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Bereicherung

Begriff und Grundgedanke der Bereicherung

Bereicherung bezeichnet einen Vermögensvorteil, den eine Person ohne tragfähigen rechtlichen Grund erlangt. Das Recht knüpft daran den Grundsatz an, dass niemand auf Kosten einer anderen Person Vorteile behalten soll, die ihm nicht zustehen. Typische Folgen sind die Herausgabe des Erlangten oder ein wertmäßiger Ausgleich. Ziel ist ein gerechter Ausgleich der Vermögenslage zwischen zwei Beteiligten.

Erscheinungsformen der Bereicherung im Zivilrecht

Bereicherung durch Leistung

Eine Bereicherung kann dadurch entstehen, dass eine Person einer anderen etwas zuwendet (Geld, Sache, Dienstleistung), obwohl dafür kein tragfähiger Rechtsgrund besteht oder dieser nachträglich entfällt. Beispiele sind versehentliche Doppelzahlungen, Zahlungen in der irrigen Annahme einer Schuld oder Zuwendungen zu einem bestimmten Zweck, der nicht erreicht wird.

Bereicherung ohne Leistung des Betroffenen

Bereicherung kann auch vorliegen, wenn eine Person in fremde Rechtspositionen eingreift oder fremde Güter nutzt und hierdurch einen Vorteil erlangt. Dazu zählen etwa die Nutzung einer Sache ohne Berechtigung, die Auswertung fremder Informationen oder die Verwertung fremder Arbeitsergebnisse.

Aufwendungen und Rückgriff

Wer im Interesse eines anderen Aufwendungen tätigt oder fremde Schulden tilgt, kann bereicherungsrechtliche Ausgleichsansprüche haben. Der Vorteil liegt in ersparten Aufwendungen oder der Befreiung von einer Verbindlichkeit.

Umfang der Herausgabe

Grundsätzlich ist das, was erlangt wurde, herauszugeben. Ist dies nicht mehr möglich, kommt Wertersatz in Betracht. Erfasst sind zudem Nutzungen und Vorteile aus dem Erhaltenen, etwa Erträge oder ersparte Kosten. Maßgeblich ist der tatsächliche Vermögensvorteil; reine Gefälligkeiten ohne Vermögenswert bleiben außer Betracht.

Einwendungen und Grenzen

Es gelten Grenzen: Fällt die Bereicherung weg, kann eine Herausgabepflicht entfallen. Auch Haftungserleichterungen kommen in Betracht, insbesondere wenn der Empfänger ohne Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund disponiert hat. Wer in Kenntnis des fehlenden Rechtsgrunds handelt, wird strenger behandelt; Vorteile sind dann weitergehend herauszugeben.

Abgrenzungen zu anderen Ansprüchen

Bereicherungsrecht schließt Lücken, wenn vertragliche, dingliche oder deliktsrechtliche Ansprüche nicht greifen oder ergänzend ein Ausgleich erforderlich ist. Bei wirksamen Verträgen steht regelmäßig die vertragliche Rückabwicklung im Vordergrund; das Bereicherungsrecht kommt insbesondere bei fehlender, fehlerhafter oder nachträglich weggefallener Grundlage zum Tragen. Im Sachenrecht ist zwischen dem Eigentumsherausgabeanspruch und dem bereicherungsrechtlichen Ausgleich zu unterscheiden. Bei Schadenszufügungen richtet sich der Ausgleich vorrangig nach dem Deliktsrecht; bereicherungsrechtliche Ansprüche können daneben bestehen, wenn ein eigenständiger Vorteil gezogen wurde.

Verjährung

Ansprüche aus Bereicherung verjähren. Es gelten allgemeine Verjährungsprinzipien: Fristen beginnen in der Regel mit Kenntnis von Anspruch und Person des Verpflichteten oder nach festen Zeitabläufen. Besondere Umstände können Fristen hemmen oder neu beginnen lassen.

Beweislast

Wer aus Bereicherung vorgeht, muss die Voraussetzungen darlegen und beweisen: das Erlangte, den fehlenden Rechtsgrund und die Zuordnung der Vorteile. Der Empfänger trägt die Beweislast für Einwendungen wie den Wegfall der Bereicherung.

Bereicherung im Strafrecht

Bedeutung der Bereicherungsabsicht

In verschiedenen Vermögensdelikten spielt die Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, eine zentrale Rolle. Erforderlich ist eine zielgerichtete Ausrichtung auf einen Vorteil, der aus der Tat herrührt und dem Vermögen des Geschädigten entspricht.

Unmittelbarer Zusammenhang von Vorteil und Schaden

Der angestrebte Vorteil muss aus dem tatbestandlichen Verhalten unmittelbar entstehen und spiegelbildlich einem Vermögensnachteil gegenüberstehen. Reine Nebenvorteile ohne unmittelbare Vermögensbetroffenheit genügen regelmäßig nicht.

