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Beschimpfender Unfug


Begriff und Einordnung: Beschimpfender Unfug

Der Begriff Beschimpfender Unfug bezeichnet in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland eine strafbare Handlung, die insbesondere im Bereich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung angesiedelt ist. Er ist Gegenstand des § 118 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Das Delikt kennzeichnet sich dadurch, dass eine in erheblichem Maße öffentliche Ordnung oder das Sicherheitsempfinden durch eine ungebührliche Handlung verletzt wird, die als grob störend oder belästigend empfunden wird. Beschimpfender Unfug stellt damit eine besondere Form ordnungswidrigen Verhaltens dar, das nicht unmittelbar in die Straftatbestände des Strafgesetzbuches (StGB) fällt, jedoch gleichwohl sanktioniert wird.


Historische Entwicklung des Begriffs

Ursprung und Entwicklung

Die Bezeichnung „Beschimpfender Unfug“ hat ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert und war zunächst im Strafrecht (§ 360 StGB a.F.) verankert. Ziel war, unterhalb der Schwelle strafbarer Beleidigungs- oder Ehrverletzungsdelikte gleichwohl sozial unerwünschte Verhaltensweisen unter Strafe zu stellen, die das öffentliche Zusammenleben massiv stören. Im Zuge der Strafrechtsreformen wurde der Tatbestand später aus dem eigentlichen Strafrecht entfernt und als Ordnungswidrigkeit in das OWiG überführt.


Gesetzliche Grundlagen und Normierung

Regelung im Ordnungswidrigkeitengesetz

Die aktuelle gesetzliche Grundlage bildet § 118 OWiG. Der Wortlaut lautet wie folgt:

„Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die allgemeine Ordnung zu stören oder das Empfinden der Allgemeinheit zu verletzen.“

Demnach ist das Merkmal des „beschimpfenden Unfugs“ nicht explizit als solches benannt, wird aber in der Rechtsprechung und Literatur als Synonym für dieses Verhalten verwendet.

Schutzgut

Das geschützte Rechtsgut ist die öffentliche Ordnung, verstanden als Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den herrschenden sozialen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten Zusammenlebens gilt.


Tatbestandsmerkmale im Detail

Grob ungehörige Handlung

Unter einer grob ungehörigen Handlung versteht man ein Verhalten, das nach allgemeiner Rechtsauffassung in besonderer Weise gegen die guten Sitten oder die gesellschaftlichen Vorstellungen von Anstand und Respekt verstößt. Dies beinhaltet z.B. Lautes, provokantes oder beleidigendes Verhalten im öffentlichen Raum, exhibitionistische Handlungen einfacher Art oder das absichtliche Belästigen von Passanten.

Störung der öffentlichen Ordnung

Erforderlich ist, dass die Handlung geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen oder das Empfinden der Allgemeinheit zu verletzen. Maßgeblich ist dafür eine objektiv zu bestimmende Beurteilung, sodass nicht das subjektive Empfinden Einzelner entscheidend ist, sondern die bei verständigen Dritten hervorgebrachte Wirkung.

Keine Erforderlichkeit einer konkreten Schädigung

Der Tatbestand verlangt keine tatsächliche Schädigung oder konkreten Nachweis einer eingetretenen Störung; die reine Eignung zur Störung genügt.


Abgrenzung zu anderen Rechtsnormen

Unterschied zu Beleidigung und öffentlicher Erregung

Beschimpfender Unfug unterscheidet sich von der Beleidigung (§ 185 StGB) dadurch, dass nicht die Verletzung der persönlichen Ehre im Mittelpunkt steht, sondern die allgemeinen Belange der öffentlichen Ordnung. Auch wird eine Grenze zur Belästigung der Allgemeinheit (z.B. Ruhestörung) gezogen, indem es der gröblichen Form und öffentlichen Wirksamkeit bedarf.

