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Betreuung

Begriff und Zweck der Betreuung

Betreuung bezeichnet die gerichtliche Bestellung einer Person zur rechtlichen Unterstützung Volljähriger, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst besorgen können. Ziel ist nicht die Entmündigung, sondern die Stärkung der Selbstbestimmung durch maßgeschneiderte Unterstützung. Die Betreuung wird nur für konkret festgelegte Aufgabenbereiche eingerichtet und soll die eigenen Entscheidungen der betroffenen Person ermöglichen und respektieren.

Grundprinzipien der Betreuung

Selbstbestimmung und Unterstützung

Im Mittelpunkt steht die eigenständige Lebensführung der betreuten Person. Entscheidungen werden von der betreuenden Person grundsätzlich gemeinsam vorbereitet und getroffen. Wünsche der betreuten Person sind zu berücksichtigen, soweit sie ihrem Wohl nicht eindeutig zuwiderlaufen. Betreuung ist auf Unterstützung und Ermöglichung von Entscheidungen ausgerichtet (unterstützte Entscheidungsfindung).

Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Betreuung ist ein Eingriff in die rechtliche Autonomie und kommt nur in Betracht, wenn mildere Mittel nicht ausreichen. Sie wird auf das notwendige Maß beschränkt, zeitlich befristet und regelmäßig überprüft. Ein genereller Verlust von Rechten ist mit der Einrichtung einer Betreuung nicht verbunden.

Voraussetzungen und Einleitung eines Betreuungsverfahrens

Anlass und Antragsberechtigung

Auslöser sind Anhaltspunkte dafür, dass eine volljährige Person ihre Angelegenheiten infolge gesundheitlicher Beeinträchtigung nicht mehr ohne rechtliche Unterstützung regeln kann. Eine Betreuung kann durch Anregung aus dem sozialen Umfeld, durch öffentliche Stellen oder von Amts wegen in Betracht gezogen werden. Eine wirksame Bevollmächtigung kann die Notwendigkeit einer Betreuung entfallen lassen.

Ermittlungen und Anhörung

Das zuständige Gericht klärt den Sachverhalt auf. Hierzu gehören die persönliche Anhörung der betroffenen Person, die Prüfung möglicher Alternativen, die Feststellung des Unterstützungsbedarfs und in der Regel die Einholung einer fachlichen Stellungnahme zum Gesundheitszustand. Bei Bedarf wird der betroffenen Person für das Verfahren eine besondere Vertretung zur Wahrnehmung ihrer Verfahrensrechte bestellt.

Entscheidung und Bestellungsurkunde

Bei Vorliegen der Voraussetzungen ordnet das Gericht Betreuung für konkret bezeichnete Aufgabenkreise an und bestellt eine geeignete Person. Die Entscheidung wird in einer Bestellungsurkunde dokumentiert, die den Umfang der Vertretungsmacht ausweist (Betreuerausweis).

Aufgabenkreise und Umfang der Betreuung

Mögliche Aufgabenkreise

Der Umfang richtet sich nach dem individuellen Bedarf. Häufige Aufgabenkreise sind:

  • Gesundheitssorge (z. B. Einwilligung in medizinische Maßnahmen)
  • Vermögenssorge (z. B. Verwaltung von Einkommen und Vermögen)
  • Aufenthalts- und Wohnungsangelegenheiten (z. B. Mietverhältnisse, Heimverträge)
  • Behörden- und Sozialleistungsangelegenheiten
  • Post- und Telekommunikationsangelegenheiten (nur, wenn ausdrücklich angeordnet)

Die Betreuung kann einzelne oder mehrere dieser Bereiche umfassen. Nicht erfasste Bereiche bleiben der betroffenen Person überlassen.

Einwilligungsvorbehalt

In Ausnahmefällen kann das Gericht anordnen, dass bestimmte Erklärungen der betreuten Person erst mit Zustimmung der betreuenden Person wirksam werden. Ein solcher Einwilligungsvorbehalt dient dem Schutz vor erheblichen Nachteilen und bezieht sich nur auf festgelegte Bereiche, meist im Vermögensbereich. Er besteht nicht automatisch mit der Einrichtung der Betreuung.

Stellung und Pflichten der betreuenden Person

Auswahlkriterien

Das Gericht wählt eine geeignete Person aus. Vorrangig kommen nahestehende Personen in Betracht, sofern dies dem Wohl der betreuten Person entspricht und Interessenkonflikte nicht entgegenstehen. Fehlt eine geeignete Person aus dem Umfeld, kann eine ehrenamtliche oder berufliche Betreuungsperson bestellt werden. Wünsche der betroffenen Person zur Person der Betreuung werden nach Möglichkeit berücksichtigt.

