Legal Lexikon

Wiki»Bestechung im Gesundheitswesen

Bestechung im Gesundheitswesen


Begriff und Rechtsgrundlagen der Bestechung im Gesundheitswesen

Die Bestechung im Gesundheitswesen beschreibt rechtswidrige Handlungen, bei denen Personen im Gesundheitssektor unzulässige Vorteile gewähren, fordern, annehmen oder versprechen, um eine pflichtwidrige dienstliche Handlung zu veranlassen oder zu unterlassen. Sie bildet einen strafrechtlichen Schwerpunkt insbesondere im Kontext von ärztlichen Leistungen, Pharmaprodukten, der Medizintechnik sowie Abrechnungssystemen und Kostenträgerbeziehungen. Die rechtlichen Grundlagen finden sich in verschiedenen Vorschriften des Strafgesetzbuches (StGB), insbesondere in den §§ 299a und 299b StGB.


Historische Entwicklung

Frühe Gesetzgebung und gesellschaftliche Bedeutung

Bis 2016 war die Korruption im Gesundheitssektor in Deutschland nicht explizit im Strafgesetzbuch verankert. Die Thematik wurde maßgeblich durch den Bundesgerichtshof (BGH) und gesellschaftliche Diskussionen geprägt, da immer wieder Fälle von Vorteilsgewährung und Vorteilnahme in Kliniken, Arztpraxen und Apotheken bekannt wurden. Die Aufnahme von §§ 299a und 299b StGB zielte auf die Schaffung klarer Rechtsgrundlagen gegen unlautere Beeinflussung medizinischer Entscheidungen.


Gesetzliche Regelungen

Straftatbestände nach dem Strafgesetzbuch

§ 299a StGB – Bestechlichkeit im Gesundheitswesen

§ 299a StGB stellt das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder Annehmen von Vorteilen durch Angehörige bestimmter Gesundheitsberufe unter Strafe, wenn hierfür eine pflichtwidrige Handlung im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Berufes vorgenommen wird. Dies betrifft vornehmlich niedergelassene Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und andere medizinische Leistungserbringer.

Tatbestandselemente:

  • Die betroffene Person muss ein korruptionsanfälliger Angehöriger eines Gesundheitsberufs sein.
  • Es muss ein Vorteil gefordert, angenommen oder sich versprechen gelassen werden.
  • Die Vorteilsannahme muss im Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen und für eine pflichtwidrige Handlung erfolgen.

§ 299b StGB – Bestechung im Gesundheitswesen

Um das strafbare Verhalten auf die jeweilige andere Seite auszuweiten, kriminalisiert § 299b StGB das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils an Angehörige eines Gesundheitsberufs zur Beeinflussung ihrer beruflichen Entscheidungen, die pflichtwidrig sind.

Tatbestandselemente:

  • Tätigwerden eines Dritten wie etwa Pharmavertreter, Hilfsmittelanbieter oder Großhändler.
  • Angeboten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils.
  • Ziel: Veranlassung einer pflichtwidrigen Handlung des medizinischen Leistungserbringers.

Sonstige einschlägige Vorschriften

Abseits der §§ 299a, 299b StGB finden Normen des Allgemeinen Teils des Strafrechts, wie Beteiligungs- und Versuchshandlungen, Anwendung. In schweren Fällen kann auch Betrug (§ 263 StGB), Untreue (§ 266 StGB) oder Urkundenfälschung (§ 267 StGB) zur Anwendung kommen, etwa bei manipulierten Abrechnungen gegenüber Krankenkassen.


Anwendungsbereich und erfasste Berufsgruppen

Personenkreis

Die Vorschriften umfassen alle Angehörigen von Gesundheitsberufen, einschließlich aber nicht beschränkt auf:

  • Ärzte, Zahnärzte
  • Apotheker
  • Psychotherapeuten, Heilpraktiker
  • Pflegekräfte mit heilkundlicher Tätigkeit

Nicht erfasst werden in der Regel Verwaltungsangestellte, reine Pflegekräfte oder sonstige Mitarbeiter ohne heilkundliche Zulassung.

