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Berufsständische Versorgungswerke


Begriff und Funktion der Berufsständischen Versorgungswerke

Berufsständische Versorgungswerke sind eigenständige Versorgungseinrichtungen, die in Deutschland für Angehörige bestimmter freier Berufe (wie zum Beispiel Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Tierärztinnen und Tierärzte, Apothekerinnen und Apotheker, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Notarinnen und Notare, Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer, Steuerberaterinnen und Steuerberater oder Architektinnen und Architekten) eingerichtet wurden. Sie dienen vorrangig der Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung ihrer Mitglieder und stellen eine berufsständische Alternative zur gesetzlichen Rentenversicherung dar.

Rechtsgrundlagen der berufsständischen Versorgungswerke

Gesetzliche Grundlagen

Die Gründung, Organisation und Arbeitsweise berufsständischer Versorgungswerke basieren auf landesrechtlichen Vorschriften. Maßgeblich sind die jeweiligen Heilberufsgesetze, Kammergesetze oder Versorgungswerksgesetze der Bundesländer. Die Deckung ihrer Aufgaben und die Absicherung ihrer Mitglieder erfolgen dementsprechend auf Basis einer gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft und gesetzlich ausgestalteter Beitragspflichten.

Zentrale bundesgesetzliche Regelungen finden sich im Sozialgesetzbuch VI (SGB VI), insbesondere in § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB VI. Demnach kann die Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk auf Antrag ggfs. von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien. Die Ordnung und Aufsicht der Versorgungswerke liegen vornehmlich bei den Bundesländern.

Satzungen der Versorgungswerke

Jedes berufsständische Versorgungswerk verfügt über eine eigene Satzung. Diese regelt im Einzelnen sämtliche Modalitäten hinsichtlich Mitgliedschaft, Beitragspflichten, Leistungen, Gremienstrukturen sowie das Verfahren zur Entscheidungsfindung und Mittelverwendung. Die Satzung bedarf in der Regel der Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes.

Mitgliedschaft und Beitragswesen

Pflichtmitgliedschaft

Die Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk wird in der Regel unmittelbar mit der Aufnahme der zugelassenen beruflichen Tätigkeit in einem Bundesland ausgelöst. Die Zugehörigkeit ist an die Mitgliedschaft in der jeweiligen Kammer des freien Berufs gekoppelt.

Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung

Mitglieder eines berufsständischen Versorgungswerks können auf Antrag von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI befreit werden, sofern sie einer entsprechenden Pflichtversorgung durch das Versorgungswerk unterliegen. Dies setzt voraus, dass die Berufsausübung als selbstständige Haupttätigkeit im jeweiligen Beruf erfolgt und eine Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer sowie im Versorgungswerk besteht.

Beitragsbemessung

Die Beiträge zur berufsständischen Versorgung richten sich satzungsgemäß nach den jeweiligen Einkünften, vergleichen sich oft mit den Sätzen der gesetzlichen Rentenversicherung und können eine Mindest- oder Höchstbemessungsgrenze aufweisen. Einzelheiten hierzu regeln die landesrechtlichen Vorschriften sowie die Satzungen der Versorgungswerke.

Leistungen der berufsständischen Versorgungswerke

Rentenarten

Berufsständische Versorgungswerke gewähren Leistungen primär in folgenden Bereichen:

  • Altersrente: Nach Erreichen einer bestimmten Altersgrenze sowie einer festgelegten Mindestmitgliedschaftsdauer.
  • Berufsunfähigkeitsrente: Bei dauerhafter, vollständiger Berufsunfähigkeit im jeweiligen Beruf.
  • Hinterbliebenenversorgung: Witwen-, Witwer- und Waisenrenten an Hinterbliebene des verstorbenen Mitglieds.

Die Ansprüche, Voraussetzungen und Berechnungsmodalitäten der jeweiligen Leistungen bestimmen sich nach den Vorschriften der Versorgungswerke und den Satzungsregelungen.

