziehen.

Rechtsgrundlagen der Betreuungssachen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Das Betreuungsrecht ist in den §§ 1896-1908i BGB geregelt. Es stellt die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Einrichtung und Durchführung von Betreuungen für volljährige Personen dar, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst regeln können.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)

Im FamFG sind insbesondere die Verfahrensvorschriften für Betreuungssachen geregelt (§§ 271-341 FamFG). Das Gesetz strukturiert die Verfahrensabläufe, Zuständigkeiten und Rechte der Beteiligten umfassend.

Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)

Das GVG enthält Zuständigkeitsregeln für die Gerichte bei Betreuungssachen. Nach § 23b GVG sind hierfür die Amtsgerichte als Betreuungsgerichte zuständig.

Inhaltliche Abgrenzung und Zuständigkeit

Abgrenzung zu anderen Verfahrensarten

Betreuungssachen sind strikt von anderen betreuungsnahen Verfahren, insbesondere den sog. Unterbringungssachen und Vormundschaftssachen, abzugrenzen. Während Betreuungssachen sich ausschließlich auf Volljährige beziehen, ist die Vormundschaft Minderjährigen vorbehalten. Unterbringungssachen hingegen betreffen Maßnahmen wie Freiheitsentziehung oder -beschränkung im Zuge bestehender Betreuungen.

Zuständigkeit der Gerichte

Für Betreuungssachen sind grundsätzlich die Amtsgerichte zuständig, in deren Bezirk die betroffene Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Spezielle Kammern für Betreuungssachen bestehen bei diesen Gerichten. Berufungen und Beschwerden richten sich an die Landgerichte beziehungsweise Oberlandesgerichte.

Typische Verfahren in Betreuungssachen

Anordnung einer Betreuung

Die Einrichtung einer Betreuung erfolgt durch einen gerichtlichen Beschluss. Auslöser ist entweder ein Antrag der betroffenen Person selbst, eines Angehörigen oder eine Anregung von dritter Seite, beispielsweise durch Behörden. Das Gericht prüft dabei intensiv die medizinischen und sozialen Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung.

Feststellung der Voraussetzungen

Voraussetzung für die Anordnung einer Betreuung ist gemäß § 1896 BGB das Vorliegen einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung, die die Besorgung der eigenen Angelegenheiten unmöglich macht. Hierfür ist oftmals ein fachärztliches Gutachten einzuholen.

Umfang der Betreuung

Das Gericht legt den Aufgabenkreis des Betreuers fest. Dies kann beispielsweise die Regelung von Vermögensangelegenheiten, Gesundheitssorge oder Aufenthaltsbestimmung umfassen. Die Betreuung ist auf das erforderliche Maß zu beschränken.

Bestellung und Auswahl des Betreuers

Das Gericht hat bei der Auswahl des Betreuers besondere Sorgfalt walten zu lassen und die Wünsche der betroffenen Person zu berücksichtigen (§ 1897 BGB). Es wird bevorzugt eine geeignete Einzelperson aus dem sozialen Umfeld benannt, falls dies dem Willen der betreuten Person entspricht. Andernfalls erfolgt die Bestellung eines berufsmäßigen Betreuers.

Rechte und Pflichten der Beteiligten

Die betroffene Person ist Verfahrensbeteiligte mit umfangreichen Beteiligungs- und Anhörungsrechten. Auch Angehörige, der Betreuer sowie gegebenenfalls ein Verfahrenspfleger erhalten Beteiligungsrechte während des gerichtlichen Verfahrens.

Überprüfung, Verlängerung und Aufhebung der Betreuung

Betreuungssachen sind regelmäßig zu überprüfen (§ 1908d BGB). Das Gericht prüft in bestimmten Abständen, ob die Betreuung fortgeführt, erweitert, eingeschränkt oder aufgehoben werden muss. Beantragt die betroffene Person die Aufhebung der Betreuung, ist dieser stattzugeben, sofern die Voraussetzungen für eine weitere Betreuung nicht mehr vorliegen.

Vergütung und Aufwendungsersatz des Betreuers

Im Rahmen der Betreuungssachen entscheidet das Gericht über die Vergütung und den Auslagenersatz für den Betreuer nach Maßgabe des Betreuungsrechts (§§ 1835, 1835a BGB). Ein professioneller Betreuer erhält eine am Umfang und Schwierigkeitsgrad der Betreuung orientierte Vergütung.

