Begriff und rechtliche Grundlagen der Bergmannsinvalidenrente
Die Bergmannsinvalidenrente ist eine besondere Form der Invalidenrente, die für Beschäftigte im Bergbau geschaffen wurde. Sie ist Teil des deutschen Sozialversicherungsrechts und bezieht sich vor allem auf die soziale Absicherung von Personen, die aufgrund spezifischer gesundheitlicher Risiken und Belastungen des Bergbaus erwerbsgemindert sind. Die Regulierung und Ausgestaltung dieser Rentenart erfolgt insbesondere durch das Sechste Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), das Sozialgesetzbuch (SGB VII) sowie das Gesetz über den Bergmanns-Versorgungsschein und die Bergmannsinvalidenrente (Bergmannsversorgungs-Gesetz, BVersG).
Historische Entwicklung und Hintergrund
Die Einführung und Ausgestaltung der Bergmannsinvalidenrente sind eng mit den besonderen Gefahren und Belastungen des Bergbaus verbunden. Aufgrund der hohen Arbeits- und Gesundheitsrisiken im Untertagebau wurde frühzeitig ein gesondertes Versorgungssystem für Bergleute geschaffen, das über die allgemeine gesetzliche Rentenversicherung hinausging. Die gesetzliche Grundlage für die Bergmannsinvalidenrente wurde ursprünglich im Gesetz zur Krankenversicherung der Arbeiter (1883) gelegt und später durch weitere Gesetze, insbesondere durch das Bergmannsversorgungs-Gesetz von 1957, erweitert.
Anspruchsvoraussetzungen
Persönlicher Anwendungsbereich
Die Bergmannsinvalidenrente kann grundsätzlich von solchen Versicherten beansprucht werden, die eine Tätigkeit im deutschen Bergbau ausübten. Hierbei muss im Regelfall eine bestimmte Mindestanzahl an Versicherungsjahren im Bergbau erfüllt sein, sogenannte „Bergmannsjahre“. Typischerweise werden dafür mindestens 25 Jahre (in spezifischen Fällen abweichend) verlangt.
Versicherungs- und Beitragszeiten
Grundlage für den Anspruch ist das Vorliegen von Versicherungszeiten innerhalb des Geltungsbereichs des Bergbau-Versorgungsscheins. Dabei zählen neben Pflichtbeitragszeiten unter bestimmten Voraussetzungen auch Ersatzzeiten und gleichgestellte Zeiten, zum Beispiel im Falle der Erwerbsminderung infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Zusammenhang mit dem Bergbau.
Medizinische Voraussetzungen – Invalidität
Voraussetzung für die Gewährung der Bergmannsinvalidenrente ist, dass der Versicherte aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen, die auf bergbautypische Tätigkeiten zurückzuführen sind, nur noch höchstens unter Tage arbeiten kann oder seine Erwerbstätigkeit vollständig eingestellt werden muss. Die Beurteilung der Invalidität erfolgt nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben auf Basis medizinischer Gutachten.
Leistungsumfang und Berechnung der Rente
Rentenhöhe
Die Höhe der Bergmannsinvalidenrente wird in Abhängigkeit von der Höhe der gezahlten Beiträge, der Dauer der Versicherungszeiten im Bergbau und der zurückgelegten Bergmannsjahre berechnet. Zusätzliche rentenrechtliche Besonderheiten, wie die Berücksichtigung von Anpassungsfaktoren und die Anrechnung von Höherbewertungszeiten, werden ebenfalls bewertet. Die Rentenkasse, meist die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, ist für die Berechnung und Auszahlung der Rente zuständig.
Anpassung und Befristung der Leistungen
Die Rentenhöhe kann sich durch gesetzliche Anpassungsfaktoren jährlich verändern (Rentenanpassung). Die Bergmannsinvalidenrente wird grundsätzlich bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze oder bis zur Besserung des Gesundheitszustandes, gegebenenfalls auch befristet, gewährt. Eine Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen ist regelmäßig möglich.
