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Berufskrankheit


Definition und Grundlagen der Berufskrankheit

Eine Berufskrankheit ist eine Erkrankung, die durch besondere Einwirkungen verursacht wird, denen bestimmte Personen infolge ihrer beruflichen Tätigkeit in erheblichem Maße ausgesetzt sind. Im deutschen Recht wird der Begriff vornehmlich im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Unfallversicherungssystem verwendet. Während sich Arbeitsunfälle auf plötzliche, zeitlich und örtlich bestimmbare Ereignisse beziehen, entstehen Berufskrankheiten meist schleichend durch wiederholte oder langanhaltende berufsspezifische Belastungen.

Formelle und Laienverständliche Definition

Im rechtlichen Sinne bezeichnet eine Berufskrankheit eine gesundheitliche Schädigung, die durch die Ausübung eines bestimmten Berufs verursacht wurde und die in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) aufgeführt ist. Nach § 9 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) müssen dabei die schädigenden Einwirkungen wesentlich zur Entwicklung der Krankheit beigetragen haben. Im Alltag versteht man unter einer Berufskrankheit häufig Erkrankungen, die auf den täglichen Umgang mit bestimmten Stoffen, Tätigkeiten oder Arbeitsbedingungen zurückzuführen sind.

Allgemeiner Kontext und Relevanz

Berufskrankheiten sind ein zentrales Thema im Arbeits- und Gesundheitsschutz, weil sie Beschäftigte nachhaltigen Risiken aussetzen können. Die Anerkennung und Behandlung von Berufskrankheiten hat große Bedeutung für die Arbeitswelt, das Sozialversicherungssystem und die betroffenen Personen. Sie stellen auch wirtschaftliche Faktoren für Unternehmen und den Staat dar, da mit ihnen Ausfallzeiten, Ersatzleistungen und ggf. berufliche Rehabilitation einhergehen.

Typische Kontexte der Anwendung

Der Begriff Berufskrankheit findet in unterschiedlichen Bereichen Anwendung:

  • Recht und Verwaltung: Als Voraussetzung für Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung müssen spezifische Krankheiten als Berufskrankheiten amtlich anerkannt sein.
  • Wirtschaft: Betriebe und Unternehmen sind verpflichtet, Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um das Risiko von Berufskrankheiten zu minimieren.
  • Medizin: Die Frühdiagnostik und Prävention gehören zu den Aufgaben der Betriebsmedizin.
  • Alltag: Arbeitnehmer, die in gefährdeten Bereichen tätig sind, sollten sich der Risiken von Berufskrankheiten bewusst sein.

Gesetzliche Grundlagen und Vorschriften

Relevante Gesetze und Vorschriften

In Deutschland werden Berufskrankheiten hauptsächlich durch folgende gesetzliche Regelungen erfasst:

  • Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) – Gesetzliche Unfallversicherung:

Besonders § 9 SGB VII definiert die Berufskrankheit und regelt Ansprüche auf Leistungen.

  • Berufskrankheiten-Verordnung (BKV):

Listet Krankheiten auf, die als Berufskrankheiten anerkannt werden können („BK-Liste“).

  • Bezirksverwaltungen der Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften und Unfallkassen):

Sie entscheiden über die Anerkennung und die Leistungen im Einzelfall.

§ 9 SGB VII (Auszug)

„Eine Berufskrankheit ist eine Krankheit, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung als solche bezeichnet und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleidet.“

Zusätzlich ist die internationale Einordnung durch die ILO-Liste von Berufskrankheiten von Bedeutung, die aber keinen rechtlichen Bindungscharakter in Deutschland hat.

Anerkennungsverfahren

Ob eine Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt wird, hängt davon ab, ob sie in der BKV aufgeführt ist und ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Einwirkung und der Erkrankung nachgewiesen werden kann. In Einzelfällen können auch sogenannte „Wie-Berufskrankheiten“ berücksichtigt werden, wenn eine Krankheit zwar nicht gelistet, aber ähnlich verursacht ist.

