Begriff und Einordnung der Besitzsteuern
Besitzsteuern sind Abgaben, die an den Besitz von Vermögen oder an die daraus erzielten Erträge anknüpfen. Im Mittelpunkt steht nicht der einzelne Vorgang (zum Beispiel ein Kauf oder Verbrauch), sondern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die sich aus dem Halten von Vermögensgegenständen oder dem Erzielen von Einkommen ergibt. Der Begriff stammt aus der steuerwissenschaftlichen Systematik und dient der Einordnung von Steuern; er ist kein eigenständiger Steuertatbestand. Besitzsteuern stehen in Abgrenzung zu Verkehrssteuern (Steuern auf Rechtsvorgänge und Übertragungen) und Verbrauchsteuern (Steuern auf den Verbrauch bestimmter Güter).
Abgrenzung zu Verkehrs- und Verbrauchsteuern
Verkehrssteuern belasten die Übertragung oder Begründung von Rechten und Pflichten (zum Beispiel bei Grundstücksübertragungen). Verbrauchsteuern knüpfen an den Verbrauch oder die Verwendung bestimmter Waren an. Besitzsteuern hingegen erfassen die fortdauernde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aus dem Halten von Vermögen oder dessen Erträgen und wirken typischerweise periodisch.
Direkte und indirekte Steuern; Personal- und Realsteuern
Besitzsteuern sind regelmäßig direkte Steuern, weil die steuerliche Belastung denjenigen trifft, an dessen Leistungsfähigkeit angeknüpft wird. Sie können persönlich (an die Person und ihre Gesamtsituation anknüpfend) oder real (an einen Gegenstand oder Betrieb anknüpfend) ausgestaltet sein. Persönliche Besitzsteuern berücksichtigen persönliche Verhältnisse stärker; reale Besitzsteuern stellen auf das Objekt ab.
Typische Erscheinungsformen von Besitzsteuern
Zu den Besitzsteuern werden in der klassischen Einordnung insbesondere folgende Steuern gezählt:
Einkommensteuer
Die Einkommensteuer erfasst das gesamte Einkommen natürlicher Personen aus verschiedenen Einkunftsarten. Sie knüpft an die individuelle Leistungsfähigkeit an und ist eine persönliche, direkte Besitzsteuer mit periodischer Erhebung.
Körperschaftsteuer
Die Körperschaftsteuer erfasst das zu versteuernde Einkommen von Körperschaften. Als Steuer auf Gewinn und Ertrag ist sie eine direkte Besitzsteuer, die an die Leistungsfähigkeit von juristischen Personen anknüpft.
Grundsteuer
Die Grundsteuer belastet das Halten von Grundstücken und Gebäuden. Sie ist eine reale Besitzsteuer, da sie an das Objekt anknüpft und regelmäßig unabhängig von den persönlichen Verhältnissen erhoben wird.
Gewerbesteuer
Die Gewerbesteuer knüpft an den Gewerbebetrieb als Objekt an. Sie wird traditionell den Real- und damit den Besitzsteuern zugerechnet, weil sie die Leistungsfähigkeit aus dem Halten und Betreiben eines auf Dauer angelegten Gewerbebetriebs erfasst.
Vermögensteuer (derzeit nicht erhoben)
Die Vermögensteuer belastet das Halten von Vermögen als solches. In Deutschland wird sie derzeit nicht erhoben; in der Systematik gilt sie als klassische persönliche Besitzsteuer. Ihr zentrales Thema ist die verfassungsfeste Bewertung von Vermögensgegenständen und die gleichmäßige Belastung.
Steuergegenstand, Bemessungsgrundlagen und Bewertung
Der Steuergegenstand ist je nach Steuerart das Einkommen, der Gewinn oder das Objekt (zum Beispiel Grundstücke). Die Bemessungsgrundlage muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit realitätsgerecht abbilden. Dafür sind Bewertungsregeln erforderlich, die verschiedene Vermögensarten (Grundstücke, Betriebsvermögen, Beteiligungen) vergleichbar machen.
Periodizität und Erhebungsform
Besitzsteuern werden regelmäßig periodisch (meist jährlich) erhoben. Die Erhebung erfolgt auf Basis einer Feststellung der Bemessungsgrundlage und anschließender Festsetzung. Bei objektbezogenen Steuern können gesonderte Feststellungen zur Bewertung vorgeschaltet sein.
Bewertungskonzepte
Üblich sind typisierte Bewertungsverfahren, die den Verkehrswert oder davon abgeleitete Werte annähern. Bei Erträgen stehen periodisierte Größen (zum Beispiel Jahreseinkommen) im Vordergrund; bei Objekten kommen modellhafte Verfahren (Ertragswert-, Sachwert- oder Vergleichsansätze) in Betracht. Maßgeblich sind Gleichmäßigkeit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit, damit eine gleichmäßige Besteuerung gewährleistet ist.
Erhebungs- und Verwaltungskompetenzen
Die Zuständigkeit für Gesetzgebung, Verwaltung und Ertragshoheit ist in der Finanzverfassung verteilt. Einkommen- und Körperschaftsteuer sind Gemeinschaftssteuern beziehungsweise Steuern, deren Ertrag zwischen staatlichen Ebenen verteilt wird. Grund- und Gewerbesteuer stehen primär den Gemeinden zu, die hierfür regelmäßig ein Hebesatzrecht besitzen. Die konkrete Verwaltung kann je nach Steuerart bei Landes- oder Kommunalbehörden liegen.
