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Berufsbildung


Begriff und rechtliche Grundlagen der Berufsbildung

Die Berufsbildung bezeichnet den Prozess und das System, in dem Personen auf die Ausübung eines bestimmten Berufs vorbereitet und dazu qualifiziert werden. Sie ist eingebettet in ein umfassendes rechtliches Regelwerk, das die Vermittlung von fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen in einem anerkannten Ausbildungsberuf oder einer vergleichbaren Qualifikation sicherstellt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland sind durch Gesetze, Verordnungen und Richtlinien umfassend geregelt.

Rechtsgrundlagen der Berufsbildung

Berufsbildungsgesetz (BBiG)

Das zentrale Gesetz für die berufliche Bildung bildet das Berufsbildungsgesetz (BBiG). Es regelt die betriebliche und außerbetriebliche Ausbildung, deren Organisation, Durchführung und die Prüfungsverfahren. Das BBiG gilt für die duale Berufsausbildung sowie für die Fort- und Weiterbildung im Beruf. Es legt die Rechte und Pflichten der Auszubildenden und der Ausbildenden sowie die Zuständigkeiten der Kammern fest.

Handwerksordnung (HwO)

Für handwerkliche Berufe ist ergänzend zur BBiG die Handwerksordnung (HwO) anzuwenden. Diese regelt die Berufsausbildung im Handwerk, insbesondere die Zulassungsvoraussetzungen und die Anforderungen an Ausbildungsstätten. Die HwO beinhaltet darüber hinaus Regelungen zu Prüfungsordnungen, Meisterprüfungen und Fortbildungen.

Weitere gesetzliche Vorschriften

Neben BBiG und HwO sind weitere spezifische Vorschriften zu beachten, etwa das Mutterschutzgesetz, das Jugendarbeitsschutzgesetz sowie die jeweiligen Landesgesetze zur Ausbildung im öffentlichen Dienst, in den Heilberufen oder im Lehramt.

Formen der Berufsbildung im rechtlichen Kontext

Duale Berufsausbildung

Die duale Ausbildung ist das in Deutschland vorherrschende System zur Qualifizierung in anerkannten Ausbildungsberufen. Sie ist durch die enge Verzahnung von betrieblicher Praxis und schulischer Bildung gekennzeichnet. Rechtlich bindend ist der Ausbildungsrahmenplan, der sowohl betriebliche als auch schulische Ausbildungsinhalte beschreibt. Der Abschluss eines Ausbildungsvertrages, der den gesetzlichen Anforderungen entspricht, ist hierfür zwingend notwendig.

Schulische Berufsausbildung

In bestimmten Berufen – vor allem im Gesundheitswesen, in der Sozialpflege und im Bereich Erziehung – findet die Ausbildung größtenteils an berufsbildenden Schulen statt. Die Rechtsgrundlagen hierzu ergeben sich aus dem jeweiligen Landesrecht sowie aus besonderen Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen des Bundes bzw. der Länder.

Fortbildung und Umschulung

Die rechtlichen Bestimmungen über die Fortbildung, die auf den Erwerb von weitergehenden Qualifikationen abzielen, sind im BBiG beziehungsweise in der HwO festgelegt. Gleiches gilt für die Umschulung, die eine erneute Qualifizierung für eine andere berufliche Tätigkeit ermöglicht, insbesondere im Fall der beruflichen Rehabilitation oder Arbeitslosigkeit.

Vertragliche Grundlagen und Pflichten

Ausbildungsvertrag

Herzstück der betrieblichen Berufsbildung ist der schriftliche Ausbildungsvertrag nach §§ 10 ff. BBiG. Dieser Vertrag regelt Inhalte wie Ausbildungsziel, Dauer, Probezeit, Vergütung, Arbeitszeit, Urlaubsanspruch sowie Pflichten der Vertragsparteien. Der Ausbildungsvertrag muss der zuständigen Kammer zur Eintragung vorgelegt werden.

Pflichten der Ausbildenden

Die Ausbildenden müssen gewährleisten, dass die Ausbildung nach dem Ausbildungsrahmenplan erfolgt und die Berufsschule besucht wird. Sie tragen die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Ablauf und müssen für angemessene Arbeitsbedingungen sorgen.

Pflichten der Auszubildenden

Die Auszubildenden sind verpflichtet, die ihnen übertragenen Aufgaben sorgfältig auszuführen sowie an vorgeschriebenen Schulungen und Prüfungen teilzunehmen.