Ablauf der Feststellung:

  1. Meldung beim zuständigen Unfallversicherungsträger (meist durch Arzt oder Arbeitgeber).
  2. Prüfung der Voraussetzungen und der beruflichen Kausalität.
  3. Medizinische Begutachtung.
  4. Entscheidung über die Anerkennung und Leistungsgewährung.

Typische Beispiele für Berufskrankheiten

Berufskrankheiten können durch physikalische, chemische, biologische oder ergonomische Einflüsse entstehen. Nachfolgend einige der in der BKV gelisteten häufigsten Beispiele:

  • Asbestose und andere durch Asbest verursachte Erkrankungen:

Klassisch in Industrieberufen, Baugewerbe und Schiffbau.

  • Lärmschwerhörigkeit:

Typisch im Maschinenbau, Bauwesen und in der Metallindustrie.

  • Silberstaublunge (Silikose):

Betroffen sind häufig Bergleute und Personen im Baugewerbe.

  • Infektionskrankheiten:

Beispielsweise bei Personen, die im Gesundheitswesen arbeiten (Tuberkulose, Hepatitis).

  • Hauterkrankungen:

Kontaktekzeme durch den Umgang mit Reinigungsmitteln oder Chemikalien.

  • Beruflich bedingtes Karpaltunnelsyndrom:

Besonders im verarbeitenden Gewerbe durch einseitige, repetitive Tätigkeiten.

Weitere Beispiele umfassen Knochenerkrankungen durch Vibrationen, Atemwegserkrankungen durch Quarz-, Holzstaub oder Bioaerosole sowie Erkrankungen durch bestimmte Lösungsmittel.

Institutionen und Zuständigkeiten

Die wichtigsten Institutionen für die Feststellung und Betreuung von Berufskrankheiten in Deutschland sind:

  • Berufsgenossenschaften:

Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für die privatwirtschaftliche Wirtschaft.

  • Unfallkassen:

Zuständig u. a. für den öffentlichen Dienst, Schulen und Kommunen.

  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV):

Dachverband der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, Bindeglied zu Regierung und Sozialpartnern.

  • Unfallversicherungsträger auf Landes- und Bundesebene:

Übernehmen Prüfung, Anerkennung und Leistungsgewährung.

Regelungen und Leistungen im Krankheitsfall

Wird eine Berufskrankheit anerkannt, ergeben sich insbesondere folgende Ansprüche für die Betroffenen:

  • Übernahme von Heilbehandlungskosten:

Ärztliche, zahnärztliche und psychotherapeutische Versorgung sowie medizinische Rehabilitationsmaßnahmen.

  • Verletztengeld oder Übergangsgeld:

Finanzielle Absicherung während der Arbeitsunfähigkeit.

  • Berufliche Rehabilitation:

Maßnahmen zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben, Umschulungen oder Anpassungsfortbildungen.

  • Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit:

Wenn die Erwerbsfähigkeit durch die Berufskrankheit dauerhaft beeinträchtigt ist.

  • Pensionszahlungen an Hinterbliebene:

Bei Todesfällen infolge einer anerkannten Berufskrankheit.

Besonderheiten und Problemstellungen

Nachweis und Anerkennungsproblematik

Eine der größten Herausforderungen im Bereich der Berufskrankheiten ist der Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Ausbruch der Erkrankung. Oft wird ein sogenannter „Beweismaßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit“ angewandt. Bei multikausalen Erkrankungen oder solchen, bei denen auch Freizeit- und Lebensstilfaktoren eine Rolle spielen, ist die Feststellung besonders schwierig.

Dynamik der Berufskrankheitenliste

Die Wissenschaft entwickelt regelmäßig neue Erkenntnisse über beruflich verursachte Gesundheitsgefahren. Die Berufskrankheiten-Liste wird deshalb in unregelmäßigen Abständen erweitert. Nicht immer werden neue Krankheitsbilder rasch aufgenommen, was zu Verzögerungen bei der Anerkennung führen kann.

Prävention und Arbeitsschutz

Ein zentraler Ansatzpunkt zur Reduktion von Berufskrankheiten ist der vorbeugende Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Die Betriebe sind verpflichtet, technische, organisatorische und persönliche Arbeitsschutzmaßnahmen zu ergreifen, um Gefährdungen zu minimieren.