Typische Tatkonstellationen

  • Zuweisung von Patienten gegen Entgelt („Kick-back“-Zahlungen)
  • Bevorzugte Verschreibung bestimmter Medikamente gegen geldwerte Leistungen (z.B. Einladungen zu Kongressen, Genussmittel, Sachprämien)
  • Überweisung an bestimmte Kliniken, Labore oder Sanitätshäuser gegen Provisionen

Rechtsfolgen und Sanktionen

Strafrechtliche Konsequenzen

Die Verletzung der Vorschriften kann zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe führen. In besonders schweren Fällen, etwa bei bandenmäßigem Vorgehen oder großem Schadensausmaß, sind auch höhere Strafen möglich.

Berufsrechtliche Folgen

Eine Verurteilung kann berufsständische Maßnahmen nach sich ziehen. Diese reichen von Abmahnung über den Entzug der Approbation bis zur Entfernung aus dem Dienstverhältnis.

Zivilrechtliche Ansprüche

Unrechtmäßig erlangte Vorteile sind regelmäßig herauszugeben. Weiterhin können geschädigte Parteien Schadenersatzansprüche gemäß § 823 BGB geltend machen.


Bedeutung für das Abrechnungssystem und Kostenträger

Einfluss auf die vertragsärztliche Versorgung

Bestechungshandlungen beeinträchtigen die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die private Krankenversicherung (PKV), da medizinische Entscheidungen nicht mehr primär am Patientenwohl, sondern am wirtschaftlichen Eigeninteresse orientiert sein können. Dies führt zu höheren Kosten und einer Beeinträchtigung der Qualität der Gesundheitsversorgung.


Prävention und Compliance

Maßnahmen zur Vorbeugung

Zur Minimierung von Korruptionsrisiken werden Maßnahmen wie interne Verhaltenskodizes, Fortbildungen und die Etablierung von Hinweisgebersystemen empfohlen.

Selbstregulierung und Kontrollinstitutionen

Institutionen wie das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungen, Berufsverbände und die Kassenärztlichen Vereinigungen spielen eine wesentliche Rolle bei der Überwachung und Sanktionierung verdächtiger Vorgänge.


Internationale Rechtsvergleiche

Im internationalen Kontext existieren zahlreiche vergleichbare Regelungen, etwa der U.S. Anti-Kickback Statute oder das britische Bribery Act 2010. Auch die WHO und OECD haben Empfehlungen und Standards zur Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen veröffentlicht.


Zusammenfassung

Die Bestechung im Gesundheitswesen ist ein zentrales Risiko für Integrität und Effizienz der medizinischen Versorgung. Die gesetzlichen Regelungen, insbesondere §§ 299a, 299b StGB, schaffen einen umfassenden Rahmen zur Sanktionierung und Prävention unzulässiger Vorteilsgewährung und -annahme. Die Umsetzung effektiver Compliance-Systeme und die konsequente Verfolgung von Verstößen sind für alle Beteiligten im Gesundheitssystem von maßgeblicher Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Regelungen im deutschen Recht befassen sich mit Bestechung im Gesundheitswesen?

Im deutschen Recht sind insbesondere die §§ 299a und 299b Strafgesetzbuch (StGB) maßgeblich, wenn es um die Bekämpfung von Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen geht. Diese Vorschriften wurden im Jahr 2016 eingeführt, um Strafbarkeitslücken zu schließen, die zuvor bestanden, da klassische Bestechungstatbestände wie § 331 ff. StGB (Vorteilsannahme und Bestechung im Amt) nicht für die freie Ärzteschaft galten. § 299a StGB (Bestechlichkeit im Gesundheitswesen) stellt es unter Strafe, wenn Angehörige eines Heilberufs im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung einen Vorteil als Gegenleistung dafür fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, dass sie bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten einen anderen im Wettbewerb bevorzugen. § 299b StGB (Bestechung im Gesundheitswesen) regelt die spiegelbildliche Strafbarkeit auf der Täterseite der Vorteilsgewährung. Ergänzend greifen daneben berufs- und vertragsarztrechtliche, sowie sozialrechtliche Regelungen, etwa § 128 SGB V (Verbot unzulässiger Zuwendungen), sowie spezifische Vorschriften in den beruflichen Standesordnungen der jeweiligen Heilberufe. Die Einhaltung dieser Regelungen wird durch Staatsanwaltschaften, Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen überwacht, wobei bei Verstößen neben strafrechtlichen Sanktionen auch berufsrechtliche und haftungsrechtliche Folgen drohen.