Abgrenzung zu Leistungsdelikten nach StGB

Der Tatbestand ist subsidiär gegenüber spezialgesetzlichen Vorschriften, insbesondere dem Strafgesetzbuch. Sind Elemente aus §§ 185ff. StGB oder anderen Strafrechtsvorschriften einschlägig, so treten die Bestimmungen des OWiG zurück.


Typische Beispiele und Fallgruppen

Anwendungsfälle aus der Rechtsprechung

  • Lautes, wiederholtes Grölen obszöner Parolen in der Innenstadt
  • Öffentliche Beschimpfung oder Verspottung von Personen ohne gezielte Beleidigung (z.B. mit Schildern oder Lautsprechern)
  • Häufige exhibitionistische Bewegungen, die jedoch nicht den Tatbestand der „Exhibitionistischen Handlung“ (§ 183 StGB) erfüllen
  • Tätlichkeiten und absichtliches Umherschütten von Abfällen auf öffentlichen Plätzen

Grenzfälle

Nicht als beschimpfender Unfug zu werten sind gewöhnliche Unhöflichkeiten, unbedachte Äußerungen oder Bagatellfälle ohne Außenwirkung auf die öffentliche Ordnung. Entscheidend bleibt die Schwelle der Grobheit und die objektive Eignung zur Störung öffentlichen Friedens.


Sanktionierung und Rechtsfolgen

Bußgeldrahmen

Die Ahndung beschimpfenden Unfugs erfolgt als Ordnungswidrigkeit mit der Verhängung eines Bußgelds. Die Höhe des Bußgeldes kann je nach Grad der Störung und der Umstände des Einzelfalls bis zu 1.000 Euro betragen. Ein Eintrag in das Bundeszentralregister erfolgt nicht.

Verfahrensablauf

Die Feststellung und Ahndung erfolgt durch die Ordnungsbehörden oder die Polizei. Der Beschuldigte hat die Möglichkeit zur Stellungnahme, anschließend ergeht ein Bußgeldbescheid. Gegen diesen kann Einspruch eingelegt werden, sodass eine gerichtliche Überprüfung möglich ist.


Bedeutung im Rechtsalltag und Kritik

Praktische Relevanz

Beschimpfender Unfug ist im Alltag vergleichsweise selten, wird jedoch regelmäßig zur Ahndung massiver, aber nicht strafbarer Verhaltensweisen im öffentlichen Raum herangezogen. Insbesondere in der kommunalen Ordnungspraxis spielt der Tatbestand eine Rolle.

Kritik und Reformdiskussion

Kritisiert wird der Tatbestand mitunter aufgrund seiner Unbestimmtheit und seines unklaren Anwendungsbereichs. Es wird diskutiert, inwieweit § 118 OWiG mit dem Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes (Art. 103 Abs. 2 GG) vereinbar ist. Reformüberlegungen gehen dahin, den Tatbestand klarer zu fassen oder mit spezifischeren, präziseren Regelungen zu ersetzen.


Literaturhinweise

  • Meyer-Goßner/Schmitt: OWiG, Kommentar
  • König: Das Ordnungswidrigkeitengesetz, Praxiskommentar
  • Tröndle/Fischer: Strafgesetzbuch und Nebengesetze

Zusammenfassung

Der Tatbestand des beschimpfenden Unfugs nach § 118 OWiG stellt eine wichtige, wenn auch subsidiäre Regelung zum Schutz der öffentlichen Ordnung dar. Er sanktioniert grob störendes Verhalten im öffentlichen Raum, das sich unterhalb der Schwelle strafbarer Delikte bewegt, und dient so dem Schutz des friedlichen Gemeinwesens. Die Anwendung ist jedoch an hohe Anforderungen geknüpft und unterliegt fortwährender Kritik sowie rechtspolitischer Diskussion hinsichtlich seiner Bestimmtheit und Erforderlichkeit.

Häufig gestellte Fragen

Welche Strafen drohen bei einer Verurteilung wegen beschimpfenden Unfugs?