Kapitalanlage und Finanzierung

Die Versorgungswerke finanzieren sich durch die Beiträge ihrer Mitglieder und kapitalgedeckte Anlagepolitik. Im Gegensatz zum Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung legen sie die vereinnahmten Beiträge am Kapitalmarkt an. Ziel ist es, die Leistungen für die Mitglieder auch langfristig zu sichern. Die Anlagepolitik unterliegt gesetzlichen Restriktionen und der Aufsicht der jeweiligen Landesbehörde. Die Mittel sind treuhänderisch ausschließlich für die Versorgungszwecke der Mitglieder zu verwenden.

Aufsicht und Organisation

Rechtsaufsicht

Die berufsständischen Versorgungswerke unterstehen der Aufsicht der für das jeweilige Bundesland zuständigen Behörde. Diese überwacht die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, satzungsgemäßer Regelungen sowie der wirtschaftlich-finanziellen Solidität des jeweiligen Versorgungswerks.

Selbstverwaltung

Versorgungswerke sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts strukturiert. Sie verfügen über Organe wie die Vertreterversammlung (je nach Versorgungswerk auch Delegiertenversammlung), den Vorstand sowie über weitere satzungsmäßige Ausschüsse. Die Mitglieder wählen ihre Vertreter nach demokratischen Grundsätzen selbst.

Steuerrechtliche Behandlung

Beiträge als Sonderausgaben

Beiträge zu berufsständischen Versorgungswerken können unter bestimmten Voraussetzungen als Sonderausgaben (Vorsorgeaufwendungen) im Rahmen der Einkommensteuer geltend gemacht werden. Maßgeblich sind die Vorgaben des Einkommensteuergesetzes, insbesondere die Höchstbeträge für abziehbare Vorsorgeaufwendungen.

Besteuerung der Versorgungsleistungen

Die Leistungen aus dem Versorgungswerk unterliegen bei Auszahlung an die Mitglieder den allgemeinen steuerrechtlichen Vorschriften. Regelmäßig handelt es sich um zu versteuernde Einkünfte aus der sogenannten „Basisversorgung“, vergleichbar den Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Bedeutung und Abgrenzung innerhalb des Sozialversicherungssystems

Berufsständische Versorgungswerke ersetzen für die betreffenden Berufsgruppen die gesetzliche Rentenversicherung und stellen ein eigenständiges Sicherungssystem dar. Neben der Altersvorsorge bieten sie Instrumente zur sozialen Absicherung des jeweiligen Berufsstands und stärken die Autonomie der freien Berufe. Eine Mitgliedschaft besteht immer nur in einem Versorgungswerk pro Bundesland; bei Ausübung des Berufs in mehreren Bundesländern ist eine Umlage bzw. Übertragung zwischen den Versorgungswerken möglich.

Abgrenzung zu sonstigen Versorgungseinrichtungen

Im Unterschied zu Privatversicherungen oder Unterstützungskassen beruhen berufsständische Versorgungswerke auf landesgesetzlichen Pflichtregelungen und der Selbstverwaltung durch die Mitglieder ihres Berufsstands.

Reformen und aktuelle Entwicklungen

Die gesetzlichen Anforderungen an berufsständische Versorgungswerke und ihre Mitglieder unterliegen einem steten Wandel. Wichtige Themen der letzten Jahre waren die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben, etwa bezüglich der Gleichstellung von Geschlechtern (Unisex-Tarif) und der Bestimmungen zur Kapitalanlagesicherheit. Hinzu kommen Reformen hinsichtlich Transparenz, Nachhaltigkeit und Mitgliederbeteiligung. Diskutiert wird zudem der Umgang mit neuen Berufsbildern und die verstärkte Mobilität der Versicherten innerhalb Deutschlands und der Europäischen Union.


Literaturverzeichnis und weiterführende Links:
Aufgrund lexikalischer Kürze ist ein Verweis auf zentrale Vorschriften wie das SGB VI sowie die Landesgesetze der jeweiligen Berufsgruppen und die Satzungen der Versorgungswerke zu empfehlen. Weiterführende Informationen bieten die Webseiten der jeweiligen Versorgungseinrichtungen der einzelnen Berufsstände.