Abgrenzung zu anderen Rentenarten
Unterschied zur Erwerbsminderungsrente
Im Unterschied zur allgemeinen Erwerbsminderungsrente berücksichtigt die Bergmannsinvalidenrente die besonderen Belastungen durch bergmännische Tätigkeiten und sieht spezifische Anspruchsvoraussetzungen und Berechnungsmethoden vor. Während die Erwerbsminderungsrente bei allgemeiner sozialversicherungsrechtlicher Erwerbsminderung greift, setzt die Bergmannsinvalidenrente an die besonderen Bedingungen im Bergbau an.
Verhältnis zu anderen berufsständischen Versorgungssystemen
Im deutschen Sozialversicherungsrecht existieren für verschiedene berufsständische Gruppen besondere Versorgungssysteme (z.B. für Landwirte, Seeleute und bestimmte Handwerker). Die Bergmannsinvalidenrente stellt das spezielle Versorgungssystem für Arbeitnehmer im Bergbau dar und ist eng verzahnt mit der allgemeinen Rentenversicherung.
Verfahren der Antragstellung und Entscheidungsfindung
Antragstellung und nötige Unterlagen
Ein Antrag auf Bergmannsinvalidenrente ist schriftlich bei der Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zu stellen. Für die Bearbeitung sind Nachweise über die Zeiten im Bergbau, das Ausmaß der Erwerbsminderung (ärztliche Gutachten) sowie weitere sozialversicherungsrechtliche Unterlagen erforderlich.
Verwaltungsverfahren und Rechtsmittel
Nach Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen erlässt die Rentenversicherung einen Verwaltungsakt. Gegen ablehnende Bescheide können innerhalb der gesetzlichen Frist Widerspruch und nachfolgend Klage vor den Sozialgerichten eingelegt werden. Das Verfahren folgt den allgemeinen Regeln der Sozialgerichtsbarkeit.
Steuerliche Behandlung und sozialversicherungsrechtliche Stellung
Bergmannsinvalidenrenten gelten im deutschen Steuerrecht als Einkünfte aus sonstigen Leistungen und sind grundsätzlich steuerpflichtig. Da es sich um eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung handelt, gelten die entsprechenden Vorschriften zur Besteuerung von Renten nach dem Alterseinkünftegesetz. Beiträge zur gesetzlichen Krankenkasse und Pflegeversicherung können von der Bruttorente abgezogen werden.
Bedeutung und Zielsetzung der Bergmannsinvalidenrente
Die Bergmannsinvalidenrente soll eine soziale Absicherung für ehemalige Bergleute bieten, die infolge der spezifischen physischen und gesundheitlichen Belastungen des Bergbaus im Erwerbsleben beeinträchtigt sind. Sie leistet damit einen zentralen Beitrag zur sozialen Sicherung und zur Anerkennung der besonderen Risiken dieses Berufsstandes.
Weiterführende Vorschriften und Literatur
- Sozialgesetzbuch VI (SGB VI): Gesetzliche Rentenversicherung
- Bergmannsversorgungs-Gesetz (BVersG)
- Sozialgesetzbuch VII (SGB VII): Gesetzliche Unfallversicherung
- Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See: Informationen zur Bergmannsinvalidenrente
Hinweis: Dieser Lexikonartikel dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.
Häufig gestellte Fragen
Welche Voraussetzungen müssen für den rechtlichen Anspruch auf Bergmannsinvalidenrente erfüllt sein?
Um einen rechtlichen Anspruch auf die Bergmannsinvalidenrente zu begründen, müssen mehrere spezifische Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss der Antragsteller der knappschaftlichen Rentenversicherung angehören und dort Beiträge entrichtet haben. Nach § 40 SGB VI ist ein Versichertenstatus erforderlich, der in der Regel über eine Mindestversicherungszeit (Wartezeit) von 60 Kalendermonaten besteht, wobei bestimmte Ersatzzeiten, Anrechnungszeiten oder Zeiten einer Erwerbsminderung angerechnet werden können. Der zentrale Anspruchsgrund ist die Bergmannsinvalidität, die gemäß § 41 SGB VI dann vorliegt, wenn die leistungsgewährende Rentenversicherungsträger feststellt, dass der Versicherte infolge Krankheit oder Gebrechlichkeit dauernd außerstande ist, auf einer ständigen Untertagestelle eines Bergwerks zu arbeiten. Zusätzlich muss die versicherte Tätigkeit weit überwiegend „unter Tage“ (also im Bergbau unter der Erdoberfläche) ausgeübt worden sein und der Versicherte zum leistungsbegründenden Zeitpunkt noch als Bergmann gelten. Außerdem darf keine Altersrente bezogen werden, denn der Anspruch auf Bergmannsinvalidenrente tritt grundsätzlich vor dem Anspruch auf Regelaltersrente. Die Einzelheiten der Anspruchsvoraussetzungen können je nach konkretem Versicherungstatbestand und individueller Erwerbsbiografie variieren, weshalb eine genaue Einzelfallprüfung durch die Rentenversicherungsträger erforderlich ist.