Aufgabenerfüllung und Berichterstattung

Die betreuende Person hat die Angelegenheiten im festgelegten Rahmen rechtlich zu vertreten, die Wünsche der betreuten Person zu beachten und sie in Entscheidungen einzubeziehen. Sie führt geordnete Aufzeichnungen, legt bei Vermögenssorge regelmäßig Rechenschaft ab und benötigt für besonders eingriffsintensive Maßnahmen eine gerichtliche Genehmigung (z. B. bei freiheitsentziehenden Unterbringungen oder bestimmten medizinischen Eingriffen).

Vergütung und Aufwendungsersatz

Ehrenamtliche Betreuungspersonen erhalten Ersatz notwendiger Aufwendungen oder eine pauschale Aufwandsentschädigung. Berufliche Betreuungspersonen erhalten eine gesetzlich geregelte Vergütung. Die Zahlung richtet sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der betreuten Person; unter bestimmten Voraussetzungen kann eine öffentliche Kostentragung erfolgen.

Rechte der betreuten Person

Mitwirkung und Wunschbefolgung

Die betreute Person ist in alle sie betreffenden Entscheidungen einzubeziehen. Ihre Wünsche haben Vorrang, soweit sie umsetzbar sind und das eigene Wohl nicht offensichtlich gefährden. Die Betreuung ist auf Förderung der Selbstständigkeit und Erhaltung vorhandener Fähigkeiten ausgerichtet.

Geschäftsfähigkeit und eigene Handlungen

Die Einrichtung einer Betreuung führt nicht automatisch zum Verlust der Geschäftsfähigkeit. Eigene Erklärungen bleiben grundsätzlich wirksam, es sei denn, ein wirksam angeordneter Einwilligungsvorbehalt erfasst den konkreten Bereich oder es fehlt die erforderliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit im Einzelfall. Persönliche Rechte wie das Wahlrecht bleiben unberührt.

Wohnen, Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen

Maßnahmen, die die Freiheit der Person erheblich beschränken, bedürfen einer gesonderten gerichtlichen Genehmigung. Dazu zählen insbesondere länger dauernde geschlossene Unterbringungen oder freiheitsentziehende Fixierungen. Auch bei medizinischen Maßnahmen mit erheblichen Risiken ist regelmäßig eine gerichtliche Genehmigung erforderlich.

Kontrolle und Aufsicht

Rolle des Betreuungsgerichts

Das Gericht überwacht die Führung der Betreuung. Es kann Berichte, Nachweise und Rechnungslegungen anfordern, Genehmigungen erteilen oder versagen und bei Bedarf Maßnahmen treffen, um das Wohl der betreuten Person zu schützen. Bei Pflichtverletzungen kann die betreuende Person abberufen werden.

Betreuungsbehörde

Die örtliche Betreuungsbehörde unterstützt das Gericht, berät in Betreuungsangelegenheiten und fördert ehrenamtliche Betreuung. Sie kann im Verfahren beteiligt werden, Ermittlungen unterstützen und Betreuungspläne anregen.

Dauer, Überprüfung und Beendigung

Befristung und regelmäßige Überprüfung

Betreuung wird befristet angeordnet. Vor Ablauf der Frist prüft das Gericht, ob und in welchem Umfang sie fortzuführen, anzupassen oder aufzuheben ist. Eine Änderung der persönlichen Verhältnisse kann zu einer Erweiterung, Reduzierung oder Beendigung führen.

Wechsel oder Entlassung der betreuenden Person

Bei Eignungszweifeln, Interessenkonflikten oder auf Wunsch der betreuten Person kann das Gericht die betreuende Person wechseln. Die Entlassung erfolgt durch gerichtliche Entscheidung; der nahtlose Übergang der Aufgabenkreise wird sichergestellt.

Kosten und Zuständigkeiten

Gerichtskosten und Vergütung

Für das Verfahren fallen gerichtliche Kosten an. Die Vergütung beruflicher Betreuungspersonen und der Aufwendungsersatz für Ehrenamtliche richten sich nach gesetzlichen Vorgaben. Die Kostentragung hängt von den finanziellen Verhältnissen der betreuten Person ab; eine öffentliche Vorfinanzierung mit späterer Rückforderung ist möglich.

Örtliche Zuständigkeit

Zuständig ist in der Regel das Gericht am gewöhnlichen Aufenthaltsort der betroffenen Person. Bei Wohnortwechseln kann die Zuständigkeit übergehen. Für Maßnahmen mit Auslandsbezug gelten besondere Kollisions- und Anerkennungsregeln.