Typische Maßnahmen im Arbeits- und Gesundheitsschutz:

  • Gefährdungsbeurteilung und -dokumentation
  • Regelmäßige arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen
  • Technische Schutzmaßnahmen (z. B. Absauganlagen, Lärmschutz)
  • Schulungen zur sicheren Handhabung von Stoffen und Geräten

Zusammenfassung

Berufskrankheiten sind Erkrankungen, die unmittelbar mit der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit zusammenhängen und durch spezifische, im Beruf auftretende Gefahren ausgelöst werden. Sie sind in Deutschland durch das SGB VII und die Berufskrankheiten-Verordnung geregelt. Anerkannte Berufskrankheiten führen zu umfangreichen Ansprüchen gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Feststellung setzt die Erfüllung rechtlicher und medizinischer Voraussetzungen voraus. Problematisch ist häufig der medizinische Nachweis der Ursächlichkeit, insbesondere bei multifaktoriell bedingten Krankheiten. Prävention und Schutz am Arbeitsplatz sind entscheidend, um das Risiko von Berufskrankheiten zu minimieren.

Hinweise zur Relevanz

Der Begriff der Berufskrankheit ist insbesondere für Arbeitnehmer in gefährdeten Branchen, für Unternehmen und betroffene Versicherte von zentraler Bedeutung. Auch für Personen im Gesundheitswesen, Ärzte und Verwaltungspersonal ist profundes Wissen über Berufskrankheiten notwendig, um Prävention, Diagnostik und Versorgung zu gewährleisten. Ein Bewusstsein für die Risiken und Präventionsmöglichkeiten trägt zur langfristigen Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit und zur Gesundheitssicherung bei.


Quellen:

  • Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)
  • Berufskrankheiten-Verordnung (BKV)
  • Informationen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV)
  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)

Häufig gestellte Fragen

Was ist eine Berufskrankheit?

Als Berufskrankheit bezeichnet man eine Krankheit, die durch besondere Einwirkungen verursacht wurde, denen bestimmte Personen infolge ihrer beruflichen Tätigkeit in erheblich höherem Maße ausgesetzt sind als die übrige Bevölkerung. In Deutschland sind solche Krankheiten in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) festgelegt. Typische Beispiele sind Krebserkrankungen durch Asbest, Lärmschwerhörigkeit oder Hautkrankheiten bei beruflichem Kontakt mit Chemikalien. Berufskrankheiten unterscheiden sich von Arbeitsunfällen dadurch, dass sie sich meist über einen längeren Zeitraum entwickeln und nicht das Ergebnis eines einmaligen, plötzlichen Ereignisses sind. Die Anerkennung als Berufskrankheit ist Voraussetzung für Leistungen durch die gesetzliche Unfallversicherung, wie etwa medizinische Behandlungen, Rehabilitationsmaßnahmen oder Rentenzahlungen.

Wer entscheidet, ob eine Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt wird?

Die Entscheidung, ob eine Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt wird, trifft die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse. Zunächst muss ein Verdacht auf eine Berufskrankheit gemeldet werden, was sowohl durch den Arbeitnehmer selbst, den Arbeitgeber oder behandelnde Ärzte geschehen kann. Nach Eingang der Meldung werden medizinische Gutachten eingeholt und geprüft, ob die arbeitsbedingten Einwirkungen nach wissenschaftlichem Stand mit großer Wahrscheinlichkeit die Erkrankung verursacht haben oder zumindest ein wesentlicher Grund dafür sind. Zusätzlich wird geprüft, ob die betroffene Person aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit tatsächlich einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt war. Erst nach dieser sorgfältigen Prüfung erfolgt die formale Anerkennung, die Voraussetzung für weitere Leistungen ist.

Welche gesetzlichen Leistungen stehen mir bei einer anerkannten Berufskrankheit zu?