Verfahrensrechte im Zusammenhang mit Betreuungssachen

Verfahrensgrundsätze

Das gerichtliche Verfahren in Betreuungssachen ist von besonderer Fürsorge und Achtung für die Selbstbestimmungsrechte der betroffenen Person geprägt. Die persönliche Anhörung der oder des Betroffenen ist gemäß § 278 FamFG zwingend vorgeschrieben. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers erfolgt, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen der betroffenen Person zu befürchten ist.

Beschwerde und Rechtsmittel

Gegen Entscheidungen des Betreuungsgerichts ist die Beschwerde zum Landgericht zulässig (§ 58 FamFG). In besonderen Fällen kann darüber hinaus eine weitere Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht möglich sein. Die Rechtsmittel gewährleisten die korrekte Anwendung der gesetzlichen Vorgaben und den Schutz der Grundrechte der betroffenen Person.

Datenschutz und Schweigepflicht

Die Erhebung und Verarbeitung von medizinischen und persönlichen Daten unterliegt in Betreuungssachen strengen datenschutzrechtlichen Anforderungen. Das Gericht hat sicherzustellen, dass sensible Informationen nur im notwendigen Umfang und unter Wahrung der Vertraulichkeit verarbeitet werden.

Bedeutung und Zielsetzung der Betreuungssachen

Ziel der Betreuungssachen ist der Schutz und die Unterstützung erwachsener Menschen, die aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen nicht in der Lage sind, ihre rechtlichen Angelegenheiten selbst zu regeln, und zugleich die größtmögliche Wahrung der individuellen Selbstbestimmung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sicherzustellen. Die Bestellung eines Betreuers ist stets als staatlich unterstützte Hilfe zur Selbsthilfe ausgestaltet und stellt keine vollständige Entmündigung dar.


Literaturhinweise

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)
  • Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)
  • Kommentarliteratur: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch; Keidel, FamFG-Kommentar

Dieser Artikel liefert einen umfassenden und detaillierten Überblick über den rechtlichen Rahmen, die Abläufe und die Zielsetzung von Betreuungssachen innerhalb des deutschen Betreuungsrechts.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist für die Anordnung einer Betreuung zuständig und wie läuft das gerichtliche Verfahren ab?

Für die Anordnung einer Betreuung ist in Deutschland grundsätzlich das zuständige Amtsgericht – Betreuungsgericht – verantwortlich. Das Verfahren beginnt in der Regel mit einem Antrag, der entweder von der betroffenen Person selbst, deren Angehörigen, dem Sozialdienst, einer Einrichtung oder von Amts wegen gestellt werden kann. Das Gericht prüft, ob tatsächlich ein Bedarf für eine rechtliche Betreuung vorliegt. Hierzu holt das Gericht ein ärztliches Gutachten ein, das die Notwendigkeit und den Umfang der Betreuung feststellt. Zudem wird die betroffene Person persönlich angehört. In vielen Fällen wird zusätzlich ein Verfahrenspfleger bestellt, der die Interessen des Betroffenen vor Gericht vertritt. Nach umfassender Prüfung beschließt das Gericht die Anordnung einer Betreuung und legt fest, für welche Aufgabenkreise die Betreuung gilt (z. B. Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung). Die Entscheidung ist dem Betroffenen und ggf. Beschwerdeführern zuzustellen und kann mittels Beschwerde beim Landgericht überprüft werden.

Welche Voraussetzungen müssen für die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung vorliegen?

Der rechtliche Maßstab für die Einrichtung einer Betreuung ist in § 1814 BGB geregelt. Eine Betreuung darf nur angeordnet werden, wenn eine volljährige Person aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen kann. Es muss also eine erhebliche Einschränkung der Entscheidungs-, Handlungs- oder Geschäftsfähigkeit vorliegen. Die Betreuung wird nur für die Aufgabenkreise eingerichtet, in denen ein konkreter Bedarf besteht. Die Einrichtung einer Betreuung ist subsidiär, das bedeutet: Sie kommt nur in Betracht, wenn keine anderen Hilfen (z. B. Unterstützung durch Angehörige, Vorsorgevollmacht) ausreichend oder zumutbar sind. Das Gericht prüft dabei sorgfältig, ob mildere Mittel als die Anordnung einer Betreuung zur Verfügung stehen.

Was umfasst der Aufgabenkreis eines Betreuers und wie wird dieser bestimmt?