Alternativen und Ergänzungen

Vorsorgevollmacht

Durch eine Vorsorgevollmacht kann eine Vertrauensperson im Voraus mit der Wahrnehmung bestimmter Angelegenheiten beauftragt werden. Eine wirksame und geeignete Vollmacht macht eine Betreuung in der Regel entbehrlich, sofern sie die erforderlichen Bereiche abdeckt und die bevollmächtigte Person handlungsfähig ist.

Betreuungsverfügung

In einer Betreuungsverfügung können Wünsche zur Person der Betreuung und zur Ausgestaltung der Betreuung festgehalten werden. Das Gericht berücksichtigt diese Vorgaben bei der Auswahl und bei inhaltlichen Entscheidungen.

Unterstützungsangebote im Alltag

Neben oder anstelle einer Betreuung kommen soziale Unterstützungsleistungen, Beratung, Wohn- und Assistenzangebote sowie gesundheitliche Hilfen in Betracht. Solche Maßnahmen können den Bedarf an rechtlicher Vertretung verringern.

Internationale Bezüge

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellen sich Fragen der Zuständigkeit, des anwendbaren Rechts und der Anerkennung ausländischer Entscheidungen. Internationale Übereinkünfte und innerstaatliche Vorschriften sichern in vielen Fällen die Wirksamkeit von Betreuungsanordnungen über Staatsgrenzen hinweg und schützen die betroffene Person bei Aufenthalten im Ausland.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist Betreuung im rechtlichen Sinn?

Betreuung ist die gerichtliche Bestellung einer Person zur rechtlichen Unterstützung Volljähriger, die ihre Angelegenheiten aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen ganz oder teilweise nicht selbst regeln können. Sie wird nur für konkret festgelegte Aufgabenbereiche angeordnet und dient der Unterstützung, nicht der Entmündigung.

Welche Voraussetzungen müssen für die Einrichtung einer Betreuung vorliegen?

Erforderlich ist, dass eine volljährige Person wegen Krankheit oder Behinderung rechtliche Unterstützung benötigt und mildere Mittel nicht ausreichen. Das Gericht prüft Bedarf, Umfang und mögliche Alternativen und hört die betroffene Person persönlich an.

Wer leitet das Betreuungsverfahren ein und wie läuft es ab?

Ein Verfahren kann durch Anregung aus dem Umfeld, durch Behörden oder von Amts wegen in Gang kommen. Das Gericht ermittelt den Sachverhalt, holt erforderliche Stellungnahmen ein, hört die betroffene Person an und entscheidet über Einrichtung, Aufgabenkreise und Auswahl der betreuenden Person. Die Entscheidung wird in einer Bestellungsurkunde dokumentiert.

Bleibt die betreute Person geschäftsfähig und wahlberechtigt?

Die Betreuung führt nicht automatisch zum Verlust der Geschäftsfähigkeit. Eigene Erklärungen bleiben grundsätzlich wirksam, sofern kein wirksam angeordneter Einwilligungsvorbehalt einschlägig ist und die notwendige Einsicht besteht. Das Wahlrecht bleibt unberührt.

Was bedeutet Einwilligungsvorbehalt?

Ein Einwilligungsvorbehalt ist eine gerichtliche Anordnung, nach der bestimmte Erklärungen der betreuten Person erst mit Zustimmung der betreuenden Person wirksam werden. Er dient dem Schutz vor erheblichen Nachteilen und ist auf festgelegte Bereiche begrenzt, häufig im Vermögensbereich.

Wer wird als betreuende Person bestellt?

Vorrang haben geeignete, nahestehende Personen, sofern dies dem Wohl der betroffenen Person entspricht. Andernfalls kommen ehrenamtliche oder berufliche Betreuungspersonen in Betracht. Wünsche der betroffenen Person zur Person der Betreuung werden berücksichtigt.

Wie lange dauert eine Betreuung und wie wird sie beendet?

Betreuung ist befristet und wird regelmäßig überprüft. Sie endet durch gerichtliche Aufhebung, wenn die Voraussetzungen entfallen oder der Umfang reduziert werden kann. Auch ein Wechsel der betreuenden Person ist möglich, wenn Gründe vorliegen.

Wer trägt die Kosten der Betreuung?

Es fallen gerichtliche Kosten sowie Aufwendungsersatz oder Vergütung für die betreuende Person an. Die Kostentragung richtet sich nach den finanziellen Verhältnissen der betreuten Person; eine öffentliche Kostentragung ist unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen, gegebenenfalls mit späterer Erstattung.