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Benachteiligungsverbot


Begriff und Bedeutung des Benachteiligungsverbots

Das Benachteiligungsverbot ist ein grundlegendes rechtliches Prinzip, das den Schutz vor ungerechtfertigter oder diskriminierender Schlechterstellung von Personen oder Personengruppen sicherstellt. Das Verbot richtet sich vor allem gegen staatliche Institutionen, hat jedoch auch tiefgreifende Wirkung im Verhältnis zwischen Privatpersonen, insbesondere im Arbeits- und Zivilrecht. Ziel ist die Gewährleistung von Chancengleichheit und die Durchsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.


Rechtliche Grundlagen des Benachteiligungsverbots

Benachteiligungsverbot im Grundgesetz

Das deutsche Grundgesetz verankert das Benachteiligungsverbot zentral in Artikel 3. Absatz 1 garantiert die Gleichheit vor dem Gesetz, während Absatz 3 differenziert aufführt, dass niemand „wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“ darf. Hier wird das Benachteiligungsverbot als Kernelement des Diskriminierungsschutzes ausgeführt.

Einfachgesetzliche Ausgestaltung

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Das im Jahr 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist das zentrale Bundesgesetz zur Konkretisierung des Benachteiligungsverbots. Es schützt Menschen vor Benachteiligung u.a. wegen Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität in Beschäftigung, Beruf und im Zivilrechtsverkehr. Das AGG normiert weitreichende Ansprüche und Rechtsfolgen bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot, einschließlich Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen.

Spezielle Vorschriften im Arbeitsrecht

Im Arbeitsrecht enthalten zahlreiche Vorschriften ein Benachteiligungsverbot, darunter § 75 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sowie § 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Arbeitgeber sind verpflichtet, Benachteiligungen jeglicher Art zu unterlassen und auf die Gleichbehandlung der Mitarbeitenden zu achten. Insbesondere im Bereich von Einstellungen, Beförderungen, Arbeitsbedingungen und Kündigungen hat das Benachteiligungsverbot essenzielle Relevanz.

Benachteiligungsverbot im Sozialrecht und öffentlichen Recht

Das Sozialgesetzbuch (SGB) enthält in verschiedenen Büchern spezifische Benachteiligungsverbote, z. B. SGB I (§ 33a) und SGB IX (Schwerbehindertenrecht, § 164). Auch das Schulrecht und das allgemeine Verwaltungsrecht kennen Benachteiligungsverbote zugunsten besonderer Personengruppen, beispielsweise behinderte oder minderjährige Personen.


Anwendungsbereiche des Benachteiligungsverbots

Arbeitsrechtlicher Kontext

Im Bereich Arbeitsrecht schützt das Benachteiligungsverbot Beschäftigte vor Diskriminierung bei Einstellung, Beförderung, Arbeitsbedingungen, Entgelt und Entlassung. Das AGG gibt dabei einen umfassenden Rechtsrahmen vor, ergänzt durch arbeitsgerichtliche Entscheidungen. Auch Sonderregelungen für Auszubildende, Schwangere und Schwerbehinderte berücksichtigen das Benachteiligungsverbot.

Zivilrecht und Vertragsrecht

Im Zivilrecht wirkt das Benachteiligungsverbot indirekt, etwa beim Abschluss von Miet-, Kauf- und Dienstverträgen. Das AGG sieht hier Schutzmechanismen vor, beispielsweise für die Anmietung von Wohnraum oder beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen.

Öffentliche Verwaltung und Behörden

Behördliches Handeln muss das Benachteiligungsverbot wahren. Verwaltungsakte, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, sind rechtswidrig und angreifbar. Im Schulrecht, im Hochschulrecht oder bei der Vergabe öffentlicher Leistungen gilt das Gebot der Gleichbehandlung aller Antragstellenden.


Formen und Erscheinungsweisen der Benachteiligung

Unmittelbare Benachteiligung

Unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes schlechter behandelt wird, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation behandelt wurde, wird oder werden würde.

Mittelbare Benachteiligung

Eine mittelbare Benachteiligung ist gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren tatsächlich Personen im Sinne des § 1 AGG benachteiligen, ohne dass hierfür eine sachliche Rechtfertigung vorliegt.


Ausnahmen und Rechtfertigungsmöglichkeiten

Das Benachteiligungsverbot kennt keine ausnahmslose Geltung. Eine Benachteiligung kann ausnahmsweise zulässig sein, wenn sie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt und die Maßnahmen angemessen sowie erforderlich sind. Im AGG sind solche Rechtfertigungen insbesondere in §§ 8-10 geregelt, etwa wenn berufliche Anforderungen eine Unterscheidung rechtfertigen (Stichwort: „positive Maßnahmen“ und „positive Diskriminierung“ zur Herstellung tatsächlicher Gleichstellung).


