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Besteuerungsgrundlagen


Begriff und Bedeutung der Besteuerungsgrundlagen

Die Besteuerungsgrundlagen bilden in der Steuerrechtswissenschaft einen zentralen Begriff zur Ermittlung der Steuerpflicht und der Höhe der Steuerlast. Sie bezeichnen all jene Tatsachen, Werte und Verhältnisse, aus denen sich im Einzelfall der zu versteuernde Sachverhalt ergibt. Im Steuerverfahren bilden die Besteuerungsgrundlagen die materielle Grundlage für die Berechnung der Steuer. Ihre rechtliche Ermittlung, Zuordnung und Bewertung erfolgt unter Beachtung der einschlägigen Steuergesetzgebung sowie auf Basis verwaltungsrechtlicher Vorschriften.

Rechtliche Systematisierung der Besteuerungsgrundlagen

Steuerliche Ausgangsfaktoren

Im deutschen Steuerrecht werden unter Besteuerungsgrundlagen alle tatsächlichen und rechtlichen Umstände verstanden, die für die Entstehung, Festsetzung und Erhebung einer Steuer maßgebend sind. Häufig werden sie nach folgenden Kriterien unterschieden:

  • Tatsächliche Besteuerungsgrundlagen: Tatsachen, die beweisbar und objektivierbar sind (z. B. erzielte Umsätze, betriebene Grundstücke, erzielte Einkünfte).
  • Rechtliche Besteuerungsgrundlagen: Bestimmte Rechtsverhältnisse oder -gestaltungen (z. B. Gesellschaftsformen, Eigentumsverhältnisse), auf deren Grundlage steuerliche Vorteile oder Belastungen entstehen.

Gesetzliche Verankerung

Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen erfolgt auf Grundlage der Einzelsteuergesetze, unter Einbeziehung allgemeiner Abgabenordnungsregelungen (§ 88 ff. AO). Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und ihre Beweislast sowie die Dokumentationspflichten ergeben sich vor allem aus der Abgabenordnung (AO).

Arten von Besteuerungsgrundlagen

Personelle und sachliche Besteuerungsgrundlagen

  • Personelle Besteuerungsgrundlagen betreffen die steuerpflichtige Person oder Gemeinschaft (z. B. Steuerpflichtigkeit nach § 1 EStG in der Einkommensteuer, Sitz des Steuerpflichtigen).
  • Sachliche Besteuerungsgrundlagen beziehen sich auf den steuerrechtlichen Vorgang oder Gegenstand (z. B. Höhe der Einnahmen, Umfang der erbrachten Leistungen, Wert eines Grundstücks).

Qualitative und quantitative Besteuerungsgrundlagen

  • Qualitative Besteuerungsgrundlagen beschreiben, ob ein steuerlicher Tatbestand überhaupt erfüllt ist (z. B. liegt eine Lieferung im umsatzsteuerlichen Sinn vor?).
  • Quantitative Besteuerungsgrundlagen geben den messbaren Umfang des steuerpflichtigen Sachverhalts an (z. B. Höhe des Gewinns, Wert der Bemessungsgrundlage).

Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen

Mitwirkungspflichten

Gemäß § 90 ff. AO sind die betroffenen natürlichen oder juristischen Personen zu umfassenden Mitwirkungshandlungen verpflichtet. Sie müssen alle für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen (Offenbarungspflicht, Vorlagepflichten).

Feststellung und Schätzung

Die Finanzbehörden sind gehalten, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln (§ 88 AO, Untersuchungsgrundsatz). Können Besteuerungsgrundlagen nicht vollständig ermittelt werden, etwa aufgrund fehlender Mitwirkung oder nicht vorhandener Unterlagen, greifen die Finanzbehörden auf Schätzungen zurück (§ 162 AO). Die Schätzung hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen und muss die tatsächlichen Verhältnisse annähernd abbilden.

Bedeutung bei der Steuerfestsetzung

Die festgestellten Besteuerungsgrundlagen werden entweder im Rahmen der Steuerfestsetzung unmittelbar in den Steuerbescheid übernommen oder in einem eigenständigen Grundlagenbescheid gesondert festgestellt (§ 171 AO). Letzteres erfolgt insbesondere dann, wenn mehrere Steuerpflichtige betroffen sind oder eine spätere Zurechnung auf Dritte erforderlich ist.

