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Betreuungsfreibetrag


Begriff und Rechtsgrundlagen des Betreuungsfreibetrags

Der Betreuungsfreibetrag ist ein steuerrechtlicher Begriff und bezeichnet einen besonderen Freibetrag bei der Einkommensteuer, der Eltern für die Betreuung, Erziehung oder Ausbildung von Kindern gewährt wird. Die rechtliche Verankerung des Betreuungsfreibetrags findet sich in § 32 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Bundesrepublik Deutschland. Gemeinsam mit dem Kinderfreibetrag soll der Betreuungsfreibetrag sicherstellen, dass das Existenzminimum von Kindern sowie ein zusätzlicher Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf steuerlich freigestellt wird.


Zweck und Funktion des Betreuungsfreibetrags

Steuerliche Entlastung

Der Betreuungsfreibetrag dient der steuerlichen Entlastung von Eltern oder anderen unterhaltspflichtigen Personen, indem ein festgelegter Betrag vom zu versteuernden Einkommen abgezogen wird. Ziel ist es, die mit der Betreuung, Erziehung und Ausbildung verbundenen zusätzlichen finanziellen Belastungen abzumildern.

Verfassungsrechtlicher Hintergrund

Verfassungsrechtlich ist der Betreuungsfreibetrag ein Ausfluss des steuerlichen Existenzminimums, das durch das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung geschützt ist. Das Existenzminimum umfasst neben dem Grundbedarf auch den Betreuungs- und Erziehungsbedarf des Kindes und soll nicht der Besteuerung unterliegen.


Anspruchsvoraussetzungen und Berechtigte

Anspruchsberechtigte Personen

Anspruch auf den Betreuungsfreibetrag haben in der Regel leibliche Elternteile, Adoptiveltern sowie Pflegeeltern eines minderjährigen Kindes, das im Inland wohnt. Stehen mehrere Personen für dasselbe Kind ein, wird der Freibetrag grundsätzlich zu gleichen Teilen gewährt, sofern das Kind zu beiden unterhalten wird.

Gemeinsame und getrennte Veranlagung

Bei zusammen veranlagten Elternteilen wird der Betreuungsfreibetrag jeweils zur Hälfte gewährt. Bei getrennt lebenden Elternteilen steht jedem Elternteil der hälftige Freibetrag zu, sofern beide an der Betreuung beteiligt sind. Eine Übertragung des Betreuungsfreibetrags auf einen Elternteil ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, insbesondere wenn der andere Elternteil seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt oder nicht betreuend tätig ist.


Höhe und Berechnung des Betreuungsfreibetrags

Gesetzlich festgelegter Betrag

Der Betreuungsfreibetrag ist gesetzlich geregelt und beträgt jährlich 2.928 Euro je Kind (Stand 2024). Dieser Betrag wird hälftig auf beide Elternteile aufgeteilt, sofern keine Übertragung auf einen Elternteil stattfindet.

Verhältnis zum Kinderfreibetrag

Neben dem Betreuungsfreibetrag gibt es den Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG) für das sächliche Existenzminimum. Die beiden Freibeträge werden zusammen betrachtet und im Rahmen der Günstigerprüfung mit dem Anspruch auf Kindergeld verglichen. Das Finanzamt rechnet für jedes zu berücksichtigende Kind im Einkommensteuerbescheid automatisch mit dem Kindergeldanspruch ab und berücksichtigt die steuerlich günstige Variante.


Übertragung und Besonderheiten

Übertragung des Freibetrags

Der Betreuungsfreibetrag kann unter bestimmten Umständen auf einen Elternteil vollständig übertragen werden, wenn der andere Elternteil keiner Betreuung oder Unterhaltsverpflichtung nachkommt. Der Antrag auf Übertragung ist beim Finanzamt zu stellen, und der andere Elternteil kann dem widersprechen, wenn er eine Mindestbetreuung oder Unterhaltszahlungen nachweisen kann.

Sonderfälle

In Fällen von Patchwork-Familien, Pflegekindern oder bei volljährigen Kindern, die sich noch in Ausbildung befinden, können sich abweichende Regelungen hinsichtlich der Anspruchsberechtigung und der Übertragbarkeit ergeben. Die Freibeträge werden grundsätzlich nur für Kinder berücksichtigt, die ihren Lebensmittelpunkt im Inland haben.