Die Strafandrohung für beschimpfenden Unfug ist nach § 118 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) festgelegt. Bei einer Verurteilung handelt es sich formell um eine Ordnungswidrigkeit, nicht um eine Straftat. Dennoch kann die zuständige Verwaltungsbehörde – häufig handelt es sich hierbei um die Polizei oder das Ordnungsamt – ein Bußgeld verhängen. Dieses Bußgeld kann sich, abhängig von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls, auf bis zu 1.000 Euro belaufen. Entscheidend für die Höhe des Bußgelds sind Faktoren wie das Ausmaß der Störung, die Häufigkeit und Intensität des Verhaltens, die Motivation des Täters sowie mögliche Vorbelastungen oder einschlägige Wiederholungstaten. Im Wiederholungsfall oder bei erschwerenden Umständen, etwa wenn die Handlung mit weiteren Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten kombiniert wird, ist grundsätzlich auch eine Erhöhung des Bußgeldes möglich. Neben dem Bußgeld kann unter gewissen Voraussetzungen, wenn beispielsweise ein besonderes öffentliches Interesse gegeben ist, auch die Veröffentlichung der Entscheidung oder die Anordnung erzieherischer Maßnahmen erfolgen. Zivilrechtliche Ansprüche, wie etwa Schmerzensgeldforderungen des Opfers, sind vom OWiG-Verfahren unabhängig und werden in einem separaten Verfahren behandelt.

Welche Verfahrensschritte sind bei einem Verfahren wegen beschimpfenden Unfugs zu erwarten?

Nach Bekanntwerden der mutmaßlichen Ordnungswidrigkeit leitet die zuständige Verwaltungsbehörde zunächst ein Ermittlungsverfahren ein. Dies beginnt mit der Feststellung des Tatvorwurfs und endet in der Regel mit der Anhörung des Betroffenen. Der Betroffene erhält die Gelegenheit, sich zum Vorwurf zu äußern, entweder schriftlich oder in einigen Fällen persönlich. Die Behörde prüft anschließend die Sach- und Rechtslage, wobei Beweismittel wie Zeugenaussagen, ggf. Videoaufzeichnungen oder sonstige Belege herangezogen werden. Sollte sich der Verdacht bestätigen, erlässt die Behörde einen Bußgeldbescheid, der neben den eigentlichen Vorwürfen auch Angaben zu Höhe des Bußgeldes, eventuellen Nebenfolgen sowie zu Rechtsbehelfen enthält. Gegen den Bußgeldbescheid kann der Betroffene binnen zwei Wochen Einspruch einlegen. Im Falle eines wirksamen Einspruchs prüft die Behörde erneut oder legt die Angelegenheit zur Entscheidung an das zuständige Amtsgericht vor. Dort kann es zu einer mündlichen Hauptverhandlung kommen, in der die Beteiligten erneut gehört werden. Das Gericht entscheidet durch Urteil oder Beschluss, gegen das wiederum – abhängig vom Streitwert und der konkreten Ausgestaltung – weitere Rechtsmittel zulässig sein können.

Gibt es hinsichtlich des beschimpfenden Unfugs relevante Unterschiede zwischen Erwachsenen und Jugendlichen?

Ja, das Ordnungswidrigkeitenrecht gilt grundsätzlich einheitlich für alle volljährigen Personen. Bei Jugendlichen (unter 18 Jahren) und Heranwachsenden (18-20 Jahre) kann in Ausnahmefällen das Jugendgerichtsgesetz (JGG) herangezogen werden, sofern das Verhalten als Entwicklungsschritt wertbar ist und jugendtypische Tatbestände enthält. In der Praxis wird beschimpfender Unfug jedoch zumeist als Ordnungswidrigkeit behandelt, wobei das Jugendamt und die erzieherische Ausrichtung des Verfahrens eine stärkere Berücksichtigung finden. Die Verantwortlichkeit Minderjähriger richtet sich zudem nach deren Einsichts- und Steuerungsfähigkeit. Die Sanktionierung erfolgt milder, häufig im Rahmen von erzieherischen Maßnahmen, wie etwa Sozialstunden oder erzieherischen Gesprächen. Geldbußen sind bei Jugendlichen nur eingeschränkt zulässig, bei Heranwachsenden kann jedoch bereits das Ordnungswidrigkeitengesetz vollumfänglich angewandt werden, sofern keine Anwendung von Jugendrecht geboten ist.