Rechtsschutz und Sanktionen bei Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot

Durchsetzung

Betroffene können Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung, Schadensersatz und Entschädigung geltend machen. Im Arbeitsverhältnis besteht zudem ein besonderer Kündigungsschutz. Kollektive Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen insbesondere durch Betriebs- und Personalräte, Gleichstellungsbeauftragte sowie Antidiskriminierungsstellen.

Sanktionen

Die Nichteinhaltung des Benachteiligungsverbots kann neben zivilrechtlichen Ansprüchen auch arbeitsrechtliche Abmahnungen und Schadensersatzforderungen auslösen. In bestimmten Fällen drohen Bußgelder sowie behördliche Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung.


Internationales und europäisches Recht

Das Benachteiligungsverbot ist ebenfalls im internationalen und europäischen Recht verankert. Die Europäische Union gibt durch Richtlinien (z. B. Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG) verbindliche Vorgaben zum Schutz vor Diskriminierung, die in deutsches Recht umgesetzt wurden. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und zahlreiche UN-Übereinkommen, zum Beispiel die UN-Behindertenrechtskonvention, enthalten vergleichbare Regelungen.


Zusammenfassung und Bedeutung für die Rechtsordnung

Das Benachteiligungsverbot ist ein zentrales Element des modernen Rechtsstaats. Es gewährleistet die Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes, fördert soziale Gerechtigkeit und trägt zur Integration benachteiligter Gruppen bei. Seine Beachtung ist von wesentlicher Bedeutung für sowohl staatliche Stellen als auch private Akteure und durchzieht sämtliche Bereiche des öffentlichen und privaten Rechts. Die konsequente Durchsetzung und Weiterentwicklung des Benachteiligungsverbots bilden einen maßgeblichen Bestandteil einer diskriminierungsfreien und offenen Gesellschaft.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln das Benachteiligungsverbot in Deutschland?

Das Benachteiligungsverbot ist in Deutschland vor allem durch das Grundgesetz (GG), genauer Art. 3 GG geregelt, der die Gleichheit vor dem Gesetz garantiert und sowohl ausdrückliche als auch mittelbare Diskriminierungsverbote enthält. Ergänzend dazu finden sich spezielle Ausgestaltungen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), welches Benachteiligungen insbesondere aus Gründen der Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alters oder sexuellen Identität im Zivilrecht und Arbeitsrecht untersagt. Daneben existieren weitere sektorale Regelungen, wie beispielsweise das Sozialgesetzbuch IX für Menschen mit Behinderung, das Betriebsverfassungsgesetz sowie landesrechtliche Gesetze, welche das Benachteiligungsverbot konkretisieren. Europarechtliche Vorgaben beeinflussen zudem das nationale Recht maßgeblich, etwa durch die EU-Gleichbehandlungsrichtlinien, sodass das deutsche Benachteiligungsverbot in einem vielschichtigen Rechtsrahmen steht.

Welche Rechtsfolgen können sich bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ergeben?

Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot zieht unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich, abhängig vom jeweiligen rechtlichen Kontext. Im Arbeitsrecht etwa kann eine Benachteiligung nach dem AGG Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche des Benachteiligten gegenüber dem Arbeitgeber begründen (§§ 15, 21 AGG). Im öffentlichen Recht besteht bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot etwa ein Anspruch auf Rückgängigmachung diskriminierender Verwaltungsakte oder gegebenenfalls auf Nachteilsausgleich. Im Bereich des Zivilrechts können benachteiligende Vertragsklauseln entweder nichtig sein oder zu entsprechenden Schadensersatzforderungen führen. Zudem können Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot in bestimmten Fällen auch Ordnungswidrigkeiten oder sogar Straftatbestände erfüllen, sofern vorhandene Schutzgesetze verletzt werden.

Wie wird geprüft, ob eine Benachteiligung im rechtlichen Sinne vorliegt?