Viele Steuerarten, etwa die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Grunderwerbsteuer oder Umsatzsteuer, beruhen auf unterschiedlichen gesetzlichen und tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen. Von deren Vollständigkeit, Richtigkeit und Korrektheit der Bewertung hängt maßgeblich die zutreffende Steuerfestsetzung ab.

Rechtsschutz und Streitigkeiten

Im Besteuerungsverfahren können sich Streitigkeiten insbesondere hinsichtlich Umfang, Wert und Zuordnung von Besteuerungsgrundlagen ergeben. Steuerpflichtige können gegen Fehleinschätzungen oder fehlerhafte Schätzungen mit Einspruch (§ 347 AO) und im weiteren Verlauf mit Klage vor den Finanzgerichten vorgehen. Die Sachverhaltsaufklärung und Tatsachenwürdigung im Veranlagungsverfahren stellt hierbei einen bedeutenden Streitpunkt im Steuerprozess dar.

Abgrenzung: Besteuerungsgrundlagen und Bemessungsgrundlage

Die Besteuerungsgrundlagen sind von der steuerlichen Bemessungsgrundlage zu unterscheiden:

  • Besteuerungsgrundlagen: Oberbegriff für alle zugrundeliegenden Tatsachen, Verhältnisse und Werte.
  • Bemessungsgrundlage: Nach rechtlicher Würdigung und Anwendung aller Vorschriften verbleibender Betrag oder Wert, auf den sich der Steuersatz direkt bezieht (z. B. zu versteuerndes Einkommen, steuerpflichtiger Umsatz).

Die Bemessungsgrundlage wird somit regelmäßig aus den ermittelten Besteuerungsgrundlagen abgeleitet.

Literaturhinweise und Gesetzesgrundlagen

Abgabenordnung (AO), insbesondere §§ 88 ff., 162, 171 AO
Einzelsteuergesetze wie das Einkommensteuergesetz (EStG), Umsatzsteuergesetz (UStG), Körperschaftsteuergesetz (KStG)
Kommentarwerke zum Steuer- und Bilanzrecht
Finanzgerichtsbarkeit – Rechtsprechung zur Feststellung und Streitigkeit um Besteuerungsgrundlagen


Hinweis: Dieser Artikel liefert eine umfassende rechtliche Darstellung des Begriffs „Besteuerungsgrundlagen“ und seinen zentralen Anwendungsfeldern im Steuerrecht Deutschlands.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen bestimmen die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen?

Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen ist in Deutschland vorrangig durch das Einkommensteuergesetz (EStG), das Körperschaftsteuergesetz (KStG), das Umsatzsteuergesetz (UStG) sowie die Abgabenordnung (AO) geregelt. Entscheidende Bedeutung haben §§ 8 bis 10 EStG für die Einkommensteuer und §§ 7 bis 9 KStG für die Körperschaftsteuer. Bei der Umsatzsteuer ist § 10 UStG maßgeblich. Die Abgabenordnung liefert in den §§ 85 ff. und insbesondere in § 199 AO wesentliche Vorschriften zur Ermittlung, Feststellung und Beweiswürdigung der Besteuerungsgrundlagen. Ergänzend greifen Durchführungsverordnungen und Verwaltungsanweisungen, die sowohl das materielle als auch das formelle Steuerrecht konkretisieren. EuGH-Entscheidungen beziehungsweise unionsrechtliche Bestimmungen können im Bereich der Umsatzsteuer und der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte eine rechtsübergreifende Wirkung entfalten und sind ebenfalls zu beachten.

Wie erfolgt die Beweisführung bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen rechtlich?

Die Beweisführung bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen hängt von den Vorschriften der Abgabenordnung ab. Nach § 88 AO hat die Finanzbehörde den steuerlich relevanten Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (Untersuchungsgrundsatz). Steuerpflichtige sind verpflichtet, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken (§ 90 AO), was vor allem bei Auslandssachverhalten eine gesteigerte Mitwirkungspflicht mit sich bringt. Die Beweiswürdigung richtet sich nach § 96 AO, wonach die Finanzbehörden nach ihrer freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheiden. Es sind alle zulässigen Beweismittel zu berücksichtigen, etwa Urkunden, Zeugen, Sachverständigengutachten oder Auskünfte Dritter. Kommt eine vollständige Sachverhaltsaufklärung nicht zustande, sind gemäß § 162 AO die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen.