Ist beschimpfender Unfug auch eine Straftat nach dem Strafgesetzbuch?

Beschimpfender Unfug ist nach deutschem Recht explizit als Ordnungswidrigkeit (§ 118 OWiG) und somit nicht als Straftat ausgestaltet. Das bedeutet, dass keine strafrechtlichen Sanktionen wie Freiheitsstrafe oder Eintrag ins Führungszeugnis drohen. Allerdings können in Abgrenzung hierzu bestimmte Verhaltensweisen, die zugleich den Tatbestand beispielsweise der Beleidigung (§ 185 StGB), der üblen Nachrede (§ 186 StGB) oder der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) erfüllen, gesondert und zusätzlich als Straftat verfolgt werden. In Fällen, in denen sich das Verhalten sowohl als Straftat als auch als beschimpfender Unfug qualifizieren ließe, hat das Strafrecht Vorrang („lex specialis“-Prinzip), das heißt es würde in einem solchen Fall primär nach dem Strafgesetzbuch geahndet, während das Bußgeldverfahren nur subsidiär zur Anwendung gelangt.

Inwiefern ist der Tatbestand des beschimpfenden Unfugs auslegungsbedürftig?

Der Tatbestand des beschimpfenden Unfugs ist in seiner Formulierung bewusst weit gefasst und lässt dadurch einen erheblichen Interpretationsspielraum. Im Wesentlichen zielt er auf Verhaltensformen ab, die objektiv geeignet sind, öffentliche Ordnung und Anstand zu verletzen. Die Auslegung des Begriffs orientiert sich an der jeweils herrschenden sozialen Wertvorstellung, unterliegt also dem kulturellen und zeitlichen Wandel. Gerichte und Behörden ziehen zur Konkretisierung Kriterien wie Ort, Zeit, Intention, Adressatenkreis und Wirkung in der Öffentlichkeit heran. Dabei ist stets eine Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 GG und dem Schutz der öffentlichen Ordnung vorzunehmen. Die Maßgeblichkeit liegt auf einer gravierenden, über das sozial Übliche hinausgehenden Herabsetzung oder Störung von Ordnung und Anstand. Gerade dieser unbestimmte Rechtsbegriff führt dazu, dass Einzelfallentscheidungen häufig herangezogen werden müssen und der Rechtsschutz durch Rechtsmittel besondere Bedeutung erhält.

Können trotz fehlender Anzeige durch eine betroffene Person Ermittlungen zum beschimpfenden Unfug aufgenommen werden?

Ja, bei beschimpfendem Unfug handelt es sich nicht um ein Antragsdelikt, sondern um eine sog. Offizialordnungswidrigkeit. Dies bedeutet, dass Ermittlungen auch ohne ausdrücklichen Strafantrag oder Anzeige einer betroffenen Person eingeleitet werden können. Die Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, auf Hinweise aus der Öffentlichkeit, etwa durch Meldungen von Zeugen oder eigene Wahrnehmungen (z. B. durch Polizeistreifen), das Ermittlungsverfahren aufzunehmen, sofern ein Anfangsverdacht besteht. Der Schutz der öffentlichen Ordnung als Allgemeingut gibt den Behörden das Recht und auch die Pflicht, von Amts wegen tätig zu werden. Nur in Fällen, in denen die betroffenen Personen ausdrücklich kein Interesse an einer Verfolgung bekunden und das öffentliche Interesse gering ist, kann aus opportunitätsrechtlichen Gründen eine Verfahrenseinstellung erfolgen.