Häufig gestellte Fragen

Wie unterscheidet sich die Beitragszahlungspflicht bei berufsständischen Versorgungswerken von der gesetzlichen Rentenversicherung?

Die Beitragszahlungspflicht zu berufsständischen Versorgungswerken richtet sich grundsätzlich nach den maßgeblichen Landesgesetzen sowie den Satzungen der jeweiligen Versorgungswerke. Sie betrifft ausschließlich Mitglieder bestimmter freier Berufe wie Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Tierärzte, Apotheker und Architekten, die aufgrund einer Pflichtmitgliedschaft ihrer jeweiligen Kammer automatisch auch zur Mitgliedschaft im entsprechenden Versorgungswerk verpflichtet sind. Im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung, deren Beitragshöhe sich anteilig am Bruttoeinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze orientiert, regeln die Versorgungswerke die Höhe und Bemessungsgrundlage der Beiträge weitgehend eigenständig. Oftmals bestehen Mindesteinzahlungen, und Höchstbeiträge können abweichen oder nicht identisch mit der gesetzlichen Rentenversicherung sein. In einigen Fällen ist eine Mitgliedschaft in der Deutschen Rentenversicherung aufgrund von Befreiungsregelungen nach § 6 SGB VI gar nicht mehr notwendig, sobald die Zugehörigkeit zum Versorgungswerk beginnt.

Unter welchen Voraussetzungen kann eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht wegen der Mitgliedschaft im Versorgungswerk beantragt werden?

Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für Mitglieder bestimmter Versorgungswerke ist nur unter strikten gesetzlichen Voraussetzungen möglich. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI setzt die Befreiung voraus, dass die ausgeübte Tätigkeit eine Pflichtmitgliedschaft in der jeweiligen (Berufs-)Kammer und damit im Versorgungswerk begründet. Die Befreiung muss rechtzeitig bei der Deutschen Rentenversicherung beantragt werden – in der Regel innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der betreffenden Berufstätigkeit. Wird die Frist versäumt, besteht für den Zeitraum bis zur Antragstellung weiterhin Rentenversicherungspflicht. Die Befreiung gilt ausschließlich für die konkrete berufliche Tätigkeit, sodass eine Befreiung etwa als angestellter Arzt nicht für parallel ausgeübte Nebentätigkeiten als selbstständiger Arzt oder für eine Tätigkeit außerhalb des Arztberufs gilt.

Wie sind die Ansprüche auf Versorgungsleistungen geregelt und wie unterscheiden sie sich von der gesetzlichen Rentenversicherung?

Versorgungswerke bieten grundsätzlich Leistungen wie Altersrente, Berufsunfähigkeits- bzw. Erwerbsminderungsrente sowie Hinterbliebenenversorgung. Die Details der Anspruchsvoraussetzungen, Berechnung der Rentenhöhe und etwaiger Wartezeiten ergeben sich aus den jeweiligen Satzungen der Versorgungswerke, welche auf dem sogenannten Anwartschaftsdeckungsverfahren beruhen. Anders als in der gesetzlichen Rentenversicherung, die das Umlageverfahren verwendet, werden bei den Versorgungswerken die eingezahlten Beiträge kapitalgedeckt verzinst und für die individuellen Anwartschaften verwendet. So hängt die spätere Rentenhöhe stärker von der individuellen Beitragsleistung und der Verzinsung sowie von den satzungsmäßigen Zugangsbedingungen ab. Auch der Leistungsumfang (wie z. B. die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente) und deren Anspruchsvoraussetzungen können sich maßgeblich von denen des gesetzlichen Systems unterscheiden.

Welche steuerlichen Besonderheiten gelten für die Einzahlungen in berufsständische Versorgungswerke?