Welche Mitwirkungspflichten treffen den Steuerpflichtigen bei der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen?

Im rechtlichen Kontext trifft den Steuerpflichtigen nach § 90 AO AO eine umfassende Mitwirkungspflicht. Er muss zur Aufklärung beitragen, vollständige und richtige Angaben machen sowie alle relevanten Belege und Unterlagen zur Verfügung stellen. Im internationalen Kontext verschärfen sich diese Pflichten, etwa durch Pflicht zur Vorlage von Unterlagen in einer für die Finanzbehörde verständlichen Sprache oder durch die Verpflichtung zur Aufbewahrung besonderer Dokumentationen bei Verrechnungspreisen (Dokumentationspflichten nach § 90 Abs. 3 AO). Bei unzureichender Mitwirkung drohen Schätzungen nach § 162 AO und zum Teil empfindliche Sanktionen, wie Zuschätzungen oder Verspätungszuschläge.

Welche Feststellungsverfahren existieren zur Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen?

Im deutschen Steuerrecht gibt es mehrere Arten von Feststellungsverfahren, die gesetzlich in §§ 179 ff. AO geregelt sind. Die wichtigste Form ist die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§ 180 AO), insbesondere bei Personengesellschaften und Gemeinschaften, deren Ergebnisse mehreren Beteiligten steuerlich zuzurechnen sind. Solche Verfahren dienen der Vermeidung von Doppel- oder Nichtbesteuerung. Daneben existiert die gesonderte Feststellung (z. B. Betriebsvermögen bei Einzelunternehmen), die eigenständigen Besteuerungstatbeständen vorausgeht. Bei bestimmten Sachverhalten ist auch die Feststellung von Grundlagen für eine ausländische Besteuerung vorgeschrieben.

Welche Bedeutung hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen?

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ein fundamentales Prinzip im Steuerverfahrensrecht und ergibt sich unter anderem aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG). Bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen dürfen Finanzbehörden nur solche Maßnahmen verwenden, die dem Zweck der Aufklärung angemessen und erforderlich sind. Das heißt, Grundrechte wie das Steuergeheimnis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung müssen beachtet und nicht über das erforderliche Maß hinausgehend eingeschränkt werden. Insbesondere bei Durchsuchungen, Auskünften Dritter oder dem Einsatz von verdeckten Ermittlern prüft die Rechtsprechung streng, ob mildere Mittel zur Verfügung standen.

Welche Rechtsmittel stehen gegen die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zur Verfügung?

Entscheidungen über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sind Verwaltungsakte und können mit den üblichen steuerlichen Rechtsmitteln angefochten werden. Das zentrale Rechtsmittel ist der Einspruch nach § 347 AO, der innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheids eingelegt werden muss. Im Anschluss an ein erfolgloses Einspruchsverfahren kann der Steuerpflichtige Klage vor dem Finanzgericht erheben (§ 40 FGO). Darüber hinaus bestehen Möglichkeiten für Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO) oder einstweiligen Rechtsschutz (§ 114 FGO), sofern die Feststellung gravierende, möglicherweise nicht wieder gutzumachende Nachteile zur Folge hat. Bei besonders schwerwiegenden Rechtsverstößen können auch außerordentliche Rechtsbehelfe wie die Beschwerde oder Revision eingelegt werden.

Welche Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten müssen im Hinblick auf Besteuerungsgrundlagen beachtet werden?

Die gesetzlichen Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten sind für die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zentral und finden sich in den §§ 140 bis 148 AO sowie in Spezialgesetzen wie dem Handelsgesetzbuch. Grundsätzlich müssen steuerlich relevante Unterlagen zehn Jahre aufbewahrt werden (§ 147 Abs. 3 AO), für bestimmte Dokumente (z. B. Handels- oder Geschäftsbriefe) genügt eine Frist von sechs Jahren. Im Bereich internationaler Sachverhalte gelten erweiterte Dokumentationspflichten, insbesondere bei Verrechnungspreisen zwischen verbundenen Unternehmen. Die Erfüllung dieser Pflichten ist entscheidend für die vollständige und korrekte Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen; bei Verstößen drohen Sanktionen bis hin zu Schätzungen oder finanziellen Ordnungsgeldern.