Die Prüfung einer Benachteiligung erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst wird festgestellt, ob der Anwendungsbereich des jeweiligen Benachteiligungsverbots eröffnet ist, also ob die betroffene Person zu einer geschützten Gruppe gehört und ein geschütztes Rechtsverhältnis (z. B. Arbeitsverhältnis, Vertragsverhältnis) vorliegt. Anschließend wird ermittelt, ob eine Differenzierung oder Ungleichbehandlung stattgefunden hat. Daran schließt sich die Prüfung an, ob diese Ungleichbehandlung objektiv gerechtfertigt werden kann, etwa durch sachliche Gründe, wie besondere berufliche Anforderungen oder gesetzliche Vorschriften. Liegt keine Rechtfertigung vor, ist von einer unzulässigen Benachteiligung auszugehen, die entsprechende Rechtsfolgen nach sich ziehen kann. Die Darlegungs- und Beweislast ist dabei teilweise zugunsten der benachteiligten Person durch das AGG erleichtert, etwa durch die sogenannte Beweislastumkehr.

Gibt es Ausnahmen vom Benachteiligungsverbot und wenn ja, welche?

Das Benachteiligungsverbot gilt nicht uneingeschränkt, sondern unterliegt gesetzlich normierten Ausnahmen. So können Ungleichbehandlungen gerechtfertigt sein, wenn sie einem legitimen Ziel dienen und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Beispielsweise ist die Festlegung bestimmter körperlicher Anforderungen für bestimmte Berufe (z. B. Feuerwehrdienst) zulässig, wenn sie objektiv notwendig ist (sogenannte „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen“, § 8 AGG). Auch positive Maßnahmen, die gezielt die Benachteiligung bestimmter Gruppen ausgleichen sollen, wie Quotenregelungen oder Förderprogramme für Frauen oder Menschen mit Behinderung, sind nicht als Benachteiligung im rechtlichen Sinn anzusehen. Solche Ausnahmen müssen jedoch stets verhältnismäßig und gesetzlich abgesichert sein.

Welche Rolle spielen europarechtliche und internationale Vorgaben beim Benachteiligungsverbot?

Europarechtliche Vorgaben haben das deutsche Benachteiligungsverbot erheblich beeinflusst und tragen weiterhin zu seiner Ausgestaltung bei. Insbesondere die EU-Gleichbehandlungsrichtlinien (Beispiel: RL 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf) verpflichten die Mitgliedstaaten zur Schaffung umfassender Antidiskriminierungsgesetze. Darüber hinaus sind internationale Abkommen wie die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und die UN-Behindertenrechtskonvention zu beachten, welche Diskriminierungsverbote auf supra- bzw. internationaler Ebene festlegen. Die nationale Gesetzgebung, wie insbesondere das AGG, muss daher immer im Lichte dieser supranationalen und internationalen Vorgaben ausgelegt und angewendet werden, wobei Gerichte auch Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs sowie Hinweise internationaler Gremien berücksichtigen.

Inwiefern schützt das Benachteiligungsverbot auch vor mittelbarer Diskriminierung?

Das Benachteiligungsverbot umfasst nicht nur unmittelbare, sondern ausdrücklich auch mittelbare Diskriminierung. Von mittelbarer Diskriminierung spricht man, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren aufgrund besonderer Wirkungen bestimmte Gruppen benachteiligen, ohne dass dies offen ausgesprochen wird. Nach § 3 Abs. 2 AGG ist eine mittelbare Benachteiligung dann gegeben, wenn eine Vorschrift oder Praxis zwar formal für alle gleich gilt, in der Praxis jedoch bei Angehörigen einer bestimmten geschützten Gruppe zu Nachteilen führt, es sei denn, diese Praxis kann durch ein legitimes Ziel sachlich gerechtfertigt werden und die Mittel sind angemessen und erforderlich. Dieser erweiterte Diskriminierungsschutz trägt dazu bei, verdeckte strukturelle Benachteiligungen im Arbeitsleben, im Zugang zu Gütern und Dienstleistungen oder im öffentlichen Bereich zu verhindern.

Wer trägt die Beweislast bei behaupteter Benachteiligung?

Im Falle einer behaupteten Benachteiligung sieht das AGG eine Beweiserleichterung für die betroffene Person vor. Nach § 22 AGG genügt es, wenn die betroffene Person Indizien vorträgt, die eine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen. Steht ein solcher Anschein fest, so obliegt es der Gegenseite (z. B. Arbeitgeber oder Vertragspartner), zu beweisen, dass kein Verstoß vorliegt oder dass ein Rechtfertigungsgrund gegeben ist. Diese sogenannte Beweislastumkehr dient dem effektiven Schutz der von Benachteiligung bedrohten Gruppen, da diese Diskriminierungen in der Praxis oftmals nur schwer nachweisen können. Gleichwohl bleibt die vollständige Darlegung und der Nachweis der Indizien Sache der klagenden Partei.