Welche rechtlichen Regelungen gelten hinsichtlich der Antragsstellung für die Bergmannsinvalidenrente?
Die Antragsstellung für die Bergmannsinvalidenrente ist gesetzlich geregelt und setzt voraus, dass der Antrag durch die versicherte Person selbst oder durch eine bevollmächtigte Person an den zuständigen Rentenversicherungsträger gestellt wird. Nach § 115 SGB VI ist ein schriftlicher Antrag erforderlich, wobei das Antragsdatum maßgeblich für den Beginn der Leistung ist. Der Antrag kann in der Regel formlos, sollte aber möglichst über die standardisierten Formulare der Deutschen Rentenversicherung bzw. der Knappschaft gestellt werden, damit eine zügige Bearbeitung gewährleistet ist und alle notwendigen Angaben gemacht werden. Mit dem Antrag sind Nachweise über die Versicherungszeiten, die Art und Dauer der untertägigen Beschäftigung sowie ärztliche Atteste und Gutachten über die Invalidität einzureichen. Zudem müssen regelmäßig medizinische Untersuchungen durch von der Rentenversicherung bestellte Sachverständige erfolgen, um das Vorliegen der Bergmannsinvalidität im Sinne des Gesetzes zweifelsfrei festzustellen und zu dokumentieren. Kommt es zu Rückfragen oder einer unvollständigen Antragstellung, setzt die Rentenversicherung Fristen zur Nachreichung von Unterlagen (§ 20 SGB X). Bei Ablehnung des Antrags besteht das Recht auf Widerspruch und ggf. auf Klage vor dem Sozialgericht.
Wie wird der Begriff der „untertägigen Beschäftigung“ für den rentenrechtlichen Anspruch bewertet?
Im rentenrechtlichen Kontext ist die „untertägige Beschäftigung“ für den Anspruch auf Bergmannsinvalidenrente von zentraler Bedeutung. Nach § 48 SGB VI und den hierzu entwickelten Verwaltungsvorschriften muss die beschäftigte Person überwiegend auf einer ständigen Untertagestelle tätig gewesen sein. Dies bedeutet, dass mindestens zwei Drittel der gesamten versicherten Beschäftigungszeit unter Tage abgeleistet worden sein müssen. Unter Tage bedeutet dabei die Arbeit im Grubengebäude, das heißt unter der Erdoberfläche, typischerweise in Bereichen, in denen bergbauliche Gewinnung, Förderung oder Sicherung erfolgt. Zeiträume, in denen der Versicherte oberirdisch tätig war, werden nur dann anerkannt, wenn sie zwingend zu einer untertägigen Beschäftigung gehören (z. B. Vor- und Nachbereitungsschichten, aber keine reine Bürotätigkeit). Für die Anerkennung kann es notwendig sein, Tätigkeitsnachweise des Arbeitgebers sowie Arbeitsverträge und betriebliche Unterlagen einzureichen. Eine Anerkennung von Ersatzzeiten oder darlehensweise als untertägige Arbeit gewerteten Zeiten ist nur in eng begrenzten Ausnahmen möglich.
Welche Besonderheiten gibt es bei der rechtlichen Feststellung der Invalidität im Bergbau?