Die Beiträge zu berufsständischen Versorgungswerken können steuerrechtlich in der Regel als Vorsorgeaufwendungen geltend gemacht werden. Sie sind bis zu den jährlich festgelegten Höchstbeträgen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (Einkommensteuergesetz), analog zu den Beiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung, abziehbar. Ab 2005 werden diese Beiträge schrittweise stärker steuerlich begünstigt, sodass sie ab 2025 zu 100 % als Sonderausgaben anerkannt werden. Der steuerliche Abzug ist allerdings auf einen Höchstbetrag begrenzt, und es erfolgt eine Anrechnung mit anderen Altersvorsorgeaufwendungen. Überschreiten die Einzahlungen diesen Betrag, bleibt der darüberhinausgehende Teil steuerlich unberücksichtigt.

Wie erfolgt der Wechsel von einem Versorgungswerk in die gesetzliche Rentenversicherung oder umgekehrt?

Der Wechsel ist grundsätzlich nur im Rahmen bestimmter beruflicher Veränderungen möglich. Scheidet ein Mitglied dauerhaft aus dem Kammerberuf aus und nimmt eine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit außerhalb des Versorgungswerks auf (z. B. als Angestellter ohne Befreiungsmöglichkeit), endet grundsätzlich die Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk. Beiträge werden dann in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt. Ein Übertrag von Ansprüchen zwischen Versorgungswerk und gesetzlicher Rentenversicherung ist nicht vorgesehen, da es sich um eigenständige Sicherungssysteme handelt. Es gibt jedoch die Möglichkeit der Zahlung von freiwilligen Einlagen, Ruhen oder ggf. einer Beitragsrückerstattung, sofern eine satzungsmäßige Wartezeit nicht erfüllt wurde und keine Leistung beansprucht wird.

Welche Auswirkungen hat die Mitgliedschaft im Versorgungswerk bei Auslandsaufenthalten oder Tätigkeiten im Ausland?

Bei einer vorübergehenden Tätigkeit im Ausland bleibt gemäß Satzung meist die Mitgliedschaft im Versorgungswerk bestehen, sofern eine Mitgliedschaft in der Kammer aufrechterhalten wird und der Beruf weiterhin ausgeübt wird. Werden die Voraussetzungen jedoch nicht mehr erfüllt, kann die Pflichtmitgliedschaft entfallen. Gegebenenfalls besteht die Möglichkeit der Weiterversicherung im Versorgungswerk als freiwilliges Mitglied. Hinsichtlich der Sozialversicherungsabkommen mit anderen Staaten sind Versorgungswerke grundsätzlich nicht von zwischenstaatlichen Regelungen erfasst; Ansprüche aus dem Versorgungswerk werden i. d. R. unabhängig von etwaigen Rentenansprüchen aus anderen Ländern behandelt. Eine Anrechnung oder Zusammenrechnung von Zeiten nach dem Sozialgesetzbuch oder europäischen Koordinierungen, wie sie bei der gesetzlichen Rentenversicherung üblich sind, findet im Bereich der Versorgungswerke nicht statt.

Können Mitglieder gleichzeitig Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus einem Versorgungswerk erwerben oder kombinieren?

Ein gleichzeitiger Erwerb von Rentenansprüchen in beiden Systemen ist nur unter bestimmten Konstellationen möglich, z. B. bei paralleler Ausübung mehrerer rentenversicherungspflichtiger Tätigkeiten unterschiedlicher Art. Häufiger jedoch entstehen aufgrund des Befreiungsrechts für Kammerberufe Überschneidungen nur in Form von Rentenanwartschaften, die durch unterschiedliche Tätigkeitsperioden aufgebaut wurden (sog. Mehrfachversicherung). Rechtlich besteht kein Anspruch auf Übertragung, Verrechnung oder Zusammenlegung von Ansprüchen; vielmehr haben Versicherte später zwei getrennte Leistungsansprüche, die jeweils unabhängig voneinander geprüft und gewährt werden. Weiterhin gibt es keine Möglichkeit zur Beitragsrückübertragung von einem System ins andere. Die parallele Beitragszahlung führt zu proportionalen, eigenständigen Leistungsansprüchen aus beiden Sicherungssystemen.