Prüfungswesen und Zertifizierung

Zwischen- und Abschlussprüfungen

Nach § 37 BBiG sowie nach entsprechenden Bestimmungen der HwO müssen Auszubildende regelmäßig an Zwischen- und Abschlussprüfungen teilnehmen. Die Prüfungsordnungen legen die Durchführung, Bewertung und Wiederholungsmöglichkeiten fest.

Anerkennung und Zeugnisse

Die bestandene Abschlussprüfung führt zur staatlich anerkannten Berufsqualifikation und berechtigt zur Führung der Berufsbezeichnung. Die ausstellenden Kammern sind zur Ausstellung entsprechender Zeugnisse verpflichtet.

Zuständige Stellen und Überwachung

Kammern und Aufsichtsbehörden

Industrie- und Handelskammern (IHK), Handwerkskammern (HWK) und zuständige Stellen im öffentlichen und privaten Bereich überwachen die Durchführung der Ausbildung. Sie sind für die Eintragung der Ausbildungsverhältnisse, die Organisation der Prüfungen und die Sicherstellung der Ausbildungsqualität verantwortlich.

Überwachung und Sanktionen

Bei Verstößen gegen die rechtlichen Bestimmungen, wie z. B. ungenügende Ausbildungsqualität oder Verstoß gegen Arbeitsschutzvorschriften, können Aufsichtsbehörden Maßnahmen bis hin zur Entziehung der Ausbildungsberechtigung anordnen.

Berufsbildung in der Europäischen Union

Anerkennung von Berufsabschlüssen

Die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen innerhalb der EU ist durch die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie geregelt. Diese ermöglicht es, in einem EU-Mitgliedsstaat erworbene Berufsabschlüsse in anderen Mitgliedsstaaten anerkennen zu lassen, sofern die jeweiligen Qualifikationsanforderungen erfüllt werden.

Europäische Mobilität

Programme wie Erasmus+ fördern die Mobilität von Auszubildenden und verbessern die Vergleichbarkeit von Qualifikationen in Europa. Die rechtliche Grundlage bildet hierbei das deutsche Berufsbildungsgesetz in Verbindung mit europarechtlichen Vorgaben zur Anerkennung und Durchlässigkeit im Bildungssystem.

Schlussbemerkung

Die Berufsbildung ist in Deutschland umfassend rechtlich geregelt. Ziel ist es, durch transparente Strukturen, kontrollierte Abläufe und hohe Qualitätsstandards die nachhaltige Qualifikation und Integration von Fachkräften zu gewährleisten. Das Regelungssystem sorgt dafür, dass Berufsbildung nicht nur individuelle Entwicklung fördert, sondern auch zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stabilität beiträgt.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für den Abschluss eines Ausbildungsvertrags erfüllt sein?

Für den Abschluss eines Ausbildungsvertrags müssen gemäß Berufsbildungsgesetz (BBiG) sowohl der Auszubildende als auch der Ausbildungsbetrieb bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllen. Der Auszubildende muss grundsätzlich die Vollzeitschulpflicht erfüllt haben; ein grundsätzliches Mindestalter ist nicht vorgegeben, allerdings können bestimmte Berufsausbildungen oder landesrechtliche Vorschriften weitergehende Anforderungen vorsehen. Der Ausbildungsbetrieb benötigt die entsprechende fachliche und persönliche Eignung nach § 27 ff. BBiG, wodurch sichergestellt wird, dass die Ausbildung inhaltlich und organisatorisch den Vorgaben der Ausbildungsordnung gerecht wird. Des Weiteren ist der Ausbildungsvertrag schriftlich abzuschließen (§ 11 BBiG). Zu den zwingenden Vertragsinhalten zählen beispielsweise Angaben zur Ausbildungsdauer, zur Vergütung, zu den Ausbildungsinhalten sowie zur täglichen und wöchentlichen Ausbildungszeit. Auch Regelungen zur Probezeit (mindestens ein Monat, höchstens vier Monate) sowie zu Urlaubsansprüchen müssen enthalten sein. Der abgeschlossene Vertrag ist unverzüglich bei der zuständigen Kammer (zum Beispiel Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer) einzureichen, wo auch die Überwachung der Einhaltung der rechtlichen Vorgaben erfolgt. Minderjährige Auszubildende benötigen zudem die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter.