Bei Anerkennung einer Berufskrankheit gewährt die gesetzliche Unfallversicherung verschiedene Leistungen. Dazu zählen Heilbehandlungen, medizinische und berufliche Rehabilitation, sowie Hilfen zur Teilnahme am Arbeitsleben. Falls die Erwerbsfähigkeit erheblich gemindert ist, können auch Rentenleistungen gezahlt werden. Darüber hinaus übernimmt die Unfallversicherung unter bestimmten Voraussetzungen Kosten für Pflegeleistungen oder gewährt Leistungen an Hinterbliebene, sollte die Berufskrankheit zum Tod führen. Alle diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Gesundheit und Erwerbsfähigkeit des Versicherten soweit wie möglich wiederherzustellen und soziale Nachteile abzumildern.

Wie läuft das Meldeverfahren bei Verdacht auf eine Berufskrankheit ab?

Das Meldeverfahren beginnt mit der Anzeige eines Verdachts einer Berufskrankheit. Diese Anzeige kann durch jeden Arzt, den Versicherten selbst oder den Arbeitgeber erfolgen und muss an die für den Betrieb zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse gesendet werden. Die Berufsgenossenschaft prüft daraufhin die Angaben und fordert gegebenenfalls weitere medizinische Unterlagen oder Gutachten an. Der betroffene Arbeitnehmer wird in der Regel zu Befragungen und Untersuchungen eingeladen. Nach Abschluss der Ermittlungen erfolgt die Entscheidung, ob die Krankheit als Berufskrankheit anerkannt wird. Dieser Prozess kann mehrere Monate in Anspruch nehmen, da eine umfassende medizinische und arbeitsrechtliche Prüfung erforderlich ist.

Können auch lang zurückliegende Erkrankungen als Berufskrankheit anerkannt werden?

Ja, auch Erkrankungen, deren ursächliche berufliche Belastung schon Jahre oder Jahrzehnte zurückliegt, können noch als Berufskrankheit anerkannt werden. Das ist insbesondere bei Krankheiten mit einer langen Latenzzeit, wie beispielsweise Lungenkrebs durch Asbest, relevant. In diesen Fällen müssen Betroffene nachweisen, dass sie in ihrem Berufsleben entsprechenden gefährdenden Einwirkungen ausgesetzt waren. Wichtig ist, dass die Meldung so früh wie möglich erfolgt, sobald ein Zusammenhang zwischen Erkrankung und beruflicher Tätigkeit vermutet wird. Solche rückwirkenden Anerkennungen können besonders relevant für Renten- und Entschädigungsansprüche sein.

Was ist der Unterschied zwischen einer Berufskrankheit und einem Arbeitsunfall?

Eine Berufskrankheit entsteht durch schädigende Einwirkungen am Arbeitsplatz, die sich über einen längeren Zeitraum hinweg entwickeln und zu chronischen Erkrankungen führen können. Typisch sind hier beispielsweise das Arbeiten mit gefährlichen Stoffen oder das dauerhafte Einwirken von Lärm. Ein Arbeitsunfall hingegen ist ein plötzliches, zeitlich begrenztes Ereignis, das während der Arbeit, auf dem Arbeitsweg oder in Ausübung der beruflichen Tätigkeit passiert, wie etwa das Abrutschen auf einer Baustelle oder eine Maschinenverletzung. Beide Fälle sind über die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert, unterscheiden sich jedoch in Ursachen, Ablauf der Anerkennung und Therapie.

Was passiert, wenn meine Erkrankung nicht in der Berufskrankheiten-Liste aufgeführt ist?

Die Anerkennung einer Berufskrankheit ist grundsätzlich an die Berufskrankheiten-Liste gebunden, die regelmäßig aktualisiert wird. In Ausnahmefällen ist jedoch auch die Anerkennung sogenannter „Wie-Berufskrankheiten“ möglich, wenn nach wissenschaftlichem Stand eindeutig belegt ist, dass eine Krankheit durch berufliche Einwirkungen verursacht wurde, sie bislang aber noch nicht in die Liste aufgenommen wurde. In solchen Fällen ist allerdings die Beweislage oft schwieriger, und eine Anerkennung erfordert umfangreiche ärztliche Gutachten sowie Nachweise belastender Arbeitsbedingungen. Die Entscheidung trifft auch hier die Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse.