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Besserungsmaßregeln


Begriff und Rechtsgrundlagen der Besserungsmaßregeln

Als Besserungsmaßregeln werden im deutschen Recht Maßnahmen bezeichnet, die dazu dienen, Straftäter zu bessern und zu resozialisieren. Sie zählen zu den sogenannten Maßregeln der Besserung und Sicherung und sind im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Ihr Ziel ist nicht die Vergeltung für eine begangene Tat, sondern die Vorbeugung erneuter Straftaten durch die Behandlung oder Überwachung des Täters.

Die zentrale Norm für Besserungsmaßregeln im deutschen Recht bildet das 8. Kapitel des StGB (§§ 61 ff.). Maßregeln der Besserung und Sicherung werden neben oder anstelle von Strafen verhängt und richten sich primär an gefährliche oder behandlungsbedürftige Täter.


Abgrenzung zu anderen Maßnahmen

Besserungsmaßregeln sind von reinen Sicherungsmaßnahmen zu unterscheiden. Während Sicherungsmaßnahmen einzig dem Schutz der Allgemeinheit dienen, steht bei Besserungsmaßregeln die soziale Wiedereingliederung und psychische oder medizinische Behandlung des Täters im Vordergrund.


Arten der Besserungsmaßregeln

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB)

Diese Maßregel wird angeordnet, wenn ein Straftäter aufgrund einer psychischen Erkrankung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit weiterhin besteht. Ziel ist die Behandlung und gegebenenfalls die Heilung der Erkrankung, um künftige Straftaten zu verhindern.

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB)

Diese Form der Maßregel betrifft Täter, die durch übermäßigen Alkohol- oder Betäubungsmittelkonsum zu Straftaten neigen. Die Therapie innerhalb der Entziehungsanstalt soll die Abhängigkeit behandeln und eine drohende Rückfälligkeit abwenden.

Führungsaufsicht (§ 68 ff. StGB)

Führungsaufsicht bedeutet die staatliche Überwachung der Lebensführung des Verurteilten. Sie kann nach bestimmten Straferlassen oder nach Verbüßung einer Maßregel zur Besserung und Sicherung angeordnet werden. Ihr Zweck ist es, dem Verurteilten Hilfestellung für ein straffreies Leben zu geben und präventiv Straftaten zu verhindern.

Weitere Maßnahmen

Zu den Besserungsmaßregeln gehört zudem die Pflicht zur Teilnahme an sozialen Trainingskursen, Antigewalttrainings oder sonstigen Rehabilitationsmaßnahmen, wenn sie gerichtlich angeordnet werden. Diese Maßnahmen haben das Ziel, durch gezielte Verhaltensänderung Rückfälle zu vermeiden.


Rechtsfolgen und Vollzug

Anordnung und Dauer

Die Anordnung einer Besserungsmaßregel erfolgt durch das Gericht im Rahmen des Strafverfahrens oder nachträglich. Die Dauer hängt von den individuellen Fortschritten des Betroffenen ab. Während Strafen zeitlich befristet sind, gelten Besserungsmaßregeln oft so lange, wie die Gefährlichkeit oder Behandlungsbedürftigkeit des Täters besteht.

Überprüfung und Entlassung

Die Notwendigkeit der Fortdauer wird regelmäßig überprüft. Wird die Gefährlichkeit oder Behandlungsbedürftigkeit aufgehoben beziehungsweise als nicht mehr gegeben eingestuft, kann die Maßregel aufgehoben und der Betroffene aus der Unterbringung oder Aufsicht entlassen werden.


Verhältnis zu strafrechtlichen Sanktionen

Im Unterschied zur Strafe, die schuldhaftes Verhalten ahndet, setzt die Besserungsmaßregel auf Therapie, Behandlung und Eingliederung. Beide können kumulativ verhängt werden – eine Maßregel neben einer Strafe. In bestimmten Fällen kann eine Strafe vollständig durch eine Besserungsmaßregel ersetzt werden, insbesondere bei schuldunfähigen Tätern.


Besserungsmaßregeln im internationalen Vergleich

Auch andere Rechtsordnungen kennen ähnliche Institute, etwa die Maßregel der Sicherungsverwahrung oder entsprechende therapeutische Anordnungen. International bestehen jedoch Unterschiede in den rechtlichen Voraussetzungen, Grenzziehungen und Vollzugsregelungen.


Kritik und Reformdiskussion

Die Anwendung von Besserungsmaßregeln ist Gegenstand wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Diskussionen. Kritisiert werden vorrangig die – im Einzelfall als unverhältnismäßig empfundene – Dauer der Unterbringung und die Schwierigkeit, Prognosen über eine zukünftige Gefährlichkeit des Täters zu erstellen. In regelmäßigen Reformdiskussionen wird insbesondere eine verbesserte Nachsorge sowie eine stärkere Individualisierung der Maßnahmen gefordert.


Bedeutung und Zielsetzung der Besserungsmaßregeln

Besserungsmaßregeln dienen dem speziellen präventiven Schutz der Allgemeinheit und der Resozialisierung des Täters. Sie verkörpern den Gedanken, dass der Rechtsstaat auch gegenüber straffälligen Personen eine resozialisierende Fürsorgepflicht besitzt, ohne den Schutz der Gesellschaft zu vernachlässigen.


Literaturhinweise

  • Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere §§ 61 ff.
  • Löwe-Rosenberg, StGB-Kommentar, 27. Aufl.
  • Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, Kommentar, 71. Aufl.
  • Kinzig, Maßregeln der Besserung und Sicherung, Werkkommentar

Diese ausführliche Darstellung der Besserungsmaßregeln bietet einen fundierten Überblick über ihre rechtlichen Grundlagen, die verschiedenen Erscheinungsformen, die Voraussetzungen der Anordnung sowie die Bedeutung im Rahmen des Strafrechts und der Resozialisierung.

Häufig gestellte Fragen

Wann werden Besserungsmaßregeln im deutschen Recht angeordnet?

Besserungsmaßregeln, im deutschen Recht als Maßregeln der Besserung und Sicherung bezeichnet, werden regelmäßig angeordnet, wenn bei einem Straftäter besondere persönliche Umstände festgestellt werden, die eine Gefahr für die Allgemeinheit vermuten lassen oder erwarten lassen, dass durch die Maßnahme entweder die Allgemeinheit geschützt oder der Täter selbst resozialisiert werden kann. Solche Umstände werden durch ein Einzelfallgutachten, meistens psychiatrischer oder psychologischer Art, festgestellt und vom Gericht einzelfallbezogen gewürdigt. Die Anordnung erfolgt unabhängig von der Schuldfrage im Strafprozess und kann sowohl neben einer Strafe als auch isoliert ausgesprochen werden, z.B. bei Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderten Einsichts- oder Steuerungsfähigkeiten gemäß § 63 oder § 64 StGB. Die Auswahl der konkreten Maßregel richtet sich dabei nach dem festgestellten Defizit (z.B. Alkoholabhängigkeit, psychische Krankheit, Hang zur Straftatbegehung).

Welche Arten von Besserungsmaßregeln kennt das deutsche Strafrecht?

Das deutsche Strafrecht unterscheidet mehrere Arten von Besserungsmaßregeln, die im Einzelnen in den §§ 61 ff. StGB geregelt sind. Zu den wichtigsten zählen: die Unterbringung zur psychiatrischen Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB), die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB), die Unterbringung in einer Erziehungsanstalt für Jugendliche (§ 7 JGG) und die Führungsaufsicht (§ 68 ff. StGB). Hinzu kommen die Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) sowie das Berufsverbot (§ 70 StGB), Fahrverbot (§ 69 StGB) oder dringende Weisungen im Rahmen der Bewährung. Eine Maßregel kann mit einer Freiheitsstrafe kombiniert oder auch eigenständig angeordnet werden. Wahl und Dauer richten sich stets nach Art und Umfang der festgestellten Gefährlichkeit und dem vorrangigen Ziel, Täter zu bessern oder die Allgemeinheit zu schützen.

Wie unterscheiden sich Besserungsmaßregeln von Strafen im rechtlichen Sinn?

Besserungsmaßregeln unterscheiden sich grundlegend von Strafen, weil sie nicht (wie Strafen) als Vergeltung oder Sühne für das begangene Unrecht verhängt werden, sondern weil sie auf eine Prognose über die Zukunft des Täters und dessen Gefährlichkeit oder Besserungsbedarf gestützt sind. Während die Strafe an das individuelle Verschulden anknüpft und dem Schuldprinzip unterliegt, kommt es bei Maßregeln auf den präventiven Charakter an: Sie sollen entweder die Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten verhindern oder eine positive Beeinflussung des Täters herbeiführen. Ihre Anordnung ist daher auch unabhängig von einer schuldhaften Tat möglich und regelmäßig an spezifische medizinische, psychologische oder soziale Voraussetzungen geknüpft.

Welche Voraussetzungen müssen für die Anordnung einer Besserungsmaßregel vorliegen?

Die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Anordnung einer Besserungsmaßregel sind im Gesetz jeweils genau geregelt und verlangen überwiegend den Nachweis einer erheblichen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit (Wiederholungsgefahr) oder eine besonders kritische Tatmotivation (z.B. krankhafte Störung, Sucht, jugendliches Fehlverhalten). Hinzukommen medizinische oder psychologische Gutachten, aus denen der Behandlungsbedarf oder die fehlende Schuldfähigkeit hervorgeht. Voraussetzung ist ferner, dass die Maßregel geeignet, erforderlich und angemessen ist (Verhältnismäßigkeitsprinzip). Das Gericht muss im Urteil erkennen lassen, dass diese Vorgaben geprüft und begründet wurden. Bei Maßnahmen wie der Unterbringung in der Entziehungsanstalt ist eine positive Behandlungsprognose zwingend erforderlich.

Wie läuft die gerichtliche Überprüfung und Dauer von Besserungsmaßregeln ab?

Nach der Anordnung durch das Gericht werden Besserungsmaßregeln regelmäßig überprüft. Besonders bei freiheitsentziehenden Maßnahmen (z.B. Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus, Entziehungsanstalt oder Sicherungsverwahrung) ist spätestens nach einem Jahr, danach alle zwei Jahre, eine förmliche Überprüfung durch das Gericht gesetzlich vorgeschrieben (§ 67e StGB). Die Überprüfungsintervalle dienen dem Grundrechtsschutz und der prozeduralen Richtigkeitskontrolle: Es wird jeweils begutachtet, ob ein weiterer Vollzug notwendig ist oder Maßnahmen gelockert oder aufgehoben werden können. Die Maßregel dauert in der Regel so lange, wie die Gefährlichkeit des Betroffenen oder sein Besserungsbedarf besteht. Erst wenn diese Gründe entfallen, ist die Entlassung oder Beendigung der Maßregel zwingend vorgeschrieben.

Welche Rechte besitzen Betroffene im Hinblick auf Besserungsmaßregeln?

Betroffene von Besserungsmaßregeln verfügen über eine Reihe von Rechten, die dem Schutz vor willkürlicher oder übermäßiger Behandlung dienen. Dazu zählt das rechtliche Gehör im Verfahren, die Bestellung eines Verteidigers oder Verfahrenspflegers insbesondere bei schweren Eingriffen, das Recht auf regelmäßige gerichtliche Überprüfungen sowie das Recht, gegen Anordnungen und Entscheidungen Rechtsmittel einzulegen (Beschwerde, Revision). Zudem haben sie Anspruch auf menschenwürdige Behandlung, Schutz der Gesundheit, gegebenenfalls auf Teilnahme an therapeutischen Angeboten und Resozialisierungsmaßnahmen sowie auf einen individuellen Behandlungsplan. Die Maßregelvollzugsanstalten unterliegen richterlicher und behördlicher Aufsicht. Bei Verletzung von Rechten kann Verfassungsbeschwerde oder Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erhoben werden.

Welche Rolle spielen Gutachten bei der Anordnung von Besserungsmaßregeln?

Gutachten spielen eine zentrale Rolle bei der Anordnung von Besserungsmaßregeln, da sie fachlich fundierte Feststellungen zur psychischen, psychiatrischen oder suchtbezogenen Situation des Täters und zu dessen Gefährlichkeit beisteuern. Sie sind regelmäßig Voraussetzung und Grundlage für die gerichtliche Entscheidung, da die Beurteilung medizinischer, psychologischer oder sozialer Aspekte außerhalb der juristischen Spezialkompetenz liegt. Das Sachverständigengutachten bestimmt, ob überhaupt ein Maßregelbedarf besteht, welche konkrete Maßregel geeignet ist und welche Dauer und Art der Unterbringung erforderlich erscheinen. Das Gericht ist zwar an das Gutachten nicht gebunden, muss sich mit dessen Kernaussagen aber explizit auseinandersetzen und etwaige Abweichungen besonders begründen. Gutachten sind auch bei Verlängerung, Aussetzung oder Beendigung maßgeblich.