Abgrenzung zu weiteren steuerlichen Vergünstigungen

Unterschied zu den tatsächlichen Betreuungskosten

Der Betreuungsfreibetrag ist nicht zu verwechseln mit der steuerlichen Absetzbarkeit tatsächlicher Betreuungskosten (z. B. für Kindertagesstätten). Während der Freibetrag pauschal gewährt wird, können tatsächliche Betreuungskosten (unter bestimmten Voraussetzungen und Höchstbeträgen) zusätzlich als Sonderausgaben geltend gemacht werden.

Zusammenhang mit Kindergeld und Kinderfreibetrag

Das sogenannte Günstiger-Prinzip sorgt dafür, dass entweder die Steuerersparnis durch Kinder- und Betreuungsfreibetrag oder das ausgezahlte Kindergeld zu einer günstigen Entlastung führt. Wird durch die Freibeträge eine höhere Entlastung erzielt, wird die Differenz nachträglich im Rahmen des Steuerbescheids gewährt.


Rechtsentwicklung und Rechtsprechung

Historische Entwicklung

Der Betreuungsfreibetrag wurde erstmalig 2000 eingeführt und mehrfach angepasst. Er reagiert damit auf verfassungsgerichtliche Vorgaben, die eine ausreichende steuerliche Freistellung des Existenzminimums von Kindern fordern. Die regelmäßige Anpassung orientiert sich an der Entwicklung des Existenzminimums nach den Vorgaben des Gesetzgebers.

Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach bestätigt, dass neben dem Kinderfreibetrag auch Aufwendungen für Betreuung und Erziehung freigestellt werden müssen, um den Anforderungen an das steuerliche Existenzminimum und das Gleichbehandlungsgebot zu genügen.


Praktische Umsetzung im Besteuerungsverfahren

Berücksichtigung im Steuerbescheid

Die Anwendung des Betreuungsfreibetrags erfolgt in der Regel automatisch im Einkommensteuerbescheid. Voraussetzung ist, dass das Kind im Steuerbescheid mit den entsprechenden Angaben erfasst ist. Eine gesonderte Beantragung ist nur bei Übertragung erforderlich.

Nachweise und Anspruchsklärung

Das Finanzamt prüft anhand der Meldedaten und Kindergeldbescheide, ob die Voraussetzungen für den Betreuungsfreibetrag vorliegen. Bei Unklarheiten können zusätzliche Nachweise zur Betreuungs- und Unterhaltssituation gefordert werden.


Literaturhinweise und weiterführende Normen

  • Einkommensteuergesetz (EStG), insbesondere § 32 Abs. 6 EStG
  • Bundesverfassungsgerichtsurteile zur steuerlichen Entlastung von Eltern
  • Informationen des Bundesministeriums der Finanzen zu Kinderfreibetrag und Betreuungsfreibetrag

Zusammenfassung

Der Betreuungsfreibetrag ist ein zentrales Instrument der steuerlichen Entlastung von Familien und trägt dazu bei, die Aufwendungen für die Betreuung, Erziehung und Ausbildung von Kindern im Steuerrecht zu berücksichtigen. Seine Ausgestaltung, die Anspruchsvoraussetzungen sowie die regelmäßige Anpassung sind vom Gesetzgeber und der Rechtsprechung bestimmt und folgen dem Ziel, das Existenzminimum von Kindern angemessen von der Besteuerung freizustellen. Der Betreuungsfreibetrag ist damit ein wesentlicher Bestandteil des Familiensteuerrechts in Deutschland.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist anspruchsberechtigt auf den Betreuungsfreibetrag?

Der Betreuungsfreibetrag steht gemäß § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG grundsätzlich den leiblichen Eltern eines Kindes zu, das nicht volljährig ist und für das ihnen Kindergeld oder der Kinderfreibetrag zusteht. Sind die Eltern getrennt oder geschieden und betreuen das Kind nicht gemeinsam, kann der Anspruch auf den Betreuungsfreibetrag zwischen den Elternteilen aufgeteilt oder ganz auf einen Elternteil übertragen werden (§ 32 Abs. 6 Satz 6 und 7 EStG). Der Elternteil, bei dem das Kind mit Hauptwohnsitz gemeldet ist und der es überwiegend betreut, hat einen vorrangigen Anspruch auf den Freibetrag. In Sonderfällen können auch Stiefeltern oder Pflegeeltern berechtigt sein, sofern sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen und tatsächliche Betreuungsleistungen erbringen.

Wie wird der Betreuungsfreibetrag bei getrennt lebenden Eltern verteilt?