Der Aufgabenkreis gibt an, in welchen Lebensbereichen der Betreuer für den Betreuten tätig werden darf oder muss. Er wird individuell durch das Betreuungsgericht entsprechend dem konkreten Hilfebedarf der betroffenen Person festgelegt. Typische Aufgabenkreise sind beispielsweise die Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge, Behördenangelegenheiten, Wohnungsangelegenheiten oder auch die Aufenthaltsbestimmung. Die Festlegung erfolgt immer möglichst eng und bedarfsgerecht, wobei das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen gewahrt werden muss (§ 1821 BGB). Der Betreuer darf in Angelegenheiten außerhalb seines Aufgabenkreises grundsätzlich nicht tätig werden. Im Laufe der Betreuung kann der Aufgabenkreis im Bedarfsfall durch das Gericht erweitert oder auch eingeschränkt werden.

Welche Rechte und Pflichten hat ein Betreuer im Rahmen seiner Tätigkeit?

Ein Betreuer hat die Pflicht, die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und dessen Wohl zu beachten. Grundlage ist das Prinzip der „unterstützten Entscheidungsfindung“ – das heißt, der Betreuer muss die Wünsche und den Willen des Betreuten ermitteln und nach Möglichkeit umsetzen (§ 1821 BGB). Der Betreuer unterliegt der gerichtlichen Kontrolle und ist zur regelmäßigen Berichterstattung sowie jährlichen Rechnungslegung gegenüber dem Betreuungsgericht verpflichtet. Ferner bestehen Mitteilungspflichten bei wichtigen Angelegenheiten (z. B. Wohnungsauflösung, Heimeinweisung) und bei vermögensrechtlichen Entscheidungen ist oft eine gerichtliche Genehmigung einzuholen (§§ 1837 ff. BGB). Gleichzeitig haftet der Betreuer für eigenes Verschulden im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung.

Kann eine Betreuung zeitlich befristet oder widerrufen werden?

Die Betreuung wird stets befristet angeordnet, in der Regel für einen Zeitraum von höchstens sieben Jahren, kann jedoch früher aufgehoben oder verlängert werden (§ 286 Abs. 3 FamFG). Das Gericht überprüft regelmäßig, ob die Voraussetzungen für die Betreuung weiterhin vorliegen. Wenn der Grund für die Betreuung – zum Beispiel durch Besserung des Gesundheitszustands – wegfällt, kann die Betreuung auf Antrag der betroffenen Person, des Betreuers oder auch von Amts wegen aufgehoben oder eingeschränkt werden (§ 1908d BGB). Das gerichtliche Verfahren zur Aufhebung der Betreuung ähnelt dem Einrichtungsverfahren und ist ebenso sorgfältig ausgestaltet.

Welche Kosten sind mit einer gerichtlichen Betreuung verbunden und wer trägt diese?

Mit der gerichtlichen Betreuung sind Kosten für das gerichtliche Verfahren, die Vergütung des Betreuers und ggf. des Verfahrenspflegers sowie für die Erstellung ärztlicher Gutachten verbunden. Grundsätzlich trägt die betreute Person die Kosten, sofern sie finanziell dazu in der Lage ist (§ 1836c BGB). Kann die betreute Person die Kosten nicht selbst aufbringen, so besteht die Möglichkeit einer Kostenübernahme durch die Staatskasse (Kostenbefreiung bzw. Verfahrenskostenhilfe). Die Vergütung eines beruflichen Betreuers richtet sich nach einem gesetzlich festgelegten Vergütungssystem, während ehrenamtliche Betreuer lediglich Anspruch auf Auslagenersatz haben.

Welche Rolle spielen Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung im Betreuungsverfahren?

Eine wirksame Vorsorgevollmacht hat Vorrang vor der Einrichtung einer Betreuung (§ 1814 Abs. 3 BGB), sofern sie den konkreten Hilfe- oder Schutzbedarf abdeckt und der Bevollmächtigte geeignet ist, die Angelegenheiten zu regeln. Nur wenn die Vorsorgevollmacht nicht greift oder Zweifel an ihrer Wirksamkeit oder der Eignung des Bevollmächtigten bestehen, kommt eine gerichtliche Betreuung in Betracht. Die Betreuungsverfügung hingegen dient dazu, im Vorfeld Wünsche zur Person des Betreuers oder zu bestimmten Aspekten der Betreuung zu äußern. Das Gericht muss diese Wünsche bei seiner Entscheidung berücksichtigen, hat jedoch das letzte Entscheidungsrecht, wenn gewichtige Gründe entgegenstehen.