Welche Pflichten hat der Ausbildungsbetrieb aus rechtlicher Sicht?

Gemäß § 14 BBiG ist der Ausbildungsbetrieb verpflichtet, die Berufsbildung so zu vermitteln, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Zeit erreicht werden kann. Hierzu zählen insbesondere die Einhaltung des Ausbildungsplans beziehungsweise der Ausbildungsordnung, die Bereitstellung der zur Ausbildung notwendigen Mittel wie Fachliteratur und Arbeitskleidung (soweit vorgeschrieben) sowie eine ordnungsgemäße Anleitung durch fachlich geeignete Ausbilder. Der Betrieb muss zudem darauf achten, dass der Auszubildende nicht mit Tätigkeiten betraut wird, die nicht dem Ausbildungszweck dienen oder ihn körperlich sowie geistig überfordern. Der Auszubildende ist ferner zur Teilnahme am Berufsschulunterricht, an Prüfungen und an sonstigen Ausbildungsmaßnahmen freizustellen. Ein gravierender rechtlicher Aspekt stellt auch die Fürsorgepflicht dar: Der Betrieb muss Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und der Persönlichkeitsrechte des Auszubildenden ergreifen, unter anderem durch Einhaltung des Jugendarbeitsschutzgesetzes, des Mutterschutzgesetzes sowie geltender Arbeitsschutzvorschriften. Die Vergütung muss nach Tarif oder – wenn keine Tarifbindung besteht – ortsüblich und angemessen erfolgen, wobei die Mindestausbildungsvergütung beachtet werden muss. Verstöße gegen diese Pflichten können zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen und zur Schadensersatzpflicht führen.

Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen kann ein Ausbildungsverhältnis gekündigt werden?

Die rechtlichen Vorgaben für die Kündigung von Ausbildungsverhältnissen sind in § 22 BBiG geregelt. Während der Probezeit (mindestens ein Monat, höchstens vier Monate) kann das Ausbildungsverhältnis von beiden Seiten jederzeit ohne Angabe von Gründen und ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Nach der Probezeit ist eine ordentliche Kündigung durch den Ausbildungsbetrieb grundsätzlich ausgeschlossen; der Betrieb kann das Vertragsverhältnis nur außerordentlich aus wichtigem Grund fristlos beenden. „Wichtige Gründe“ sind unter anderem wiederholtes unentschuldigtes Fehlen, grobe Pflichtverletzungen oder erhebliche betriebliche Störungen, die eine Fortsetzung der Ausbildung unzumutbar machen. Der Auszubildende hingegen kann das Vertragverhältnis ebenfalls aus wichtigem Grund fristlos kündigen oder mit einer Frist von vier Wochen, wenn er die Berufsausbildung ganz aufgeben oder sich für eine andere Berufsausbildung entscheiden möchte. Jede Kündigung muss schriftlich erfolgen, im Fall einer außerordentlichen Kündigung unter Angabe von Kündigungsgründen. Ein Verstoß gegen die Schriftform führt zur Unwirksamkeit der Kündigung. Die Beteiligung der gesetzlichen Vertreter ist bei minderjährigen Auszubildenden zwingend erforderlich.

Welche rechtlichen Anforderungen bestehen für die Gestaltung des betrieblichen Ausbildungsplans?

Der betriebliche Ausbildungsplan ist ein verpflichtender Bestandteil der Berufsausbildung und muss sich an der jeweiligen Ausbildungsordnung sowie an dem Ausbildungsrahmenplan gemäß § 5 Absatz 2 BBiG orientieren. Der Ausbildungsbetrieb ist verpflichtet, die im Ausbildungsrahmenplan aufgeführten Inhalte sachlich und zeitlich so darzustellen, dass die Ausbildung systematisch und zielgerichtet verläuft. Dabei sind individuelle betriebliche Besonderheiten zu berücksichtigen, aber die Mindestinhalte der anerkannten Ausbildungsordnung dürfen weder unterschritten noch in ihrer Gewichtung verändert werden. Für bestimmte Berufe besteht auch die zwingende Einbindung von überbetrieblichen Ausbildungslehrgängen oder Ausbildungsverbünden. Der Ausbildungsplan ist dem Ausbildungsvertrag als Anlage beizufügen und sowohl dem Auszubildenden als auch den gesetzlichen Vertretern (bei Minderjährigen) zugänglich zu machen. Die Einhaltung und sachgemäße Durchführung des Ausbildungsplans wird durch die zuständige Kammer überwacht. Verstöße oder erhebliche Abweichungen können zum Entzug der Ausbildungserlaubnis führen.