Bei getrennt lebenden Eltern steht jedem Elternteil die Hälfte des Betreuungsfreibetrags zu. Allerdings kann ein Elternteil gegenüber dem Finanzamt beantragen, dass der Freibetrag vollständig auf ihn übertragen wird, wenn das Kind ausschließlich oder überwiegend von ihm betreut wird (§ 32 Abs. 6 Satz 6 EStG). Der andere Elternteil kann der Übertragung widersprechen, wenn er behauptet, selbst regelmäßig und in nicht unwesentlichem Umfang Betreuung auszuüben. Ein solcher Widerspruch muss dem Finanzamt gegenüber glaubhaft gemacht werden. Besucht das Kind beispielsweise regelmäßig die Wohnung des anderen Elternteils, übernachtet dort regelmäßig oder wird vom anderen Elternteil umfangreich versorgt, kann dies einen „nicht unwesentlichen Umfang“ darstellen.

Welche Nachweise verlangt das Finanzamt für die Übertragung des Betreuungsfreibetrags?

Das Finanzamt verlangt üblicherweise konkrete Nachweise oder zumindest nachvollziehbare Angaben darüber, in welchem Umfang die tatsächliche Betreuung durch den beantragenden Elternteil erfolgt. Hierzu zählen insbesondere Melderegisterauskünfte (Meldung des Kindes bei einem Elternteil), gegebenenfalls Sorgerechtsnachweise sowie dokumentierte Zeiträume, in denen das Kind sich beim anderen Elternteil aufhält („Umgangsregelung“). Aussagekräftige Nachweise können zudem Betreuungspläne, Zeugenaussagen oder Vereinbarungen zwischen den Eltern sein, die den Umfang der Betreuung bestätigen.

Unter welchen Voraussetzungen kann der andere Elternteil der Übertragung widersprechen?

Grundsätzlich kann der Freibetrag nur dann vollständig auf einen Elternteil übertragen werden, wenn der andere weder das Kind betreut noch bar Unterhalt leistet. Laut Bundesfinanzhof (BFH) reicht bereits eine „persönliche Betreuung in nicht unwesentlichem Umfang“ aus, damit der Elternteil die Übertragung verhindern kann. Als „nicht unwesentlich“ wird hierbei eine regelmäßige Betreuung angesehen, die über bloße Besuchskontakte hinausgeht. Ein typisches Beispiel ist das elterliche Wechselmodell mit einer annähernd hälftigen Betreuung. Auch gelegentliche Wochenend- oder Ferienaufenthalte können ausreichend sein, sofern sie einen spürbaren Beitrag zur Erziehung und Betreuung des Kindes leisten.

Beeinflusst der Betreuungsfreibetrag die Unterhaltsberechnung?

Der Betreuungsfreibetrag wirkt sich ausschließlich auf das steuerliche Einkommen der Eltern aus und hat keinen unmittelbaren Einfluss auf die zivilrechtliche Unterhaltsberechnung. Er mindert nicht die als Unterhalt zu zahlenden Beträge und steht neben dem Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag steuerlich zur Verfügung. Die Zuerkennung des Betreuungsfreibetrags kann jedoch im Rahmen der steuerlichen Leistungsfähigkeit mittelbar von Bedeutung sein, wenn Gerichte auf die steuerliche Situation und Zugewinne abstellen.

Kann der Betreuungsfreibetrag bei Pflegeeltern oder Großeltern berücksichtigt werden?

Der Gesetzgeber lässt die Berücksichtigung des Betreuungsfreibetrags grundsätzlich auch für Pflegeeltern und unter Umständen andere Personen zu, wenn diese ein Pflegekind nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG oder sogar Enkelkinder betreuen, für die sie Kindergeld bekommen. Dabei gelten die gleichen Voraussetzungen hinsichtlich der tatsächlichen Betreuung. Wichtig ist auch hier, dass sie für das Kindergeld anspruchsberechtigt sind und die hauptsächliche Betreuung übernehmen. Eine doppelte Inanspruchnahme bei biologischen Eltern und etwaigen Pflegepersonen ist ausgeschlossen.

Wie wirkt sich der Betreuungsfreibetrag auf die Steuerklasse aus?

Der Betreuungsfreibetrag hat keinen unmittelbaren Einfluss auf die Steuerklasse, sondern wird bei der Einkommensteuerveranlagung im Rahmen des Kinderfreibetrages berücksichtigt. Die Steuerklassenwahl bleibt hiervon unberührt, allerdings kann der Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden, sodass sich im laufenden Kalenderjahr eine Verringerung der Lohnsteuerbelastung ergibt. Die endgültige steuerliche Entlastung erfolgt stets in der Einkommensteuerveranlagung, unabhängig von der Steuerklasse.