Bestreiten der Klagetatsachen

Bestreiten der Klagetatsachen: Begriff und Bedeutung

Das Bestreiten der Klagetatsachen ist die prozessuale Erklärung der beklagten Partei, dass die von der klagenden Partei behaupteten tatsächlichen Umstände nicht zutreffen oder nicht in der behaupteten Weise erfolgt sind. Es geht dabei ausschließlich um Tatsachen, also um konkrete Vorgänge, Handlungen, Zustände oder Zahlen, nicht um rechtliche Bewertungen. Durch ein wirksames Bestreiten wird klargestellt, welche Punkte zwischen den Parteien streitig sind und zu welchen Themen das Gericht Beweise erheben muss.

Klagetatsachen und ihre Rolle im Verfahren

Klagetatsachen bilden die tatsächliche Grundlage des Klagebegehrens. Sie sind der Maßstab dafür, ob das Gericht eine Beweisaufnahme durchführt oder ohne Beweisaufnahme entscheiden kann. Unbestrittene Tatsachen werden dem Urteil zugrunde gelegt; bestrittene Tatsachen sind zu klären.

Funktion im Zivilprozess

Das Bestreiten strukturiert den Streitstoff. Es grenzt ab, welche Behauptungen feststehen und welche streitig sind. Dadurch werden Beweislast und Beweisprogramm bestimmt. Nur wo bestritten wird, entsteht regelmäßig die Notwendigkeit einer Beweisführung. Unterbleibt das Bestreiten, gelten die entsprechenden Tatsachen in der Regel als zugestanden. Schweigen ist kein Bestreiten.

Formen des Bestreitens

Einfaches Bestreiten

Die beklagte Partei erklärt, dass eine Behauptung nicht zutrifft, ohne nähere Einzelheiten zu nennen. Dieses Bestreiten genügt, wenn die Gegenseite sehr allgemeine oder wenig konkrete Tatsachen behauptet. Je konkreter die Behauptung, desto eher sind nähere Ausführungen erforderlich.

Qualifiziertes Bestreiten

Hier werden neben der bloßen Negation zusätzliche eigene Tatsachen vorgetragen, die die Behauptung der Gegenseite entkräften oder eine alternative Sachverhaltsdarstellung bieten. Diese Form ist geboten, wenn die Gegenseite detailliert vorträgt oder wenn bestimmte Umstände typischerweise nur in der Sphäre der beklagten Partei liegen.

Bestreiten mit Nichtwissen

Es wird erklärt, dass die beklagte Partei den behaupteten Umstand nicht aus eigener Kenntnis beurteilen kann. Zulässig ist dies nur bei Tatsachen, die außerhalb der eigenen Wahrnehmungs- und Einflussmöglichkeiten liegen. Bei eigenen Handlungen, eigenen Dokumenten oder Vorgängen im eigenen Verantwortungsbereich ist ein Bestreiten mit Nichtwissen unzulässig.

Teilweises Bestreiten

Nur einzelne Elemente einer zusammengesetzten Behauptung werden bestritten, andere ausdrücklich zugestanden. Das isolierte Bestreiten einzelner Punkte kann sinnvoll sein, um den Streitstoff zu fokussieren.

Anforderungen an ein wirksames Bestreiten

Klarheit und Eindeutigkeit

Es muss erkennbar sein, welche konkrete Tatsachenbehauptung bestritten wird. Pauschale Wendungen ohne Bezug auf einzelne Behauptungen genügen nicht.

Substantiierung

Je spezifischer und detaillierter die Gegenseite vorträgt, desto substantiierter muss das Bestreiten sein. Häufig ist eine alternative Darstellung erforderlich, jedenfalls aber eine nachvollziehbare Erklärung, warum die Behauptung nicht zutreffen soll.

Widerspruchsfreiheit

Innerhalb des eigenen Vortrags dürfen keine sachlichen Widersprüche bestehen. Ein gleichzeitiges Bestreiten und Zugestehen derselben Tatsache ist unwirksam.

Nachvollziehbarkeit

Das Bestreiten muss sich am Lebenssachverhalt orientieren. Reine Werturteile, Vermutungen oder bloße Rechtsansichten ersetzen kein Tatsachenbestreiten.

Grenzen und Mitwirkungspflichten

Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht

Die Parteien sind gehalten, wahrheitsgemäß und vollständig zu Tatsachen vorzutragen. Ein bewusstes oder leichtfertiges Bestreiten ins Blaue hinein ist unzulässig und kann nachteilige Folgen haben.

Erkundigungs- und Darlegungslasten

Wer Tatsachen bestreitet, die im eigenen Verantwortungs- oder Einflussbereich liegen, muss sich zumutbar erkundigen. In bestimmten Konstellationen besteht eine verstärkte Pflicht, greifbare Anknüpfungstatsachen offenzulegen, weil die Gegenseite dazu typischerweise keinen Zugang hat. Unterbleibt dies, kann das Gericht die Anforderungen an das Bestreiten erhöhen.

Unzulässiges Bestreiten

Unzulässig ist insbesondere das Bestreiten eigener, ohne Weiteres zugänglicher Tatsachen mit Nichtwissen, das pauschale Bestreiten hochkonkreter Behauptungen ohne jede Substanz sowie das bloße Leugnen entgegen eigener Dokumente oder Aufzeichnungen, ohne hierzu Stellung zu nehmen.

Prozessuale Folgen des Bestreitens

Beweislast und Beweisaufnahme

Bleibt eine Tatsache streitig, muss grundsätzlich die Partei Beweis erbringen, die sich darauf beruft. Ein wirksames Bestreiten führt daher zur Beweisaufnahme über die betreffenden Punkte.

Unerheblichkeit unbestrittener Tatsachen

Unbestrittene Tatsachen werden der Entscheidung ohne Beweisaufnahme zugrunde gelegt. Unterbleibt das Bestreiten, kann dies einer Anerkennung der Tatsachen gleichkommen.

Verspätetes Bestreiten

Bestreiten kann verwirkt sein, wenn es so spät erfolgt, dass es den Rechtsstreit verzögert und keine ausreichende Entschuldigung vorliegt. In solchen Fällen kann das Gericht verspätetes Vorbringen unberücksichtigt lassen.

Folgen unzureichenden Bestreitens

Pauschales oder widersprüchliches Bestreiten kann wie kein Bestreiten gewertet werden. Die behauptete Tatsache gilt dann als zugestanden, und eine Beweisaufnahme entfällt.

Abgrenzungen

Bestreiten von Tatsachen vs. rechtliche Würdigung

Rechtliche Bewertungen (zum Beispiel die Frage, ob eine Handlung eine Pflichtverletzung darstellt) sind nicht zu bestreiten, sondern zu argumentieren. Bestreiten bezieht sich auf die tatsächliche Ebene.

Bestreiten vs. Gegenangriff

Neben dem Bestreiten kann die beklagte Partei eigene Gegenbehauptungen vorbringen. Diese sind nicht nur Abwehr, sondern eigenständiger Tatsachenvortrag, der ebenfalls prüf- und beweisbedürftig sein kann.

Beispiele

– Behauptung: „Die Ware wurde am 10. Mai geliefert.“ Einfaches Bestreiten: „Die Lieferung am 10. Mai hat nicht stattgefunden.“ Qualifiziertes Bestreiten: „Eine Lieferung am 10. Mai ist nicht erfolgt; unsere Wareneingangsbücher und Scannerprotokolle weisen keinen entsprechenden Eintrag aus.“
– Behauptung: „Der Mangel wurde am 1. Juni gerügt.“ Bestreiten mit Nichtwissen ist unzulässig, wenn die Rüge das eigene Unternehmen erreicht haben soll. Erforderlich ist eine Erklärung anhand der eigenen Posteingangsprozesse.

Häufig gestellte Fragen

Was sind Klagetatsachen?

Klagetatsachen sind die konkreten tatsächlichen Umstände, auf die die Klage gestützt wird, etwa Abläufe, Daten, Mengen oder Zustände. Sie unterscheiden sich von rechtlichen Wertungen und begründen den Sachverhalt, über den das Gericht entscheidet.

Muss jede einzelne Behauptung bestritten werden?

Ein Bestreiten wirkt nur hinsichtlich der konkret angegriffenen Tatsachen. Unbestrittene Punkte gelten als zugestanden. Deshalb ist ein Bezug zu den einzelnen Behauptungen erforderlich, damit klar ist, was streitig ist.

Was passiert bei unzureichendem oder pauschalem Bestreiten?

Unsubstantiiertes, pauschales oder widersprüchliches Bestreiten kann wirkungslos sein. Die betreffende Tatsache wird dann ohne Beweisaufnahme zugrunde gelegt, als wäre sie zugestanden.

Wann ist Bestreiten mit Nichtwissen zulässig?

Es ist zulässig, wenn die behauptete Tatsache außerhalb der eigenen Wahrnehmungs- und Einflussmöglichkeiten liegt. Bei Vorgängen im eigenen Verantwortungsbereich ist diese Form in der Regel ausgeschlossen.

Wer trägt nach dem Bestreiten die Beweislast?

Grundsätzlich muss die Partei Beweis führen, die sich auf die streitige Tatsache beruft. Das wirksame Bestreiten löst daher die Beweisaufnahme zulasten der beweisbelasteten Partei aus.

Kann verspätetes Bestreiten unberücksichtigt bleiben?

Ja. Erfolgt das Bestreiten so spät, dass es das Verfahren verzögern würde und keine ausreichenden Gründe für die Verspätung vorliegen, kann das Gericht es zurückweisen.

Worin besteht der Unterschied zwischen Bestreiten und rechtlicher Einwendung?

Das Bestreiten richtet sich gegen den tatsächlichen Sachverhalt. Rechtliche Einwendungen greifen die rechtliche Bewertung an, ohne die Tatsachen an sich in Frage zu stellen.