Wie ist der Rechtsanspruch auf Übernahme nach der Ausbildung geregelt?

Ein allgemeiner Rechtsanspruch auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung besteht im deutschen Recht grundsätzlich nicht. Ausnahmen gelten lediglich für bestimmte Personengruppen, wie zum Beispiel schwerbehinderte Menschen nach § 164 SGB IX, denen der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen ein angemessenes Arbeitsverhältnis anzubieten hat. Tarifliche Regelungen, Betriebsvereinbarungen oder individuelle Vertragsabreden können jedoch andere, abweichende Regelungen enthalten und unter Umständen einen Anspruch auf Übernahme oder eine bevorzugte Einstellung begründen. Über den Regelfall hinaus empfiehlt es sich, bereits im Ausbildungsvertrag Klarheit zu schaffen oder auf die Gepflogenheiten des jeweiligen Betriebs beziehungsweise die Anwendung einschlägiger Tarifverträge zu achten. Die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses ist rechtlich unabhängig vom nachfolgenden Beschäftigungsverhältnis geregelt und erfolgt regelmäßig mit Bestehen der Abschlussprüfung, spätestens jedoch mit Ablauf der vertraglich vereinbarten Ausbildungszeit.

Welche rechtlichen Regelungen gelten im Hinblick auf die Vergütung und Arbeitszeit von Auszubildenden?

Die Vergütung von Auszubildenden ist in § 17 BBiG geregelt und muss angemessen sein. Seit 2020 gilt eine gesetzliche Mindestausbildungsvergütung (§ 17 Absatz 2 BBiG), die jährlich angepasst wird und unterhalb der Tarifvergütung nicht angewendet werden darf. Besteht ein einschlägiger Tarifvertrag, ist dieser auch für nicht tarifgebundene Betriebe maßgeblich, sofern er für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Die Vergütungszahlung muss monatlich erfolgen und ist unabhängig davon geschuldet, ob der Auszubildende zum Beispiel an Berufsschulunterricht, Prüfungen oder anderen Ausbildungsmaßnahmen teilnimmt.

Für die Arbeitszeit sind die Regeln des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) anzuwenden, bei minderjährigen Auszubildenden zusätzlich das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG). Letzteres regelt unter anderem, dass Jugendliche höchstens 40 Stunden pro Woche bzw. 8 Stunden pro Tag arbeiten dürfen, mit zusätzlichen Vorschriften zu Ruhepausen, Wochenendruhe und Nachtarbeit. Nach § 15 BBiG ist Auszubildenden zur Vorbereitung auf Prüfungen eine angemessene Zeit zu gewähren, in der Regel als bezahlte Freistellung. Mehrarbeit oder Überstunden sind nur ausnahmsweise und nach besonderen gesetzlichen Vorgaben zulässig und müssen besonders vergütet oder durch Freizeit ausgeglichen werden.

Wie sind die gesetzlichen Regelungen zur Freistellung für den Berufsschulunterricht ausgestaltet?

Nach § 15 BBiG besteht ein gesetzlicher Anspruch der Auszubildenden auf Freistellung für den Besuch der Berufsschule. Der Ausbildungsbetrieb ist verpflichtet, die Auszubildenden ohne Gehaltskürzung für den Unterricht, Schularbeiten und Prüfungen freizustellen. Bei minderjährigen Auszubildenden gilt ergänzend § 9 JArbSchG: Ist ein Berufsschultag mit mehr als fünf Unterrichtsstunden angesetzt, so gilt der gesamte Tag als voll gearbeitet. Auch für Berufsschulwochen und auswärtigen Unterricht ist der Auszubildende freizustellen. Die Aufwendungen für Lernmittel und Fahrtkosten können nach Landesrecht oder durch vertragliche Regelungen übernommen werden, eine einheitliche gesetzliche Verpflichtung besteht hierzu jedoch nicht. Eine Benachteiligung wegen des Besuchs der Berufsschule ist unzulässig. Verstöße können vom Auszubildenden oder den gesetzlichen Vertretern angezeigt und von der zuständigen Kammer verfolgt werden.