In welchen Situationen gilt die Strafbarkeit nach § 299a/b StGB konkret?

Eine Strafbarkeit nach § 299a oder § 299b StGB setzt voraus, dass ein Vorteil im Zusammenhang mit der Berufsausübung eines Angehörigen eines Heilberufes (z. B. Arzt, Zahnarzt, Apotheker, Psychotherapeut) als Gegenleistung dafür gewährt oder angenommen wird, dass dieser einen anderen bei der Verordnung, Abgabe oder Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten im Wettbewerb bevorzugt. Typische Fallkonstellationen sind beispielsweise das Annehmen von Geldzahlungen, Sachgeschenken, Einladungen zu Fortbildungen, Sponsorings oder gar Provisionen durch Arzneimittel- oder Medizinproduktehersteller, wenn im Gegenzug eine bevorzugte Verordnung, Bevorratung oder Empfehlung an Patienten erfolgt. Die Strafbarkeit ist allerdings an den sogenannten „Unrechtsvereinbarungstatbestand“ geknüpft, es muss also eine konkrete, wechselseitige Absprache existieren, dass die Vorteilszuwendung für eine bestimmte Bevorzugung erfolgt. Reine allgemeine Zuwendungen, Einladungen ohne konkreten Gegenleistungsbezug oder unabhängig erfolgende Spenden sind grundsätzlich nicht erfasst, wobei die Grenze im Einzelfall fließend ist und von den Umständen abhängt.

Welche Konsequenzen drohen Heilberuflern bei Verstößen gegen die Strafvorschriften zur Bestechung im Gesundheitswesen?

Bei Verstößen gegen die Bestechungsregelungen im Gesundheitswesen drohen neben einer strafrechtlichen Verurteilung, die gemäß §§ 299a, 299b StGB mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden kann, auch erhebliche berufs- und zivilrechtliche Konsequenzen. Berufsrechtlich kann es zu Maßnahmen wie Abmahnungen, Geldbußen, Ruhen der Approbation oder sogar zum Widerruf der ärztlichen Approbation durch die zuständigen Ärztekammern kommen. Darüber hinaus besteht die Gefahr des Ausschlusses aus der vertragsärztlichen Versorgung, was faktisch einem Berufsverbot gleichkommen kann. Zivilrechtlich drohen Schadensersatzforderungen beispielsweise von Krankenversicherungen oder Patienten, sofern infolge der korruptiven Handlung Vermögensschäden oder Fehlbehandlungen entstanden sind. Auch der Verlust des Versicherungsschutzes in der Berufshaftpflicht ist unter Umständen möglich.

Wer ist zur Anzeige und Verfolgung von Bestechung im Gesundheitswesen verpflichtet?

Im Strafrecht gilt der sogenannte Legalitätsgrundsatz (§ 152 Abs. 2 StPO), der die Staatsanwaltschaften verpflichtet, bei Bekanntwerden von Straftaten – hierzu zählen auch Verstöße gegen §§ 299a/b StGB – ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Daneben sind insbesondere Kostenträger wie gesetzliche Krankenkassen oder Verbände im Rahmen ihrer Wirtschaftlichkeitsprüfung verpflichtet, Unregelmäßigkeiten und den Verdacht von Korruption der Staatsanwaltschaft zu melden. Berufsrechtlich unterliegen auch die Ärztekammern und kassenärztlichen Vereinigungen der Pflicht, berufsrechtliche Verstöße zu ahnden und im Verdachtsfall entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Einzelpersonen, wie etwa Kollegen, Patienten oder sonstige Dritte, sind im Regelfall nicht verpflichtet, Verdachtsfälle anzuzeigen, auch wenn sie dies im eigenen Interesse oder im Sinne der Patientensicherheit tun können.

Was ist bei Kooperationen, Sponsoring und Fortbildungsveranstaltungen aus rechtlicher Sicht zu beachten?

Kooperationen und Sponsoring im Gesundheitswesen sind grundsätzlich erlaubt, solange sie den gesetzlichen und berufsrechtlichen Rahmen einhalten und nicht als Gegenleistung für eine wettbewerbswidrige Bevorzugung erfolgen. Relevante Vorschriften enthalten u. a. die Musterberufsordnung der Bundesärztekammer, das Heilmittelwerbegesetz (HWG), das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und die Sozialgesetzgebung (§ 128 SGB V). Fortbildungsveranstaltungen, die von Pharmaunternehmen finanziell unterstützt werden, müssen den Grundsätzen der Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Äquivalenz folgen. Beispielsweise dürfen Honorare für Vorträge oder Reisekostenzuschüsse nicht über das übliche Maß hinausgehen oder einen versteckten Anreiz für spätere Bevorzugungen bieten. Die Unterscheidung zwischen erlaubter Förderung und unzulässiger Einflussnahme kann im Einzelfall schwierig sein, weshalb oft eine sorgfältige rechtliche Prüfung angebracht ist; Leitlinien der Fachgesellschaften und Vorgaben der ärztlichen Selbstverwaltung dienen hierzu als Orientierung.

Welche Rolle spielen Compliance-Systeme und interne Richtlinien in Gesundheitseinrichtungen zur Vermeidung von Korruptionsdelikten?

Compliance-Systeme und interne Richtlinien sind zentrale Instrumente zur Prävention und Aufdeckung von Korruptionsdelikten im Gesundheitswesen. Sie dienen dazu, Mitarbeiter und Leitungspersonal für die strafrechtlichen und berufsrechtlichen Risiken von Korruptionshandlungen zu sensibilisieren und klare Verhaltensvorgaben zu schaffen. Typische Bestandteile solcher Systeme sind interne Meldewege (Whistleblowing), Schulungen, anonyme Hotlines, klare Regelungen für die Annahme von Zuwendungen und Geschenken, regelmäßige Überprüfungen sowie die Implementierung von Ethik-Kodizes. Die Einrichtung und konsequente Durchsetzung solcher Systeme kann bei einem Verdachtsfall auch zur Milderung von Sanktionen bzw. als entlastender Umstand bei der strafrechtlichen und berufsrechtlichen Bewertung berücksichtigt werden. Zudem stärken wirksame Compliance-Strukturen das Vertrauen von Patienten, Kooperationspartnern und Kostenträgern in die Integrität der jeweiligen Einrichtung.

Welche Anforderungen werden an die Beweisführung im Strafverfahren zur Bestechung im Gesundheitswesen gestellt?

Die Beweisführung bei Korruptionsdelikten im Gesundheitswesen ist oft besonders anspruchsvoll, da Absprachen zumeist vertraulich bzw. verdeckt getroffen werden. Das Gericht muss überzeugt sein, dass eine Unrechtsvereinbarung, also der Verstoß gegen die Rechtsordnung im Sinne einer konkreten Bevorzugung gegen Entgelt, tatsächlich stattgefunden hat. Hierbei können sowohl direkte Beweise (z. B. E-Mails, Verträge, Zeugen) als auch Indizien (z. B. auffällige Zuwendungen, ungewöhnliche Verschreibungsgewohnheiten, fehlender wirtschaftlicher Grund für Zahlungen) herangezogen werden. Besonders im Blickpunkt stehen dokumentierte Kommunikationsvorgänge und Zahlungsflüsse. Die Anforderungen an die Überzeugung des Gerichts sind hoch (im Zweifel für den Angeklagten), sodass viele Verfahren wegen mangelnder Beweisbarkeit eingestellt werden. Die sorgfältige Dokumentation von Kooperationen und Vorteilen ist daher im Gesundheitswesen nicht nur zur Prävention, sondern auch zur eigenen Verteidigung von hoher Bedeutung.