Abgrenzungen

Die Bereicherungsabsicht ist von einer bloßen Nutzungserwartung oder dem Wunsch nach Vorteilen ohne Vermögensbezug zu unterscheiden. Ebenso ist sie von einer Zueignungsabsicht abzugrenzen, die auf die eigentümerähnliche Herrschaft über eine Sache zielt. Je nach Tatbestand sind beide Elemente unterschiedlich gewichtet oder nebeneinander erforderlich.

Rechtsfolgen

Neben Strafen kommen vermögensrechtliche Maßnahmen in Betracht, die darauf zielen, aus Straftaten Erlangtes abzuschöpfen. Damit soll verhindert werden, dass unrechtmäßig erzielte Vorteile behalten werden.

Öffentlich-rechtliche Kontexte

Rückforderung ohne Rechtsgrund

Auch im öffentlichen Recht können Zahlungen ohne rechtlichen Grund erfolgen, etwa bei fehlerhaften Bewilligungen. In solchen Fällen kommen Rückforderungsansprüche in Betracht, die besonderen verwaltungsrechtlichen Regeln folgen und typischerweise Verwaltungsakte voraussetzen.

Sozial- und Steuerrecht

Zu Unrecht erbrachte Leistungen im Sozialrecht oder irrtümlich erstattete Beträge im Steuerbereich können zurückgefordert werden. Die rechtlichen Maßstäbe orientieren sich an öffentlich-rechtlichen Besonderheiten, enthalten aber in der Sache ähnliche Leitgedanken zum Ausgleich ungerechtfertigter Vorteile.

Internationale Bezüge

Rechtsvergleichender Überblick

Der Grundgedanke findet sich in vielen Rechtsordnungen. Im englischsprachigen Raum wird von unjust enrichment gesprochen. Trotz unterschiedlicher dogmatischer Einordnung bestehen Gemeinsamkeiten: Es geht um den Ausgleich rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen, die Rückgewähr des Erlangten und Grenzen durch Entreicherung oder Schutz berechtigter Erwartungen.

Praktische Beispiele

Typische Fallkonstellationen

  • Doppelte oder irrtümliche Überweisung an eine falsche Person
  • Leistungsgewährung zu einem bestimmten Zweck, der nicht erreicht wird
  • Nutzung einer Sache ohne Berechtigung mit wirtschaftlichem Vorteil
  • Begleichung einer fremden Schuld in der Annahme eigener Verpflichtung
  • Aufwendungen auf fremdes Eigentum mit werterhöhender Wirkung

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet Bereicherung im rechtlichen Sinn?

Bereicherung ist ein Vermögensvorteil ohne tragfähigen rechtlichen Grund. Wer einen solchen Vorteil auf Kosten einer anderen Person erlangt, kann zur Herausgabe oder zum Wertersatz verpflichtet sein.

Wann liegt ein fehlender Rechtsgrund vor?

Ein fehlender Rechtsgrund liegt vor, wenn keine wirksame Vereinbarung oder sonstige rechtliche Grundlage für die Vermögensverschiebung besteht oder diese Grundlage nachträglich entfällt, etwa durch Anfechtung oder das Verfehlen eines vereinbarten Zwecks.

Muss nur das Erlangte oder auch Nutzungen herausgegeben werden?

Grundsätzlich ist das Erlangte herauszugeben. Hinzu kommen regelmäßig Nutzungen und Vorteile, die aus dem Erlangten gezogen wurden. Ist eine Herausgabe nicht möglich, tritt Wertersatz an die Stelle.

Was unterscheidet die Rückabwicklung eines Vertrags vom Bereicherungsrecht?

Bei wirksamen Verträgen erfolgt der Ausgleich in erster Linie nach den Regeln des Vertragsrechts. Das Bereicherungsrecht greift ein, wenn eine Leistung ohne oder ohne fortbestehenden Rechtsgrund erfolgt ist oder ergänzende Ausgleichsfragen offen sind.

Welche Rolle spielt Gutgläubigkeit oder Bösgläubigkeit?

Wer den fehlenden Rechtsgrund kannte, muss Vorteile in weiterem Umfang herausgeben und haftet strenger. Bei fehlender Kenntnis kommen Haftungserleichterungen in Betracht, insbesondere wenn die Bereicherung ohne Verschulden wieder weggefallen ist.

Welche Bedeutung hat Bereicherungsabsicht im Strafrecht?

Sie ist bei einzelnen Vermögensdelikten ein zentrales Merkmal. Erforderlich ist die zielgerichtete Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils, der unmittelbar aus der Tat herrührt und einem Schaden entspricht.

Verjährt ein Anspruch aus Bereicherung?

Ja. Es gelten allgemeine Verjährungsgrundsätze. Fristen knüpfen typischerweise an Kenntnis vom Anspruch und der Person des Verpflichteten an oder laufen nach festen Zeiträumen ab. Hemmung und Neubeginn sind möglich.

Kann eine Bereicherung auch in ersparten Aufwendungen bestehen?

Ja. Eine Bereicherung liegt nicht nur bei erhaltenen Sachen oder Geld vor, sondern auch bei ersparten Kosten, etwa wenn jemand ohne rechtliche Grundlage von einer Verbindlichkeit befreit wird.