Die rechtliche Feststellung der Invalidität im Sinne der Bergmannsinvalidenrente ist durch spezifische Anforderungen geprägt. Im Gegensatz zur allgemeinen Erwerbsminderungsrente ist entscheidend, dass der Versicherte ausschließlich für Tätigkeiten „auf einer ständigen Untertagestelle“ dauerhaft außerstande ist. Die Invalidität muss durch einen ärztlichen Befund belegt und durch ein Gutachten der Rentenversicherung bestätigt werden. Berücksichtigt werden dabei insbesondere Erkrankungen oder Gebrechen, die im Zusammenhang mit der besonderen Beanspruchung durch die Arbeit unter Tage stehen (z. B. Atemwegserkrankungen, Muskel-Skelett-Erkrankungen). Eine bloß vorübergehende Arbeitsunfähigkeit reicht nicht aus; die Prognose muss im Regelfall unwiderruflich oder jedenfalls auf Jahre hinausgestellt werden. Das Verfahren enthält umfangreiche Mitwirkungs- und Nachweispflichten, und die Sozialmedizinische Begutachtung basiert auf den Besonderheiten der Belastungen im untertägigen Bergbau. Liegt die Invalidität nicht für den gesamten Untertagebereich, sondern nur für einzelne Tätigkeiten vor, erfolgt eine Einzelfallprüfung hinsichtlich der Verfügbarkeit anderer zumutbarer untertägiger Stellen.
Welche rechtlichen Folgen hat der Bezug einer Bergmannsinvalidenrente auf andere Leistungen?
Der Bezug einer Bergmannsinvalidenrente hat weitreichende Auswirkungen auf andere Sozialleistungen und Rentenansprüche. Im rechtlichen Sinne besteht grundsätzlich ein Ruhenstatbestand für Erwerbseinkommen oder parallele Alterssicherungsleistungen, das heißt, Einkommen aus Beschäftigungen kann auf die Rente angerechnet und zu einer Kürzung führen. Insbesondere der Bezug von Arbeitslosengeld oder anderen Ersatzleistungen nach dem SGB III oder SGB II ist ausgeschlossen bzw. nachrangig, solange die Rentenleistung gewährt wird. Mit Erreichen der Regelaltersgrenze wird die Bergmannsinvalidenrente automatisch in eine Altersrente umgewandelt (§ 236 SGB VI). Bestehen weitere Versicherungsansprüche im Beriech der Deutschen Rentenversicherung (z. B. Rente wegen voller Erwerbsminderung), können diese konkurrieren, wobei das Prioritätsprinzip und die gesetzliche Regelung des Leistungsausschlusses greifen. Auch auf betriebliche Zusatzleistungen – etwa aus Pensionskassen oder Werksrenten – kann der Bezug der gesetzlichen Rente Auswirkungen haben, sofern entsprechende Anrechnungsklauseln in den jeweiligen Versorgungsordnungen enthalten sind.
Besteht ein Rechtsanspruch auf Weitergewährung oder Wiederaufnahme der Bergmannsinvalidenrente bei veränderter Sachlage?
Ein Rechtsanspruch auf Weitergewährung besteht, solange die Anspruchsvoraussetzungen anhalten, also insbesondere die Invalidität nach wie vor vorliegt und keine unzulässigen Nebenverdienste erzielt werden. Der Rentenversicherungsträger ist nach § 48 SGB X berechtigt und verpflichtet, die Anspruchsvoraussetzungen regelmäßig zu überprüfen. Bei Wegfall der Invalidität kommt es zur Einstellung der Leistung. Eine Wiederaufnahme (Wiederaufleben des Anspruchs) ist möglich, wenn nach Beendigung der Rente aufgrund gebesserter Gesundheit erneut Invalidität eintritt und weiterhin die sonstigen Voraussetzungen (z. B. Versicherungszeiten) vorliegen. Der Antrag muss neu gestellt werden, und das Verfahren beginnt mit neuer Anspruchsprüfung. Ein rückwirkender Anspruch ist dabei nur im Rahmen der gesetzlichen Verjährungsbestimmungen nach § 44 SGB X möglich, insbesondere bei nachträglicher Feststellung eines Rentenanspruchs durch nachgewiesene Fehler des Rentenversicherungsträgers zugunsten des Betroffenen.