Funktionen und Wirkungen von Besitzsteuern
Finanzierungs- und Verteilungsfunktion
Besitzsteuern sichern wesentliche Teile der öffentlichen Einnahmen. Über die Ausgestaltung von Tarifen, Freibeträgen und Bewertungsregeln beeinflussen sie die Verteilung der Steuerlast. Persönliche Besitzsteuern werden häufig nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip gestaltet, reale Besitzsteuern wirken stärker objektbezogen.
Lenkungs- und Strukturwirkungen
Obwohl Besitzsteuern primär der Einnahmeerzielung dienen, beeinflussen sie Investitions- und Halteentscheidungen. Bewertungsregeln und Belastungshöhen können Allokationswirkungen entfalten, etwa bei der Nutzung von Grund und Boden oder bei der Rechtsformwahl von Unternehmen.
Rechtliche Leitplanken
Für Besitzsteuern gelten allgemeine Grundsätze des Steuerrechts. Dazu zählen Gesetzmäßigkeit, Gleichmäßigkeit der Besteuerung und das Gebot folgerichtiger Ausgestaltung. Die Belastung muss sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientieren und verhältnismäßig sein. Zudem ist das Eigentum geschützt; Eingriffe müssen gerechtfertigt und sachlich begründet sein. Bewertungsregeln und Tarifierung müssen in sich stimmig sein, damit vergleichbare Sachverhalte gleich behandelt werden.
Mehrfachbelastung und Systemabstimmung
Besitzsteuern können sich gegenseitig überlagern, etwa wenn Erträge aus Vermögen der Einkommensteuer unterliegen, während das Vermögen selbst objektbezogen belastet wird. Solche Mehrfachbelastungen sind systematisch zulässig, sofern sie folgerichtig ausgestaltet sind. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten sorgen Anrechnungs- oder Freistellungsmechanismen in Abkommen oder im einfachen Recht für die Vermeidung ungewollter Doppelbelastungen.
Internationale Bezüge
Im internationalen Vergleich sind Besitzsteuern in unterschiedlicher Ausprägung verbreitet. Nahezu alle Staaten kennen objektbezogene Abgaben auf Immobilien. Periodische Steuern auf Nettovermögen werden dagegen nur in wenigen Staaten erhoben. Unterschiede bestehen vor allem bei Bewertungsverfahren, Tarifierung und kommunalen Hebesatzrechten.
Abgrenzungsfragen und aktuelle Entwicklungen
Diskussionen betreffen vor allem die Bewertung von Vermögensgegenständen, die Verteilung der Steuerlast zwischen Gebietskörperschaften und die Folgerichtigkeit der Gesamtbelastung. Bei der Grundsteuer stehen regelmäßig Bewertungsmodelle und die gleichmäßige Erfassung im Fokus. Bei persönlichen Besitzsteuern werden Fragen der Tarifierung, der Berücksichtigung von Leistungsfähigkeit sowie der Abgrenzung zu Verkehrs- und Verbrauchsteuern erörtert.
Häufig gestellte Fragen zu Besitzsteuern
Was sind Besitzsteuern?
Besitzsteuern sind Steuern, die an den Besitz von Vermögen oder an die daraus erzielten Erträge anknüpfen. Sie erfassen dauerhafte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und werden typischerweise periodisch erhoben.
Welche Abgaben gelten typischerweise als Besitzsteuern?
Typischerweise werden Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Grundsteuer und Gewerbesteuer den Besitzsteuern zugerechnet. Die Vermögensteuer gilt systematisch ebenfalls als Besitzsteuer, wird derzeit jedoch nicht erhoben.
Wodurch unterscheiden sich Besitzsteuern von Verkehrs- und Verbrauchsteuern?
Besitzsteuern belasten das Halten von Vermögen oder dessen Erträge. Verkehrssteuern setzen an Rechtsvorgängen und Übertragungen an, während Verbrauchsteuern den Konsum bestimmter Güter treffen.
Auf welcher staatlichen Ebene werden Besitzsteuern erhoben?
Die Ertragshoheit ist verteilt: Einkommen- und Körperschaftsteuer werden zwischen staatlichen Ebenen geteilt, Grund- und Gewerbesteuer stehen primär den Gemeinden zu. Die Verwaltung liegt je nach Steuerart bei Landes- oder Kommunalbehörden.
Wie wird der steuerliche Wert von Vermögen oder Erträgen für Besitzsteuern ermittelt?
Erträge werden periodisch erfasst; Objekte werden nach typisierten Bewertungsverfahren bewertet, die eine realitätsgerechte und gleichmäßige Besteuerung sicherstellen sollen. Üblich sind Ertrags-, Sach- oder Vergleichswerte.
Gibt es verfassungsrechtliche Grenzen für Besitzsteuern?
Ja. Maßgeblich sind Gleichbehandlung, Folgerichtigkeit, Verhältnismäßigkeit und der Schutz des Eigentums. Bewertungs- und Tarifierungsregeln müssen schlüssig und nachvollziehbar sein.
Wer ist Steuerschuldner bei Besitzsteuern?
Steuerschuldner ist regelmäßig die Person oder Einheit, an deren Leistungsfähigkeit die Steuer anknüpft: bei Einkommensteuer natürliche Personen, bei Körperschaftsteuer juristische Personen, bei Grundsteuer und Gewerbesteuer die jeweiligen Objekt- oder Betriebsinhaber.